Zusammenfassung
Im Anschluss an eine Tagung entstand um die Dekadenwende 1959/60 die für die Theorie der Realschule sehr wichtige Grundlagenschrift „Die bildungstheoretischen Grundlagen der Schulorganisation und die Aufgabe der Realschule“ von J. Derbolav. Im Folgenden werden in einem ersten Schritt die wesentlichen Grundgedanken dieser Schrift vorgestellt, in einem zweiten Schritt wird deren Relevanz für eine gegenwärtige Theorie der mittleren Bildung herausgearbeitet.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Notes
- 1.
Die Tagung wurde gemeinsam vom Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Bonn und dem Realschullehrerverband veranstaltet und vom 15. bis 18. November 1959 in Königswinter abgehalten.
- 2.
„An Widersachern fehlt es aber nicht. Die Mittelschule wird vielfach als eine typische Standesschule verschrien“ (Hellpach 1925, 88).
- 3.
Hergebracht werden drei „Hauptformen der Schule“ angesetzt, die soziologisch und psychologisch begründet werden: die Volks- und Berufsschule für die „praktisch-handwerklich Begabten“, das Gymnasium für die „theoretisch-wissenschaftlich Begabten“ und die Mittelschule für diejenigen Schüler, die „praktische Anlagen mit theoretischen Neigungen vereinen“ (Brandau 1959, 5). Ähnlich der „Deutsche Ausschuss“: „Die Dreiteilung in Höhere Schulen, Volksschulen und Mittelschulen entspreche den drei Hauptschichten der Berufe, die sich im modernen Leben herausgebildet hätten: einer geistig führenden, einer ausführenden und einer dazwischen vermittelnden Schicht praktischer Berufe mit erhöhter Verantwortung. Die Dreiteilung werde auch den drei Haupttypen der Begabung gerecht: einem theoretischen, einem praktischen und einem theoretisch-praktischen Typ“ (Deutscher Ausschuss 1959/1965, 9).
- 4.
Solcherart begabungstheoretische oder soziologische Begründungen sind den in den 1950er Jahren gleich mehrere aufgekommen (vgl. Freytag 1969, 305 ff.); die vom Deutschen Ausschuss vorgenommene Dreiteilung wird von Schelsky scharf kritisiert: „so entbehrt die vorgetragene Trinitätssoziologie der Berufsgruppen jeder realsoziologischen Grundlage“ (Schelsky 1961, 10).
- 5.
Ähnlich W. Schwarzhaupt in den 1920er Jahren: „Die wirtschaftliche Struktur unseres Volkes erfordert die Dreiteilung des Schulwesens“ (Schwarzhaupt 1926, 4). Als die der Mittelschule zugehörigen Berufe bezeichnet Schwarzhaupt „Handwerk, Kunstgewerbe, Land- und Forstwirtschaft, Stellen in Handel und Industrie, im mittleren Verwaltungsdienst“ (ebd., S. 5).
- 6.
- 7.
Die Berechtigung einer mittleren Schule wird quasi zu allen Zeiten in Zweifel gezogen, dazu etwa: „Demgegenüber darf darauf hingewiesen werden, daß es auch heute noch eine ganze Reihe von deutschen Ländern gibt, die die Mittelschule in unserem Sinne nicht kennen, und daß es auch politische Parteien gibt, die die Mittelschule als unnötig, ja als schädlich bekämpfen“ (Schwarzhaupt 1926, 4). „Die Mittel- bzw. Realschule ist bis heute die umstrittenste Schulform des ‚allgemeinbildenden‘ Schulwesens in der Bundesrepublik“ (Freytag 1969, 305).
Literatur
Brandau, H.-W.: Die mittlere Bildung in Deutschland. Historisch-systematische Untersuchung einiger ihrer Probleme, Weinheim a.d.B./Berlin 1959.
Derbolav, J.: Die bildungstheoretischen Grundlagen der Schulorganisation und die Aufgabe der Realschule. In: Ders. (Hg.):Wesen und Werden der Realschule. Beiträge zur Theorie und Geschichte unseres Bildungswesens (1960), Bonn 2. Auflage 1966, S. 9–42.
Derbolav, J.: Probleme des mittleren Bildungsweges. Die Realschullehrerbildung in der BRD. Ein Beitrag zur Diskussion um die Sekundarstufe, Hannover/Berlin/Darmstadt/Dortmund 1970.
Deutscher Ausschuss für das Erziehungs- und Bildungswesen: Rahmenplan zur Umgestaltung und Vereinheitlichung des allgemeinbildenden öffentlichen Schulwesens, Stuttgart 1959. In: Empfehlungen und Gutachten des deutschen Ausschusses für das Erziehungs- und Bildungswesen, Folge 3, Stuttgart 1965.
Fees, K.: Gliederung als schultheoretisches Problem und die Frage nach der Mitte. In: Ders. (Hg.): Realschule und Schulentwicklung, Herbolzheim 2000, S. 37–55.
Freytag, H.P.: Zur Problematik mittlerer Bildungsqualifikationen. Eine historische und bildungsökonomische Untersuchung, Weinheim/Berlin/Basel 1969.
Furck, C.L.: Das Schulsystem: Primarbereich, Hauptschule, Realschule, Gymnasium, Gesamtschule. In: Führ, Ch./Furck, C.-L. (Hg.): Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte, Bd. VI, 1. Teilband, München 1998, S. 282–356.
Hellpach, W.: Die Wesensgestalt der deutschen Schule, Leipzig 1925.
Köller, O.: Bildungsgänge im Sekundarbereich I. In: Köller, O./Hasselhorn, M. u.a.: Das Bildungswesen in Deutschland. Bestand und Potenziale, Bad Heilbrunn 2019, S. 503–532.
Schelsky, H.: Anpassung oder Widerstand. Soziologische Bedenken zur Schulreform, 2. Aufl. Heidelberg 1961.
Schwarzhaupt, W.: Die Stellung der Mittelschule im Aufbau des gesamten Schulwesens, 1926. In: Buhtz, E.: Die Mittelschule. Im Auftrage des Zentralinstituts für Erziehung und Unterricht, Leipzig 1926, S. 4–11; Wiederabdruck in: Maskus, R.: Zur Geschichte der Mittel- und Realschule. Bad Heilbrunn 1966, S. 112–119.
Author information
Authors and Affiliations
Corresponding author
Rights and permissions
Copyright information
© 2019 Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature
About this chapter
Cite this chapter
Fees, K. (2019). J. Derbolav: Grundprobleme des mittleren Bildungsganges. In: Die Realschule als Modell mittlerer Bildung. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-15501-8_3
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-15501-8_3
Published:
Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-658-15500-1
Online ISBN: 978-3-658-15501-8
eBook Packages: Social Science and Law (German Language)