1 Einleitung

Im Zuge ihrer Entwicklungsarbeit haben Schulen die Möglichkeit, bei Bedarf auf staatliche wie nicht staatliche Unterstützungssysteme zurückzugreifen. Staatliche Unterstützungssysteme für Schulentwicklung, wie Beratungen, interschulische Netzwerke und Lehrkräftefortbildungen sowie Inspektionen, Vergleichsarbeiten und zentrale Abschlussprüfungen (vgl. Järvinen et al. 2015) werden sowohl im deutschsprachigen als auch im internationalen Raum seit etwa zwei Jahrzehnten auf- bzw. ausgebaut (vgl. Webs und Manitius 2021). Vor dem Hintergrund veränderter Vorstellungen über die Steuerung von Bildungssystemen, in deren Rahmen den Schulen einerseits eine größere Gestaltungsautonomie gewährt und höhere Verantwortung übertragen und andererseits eine strikte Überprüfung von Zielvorgaben abverlangt wird, sollen sie die für Schulen entstehenden Anforderungen abfedern (vgl. ebd.). Die zentralen Unterstützungssysteme sind in den vergangenen Jahren empirisch beforscht worden, so dass zu den Bedingungen und Wirkungen effektiver schulischer Unterstützung inzwischen einige Befunde vorliegen – wenn auch je nach betrachtetem Unterstützungssystem in unterschiedlichem Umfang (vgl. ebd.).

Der vorliegende Beitrag verfolgt das Ziel, den diesbezüglichen Erkenntnisstand weiter auszudifferenzieren. Dazu geht er der übergeordneten Fragestellung nach, inwiefern Unterstützungssysteme in die Entwicklungsarbeit von Schulen einbezogen werden, und unterscheidet sich in zweifacher Hinsicht von bisherigen Untersuchungen. Zum einen nimmt er eine anders gelagerte Perspektive auf den Untersuchungsgegenstand ein: Während der Fokus in den meisten Untersuchungen bislang jeweils auf einzelnen Unterstützungssystemen lagFootnote 1, die hinsichtlich ihres Beitrags zum schulischen Entwicklungsprozess betrachtet wurden, rückt der Beitrag – umgekehrt – den schulischen Entwicklungsprozess in den Mittelpunkt und ordnet vor dieser Hintergrundfolie die Unterstützungssysteme und die ihnen jeweils zugeschriebenen Leistungen für die schulische Weiterentwicklung ein. Dadurch ist es möglich, mehrere Unterstützungssysteme gleichzeitig zu betrachten.

Zum anderen nimmt der Beitrag eine spezifische theoretisch-konzeptionelle Perspektive ein: Er zieht das jüngst von Maag Merki und Kolleg/innen vorgelegte Konzept von Schulentwicklung als Regulationsprozess (vgl. Maag Merki 2020; Maag Merki et al. 43,44,a, b) heran, das eine differenziertere Beschreibung von schulischen Entwicklungsprozessen erleichtert, und wendet es erstmals empirisch auf die Thematik der Unterstützungssysteme an. Dadurch ist es möglich, die oben erwähnte Einordnung der Unterstützungssysteme und der ihnen zugewiesenen Leistungen in den schulischen Entwicklungsprozess systematischer vorzunehmen.

Der Beitrag nimmt dabei explizit keinen bewertenden Blick ein, es geht also nicht darum, das Ausmaß der tatsächlichen Nutzung der Systeme in Umfang und Qualität zu evaluieren; vielmehr soll die Art der Einbeziehung der unterschiedlichen Unterstützungssysteme vor dem Hintergrund eines spezifischen, theoretisch bereitgestellten Rasters genauer beschrieben werden. In dieser Hinsicht beinhaltet der Beitrag eine den bestehenden Erkenntnisstand ausdifferenzierende, deskriptive Blickrichtung.

Zur Beantwortung der übergeordneten Fragestellung wird auf Befunde einer explorativ angelegten Studie rekurriert, in deren Rahmen 16 leitfadengestützte Interviews mit Schulleitungen geführt und inhaltsanalytisch ausgewertet worden sind.

Im Folgenden wird zunächst das Konzept von Schulentwicklung als Regulationsprozess entfaltet (Abschn. 2). Anschließend erfolgt eine begrifflich-konzeptionelle Klärung von Unterstützungssystemen für Schulentwicklung (Abschn. 3). Nachdem empirische Befunde zu Unterstützungssystemen für Schulentwicklung mit Bezug auf das Konzept von Schulentwicklung als Regulationsprozess dargelegt worden sind (Abschn. 4), werden die konkreten Fragestellungen und das methodische Vorgehen (Abschn. 5) sowie zentrale Ergebnisse (Abschn. 6) der eigenen Untersuchung präsentiert. Der Beitrag mündet in einem Fazit und Ausblick (Abschn. 7).

2 Schulentwicklung als Regulationsprozess

Einem aktuellen Verständnis entsprechend lässt sich Schulentwicklung als systematisierte, zielgerichtete und selbstreflexive Weiterentwicklung von Einzelschulen verstehen, die – eingebunden in den Kontext des gesamten Bildungssystems – als Ziele die Professionalisierung der schulischen Prozesse und in der Folge das Lernen der Schüler/innen anstrebt (vgl. u. a. Maag Merki 2022). In der deutschsprachigen Literatur hat sich die Unterscheidung dreier inhaltlicher Bereiche durchgesetzt, die sich gegenseitig bedingen: der Unterrichtsentwicklung (UE, als Weiterentwicklung der Lernkultur in Unterricht und Schule), der Personalentwicklung (PE, als Weiterentwicklung der Wissens- und Kompetenzstände des pädagogischen Personals) und der Organisationentwicklung (OE, als Weiterentwicklung der Schulorganisation) (Dedering 2012). Rolff (2010) postuliert in seinem „Drei-Wege-Modell“, dass „keine UE ohne OE und PE, keine OE ohne PE und UE, keine PE ohne OE und UE“ (S. 35) funktional sei.

Es sind einige Ansätze der Schulentwicklungstheorie vorgelegt worden, die sich in aller Regel an Bezugstheorien aus benachbarten Wissenschaftsbereichen ausrichten und daher ganz unterschiedliche theoretische Rahmungen aufweisen (Bohl et al. 2010). Insbesondere Ansätze, die die Schule als lernende Organisation verstehen und der Grundidee folgen, dass Schulen nicht nur Lernorganisationen darstellen, sondern als Organisationen auch selbst zu Lernprozessen in der Lage sind (vgl. Argyris und Schön 1978), haben zur Erklärung von Schulentwicklungsprozessen eine breite Rezeption erfahren (vgl. Maag Merki 2022)Footnote 2. In zahlreichen Ansätzen und Konzepten des organisationalen Lernens wird davon ausgegangen, dass Lernen auf der individuellen, kollektiven und organisationalen Ebene stattfindet, wobei die Lernergebnisse auf den einzelnen Ebenen jeweils einander voraussetzen und auf die nächst höhere Ebene transformiert werden (u. a. Argyris und Schön 1978). Beim Lernen auf der individuellen Ebene nimmt das Individuum (z. B. eine Lehrkraft) in der Interaktion mit der Umwelt neue Informationen auf und fügt sie seinem bereits vorhandenen Wissen zu. Die Organisation mit ihrer Struktur und Kultur stellt einen Rahmen dar, der sich förderlich oder hinderlich auf das individuelle Lernen auswirken kann. Das Lernen auf der nächst höheren – der kollektiven – Ebene erfolgt in Gruppen bzw. in Teams (z. B. Jahrgangsteams), die das Bindeglied zwischen dem Individuum auf der einen und der Organisation auf der anderen Seite darstellen. Im Teamhandeln, dem ein gemeinsames Ziel zu Grunde liegt, findet ein Prozess der kollektiven Sinnkonstruktion statt. Auf der Basis von Lernprozessen auf den beiden beschriebenen Ebenen kann Lernen auf der organisationalen Ebene (z. B. im Gesamtkollegium einer Schule) stattfinden.

Als Ausgangspunkt für organisationales Lernen wird oftmals das Auftreten einer herausfordernden Situation betrachtet (z. B. eine Wahrnehmung von Widersprüchen im organisationalen Handeln oder von Diskrepanzen zwischen erwarteten und tatsächlichen Ereignissen). Die Innovationsforschung hat weitere Faktoren hervorgebracht (u. a. Unzufriedenheit und Belastung als Folge der Störung des „institutionellen Gleichgewichts“ einer Schule durch äußere oder innere Probleme (gleichgewichtsorientiertes Paradigma) sowie Macht- und Zwangsmittel (Machtstrategien), die rationale Überzeugung von Menschen durch objektive Informationen u. a. über Situationen (rational-empirische Strategien) und die Änderung u. a. von Haltungen, Normen und Fertigkeiten von Personen bei gleichzeitigen organisationsbezogenen Änderungen (normativ-reeduktive Strategien)) (u. a. Holtappels 2013, 2014).

Als theoretisch-konzeptionelle Weiterentwicklung von Ansätzen organisationalen Lernens ist jüngst das Konzept der Schulentwicklung als Regulationsprozess vorgelegt worden (vgl. Maag Merki et al. 43,44,a, b), das als Analysefolie der diesem Beitrag zu Grunde liegenden Untersuchung fungiert und deshalb an dieser Stelle detaillierter dargestellt wird. Mit dem Ziel, die Analyse- und Reflexionsschritte im Prozess des organisationalen Lernens detaillierter zu erfassen, wird in diesem Konzept mit Ansätzen des selbstregulierten Lernens gearbeitet (vgl. u. a. Boekaerts 1997), die bisher nur vereinzelt auf Organisationen und die Weiterentwicklung von Schulen als Organisationen übertragen worden sind (vgl. u. a. Muijs et al. 2014).

Regulation definieren Maag Merki und Kolleg/innen als die (selbst-)reflektierend auf der individuellen, interpersonalen und organisationalen Ebene stattfindende Identifikation, Analyse und Adaptation von Aufgaben, Standards und Zielen, Dispositionen und Operationen, bei der kognitive, metakognitive, motivational-emotionale und ressourcenorientierte Strategien zum Einsatz kommen (vgl. Maag Merki et al. 43,44,a, b). Die Autor/innen verstehen Regulation als die Rekonstruktion sowie Dekonstruktion und anschließende Weiterentwicklung der aktuellen Praxis. Dazu wird die alltägliche schulische Arbeit fokussiert und analysiert, wobei neues Wissen gesucht und konstruiert wird, um die Unterstützung und den Lernerfolg der Schüler/innen zu verbessern (vgl. ebd.). Die Regulation stellt einen komplexen, explorativen Prozess dar, der sozial konstruiert und geteilt ist (vgl. u. a. Camburn 2010) und erforderlich wird, wenn bisherige Routineprozesse in der Schule nicht mehr geeignet sind, um die gesetzten Ziele zu erreichen oder wenn Herausforderungen wahrgenommen werden, die ein modifiziertes Handeln notwendig erscheinen lassen (vgl. Maag Merki 2020).

Als zentrale Komponenten des Konzepts von Schulentwicklung als Regulationsprozess, die für die eigene Untersuchung relevant sind, werden nachfolgend Bereiche, in denen Aktivitäten der Regulation ansetzen können, Schritte, in die der Regulationsprozess aufgeteilt werden kann, und Ebenen, auf denen Akteur/innen Aktivitäten der Regulation vollziehen können, dargestellt.

Regulationsbereiche

Das Konzept unterscheidet vier Bereiche, denen im Zuge der Regulation eine (empirisch nachgewiesene) Bedeutung zukommt: (1) Der Bereich der Aufgaben umfasst im weitesten Sinne Anforderungen an schulische Akteur/innen, die in der Schulentwicklung, im Unterricht und bei der Förderung von Schüler/innen auftauchen, etwa in Bezug auf die Einführung neuer methodischer Verfahren oder die Zusammensetzung der Schüler/innen/schaft. Aufgaben variieren u. a. hinsichtlich ihres Inhalts und ihrer Komplexität. Beispiele für die Regulation von Aufgaben sind die Konkretisierung ihrer Inhalte, die Modifikation von Zuständigkeiten für sie und die Beschaffung von Informationen zu ihrem besseren Verständnis. (2) Der Bereich der Standards/Ziele bezieht sich auf die (mit den Aufgaben verbundenen) Ziele, Normen und Werte. Diese variieren u. a. hinsichtlich ihrer Komplexität und ihres Differenziertheitsgrades. Beispiele für die Regulation von Standards/Zielen sind die Schaffung einer größeren Klarheit über sie und eine Analyse ihrer Angemessenheit. (3) Der Bereich der Dispositionen von Akteur/innen und Akteursgruppen umfasst als zentrale Voraussetzungen für die Realisierung von Aufgaben motivational-emotionale Dispositionen (= motivationale Orientierungen, Gefühle, Denkweisen, Werte) sowie (meta-)kognitive Dispositionen (= Taktiken und Strategien, deklaratives und prozedurales Wissen über Schulentwicklung, die Aufgabe, Strategien, Akteur/innen) von schulischen Akteur/innen. Als Beispiele für die Regulation von Dispositionen lassen sich der Einsatz gezielter Strategien zur Reduzierung von Befürchtungen oder zur Steigerung von Wissen über Lösungsansätze für Aufgaben anführen. (4) Der Bereich der Operationen schließlich bezieht sich auf implizite oder explizite Strategien und Methoden, die zur Realisierung schulischer Aufgaben (z. B. Unterrichtsmethoden, Kooperationsstrategien etc.) oder zur Regulation der gegenwärtigen Praktiken in der Schule (z. B. kognitive/metakognitive Strategien) eingesetzt werden. Ein Beispiel für eine Regulation in diesem Bereich ist das Sichtbarmachen der eingesetzten Methoden.

Regulationsschritte

Das Konzept differenziert zwischen drei Schritten der Regulation, die idealtypisch voneinander getrennt werden, in der Praxis aber eng verzahnt sind: Im Schritt der Identifikation erfolgt das (beschreibende) Sichtbarmachen bzw. Sich-Bewusstwerden eines Gegenstandes, der in der Schulentwicklung oftmals eine herausfordernde Situation oder Aufgabe darstellt, für deren Bearbeitung keine einfachen Mittel und Strategien zur Verfügung stehen. Der Schritt der Analyse beinhaltet eine reflexive Auseinandersetzung mit dem Gegenstand, die mittels Interpretations- und Wahrnehmungsprozessen bzw. einer kategorien- oder normgeleiteten Analyse vollzogen wird, um ein gewichtetes Verständnis vom Gegenstand zu entwickeln, also Stärken und Schwächen zu identifizieren und mögliche Ziele für eine Weiterentwicklung der Praxis festzulegen. Der Schritt der Adaptation umfasst die Weiterentwicklung der aktuellen Praxis, indem auf der Basis der im Identifikations- und Analyseprozess gewonnenen Erkenntnisse die bestehende Praxis angepasst wird, so dass ein höherer Zielerreichungsgrad realisiert werden kann. Potenzielle Aktivitäten sind etwa das Sammeln von Ideen über mögliche Handlungsalternativen.

Regulationsebenen

Schließlich unterscheidet das Konzept drei Ebenen, auf denen Regulationsprozesse ablaufen: die individuelle Ebene, auf der Schulleitungen oder einzelne Lehrkräfte aktiv sind, die interpersonelle Ebene, auf der sich Fach- oder Jahrgangsteams sowie Steuergruppen engagieren, und die organisationale Ebene, auf der das gesamte Kollegium oder die Schule als Organisation einbezogen sind.

3 Unterstützungssysteme für Schulentwicklung

Unterstützungssysteme im Bildungssystem sind aus schulpolitischer Sicht, ganz allgemein, als systematische Hilfestellung konzipiert (vgl. Järvinen et al. 2015). Sie werden als „institutionalisierte Dienste“ (Arbeitsgruppe Internationale Vergleichsstudie 2007, S. 144) verstanden, die sich mit ihren jeweiligen Leistungen an unterschiedliche Adressat/innen richten. Genannt werden Schulträger/innen, Schulverwaltungen, Schulleitungen, Lehrkräfte und Schüler/innen. Die Dienste beziehen sich auf ein sehr breites Spektrum, das nicht nur Akteur/innen und Institutionen, sondern auch Maßnahmen und Verfahren umfasst (vgl. Webs und Manitius 2021). Sie intendieren, zu einer Verbesserung von Schulqualität beizutragen (vgl. Arbeitsgruppe Internationale Vergleichsstudie 2007) und werden in dieser Hinsicht inzwischen als wesentliche Bedingung für erfolgreiche Schulentwicklungsprozesse angesehen (vgl. Pfänder 2021). Konstitutive Merkmale von Unterstützungssystemen sind ihre Institutionalisierung i. S. einer Dauerhaftigkeit und Formalisierung des Angebotes sowie ihr Dienstleistungscharakter (vgl. Webs und Manitius 2021), der auf die Freiwilligkeit der Inanspruchnahme des Angebotes verweist. Aber auch die Verbindlichkeit wird als Merkmal herausgestellt, da schulische Unterstützungssysteme auch als Steuerungsinstrumente zur Durchsetzung bildungspolitischer und -administrativer Vorhaben eingeführt werden (vgl. Berkemeyer 2021). Dies verweist auf die Doppelfunktion, die den hier betrachteten Diensten als Unterstützungs- und Steuerungsinstrumenten zukommt. Je nach zugeschriebenen Aufgaben und Funktionen erfüllen die einzelnen Systeme jeweils die eine oder die andere Funktion etwas stärker. Systematisierungsversuche in der Literatur ermöglichen einen differenzierten Blick. Sie unterscheiden die Systeme erstens nach dem programmatisch angenommenen Autonomiegrad bei der Inanspruchnahme von Unterstützung und der Möglichkeit zur Mitbestimmung und Mitgestaltung der Unterstützungsleistungen (obligatorische (verpflichtende, schulextern gestaltete) und fakultative (freiwillige, schulintern mitzugestaltende) Systeme) (ebd.). Zweitens differenzieren sie die Systeme mit Blick auf die Ausgestaltung sozialer Beziehungen zwischen Unterstützungssystem und Schule (kooperations-, kontroll- und konkurrenzbasierte Systeme) (ebd., Järvinen et al. 2015). In diesem Beitrag werden diese Differenzierungen sowie die unterschiedlich starke konzeptionelle Ausrichtung der Systeme an dem Aspekt der Unterstützung von Schulen mitgedacht; es wird aber prinzipiell jedem System ein Unterstützungspotenzial und eine Wahrnehmung als systematische Hilfestellung von Seiten der Adressat/innen zugestanden. Dabei wird auf jene Unterstützungssysteme abgehoben, die sich primär an Schulleitungen und Lehrkräfte als Adressat/innen richten (vgl. Tab. 1):

Tab. 1 Zentrale Unterstützungssysteme für Schulentwicklung

4 Empirische Befunde zu Unterstützungssystemen für Schulentwicklung mit Bezug auf das Konzept von Schulentwicklung als Regulationsprozess

Im vorliegenden Beitrag werden nun die Vorstellung von Schulentwicklung als Regulationsprozess einerseits und die Unterstützungssysteme für Schulentwicklung andererseits zusammengebracht. Dabei ist zunächst festzuhalten, dass alle in Tab. 1 genannten Unterstützungssysteme in den vergangenen Jahren Gegenstand der Schulentwicklungsforschung gewesen sind. Für einige Systeme liegen hinsichtlich ihrer Nutzung für die und ihres Beitrags zu der Entwicklungsarbeit von Schulen bereits umfänglichere Erkenntnisse vor; so etwa für Schulinspektionen (u. a. Altrichter und Kemethofer 2016; Dedering 2016; Böhm-Kasper et al. 2016) und Vergleichsarbeiten (u. a. Demski 2021; Kuper et al. 2016; Richter 2016), in etwas geringerem Maße auch für interschulische Netzwerke (u. a. Berkemeyer et al. 2015; Pfänder 2021) und Lehrkräftefortbildungen (u. a. Kennedy 2016; Webs 2021). Vereinzelt wurden Untersuchungen zu Schulentwicklungsberatungen (u. a. Adenstedt 2016; Altrichter et al. 2021; Dedering et al. 2013) und zentralen Abschlussprüfungen (u. a. Klein et al. 2014; Maag Merki 2012; Lorenz 2021) durchgeführt. Die jeweiligen Forschungsstände können hier nicht im Detail referiert werden (hierzu u. a. Dedering und Kallenbach 2023; Webs und Manitius 2021). Es sei aber darauf hingewiesen, dass vor allem den kooperationsbasierten (fakultativen) Systemen (interschulische Netzwerke, Schulentwicklungsberatungen) Beiträge zur Schulentwicklung attestiert werden, wohingegen kontrollierende ((bei ihrer Einführung zunächst) obligatorische) Systeme (Vergleichsarbeiten, zentrale Abschlussprüfungen und Schulinspektionen) offensichtlich ein geringeres Unterstützungspotenzial besitzen (Pfänder 2021).

Mit Blick auf empirische Befunde zu Unterstützungssystemen mit Bezug auf das Konzept von Schulentwicklung als Regulationsprozess – die hier im Fokus stehende Zusammenführung – hat Maag Merki (2020) für die in Abschn. 2 explizierten Regulationsschritte schon einmal konzeptionelle Überlegungen zu spezifischen Leistungen der Systeme für das Lernen von Schulen angestellt. Sie hält fest, dass die Identifikation über das Zur-Verfügung-Stellen von Informationen durch Schulentwicklungsberatungen, Schulinspektionen und Vergleichsarbeiten unterstützt werden kann (spezifische Leistung: Bereitstellung von Informationen über die schulische Arbeit), auch zu Aspekten, die Schulen aufgrund begrenzter fachlicher Kompetenzen und sachlicher Ressourcen nicht selbst einholen können. Im Falle der Schulentwicklungsberatungen kann die schulinterne Analyse schulischer Prozesse durch situative Rückmeldungen zu schulischen Praktiken auf Schulbesuchen punktuell ergänzt werden; im Falle der Schulinspektionen ist eine Ergänzung des innerschulischen Blicks u. a. durch eine Spiegelung der Selbsteinschätzungen der Schulen mit den Fremdeinschätzungen von Externen möglich und im Falle der Vergleichsarbeiten ergänzt der Vergleich mit anderen Schulen das innerschulische Bild (spezifische Leistung in allen drei Fällen: Erweiterung der schulischen Perspektive). Die Analyse kann in Lehrkräftefortbildungen angeleitet und begleitet werden. In eng mit den schulischen Bedürfnissen verzahnten Angeboten werden Kompetenzen der Regulation erworben, in der Praxis umgesetzt und reflektiert (spezifische Leistung: Vermittlung neuen Wissens (Inhalte/Kompetenzen)). Eine punktuelle und gezielte Unterstützung ist über Schulentwicklungsberatungen (etwa im Bereich der Unterrichtsentwicklung) möglich (spezifische Leistung: Bereitstellung passgenauer Angebote). Die Adaptation kann über Lehrkräftefortbildungen, Schulentwicklungsberatungen und interschulische Netzwerke unterstützt werden, wobei es vor allem um die Bereitstellung von möglichen Handlungsalternativen (spezifische Leistung) (z. B. bezüglich der Gestaltung von Unterricht) geht, die an die einzelschulischen Bedingungen angepasst und implementiert werden. Im Falle der Schulentwicklungsberatungen können diese Prozesse auf einer Metaebene analytisch begleitet werden (spezifische Leistung: Moderation/Begleitung von Prozessen) (vgl. ebd.).

Über die Überlegungen Maag Merkis (2020) hinausgehende, zumal empirische, Arbeiten zu Unterstützungssystemen im Kontext des Konzepts von Schulentwicklung als Regulationsprozess liegen bislang nicht vor. Angesichts dieser Situation intendiert eine eigene, explorative Studie erste evidenzbasierte Erkenntnisse zu liefern.

5 Fragestellung und methodisches Vorgehen

Die Studie geht der übergeordneten Fragestellung nach, inwiefern Unterstützungssysteme in die Entwicklungsarbeit von Schulen einbezogen werden. Diese Entwicklungsarbeit wird im Sinne expliziter, systematisch gestalteter Prozesse der Modifikation der schulischen Praxis verstanden, die durch (schulexterne oder schulinterne) herausfordernde Situationen ausgelöst werden und aus denen spezifische Aufgaben für Schulentwicklung erwachsen. Auf Basis der zuvor entfalteten theoretischen Perspektive wird die Entwicklungsarbeit anhand zentraler Kategorien des Konzepts von Schulentwicklung als Regulationsprozess betrachtet. Im Einzelnen wird in der Studie eruiert,

  1. 1.

    im Zuge welcher (schulextern oder schulintern) herausfordernder Situationen und damit verbundener Aufgaben in welchen Regulationsbereichen bei welchen Regulationsschritten und auf welchen Regulationsebenen welche Unterstützungssysteme von Schulen herangezogen werden und

  2. 2.

    welche spezifischen Leistungen die genutzten Unterstützungssysteme für den Entwicklungsprozess von Schulen jeweils erbringen.

Zur Beantwortung dieser Fragestellungen wird auf empirische Befunde aus einer Interviewstudie rekurriert, welche im Jahr 2019 exemplarisch in zwei deutschen Bundesländern durchgeführt wurde, in denen wegen einer realisierten Studie zur Schulaufsicht (vgl. Dedering 2020, 2021b) bereits ein Feldzugang bestand. Innerhalb des Zuständigkeitsbereichs der einbezogenen Schulaufsichtseinheiten wurden Schulen und deren Leitungen als Gesprächspartner/innen ausgewählt. Die Auswahl der Schulen erfolgte auf Vorschlag von Ansprechpartner/innen in der Schulaufsicht nach dem Kriterium der (möglichst breiten) Erfahrung der schulischen Akteur/innen mit Unterstützungssystemen sowie mit Blick auf ein ausgewogenes Verhältnis der in den Bundesländern jeweils angebotenen Schulformen des Primar- und Sekundarbereichs. Ein derartiges Vorgehen erscheint vertretbar, weil das Erkenntnisinteresse der Studie – wie eingangs bereist erwähnt – kein evaluatives ist, es also nicht um eine bewertende Einschätzung der tatsächlichen Nutzung der Systeme in Umfang und Qualität geht, sondern um neue Einsichten in die Art der Einbeziehung von Unterstützungssystemen. Die breite Erfahrung von Schulen mit Unterstützungssystemen stellt also die Voraussetzung für einen Erkenntnisgewinn dar, und ein Rückgriff auf das diesbezügliche Expert/innen- bzw. Insider/innenwissen der Ansprechpartner/innen in der Schulaufsicht schien unumgänglich. Die potenzielle Gefahr, eine Positivauswahl von Schulen zu generieren, die die Ergebnisse ggf. in eine bestimmte Richtung verzerren könnte, wurde als gering eingeschätzt.

Als Gesprächspartner/innen fungierten Schulleitungen, die qua ihres Amtes über einen privilegierten Zugang zu Informationen und Wissen zu den im Mittelpunkt der Studie stehenden Entwicklungsaktivitäten an ihren Schulen verfügten und in dieser Hinsicht als Sachverständige bzw. Expert/innen für die Thematik zu verstehen sind (Meuser und Nagel 2009). Die Interviews wurden auf Basis eines Leitfadens durchgeführt, der – auch wenn er eher als Orientierungshilfe denn als starres Instrument verstanden wurde – den Gesprächsverlauf strukturierte und in eine Richtung lenkte, die für die Beantwortung der Forschungsfragen von Interesse war (Helfferich 2011). Zugleich ermöglichte sein Einsatz die Vergleichbarkeit der Schulleitungsaussagen. Im Mittelpunkt der Interviews stand die schulische Entwicklungsarbeit unter Einbeziehung von Unterstützungssystemen von Schulentwicklung. Die Schulleitungen hatten die Möglichkeit, die Entwicklungsarbeit vor dem Hintergrund ihrer subjektiven Erfahrungen und Sichtweisen zu erläutern (Flick 2021). Zu Beginn des Gesprächs wurde ihnen eine Übersicht über zentrale Unterstützungssysteme in der Schulentwicklung vorgelegt (vgl. Järvinen et al. 2015). Im Zuge der Einstiegsfrage des Leitfadens wurden sie gebeten, zu berichten, auf welche Weise Schulentwicklung in den vergangenen fünf bis sieben Jahren an ihrer Schule abgelaufen ist und inwiefern auf Unterstützung von außen zurückgegriffen worden ist. Sofern in den Schilderungen der Befragten einzelne Unterstützungssysteme keine Erwähnung fanden, wurde – ebenfalls leitfadenbasiert – noch einmal systematisch nach deren Einbeziehung und spezifischen Leistungen für die schulische Entwicklungsarbeit gefragt. Darüber hinaus fokussierte der Leitfaden auf die Schulaufsicht als Unterstützungssystem (inklusive der Doppelfunktion von Schulaufsicht als Unterstützungs‑/Beratungs- sowie Aufsichts‑/Kontrollsystem), das Zusammenwirken/die Wechselwirkungen einzelner Unterstützungssysteme und Idealvorstellungen schulischer Unterstützung.Footnote 3

Die Gespräche wurden vollständig, zeilenweise und in Standardorthographie (nach den Regeln von Dresing und Pehl (2018)) transkribiert. Bei der Auswertung wurde eine Technik angewendet, die sich an das Verfahren der inhaltlich strukturierenden qualitativen Inhaltsanalyse anlehnt (vgl. Mayring 2015). Dabei wurde das Ziel verfolgt, inhaltliche Aspekte, die sich auf die Thematik der Einbeziehung von Unterstützungssystemen in und deren spezifische Leistungen für die Schulentwicklung beziehen, aus dem Material herauszufiltern (ebd.). Es wurde ein Kategoriensystem erstellt, dessen Elementen (Codes) Textsegmente zugeordnet wurden. Dabei wurden die in Tab. 2 angegebenen Kategorien K 1 bis K 5 sowie die Unterkategorien von K 3 bis K 5 aus dem Konzept von Schulentwicklung als Regulationsprozess abgeleitet (vgl. Abschn. 2), also deduktiv gebildet. Die Unterkategorien von K 1 wurden aus dem Material heraus generiert, also induktiv gebildet. Die Kategorie K 6 inklusive ihrer Unterkategorien wurde deduktiv aus der zu den Unterstützungssystemen veröffentlichten Literatur generiert (vgl. Abschn. 3). Das so gebildete Kategoriensystem wurde für die sechs in Tab. 1 angeführten Unterstützungssysteme separat eingesetzt.

Tab. 2 Analysekategorien der Untersuchung (exemplarisch mit Ankerbeispielen für ein Unterstützungssystem)

Dem zentralen Moment der inhaltsanalytischen Technik der Strukturierung entsprechend wurde jeder Teil des Interviewmaterials in dem Raster der vorab definierten Kategorien eingeordnet – und damit das komplette Material lückenlos seiner Struktur nach erfasst. Es wurde zunächst genau definiert, welche Textbestandteile jeweils unter die gebildeten Kategorien fallen (Definition der Kategorien). Des Weiteren wurden konkrete Textstellen angeführt, die unter eine Kategorie fallen und als Beispiele für diese Kategorie gelten sollten (Bestimmung von Ankerbeispielen), und – bei bestehenden Abgrenzungsproblemen zwischen Kategorien – Regeln zur Ermöglichung einer eindeutigen Zuordnung formuliert (Festlegung von Kodierregeln). Im Rahmen eines ersten Materialdurchgangs wurden die vorab formulierten Kategoriendefinitionen, Ankerbeispiele und Kodierregeln probeweise auf die Transkripte der Schulleitungsinterviews angewendet; anschließend war eine Modifizierung des Kategoriensystems in Bezug auf Kategorie 1 erforderlich, weil die Unterkategorien – wie oben erwähnt – aus dem Material generiert wurden. Der Hauptdurchgang durch das Material implizierte dann eine Kennzeichnung der Fundstellen, gefolgt von der eigentlichen Materialextraktion und -bearbeitung je nach zugewiesener Kategorie. Bei beiden Durchgängen wurde computergestützt unter Nutzung des Textverarbeitungsprogramms MAXQDA 20 vorgegangen. Die Ergebnisse der Analyse werden im nachfolgenden Abschnitt präsentiert.

Um deren adäquate Einordnung zu ermöglichen, erscheint es hier noch erforderlich, nähere Informationen zu den spezifischen Varianten einiger Unterstützungssysteme in den Untersuchungsländern zu unterbreiten. So sei im Hinblick auf die Schulentwicklungsberatungen erwähnt, dass im Untersuchungszeitraum in beiden Ländern ein System der Fach- und Schulentwicklungsberatung etabliert war, das vielfältige thematische Angebote unterbreitete und schulische Beratungsanfragen anhand eines Online-Portals erfasste. Der institutionellen Verortung des Unterstützungssystems entsprechend wurden die Beratungsanfragen, die jeweils über die Leitungen der Schulen gestellt werden mussten, in einem Land von den Mitarbeitenden der Schulaufsicht gesteuert und koordiniert, während sie im anderen Land von den Mitarbeitenden des Landesinstituts bearbeitet wurden. Durchgeführt wurden die Beratungen von aus dem Schulsystem stammenden Berater/innen, ihre zeitliche wie inhaltliche Ausgestaltung variierte je nach Art der erbetenen Unterstützung (z. B. telefonische Beratung, persönliches Beratungsgespräch, Prozessbegleitungen) und thematischem Schwerpunkt und in Absprache mit den Schulen. Für die Schulen war die Inanspruchnahme der Beratungen kostenlos, die Finanzierung erfolgte seitens der Länder (u. a. Adenstedt 2016).

Zu den Lehrkräftefortbildungen sei angemerkt, dass im Untersuchungszeitraum in beiden Ländern über die in Schulgesetzen, Lehrerbildungsgesetzen oder Dienstanordnungen festgelegte allgemeine Pflicht zur kontinuierlichen Fortbildung hinaus weder Regelungen zum Umfang der zu besuchenden Fortbildungen noch zu den Folgen einer Nichterfüllung der Fortbildungspflicht existierten. In einem der beiden Länder bestand für die Lehrkräfte allerdings eine Nachweispflicht ihrer Fortbildungsaktivität in Form eines Portfolios und die Schulleitung war befugt, die Wahrnehmung von Fortbildungen ggf. auch anzuordnen (Kuschel et al. 2020).

Die Schulinspektionen waren im Untersuchungszeitraum in beiden Ländern obligatorisch, d. h. über ihren Einsatz und Einsatzzeitpunkt konnten die Schulen nicht selbst entscheiden. Während sich das Verfahren in einem Land durch eine stark quantifizierende Vorgehensweise auszeichnete, über die sich der Anspruch einer „objektiven“ Bewertung schulischer Qualität vermittelte, war das Verfahren im anderen Land eher qualitativ ausgerichtet und zur Bewertung der Schulen wurde stärker der kriteriengeleitete Eindruck der Inspektor/innen herangezogen (Böhm-Kasper 2019). Hier wurden den Schulen zudem Empfehlungen für die Entwicklungsarbeit gegeben und Schulen und Schulaufsicht vereinbarten Ziele für die schulische Qualitätsentwicklung. Nach der von Rürup (2008) vorgeschlagenen Systematisierung von Inspektionsverfahren mit einem Fokus auf deren Wissensproduktion wurde im ersten Fall eher ein wahrheitsorientierter, im zweiten Fall ein eher angemessenheitsorientierter Ansatz verfolgt. In beiden Ländern wurde Schulen im Untersuchungszeitraum auch das Angebot unterbreitet, an der Erprobung (Pilotierung) modifizierter Verfahrensvarianten teilzunehmen, die ihnen die Möglichkeit einräumten, eigene Interessen stärker einzubringen, beispielsweise aus einem Angebot unterschiedlicher Module eigene Themen auszuwählen (Böhm-Kasper 2019).

Schließlich ist zu erwähnen, dass auch die Vergleichsarbeiten und (für die weiterführenden Schulen) die zentralen Abschlussprüfungen im Untersuchungszeitraum obligatorisch waren. Vergleichsarbeiten wurden dementsprechend in den Jahrgängen 3 und 8 jährlich in mindestens einem Fach (Deutsch/Mathematik in der Primarstufe, Deutsch/Mathematik/Erste Fremdsprache in der Sekundarstufe) durchgeführt; zentrale Abschlussprüfungen am Ende der Sekundarstufe I und II.

6 Zentrale Ergebnisse

6.1 Einbeziehung von Unterstützungssystemen in die Entwicklungsarbeit von Schulen

Den Untersuchungsergebnissen zufolge haben alle Schulen in ihrem Entwicklungsprozess Unterstützungssysteme herangezogen:

Bei den Schulentwicklungsberatungen hat es sich in allen Fällen um längerfristige Prozessbegleitungen (mit wiederholt stattfindenden Arbeitssitzungen im Zeitraum von einigen Wochen bis zu mehreren Jahren) im Bereich der Organisations-, aber auch der Unterrichtsentwicklung gehandelt und Schulen haben im Berichtszeitraum auch mehrere, unterschiedliche Beratungen in Anspruch genommen. Die interschulischen Netzwerke, an denen die Schulen teilgenommen haben, lassen sich als Austauschnetzwerke verstehen; Lernnetzwerke, in denen schulübergreifend längerfristig gemeinsam an inhaltlichen Schwerpunkten gearbeitet wird, thematisierten die Schulleitungen nicht. Schulen waren mitunter in mehrere Netzwerke eingebunden. Die Schulinspektionen wurden den Schulen in einigen Fällen auch als (noch in der Pilotierung befindliches) Angebot unterbreitet.

Herausfordernde Situationen

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Unterstützungssysteme erstens herangezogen werden, weil Schulen auf Veränderungen in der schulexternen oder schulinternen Umwelt reagieren müssen. Schulentwicklungsberatungen werden insbesondere im Zusammenhang von Schulneugründungen, Schulfusionierungen, Schulartänderungen und nach Schulleitungswechseln und damit an „neuralgischen Punkten“ des Umbruchs im schulischen Entwicklungsprozess bemüht. So führt ein/e Befragte/r aus:

„Wir haben uns unterstützen lassen in diesem Fusionsprozess durch die Schulentwicklungsberatung als Angebot [des landesspezifischen Unterstützungssystems für Schulen].“ (2GS3)

Dies gilt in zwei Fällen auch für interschulische Netzwerke (Schulneugründungen). Schulinspektionen werden (in ihrer freiwilligen Variante) in drei Fällen im Zuge schulexterner Veränderungen genutzt, dabei in einem Fall an einem „neuralgischen Punkt“ im schulischen Entwicklungsprozess. Hier entscheidet sich die Schule, die für ihre Umwandlung in eine Gemeinschaftsschule ein Schulkonzept verfassen muss, zur Nutzung des Inspektionsangebotes, um die erforderliche schulische Bestandsaufnahme nicht allein bewerkstelligen zu müssen:

„Wir wollten die Schulartänderung, wir wollten ein anderes Schulkonzept. Und die Schulinspektion hat uns dabei geholfen, diesen Weg zu gehen. Wir haben eine Ist-Stand-Analyse gehabt, haben uns evaluieren lassen und aus diesem Stand die Ziele ableiten können.“ (1NGY1)

Zweitens werden die Unterstützungssysteme herangezogen, weil die Funktionalität bisheriger Strategien als unzureichend wahrgenommen wird. Schulentwicklungsberatungen werden in Anspruch genommen, weil die Kooperation der Lehrkräfte, die Organisation der Arbeitsprozesse oder die Planung, Durchführung und Auswertung des Unterrichts als nicht (mehr) zufriedenstellend eingeschätzt wird bzw. Kompetenzen zur Erfüllung von Aufgaben (z. B. zur Auswertung von Ergebnissen externer Qualitätsmessverfahren) fehlen. Dies trifft in zwei Fällen auch bei interschulischen Netzwerken und in drei Fällen bei Lehrkräftefortbildungen zu. Die Lehrkräfte haben weniger effektive Strategien in der Unterrichtsgestaltung bzw. Erziehung festgestellt. Die Unterstützungssysteme werden drittens herangezogen, weil eine Diskrepanz zwischen erwarteten und tatsächlichen Ereignissen wahrgenommen wird. Lehrkräfte einer Schule nehmen an Lehrkräftefortbildungen teil, weil ihre Schulabbrecherquote überdurchschnittlich hoch ausgefallen war.

Interschulische Netzwerke, Lehrkräftefortbildungen und Schulinspektionen werden allerdings mehrheitlich, Vergleichsarbeiten sogar ausnahmslos ohne Schilderung aktuell herausfordernder Situationen genutzt. So berichten nahezu alle Schulleitungen, dass sich die Partizipation an einem interschulischen Netzwerk für die Schulen als vielversprechende Gelegenheit zum Erfahrungsaustausch ergeben habe. An Lehrkräftefortbildungen sei fortlaufend und mit Blick auf Angebote, die für die schulische Weiterentwicklung als sinnvoll erschienen, teilgenommen worden. Der Einsatz von Schulinspektionen wie Vergleichsarbeiten habe zumeist selbst erst zu herausfordernden Situationen (etwa zu einer wahrgenommenen Diskrepanz zwischen erwarteten und tatsächlichen Einschätzungen der Schul‑/Unterrichtsqualität) geführt.

Aufgaben für Schulentwicklung

Es zeigt sich, dass die Unterstützungssysteme für eine Vielzahl an Aufgaben herangezogen werden. Insbesondere Schulentwicklungsberatungen werden zur Bewältigung von Aufgaben genutzt, die umfänglich und eher komplexer Natur sind und sich auf (schulweite) Grundlagen der pädagogischen Arbeit beziehen. Sie werden im Rahmen der Entwicklung (und Erprobung) pädagogischer Konzepte (für die Schule insgesamt bzw. für den schulweiten Unterricht) sowie der Entwicklung eines Leitbildes und/oder Schulprogramms bemüht:

„Und dann hieß es: ‚Ja, dann suchen Sie eine Schulentwicklungsberatung aus und die [Berater/innen] kommen dann zu Ihnen.‘ … Und die [Berater/in] kam dann auch und hat in einem mehrwöchigen Verfahren ein Leitbild und ein Schulprogramm entwickelt mit dem Kollegium.“ (2GS4)

Auch bei der Entwicklung neuer Strukturen für die Arbeitsprozesse im Bereich der Schulentwicklung und der Herausarbeitung und Einübung grundlegender (Wert‑)Haltungen (etwa in Bezug auf die innerschulische Kooperation) werden sie genutzt. Dies gilt auch in den beiden oben erwähnten Fällen der Schulneugründungen für die interschulischen Netzwerke, an denen die Schulen im Rahmen der Entwicklung ihres Schulkonzepts teilnehmen, und im zuvor angeführten Fall der Schulartänderung für die Schulinspektionen. Die drei genannten Unterstützungssysteme werden jedoch auch für weniger umfängliche und weitreichende Aufgaben bemüht, etwa für die Weiterentwicklung des Unterrichts in einem einzelnen Fach bzw. thematischen Bereich (Schulentwicklungsberatungen). Für den Bereich der Inklusion wird geschildert:

„Auch da gibt es eine Arbeitsgruppe, die gucken dann immer: ‚Was ist das wichtige Thema?‘ Dann rufen sie die Schulentwicklungsberatung an und sagen: ‚Dazu möchten wir jetzt was machen.‘ Und dann kommen die [Schulentwicklungsberater/innen].“ (2GS2).

Zu den weniger umfänglichen Aufgaben zählen zudem die Umsetzung von kooperativen Lernformen im Unterricht (interschulische Netzwerke) oder die Erstellung schuleigener Arbeitspläne (Schulinspektionen). Dies gilt auch für Lehrkräftefortbildungen (u. a. im Hinblick auf die Entwicklung eines Instruments zur kollegialen Hospitation). Der Einsatz von Schulinspektionen wie Vergleichsarbeiten habe zumeist selbst erst zur Formulierung von Aufgaben für Schul- und/oder Unterrichtsentwicklung geführt.

Regulationsbereiche

Auf Basis der Schilderungen der Befragten lässt sich festhalten, dass Regulationen im Bereich der Dispositionen von Akteur/innen und Akteursgruppen von allen einbezogenen Systemen unterstützt werden. Insbesondere stehen die (meta-)kognitiven Dispositionen im Fokus. Schulentwicklungsberatungen, interschulische Netzwerke und Lehrkräftefortbildungen werden herangezogen, um das Wissen der Lehrkräfte über Ansätze zur Lösung der oben angeführten Aufgaben für Schulentwicklung (im Sinne von deklarativem und prozeduralem Wissen über Schulentwicklung bzw. die Aufgabe selbst) zu steigern. Eine Schulleitung beschreibt in diesem Kontext mit Bezug auf eine Netzwerkteilnahme:

„Also: ‚Wie entwickelt sich eine Schule? Wie verändern sich – auch vor dem Hintergrund, dass eine Schule wächst – Haltungen, pädagogische Konzepte? Was ist sinnvoll in der Durchmischung der Schülerschaft?‘ … Und solche Erfahrungen aus der Schulentwicklung haben sozusagen den Blick für uns geschärft, worauf wir in unserer Entwicklung achten müssen, um Bestimmtes zu vermeiden, aber auch Anderes zu ermöglichen.“ (2NGY2)

Schulinspektionen und Vergleichsarbeiten tragen zur Ausweitung der Kenntnisse über das erreichte Niveau in zentralen Bereichen von Schulqualität bzw. des Leistungs‑/Kompetenzstandes der Schüler/innen (im Vergleich zu jenen der Schüler/innen anderer Schulen) bei.

In der Mehrheit der Fälle ist dies die Voraussetzung dafür, dass an den Schulen Aufgaben für Schulentwicklung überhaupt formuliert werden. Die Schulentwicklungsberatungen setzen in zwei Fällen an den motivational-emotionalen Dispositionen der Lehrkräfte an: Hier werden motivationale Orientierungen und Denkweisen bewusst gemacht und zu verändern versucht, die einer vertrauensvollen Zusammenarbeit der Lehrkräfte bei der bevorstehenden Fusionierung zweier Schulen bzw. der geplanten schulweiten Einführung von Jahrgangsmischung entgegenstehen.

Für Regulationen im Bereich der Operationen werden Schulentwicklungsberatungen und Lehrkräftefortbildungen herangezogen. In ihrem Rahmen werden u. a. Methoden und Strategien des Unterrichts (im Hinblick auf die individuelle Förderung der Schüler/innen oder die Vorbereitung der Schüler/innen auf zentrale Abschlussprüfungen), der schulischen Arbeitsorganisation, der Zusammenarbeit der Lehrkräfte (Schulentwicklungsberatungen) und des Umgangs mit sozial-emotional herausfordernden Schüler/innen (Lehrkräftefortbildungen) bewusst gemacht und reflektiert. An einer Schule, an der die schulweite Einführung des Lehr‑/Lernkonzepts der Jahrgangsmischung von einer Schulentwicklungsberatung begleitet wurde, schildern beispielsweise Lehrkräfte in den Arbeitssitzungen mit dem/der Beratenden ihre Erfahrungen mit der Vorbereitung der Lernumgebung, der Umsetzung von Formen individualisierten Unterrichts (Arbeit mit Wochenplänen, Arbeiten an Lernstationen) und ihrem Agieren in der Rolle der Lernbegleitung. Der/die Beratende gibt anschließend Hinweise auf Veränderungs- bzw. Optimierungsmöglichkeiten für das zukünftige Unterrichten.

Regulationen im Bereich der Ziele/Standards werden mit Hilfe von Schulentwicklungsberatungen unterstützt, wobei insbesondere eine größere Klarheit über Zielvorstellungen bezüglich der pädagogischen Arbeit, etwa im Rahmen einer Schulfusionierung, fokussiert wird:

„Wir haben auch eine Bestandsaufnahme gemacht: ‚Wo kommen wir überhaupt her? Was hat die Schule A- was bringt die eigentlich mit? An fachlichen Besonderheiten, an persönlichen Besonderheiten? Was kann man eventuell über den Haufen werfen? Was nicht?‘ Und das Gleiche selbstverständlich auch für die Schule B.“ (2GS3)

In eingeschränktem Maße wird für Regulationen im Bereich der Aufgaben(inhalte) auf Schulentwicklungsberatungen rekurriert. So wird in einem Fall etwa geklärt:

„Hat denn diese Schulart überhaupt einen Fortbestand? Oder brauchen wir ganz und gar ein anderes Schulprofil oder eine Schulartänderung?“ (1NGY1).

Regulationsschritte

Die Identifikation wird den Berichten der Interviewpartner/innen zufolge mittels Schulentwicklungsberatungen, Schulinspektionen und Vergleichsarbeiten unterstützt. Die Schulinspektionen stellen in allen Fällen Informationen zu den untersuchten Bereichen der Schulqualität zur Verfügung, die Vergleichsarbeiten machen in allen Fällen den Leistungsstand der Schüler/innen sichtbar und setzen diesen zum Leistungsstand der Schüler/innen anderer Schulen in Relation. Bezüglich der Schulentwicklungsberatungen wird etwa im Falle der Zusammenlegung zweier Schulen ausgeführt:

„Die Fusionsgruppe sollte sich mit diesem Thema auseinandersetzen, wo wir versucht haben, mögliche Stolperfallen auch aufzudecken.“ (2GS3)

Aus den Schilderungen der Befragten wird ersichtlich, dass die Analyse in Schulentwicklungsberatungen und Lehrkräftefortbildungen angeleitet wird. So erfolgt an einer Schule in Fortbildungsveranstaltungen eine reflexive Auseinandersetzung mit der schulischen Praxis in Bezug auf sozial-emotional herausfordernde Schüler/innen, es werden funktionale und weniger funktionale Strategien des Umgangs identifiziert und Ziele für eine Weiterentwicklung der Praxis festgelegt, deren Erreichung evaluiert wird. Die im Bericht der Schulinspektion explizierten Empfehlungen liefern in einem Fall eine (normgeleitete) Analyse und Bewertung der schulischen Situation, auf deren Basis die Schule klare Hinweise auf bestehende Defizite erhielt: „Es wurde schon sehr deutlich gesagt, wo die Schwächen sind.“ (1GS3).

Die Adaptation wird über Schulentwicklungsberatungen, Schulinspektionen, die Teilnahme an interschulischen Netzwerken und Lehrkräftefortbildungen unterstützt. Die Schulleitungen berichten davon, dass die Informationen, die durch die Teilnahme an den Netzwerken mit anderen Schulen gewonnen wurden, und die in den Fortbildungen angeeigneten Wissensbestände und Kompetenzen in die Weiterentwicklung der Praxis einfließen. So wird an einer Schule z. B. auf der Basis einer schulinternen Lehrkräftefortbildung zur kollegialen Unterrichtshospitation eigenständig ein schulspezifisches Beobachtungsinstrument von den Lehrkräften entwickelt:

„Da haben wir letztes Jahr eine Fortbildung gemacht: ‚Kollegiale Hospitation‘. Das machen wir jetzt gerade. Also, es gibt ein System, wie sie hospitieren. Aber es gibt zum Beispiel noch nicht- wir haben keinen Bogen. Und das haben wir absichtlich gemacht, weil wir gesagt haben: ‚Sie sollen jetzt erst mal gucken, um dann mit den Kollegen zu gucken: Was ist zielführend und sinnhaft? Und wie transportieren wir das dann auch weiter ins Kollegium?‘“ (2GS2).

An einer Schule werden schließlich – wie zuvor schon dargestellt – die Informationen aus den Schulinspektionen genutzt, um ein Schulkonzept zu erstellen und damit die aktuelle pädagogische Praxis (zunächst auf dem Papier) weiterzuentwickeln.

Regulationsebenen

Regulationsprozesse werden auf der individuellen Ebene in einigen wenigen Fällen durch Schulentwicklungsberatungen (Coachings von Schulleitungen) und in nahezu allen Fällen durch eine Teilnahme an interschulischen Netzwerken (Zusammenschlüsse von Schulleitungen) sowie an Lehrkräftefortbildungen (Angebotsnutzung einzelner, interessierter Lehrkräfte) unterstützt. Angemerkt sei, dass die Schulleitungen (mit einer Ausnahme) erwähnen, dass an den Schulen ein Transfer des Fortbildungswissens in das Gesamtkollegium erfolge. Für Regulationsprozesse auf der interpersonalen Ebene werden alle Systeme herangezogen. So werten Fach- oder Jahrgangsteams die Ergebnisse der Vergleichsarbeiten aus, Steuer‑/Planungsgruppen arbeiten mit Schulentwicklungsberater/innen oder Lehrkräftefortbildner/innen zusammen, nehmen an interschulischen Netzwerken teil und/oder werten die Berichte der Schulinspektionen aus und Gruppen ausgewählter Lehrkräfte nehmen an interschulischen Netzwerken teil. Bei Regulationsprozessen auf der organisationalen Ebene, in die alle Lehrkräfte und mitunter weiteres pädagogisches Personal (wie Erzieher/innen) involviert sind, wird auf Schulentwicklungsberatungen und Lehrkräftefortbildungen zurückgegriffen. Auch die Auswertung der Berichte der Schulinspektionen erfolgt oftmals in den Gesamtkollegien.

6.2 Spezifische Leistungen der genutzten Unterstützungssysteme für den Entwicklungsprozess von Schulen

Nach Aussage der Befragten waren die Schulentwicklungsberatungen für den Entwicklungsprozess ihrer Schule insbesondere deshalb hilfreich, weil sie eine Moderation bzw. Begleitung von Prozessen beinhaltet haben. Auch die Optimierung von Prozessen/die Schonung schulischer Ressourcen wird häufig genannt. Als weitere Leistungen werden die Erweiterung der schulischen Perspektive und die Vermittlung neuen Wissens (Inhalte/Kompetenzen) bzw. die Bereitstellung von Handlungsalternativen gesehen. Vereinzelt werden schließlich die Bereitstellung passgenauer Angebote, die Impulssetzung bzw. das Aufbrechen von Routinen sowie die Schaffung/Erhöhung von Akzeptanz genannt (zur Veranschaulichung sei aus Platzgründen auf die Ankerbeispiele in Tab. 2 verwiesen). Als spezifische Leistung der interschulischen Netzwerke, an denen die Schulen teilgenommen haben, für den Entwicklungsprozess ihrer Schule charakterisieren die Interviewpartner/innen vor allem die Bereitstellung von Handlungsalternativen („Um eben zu gucken: ‚Wie machen die es?‘“ (2NGY2)). Vereinzelt wird die Erweiterung der schulischen Perspektive herausgestellt („Da gab es immer, in jedem Gespräch eigentlich einen Punkt, den man sich aufgeschrieben hat und gesagt hat: ‚Ja, so müssen wir es machen.‘ Wo man vorher vielleicht nicht draufgekommen ist.“ (2NGY1)). Lehrkräftefortbildungen haben den interschulischen Entwicklungsprozess insofern unterstützt, als sie den Lehrkräften neues Wissen vermittelt und Impulse für die Unterrichts- und Schulentwicklung gegeben sowie Routinen aufgebrochen haben. Letzteres wird auch für die Schulinspektionen konstatiert („Es war schon ein Schub nach vorne … also das – würde ich auf jeden Fall sagen – war unsere Schwungmasse.“ (1GS3)). Diese haben darüber hinaus zu einer Erweiterung der schulischen Perspektive beigetragen, indem „Fremde von außen gespiegelt haben: ‚Wo steht die Schule?‘“ (1NGY1). Im Falle der zuvor erwähnten Konzepterstellung für eine Schulartänderung hat die Übernahme der Evaluationsdurchführung durch die Inspektion eine Optimierung der Prozesse/Schonung schulischer Ressourcen bedeutet, denn die Lehrkräfte mussten sich „nicht auf den Stand stellen und versuchen, selbst zu sagen: ‚Was läuft gut oder schlecht?‘“ (1NGY1). Die spezifische Leistung der Vergleichsarbeiten sehen die Schulleitungen in der Bereitstellung von Informationen zu den Lerndefiziten der Schüler/innen. Diese hätten gezeigt, in welchen Bereichen „man als Lehrkraft nicht genug gearbeitet hatte“ (2NGY1). Darüber hinaus dienten die Ergebnisse der Impulssetzung/dem Aufbrechen von Routinen, weil sie „einen dazu veranlassen nachzudenken, ob es richtig läuft, ob wir was ändern müssen“ (vgl. ebd.).

7 Fazit und Ausblick

Vor dem Hintergrund des seit zwei Jahrzehnten stattfindenden Auf- und Ausbaus staatlicher Unterstützungssysteme für Schulentwicklung wurde im vorliegenden Beitrag der Frage nachgegangen, inwiefern Unterstützungssysteme in die Entwicklungsarbeit von Schulen einbezogen werden. Die Befunde einer explorativ angelegten Interviewstudie mit Schulleitungen wurden auf Basis des Konzepts der Schulentwicklung als Regulationsprozess systematisch verortet. Sie geben Hinweise darauf, dass alle Schulen in ihrem Entwicklungsprozess Unterstützungssysteme herangezogen haben. Insbesondere Schulentwicklungsberatungen im Sinne längerfristiger Prozessbegleitungen im Bereich der Organisationsentwicklung werden vielfach an „neuralgischen Punkten“ des Umbruchs im Entwicklungsprozess und zur Bewältigung umfänglicher und komplexer Aufgaben für Schulentwicklung mit grundlegendem Charakter bemüht. Der Befund, dass Schulleitungen Schulentwicklungsberatungen weitgehend als Prozessbegleitung verstehen, deckt sich mit den Ergebnissen einer repräsentativen Untersuchung zur Schulentwicklungsberatung im deutschen Bundesland Nordrhein-Westfalen, denen zu Folge Schulen die inhaltliche und prozessuale Expertise externer Berater/innen mehrheitlich über einen längeren Zeitraum (mehr als ein Jahr) hinweg in Anspruch nehmen (Dedering et al. 2013). Diese längerfristigen Beratungen – so die Ergebnisse der Studie von Adenstedt (2016) – kommen den von Schulleitungen mehrheitlich geteilten Vorstellungen von Schulentwicklung am nächsten. In vielen bildungspolitischen Programmen zur Unterstützung von Schulen in herausfordernden Lagen werden Schulentwicklungsberatungen sogar konzeptionell als Prozessbegleitung verankert (Dedering 2021a). Sie fokussieren dort – wie in der eigenen Studie – oftmals auf Inhalte, die dem Bereich der Organisationsentwicklung zugeordnet werden können (z. B. beim Schulversuch Talentschulen NRW (Dean et al. 2021)).

Den Schulentwicklungsberatungen kommt im Kontext der eigenen Ergebnisse insofern eine herausgehobene Stellung zu, als sie als einziges der betrachteten Unterstützungssysteme bei Regulationen in allen Bereichen, bei allen Schritten und auf allen Ebenen herangezogen werden und ein sehr breites Spektrum spezifischer Leistungen umfassen. Neben den Schulentwicklungsberatungen werden auch alle anderen Unterstützungssysteme bei Regulationen im Bereich der (meta-)kognitiven Dispositionen und auf der interpersonalen Ebene, und (mit Ausnahme der Vergleichsarbeiten) beim Schritt der Adaptation bemüht. Über diese Gemeinsamkeiten hinaus finden sich – wie aufgrund konzeptioneller Ausrichtungen erwartbar – systemspezifische Differenzen bezüglich der Einsatzstellen im schulischen Entwicklungsprozess.

Die Befunde bestätigen die Überlegungen von Maag Merki (2020) zu Unterstützungssystemen und Schritten der Regulation. Den Unterstützungssystemen konnten in der eigenen Studie mitunter weitere spezifische Leistungen zugeordnet werden, so etwa den Schulentwicklungsberatungen jene der Moderation/Begleitung von Prozessen und der Optimierung von Prozessen/Schonung von Ressourcen.

Die theoretisch-konzeptionelle Perspektive von Schulentwicklung als Regulationsprozess hat sich für eine systematische Verortung der Befunde im schulischen Entwicklungsprozess insgesamt als hilfreich erwiesen. Schwierig gestaltete sich in einigen Fällen jedoch die eindeutige Zuordnung von Interviewpassagen zu den drei Regulationsschritten, deren enge Verzahnung in der Praxis auch Maag Merki (2020) herausstellt (vgl. Abschn. 2).

Aufgrund ihres explorativen Charakters weist diese Studie einige methodische Limitationen auf, die zu erwähnen sind. So erfolgte die Auswahl der Schulen lediglich auf Basis der Kriterien einer möglichst breiten Erfahrung mit Unterstützungssystemen und der Schulformzugehörigkeit, wodurch weitere, die Nutzung der Systeme ggf. tangierende Kriterien unberücksichtigt blieben. Darüber hinaus wurde nur die Perspektive der Schulleitungen eingeholt, die zwar ein Überblickswissen verspricht, aber doch eine spezifische ist. Die Sichtweisen andere Akteur/innen wurden nicht bemüht. Schließlich wurde die Nutzung der Unterstützungssysteme im schulischen Entwicklungsprozess retrospektiv, d. h. den Prozess im Rückblick betrachtend, untersucht, wodurch bei den Befragten möglicherweise bestehende Erinnerungslücken in Kauf genommen werden mussten. Zukünftige Untersuchungen können diese Begrenzungen überwinden, indem sie eine systematische Auswahl von Schulen nach weiteren Kriterien vornehmen, weitere, im Bereich der schulischen Entwicklungsarbeit engagierte Akteur/innen (Steuergruppenmitglieder, Evaluationsbeauftragte etc.) mit Expert/innenwissen einbeziehen und eine prozessbegleitende Perspektive, ggf. unter Rückgriff auf weitere, beobachtungsbasierte Erhebungsverfahren, einnehmen.

Mit der Untersuchung der Art der Einbeziehung von Unterstützungssystemen in einzelschulische Entwicklungsprozesse vor dem Hintergrund eines spezifischen theoretischen Konzepts wurden in der eigenen Studie Ergebnisse generiert, die den bestehenden Erkenntnisstand zur Thematik ausdifferenzieren. An diese Ergebnisse anknüpfend bzw. diese weiterführend könnten zukünftige Forschungsvorhaben eine genauere Analyse, wann aus welchen Gründen welche Unterstützungssysteme (nicht) von Schulen in die Schulentwicklungsprozesse einbezogen werden, zum Gegenstand haben. Eine solche Analyse ließe vertiefte Erkenntnisse vermuten und wäre daher lohnend.

Abschließend sei angemerkt, dass den Leitungen von Schulen bei der in diesem Beitrag behandelten Thematik eine große Bedeutung zukommt. Von ihrem Verhalten hängt es oftmals ab, ob Unterstützungssysteme überhaupt bzw. mit Gewinn für die Schulentwicklung genutzt werden. Schulleitungen spielen – das ist empirisch belegt – im organisatorischen Lernprozess von Schulen generell eine wichtige Rolle: Sie definieren entscheidende Merkmale von Schulen wie Visionen, Strukturen und Prozesse und Arbeitsbedingungen (u. a. Leithwood et al. 2020) und werden als Ideengeber/innen von Entwicklungsaktivitäten aktiv, die Veränderungsprozesse in Schulen initiieren und durchsetzen können (u. a. Brauckmann und Eder 2019). In diesem Sinne fungieren sie als Agent/innen der Veränderung und auch als Vermittler/innen von Wissen und Kenner/innen von Verfahren (ebd.). Mit Blick auf die Nutzung von Daten aus externen Evaluationen (wie Schulinspektionen, Vergleichsarbeiten und zentralen Abschlussprüfungen) wurden Schulleitungen in empirischen Studien als relevante Akteur/innen identifiziert, die Unterstützungsstrukturen für die Datennutzung schaffen, Zeit und Ressourcen für die Auseinandersetzung mit den Daten bereitstellen und die auf Daten bezogenen Werte und Einstellungen in der Schule beeinflussen (u. a. Bach et al. 2014; Ercan et al. 2021; Klein 2018). Mit Blick auf Schulentwicklungsberatungen werden Schulleitungen, die von der Wichtigkeit von Beratungsaktivitäten überzeugt sind und diese von der Problemdefinition bis zum Abschluss (auch durch die eigene Beteiligung) engagiert unterstützen, als Voraussetzung bzw. Bedingung gelingender Beratungsprozesse betrachtet (Dedering et al. 2013). Hält man eine Einbeziehung von Unterstützungssystemen in die Schulentwicklungsarbeit für sinnvoll, sollte man also gewährleisten, dass insbesondere die Leitungspersonen von Schulen über das Angebot staatlicher Unterstützungssysteme informiert und von den spezifischen Leistungen der verschiedenen Systeme und dem Mehrwert ihres Einsatzes in der schulischen Entwicklungsarbeit überzeugt werden. Eine solche Information und Überzeugung könnten – und hier schließt sich der Kreis – u. a. Inhalte von Fortbildungen für Schulleitungen sein.

Zu berücksichtigen ist letztlich aber, dass sich die Unterstützung schulischer Entwicklungsarbeit in einer Betrachtung staatlicher Systeme nicht erschöpft. Zusätzlich zu berücksichtigen sind zum einen nicht staatliche Unterstützungsangebote, auf deren Relevanz auch die Schulleitungen in der eigenen Studie hinweisen: Schulentwicklungsberater/innen und Lehrkräftefortbildner/innen seien oftmals ganz bewusst aus dem nicht staatlichen, außerschulischen Bereich gewählt worden, weil sie als kompetenter und authentischer wahrgenommen würden und die schulische Perspektive besser spiegelten bzw. relativierten. Zum anderen sind auch von Schulen selbst organisierte Unterstützungsangebote zu berücksichtigen. Insbesondere Hospitationen in Schulleben und Unterricht an explizit ausgesuchten Schulen werden von mehreren Schulleitungen in der eigenen Studie herausgestellt: Die Passgenauigkeit zwischen den Konzepten, Ansätzen und Vorgehensweisen der besuchten und der eigenen Schulen sei der Grund dafür, dass diese Unterstützung hilfreich erscheine.

Dies könnte auf Seiten der Bildungsadministration möglicherweise als Anlass gesehen werden, um über Wege nachzudenken, die vielfältigen existierenden Unterstützungssysteme für Schulen – etwa in Form einer Datenbank – zusammenzutragen und/oder Kooperationen mit Anbietenden aus dem nicht staatlichen Bereich anzubahnen.