Eine 21-jährige Patientin kam nachts mit ihrem PKW von der Straße ab und fuhr gegen einen Baum. Die Patientin war angeschnallt, alle Airbags wurden beim Aufprall ausgelöst, das Kraftfahrzeug stark deformiert. Beim Eintreffen des Notarztes war die Patientin wach, ansprechbar und gab Schmerzen im linken Thorax und diffuse Schmerzen im Bauchraum an. Hämodynamisch war die Patientin druckstabil, tachykard und an der Unfallstelle zentralisiert. Am Unfallort wurden eine Schmerztherapie mit Opioiden und eine Sauerstofftherapie mit Sauerstoffmaske eingeleitet. Im Schockraum des St. Vinzenz Krankenhauses Zams war die Patientin weiterhin tachykard (Herzfrequenz 118–125/min), aber blutdruckstabil. Die pulsoxymetrisch gemessene Sättigung unter 6 l Sauerstoff betrug 88 %. Eine Blutgasanalyse zeigte eine mäßige Hypoxämie (PaO2 56 mm Hg), milde Hyperventilation und normale Blutlaktatkonzentration. Die physikalische Untersuchung zeigte ein mäßiges Hautemphysem im Thoraxbereich und den Verdacht auf eine instabile Thoraxwand links. Im Schockraum wurde sofort eine FAST-Ultraschalluntersuchung („Focused Assessment with Sonography for Trauma“) mit anschließender kontrastmittelunterstützter CT-Untersuchung vom Körperstamm durchgeführt. Im Anschluss daran wurde die Patientin nach Anlage einer linksseitigen Bülaudrainage, einer arteriellen Verweilkanüle und der Gabe von 1 g Tranexamsäure i.v. an der Operativen Intensivstation mit folgenden Diagnosen aufgenommen:

  • Rippenserienfraktur 3–12 links mit Mehrfachfrakturen mehrerer benachbarter Rippen

  • Hämatopneumothorax links

  • Scapulafraktur links

  • Milzruptur Typ 2

Abb. 1a, Tag 1 zeigt eine Lungenschicht aus der Computertomografie des Thorax unmittelbar unterhalb der Bifurkation der Trachea. Neben einem Hautemphysem imponieren bildgebend massive Kontusionsareale der linken Lunge, Hohlraumbildungen ohne Flüssigkeitsspiegel sowie ein Hämatopneumothorax. Anamnestisch hat die Patientin vor Monaten eine COVID-19-Erkrankung ohne Hospitalisation durchgemacht. Die multiplen Hohlraumbildungen (gelbe Pfeile) wurden aufgrund des Fehlens von Flüssigkeitsspiegeln radiologisch als Restzustand einer fibrosierenden Pneumonie gedeutet. Lungenzerreißungen, wie sie ebenfalls bei schweren Thoraxtraumata auftreten, zeigen in der Regel deutliche Flüssigkeitsspiegel (Blutansammlungen in intrapulmonalen Hohlräumen).

Abb. 1
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a Tag 1: Aufnahme-CT, b Tag 2: CT-Kontrolle, c Tag 3: nach 20 h Beatmungstherapie, d Tag 4: Rippenosteosynthese. Gelber Pfeil Ösophagusdrucksonde. © Krankenhaus St. Vinzenz

Unmittelbar nach der Intensivstationsaufnahme wurde eine Atemtherapie mit Optiflow® (inspiratorische Sauerstoffkonzentration FiO2 0,5) begonnen. Ein Periduralkatheter wurde auf Höhe Th 7/8 angelegt und die Schmerztherapie zunächst kontinuierlich mit 0,2 % Naropin (8–10 ml/h), unterstützt von peripheren Analgetikagaben, durchgeführt. Klinisch zeigte die Patientin paradoxe Atembewegungen im linken lateralen Thoraxsegment. Über Nacht musste die FiO2-Einstellung des Optiflow® Systems laufend gesteigert werden, um eine pulsoxymetrisch gemessene Sättigung über 91 % zu halten.

Eine CT-Kontrolle am 2. Tag nach Aufnahme (Abb. 1b, Tag 2) zeigt eine komplette Atelektase der linken Lunge. Aufgrund der linksseitig instabilen Thoraxwand wurde nach Rücksprache mit unseren unfallchirurgischen Partnern eine Verplattung mehrerer Rippenstückbrüche für den übernächsten Tag vereinbart. Zur Wiedereröffnung der atelektatischen Lunge wurde die Patientin nach der CT-Untersuchung intubiert, eine Nutrivent®-Sonde wurde zur Messung der Ösophagusdruckwerte während der invasiven Beatmungstherapie als Magensonde gelegt und die Patientin in eine Rechtsseitenlage gebracht. Die Analgosedierung während der invasiven Beatmungstherapie wurde mit Propofol- und Vendal-Perfusoren durchgeführt. Eine Breitspektrum-Antibiotikatherapie wurde für fünf Tage begonnen. Tab. 1 zeigt die Entwicklung der arteriellen Blutgasanalysen unmittelbar vor und nach Beginn einer invasiven Beatmungstherapie unter Optimierung der transalveolaren Drücke am Tag 2.

Tab. 1 Entwicklung der arteriellen Blutgasanalysen

Nach zirka 20-stündiger invasiver Beatmungs- und Rechtsseitenlagerungstherapie zeigt sich im Thoraxröntgen (Abb. 1c, Tag 3) eine deutliche Auflockerung der linksseitigen Infiltrationen. Durch die Beatmungstherapie konnten atelektatische Lungenareale rasch wiedereröffnet und der Gasaustausch deutlich gebessert werden.

Am 4. Tag nach Intensivaufnahme wurden drei Rippen (5.–7. Rippe links) mittels Osteosynthese in Rechtsseitenlage und Einlungenbeatmung mittels linksseitigen Doppellumentubus stabilisiert (Abb. 1d, Tag 4). Die Patientin konnte am 5. Tag (1. postoperativer Tag) erfolgreich von der Beatmung entwöhnt und extubiert werden.

Im weiteren intensivmedizinischen Verlauf wurden der Periduralkatheter wegen Dislokation neu angelegt, die regionale Schmerztherapie auf patienten-kontrollierte Bolusgaben umgestellt und systemisch mit oralen Koanalgetika und Hydromorphon-Hydrochlorid ergänzt. Die Patientin konnte am 10. Tag auf die Normalstation und am 20. Tag nach Aufnahme aus dem Krankenhaus entlassen werden.

Abb. 2 zeigt ein Thorax-Kontrollröntgenbild zirka zwei Monate nach der Entlassung. Links wurden radiologisch ein Zwerchfellhochstand mit geringer Volumenreduktion der linken Lunge sowie Verdichtungen in Projektion auf das Mittel‑/Unterfeld als Ausdruck fibrotischer Veränderungen (gelbe Pfeile), sowie eine vorbestehende Skoliose der Brustwirbelsäule beschrieben.

Abb. 2
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2 Monate nach Unfall. Gelbe Pfeile fibrotische Lungenveränderungen. © Krankenhaus St. Vinzenz

Diskussion

Eine instabile Thoraxwandverletzung („flail chest“) liegt vor, wenn vier oder mehr benachbarte Rippen mehrfach frakturiert sind [1]. Die Instabilität führt zu einer Abnahme des negativen Pleuraldrucks in der Inspiration bei Spontanatmung, zur Hypoventilation der betreffenden Lunge und zur Entwicklung von Resorptionsatelektasen [1, 2]. Komplizierend wirken sich dabei begleitende Lungenverletzungen und Verletzungen von intrathorakalen Gefäßen aus, die zu Hämatothorax, Pneumothorax bis hin zu Spannungspneumothorax, Parenchymblutungen oder lebensbedrohlichen Blutungen führen können [3]. Ein instabiler Thorax wird bei bis zu 10 % aller Thoraxverletzungen beschrieben und die Mortalität kann, je nach Begleitverletzungen, bis zu 15 % betragen [1].

Tab. 2 beschreibt klinische Merkmale des schweren Thoraxtraumas und Indikationskriterien zur Durchführung einer kontrastmittelunterstützten CT-Untersuchung des Körperstamms (Thorax und Abdomen [4]).

Tab. 2 Klinische Merkmale des schweren Thoraxtraumas und Indikationskriterien zur Durchführung einer kontrastmittelunterstützten CT-Untersuchung des Körperstamms (Thorax und Abdomen). (Quelle: Schulz-Drost et al. [4])

Unsere Patientin entwickelte trotz adäquater Schmerztherapie und „High-Flow-Sauerstofftherapie“ innerhalb weniger Stunden eine Komplettatelektase der linken Lunge. Aufgrund der hochgradig instabilen Thoraxwand haben wir uns nach Rücksprache mit unseren unfallchirurgischen Kolleg*innen zur raschen operativen Stabilisierung eines Teils der Thoraxwand entschieden. Um einer weiteren Verschlechterung des Gasaustauschs und einer möglichen respiratorischen Erschöpfung der Patientin vorzubeugen, wurde sie rasch intubiert und invasiv mechanisch beatmet sowie in Rechtsseitenlage gebracht. Die Beatmungseinstellungen erfolgten unter Berücksichtigung des Pleuraldrucks zur Verhinderung eines Atelektotraumas und Volutraumas (siehe Tab. 3).

Tab. 3 Beatmungseinstellungen. (Quelle: Akoumianaki et al. [7])

Die multidisziplinäre Behandlung des schweren Thoraxtraumas erfolgt individualisiert und hängt vom Ausmaß der knöchernen, Weichteil- und begleitenden Gefäßverletzungen ab. Hauptziele der intensivmedizinischen Therapie sind die Wiederherstellung eines adäquaten Gasaustauschs, die Beseitigung eines Hämato‑, Pneumothorax und von Atelektasen und die Verhinderung von damit einhergehenden Komplikationen wie z. B. Spannungspneumothorax, Blutungsschock und Pneumonie [1,2,3,4]. Vor allem Atelektasen gehen mit einem deutlich erhöhten Pneumonierisiko einher. Atelektasen können eine unkontrollierte systemische Inflammation und damit ein akutes Atemnotsyndrom („acute respiratory distress syndrome“, ARDS) auslösen sowie weitere Organdysfunktionen unterhalten [5]. Eine frühzeitige respiratorische Therapie mit positiv endexspiratorischen Drücken, adäquate Bronchialtoilette, Mobilisierung und Physiotherapie sowie eine exzellente Schmerztherapie stellen heute die Grundpfeiler der intensivmedizinischen Therapie des schweren Thoraxtraumas dar. Letztere ist unseren Erfahrungen nach am besten mit einer thorakalen Periduralanästhesie zu erreichen. Eine chirurgische Osteosynthese frakturierter Rippen ist bei ausgewählten Patient*innen, wie in unserem Fallbericht, anzustreben. Eine frühzeitige Stabilisierung der Thoraxwand unter optimierter respiratorischer und Schmerztherapie erleichtert die rasche Mobilisierung der Patientin, verringert die Intensiv- und Krankenhausaufenthaltsdauer und hilft vor allem Infektionskomplikationen zu vermeiden [6].