1 Einleitung

Die Fähigkeit zu lesen ist in einer literalen Gesellschaft eine zentrale Voraussetzung für den Umgang mit schriftbasierter Kommunikation. Insbesondere seit den PISA-Studien (2000) wird dem Leseverständnis große Aufmerksamkeit geschenkt. Das Leseverständnis – als die Fähigkeit basale und höhere Leseprozesse auf Wort‑, Satz- und Textebene zu realisieren – ist Teil der Lesekompetenz eines Individuums und wird primär im Grundschulalter entwickelt. Die Fähigkeit Geschriebenes zu verstehen, hängt von verschiedenen personenbezogenen Faktoren ab wie der phonologischen Bewusstheit, der Benennungsgeschwindigkeit oder der Intelligenz (Lenhard 2019, S. 34), die die Entwicklung des Leseverständnisses in unterschiedlichem Ausmaß entweder direkt oder indirekt beeinflussen (Storch und Whitehurst 2002). Darüber hinaus spielt die mündliche Sprachkompetenz als ein „key driver in the development of reading skills“ (Reese et al. 2010, S. 27) eine zentrale Rolle. Dies legen Studien nahe, die sich mit dem Verhältnis von mündlicher Sprachkompetenz (oral proficiency) und dem Leseverständnis (reading comprehension) monolingualer Kinder auseinandersetzen (Storch and Whitehurst, 2002; Pearson et al. 2007).

Inwiefern diese Erkenntnisse auch für multilinguale Kinder gültig sind, ließ sich bisher nicht eindeutig beurteilen (Duzy et al. 2013). Studien zur Rolle der mündlichen Sprachkompetenz für das Leseverständnis mehrsprachiger Kinder legen zwar nahe, dass „children with better oral language skills make earlier and faster progress in acquiring literacy skills through the elementary school years“ (Uchikoshi et al. 2016, S. 237; Leider et al. 2013), mündliche Sprachkompetenz wird jedoch in diesen Studien unterschiedlich operationalisiert (Babayiğit 2014; Uchikoshi et al. 2016) und vielfach isoliert und in dekontextualisierten Settings erhoben (Droop und Verhoeven 2003).

Bisherige Studien belegen einen Einfluss von mündlicher Sprachkompetenz auf das Leseverständnis im Englischen und lassen offen, ob dieser ebenso in anderen Sprachen besteht. So wurde auch der Zusammenhang von mündlicher Sprachkompetenz und der Entwicklung des Leseverständnisses in Deutsch als Zweitsprache (DaZ) bislang nicht untersucht. Bisherige Studien berücksichtigen zudem meist nur den Wortschatz als Prädiktor für die Entwicklung des Leseverständnisses (Röthlisberger et al. 2021) und nicht auch andere Teilkompetenzen mündlicher Sprachkompetenz.

In diesem Beitrag wird danach gefragt, inwiefern das Leseverständnis von multilingualen Kindern mit der Entwicklung ihrer mündlichen Sprachkompetenz im Deutschen als Zweitsprache zusammenhängt. Diese Studie wurde in der Grundschule in 2. Klassen durchgeführt, da Kinder in der 1. Klasse erst basale Lesefähigkeiten aufbauen müssen.Footnote 1

2 Theoretischer Hintergrund

2.1 Entwicklung des Leseverständnisses im Grundschulalter

Lesen bedeutet Verstehen schrift-basierter Kommunikation und bildet die Grundlage für den Wissensaustausch und -erwerb in einer literalen Gesellschaft. Entscheidend für das Verständnis verschriftlichter Inhalte ist das „verstehende Lesen“ (Klicpera et al. 2013, S. 64), auch bekannt als „Leseverständnis“Footnote 2. Für Schülerinnen und Schüler stellt das Leseverständnis eine Schlüsselkompetenz für den Schulerfolg dar. Schwächen im Leseverständnis in der Grundschule können in der Sekundarstufe meist nicht mehr kompensiert werden (Stanovich 1986; Klicpera und Gasteiger-Klicpera 1993). Mit Blick auf große Bildungsstudien, die übereinstimmend schlechtere Leseleistungen von Kindern mit Deutsch als Zweitsprache feststellen (IGLU/PIRLS 2016, S. 231), erscheint es von besonderer Relevanz die Entwicklung des Leseverständnisses dieser Kinder näher zu untersuchen.

An der Entwicklung des Leseverständnisses sind mehrere Teilprozesse involviert; dazu zählen basale oder hierarchieniedrige und -höhere Prozesse (Melby-Lervåg und Lervåg 2014; Lenhard 2019). Basale Prozesse sind auf der Wort- und Satzebene angesiedelt und umfassen auf Wortebene die Erkennung von Schriftzeichen, Buchstabengruppen und Wortbestandteilen sowie von ganzen Wörtern (das Dekodieren). Auf Satzebene zählt die Extraktion von Bedeutungseinheiten aus Sätzen, die Rekonstruktion der syntaktischen Tiefenstruktur sowie die Verknüpfung von Sätzen oder Satzteilen über Kohäsionsmittel zu den basalen Prozessen (Lenhard et al. 2018). Hierarchiehöhere Prozesse finden auf der Textebene statt; sie betreffen die Konstruktion eines sog. „mentalen Modells“ von einem Text. Ist der Textinhalt dadurch bei einem Lesenden repräsentiert, so ist ein Leseverständnis auf Textebene erreicht. Bei Kindern der Primarstufe sind für das Leseverständnis vor allem basale bzw. hierarchieniedrige Prozesse und damit verbundene Fähigkeiten auf Wort- und Satzebene von Relevanz (siehe dazu Lenhard 2019), daher liegt in der vorliegenden Studie der Fokus auf dem Wort- und Satzverständnis.Footnote 3

Leseverständnis wird durch das Zusammenspiel von basalen und hierarchiehöheren Prozessen sowie durch den Einfluss von Vorläuferfähigkeiten wie der phonologischen BewusstheitFootnote 4 oder den Buchstabenkenntnissen erzeugt (DeThorne et al. 2010; Lenhard et al. 2018). Diese Einflüsse verändern sich mit zunehmendem Lesealter (Melby-Lervåg und Lervåg 2014), so nimmt etwa der Einfluss von basalen Prozessen wie der Dekodierfähigkeit auf das Leseverständnis im Laufe des Schulalters ab und spielt am Ende der Primarstufe keine bedeutende Rolle mehr, da das Dekodieren von Wörtern ab der zweiten Schulstufe bereits automatisiert wird (Lenhard 2019)Footnote 5.

2.2 Zusammenhang zwischen mündlicher Sprachkompetenz und Leseverständnis in der Zweitsprache

Die zentrale Rolle der mündlichen Sprachkompetenz für das Leseverständnis (Vellutino et al. 2007; DeThorne et al. 2010) zeigen u. a. Studien zum Lesekompetenzerwerb im Englischen als Erstsprache in der Grundschule, denen zufolge Kinder mit besseren mündlichen Sprachfähigkeiten früher und schneller ein Leseverständnis erwerben (Pearson et al. 2007; Reese et al. 2010, S. 627; Uchikoshi et al. 2016, S. 237). Dabei bietet ein gut entwickelter Wortschatz eine „Top-down Unterstützung“ insbesondere für die Entwicklung von frühen Dekodierfähigkeiten (DeThorne et al. 2010, S. 12; Storch und Whitehurst 2010, S. 941).

Auch für Kinder mit anderen Erstsprachen spielt die mündliche Sprachkompetenz in der Zweitsprache für das Leseverständnis eine wichtige Rolle. So zeigen empirische Befunde für Holländisch als Zweitsprache, dass eine noch nicht ausgebaute mündliche Sprachkompetenz zu Schulbeginn die Entwicklung des Leseverständnisses verzögern kann (Durgunoğlu und Verhoeven 1998; Melby-Lervåg und Lervåg 2014). Das Leseverständnis dieser Kinder war geringer als jenes von Gleichaltrigen mit Holländisch als Erstsprache; ein Unterschied, den Droop und Verhoeven (2003) auf eine noch nicht ausreichend ausgebaute mündliche Sprachkompetenz in der L2 zurückführen.

Rolle des Wortschatzes für die Entwicklung des Leseverständnisses in der L2

Limbird et al. (2014) untersuchten die Entwicklung des Leseverständnisses in Abhängigkeit vom Wortschatz, von der phonologischen Bewusstheit und den Dekodierfähigkeiten bei türkisch-deutschsprechenden und monolingual deutschsprechenden Kindern im Vergleich. Dabei zeigte sich, dass nur der produktive Wortschatz der bilingualen Kinder einen signifikanten Einfluss auf das Leseverständnis im Deutschen als Zweitsprache hat (Limbird et al. 2014, S. 963). Der Wortschatz scheint daher für das Leseverständnis von Kindern mit DaZ nur dann ein „limitierender Faktor“ (Röthlisberger et al. 2021, S. 359) zu sein, wenn neben der Leseflüssigkeit auch die Rolle des Wortschatzumfanges und der semantischen Relationen zwischen den Wörtern berücksichtigt werden (Röthlisberger et al. 2021, S. 364). Dies zeigen auch andere Studien, die die Rolle des Wortschatzes als Prädiktor für das Leseverständnis untersuchten (Lervåg und Aukrust 2010; Leider et al. 2013) und diesen als einen für die mündliche Sprachkompetenz relevanten Teilbereich in der Zweitsprache nachweisen konnten (vgl. Babayiğit 2014; Melby-Lervåg und Lervåg 2014).

Erfassung mündlicher Sprachkompetenz und ihrer Teilbereiche

Werden die mündliche Sprachkompetenz und ihre Teilbereiche als Einflussvariable auf die Entwicklung des Leseverständnisses untersucht, so sind unabhängig von der Art der Teilbereiche (z. B. rezeptiv vs. produktiv) auch die Erhebungskontexte zu berücksichtigen. In diesem Zusammenhang wird zunehmend dafür plädiert, mündliche Sprachkompetenz kontextgebunden in kommunikativen Erhebungssituationen zu erheben, um „multiple levels of language use“ (Miller et al. 2006, S. 31) zu berücksichtigen. Uchikoshi et al. (2016) treten dafür ein, dass „the ability to produce oral language in a communicative context (such as narratives) should be considered the standard for assessing language knowledge“ (237).

Diese Auffassung entspricht auch dem von Ehlich et al. (2008) formulierten Konzept der „Basisqualifikationen“, das von einem Zusammenwirken mehrerer sprachlicher Teilkompetenzen ausgeht. Dieses bietet sich für eine Erhebung von mündlicher Sprachkompetenz an, die eine differenzierte Untersuchung ihres Zusammenhangs mit der Entwicklung des Leseverständnisses erlaubt (Landau et al. 2008).

Bisher verfügbare Studien, die die Entwicklung des Leseverständnisses im Deutschen als Zweitsprache bei mehrsprachigen Kindern untersuchen, fokussieren lediglich auf einzelne Teilfähigkeiten von mündlicher Sprachkompetenz wie z. B. dem Wortschatz (Limbird et al. 2014; Röthlisberger et al. 2021) oder den morphosyntaktischen Fähigkeiten (Duzy et al. 2013). In diesem Beitrag sollen differenzierte Erkenntnisse über das Verhältnis der mündlichen Sprachkompetenz – unter Berücksichtigung ihrer Teilfähigkeiten – und dem Leseverständnis von Kindern mit DaZ vorgestellt werden.

3 Vorliegende Studie

Die in diesem Beitrag präsentierte Studie zum Zusammenhang zwischen mündlicher Sprachkompetenz und dem Leseverständnis von DaZ-Schülerinnen und Schülern der Grundschule (2. Schulstufe) fokussiert Landau et al. (2008) folgend auf drei Ebenen der Differenzierung mündlicher Sprachkompetenz. Dabei orientieren wir uns am Konzept der Basisqualifikationen nach Ehlich et al. (2008), das diskursiv-pragmatische, morpho-syntaktische und lexikalische Basisqualifikationen umfasst. Die folgenden Forschungsfragen stehen dabei im Mittelpunkt:

  1. 1.

    Kann mündliche Sprachkompetenz (als Gesamtfaktor) am Anfang der zweiten Schulstufe als Prädiktor für basale Prozesse des Leseverständnisses bei Schülerinnen und Schüler mit DaZ am Ende der zweiten Schulstufe herangezogen werden?

  2. 2.

    Können Teilbereiche mündlicher Sprachkompetenz („Basisqualifikationen“ nach Ehlich et al. 2008) – diskurs-pragmatische, morpho-syntaktische und lexikalische Basisqualifikation – am Anfang der zweiten Schulstufe als Prädiktoren für basale Prozesse des Leseverständnisses am Ende der zweiten Schulstufe bei Schülerinnen und Schüler mit DaZ herangezogen werden?

  3. 3.

    Kann eine Ausdifferenzierung der mündlichen Sprachkompetenz über den Gesamtfaktor (s. Forschungsfrage 1) und die Basisqualifikationen (s. Forschungsfrage 2) hinaus am Anfang der zweiten Schulstufe als Prädiktor für basale Prozesse des Leseverständnisses bei Schülerinnen und Schüler mit DaZ am Ende der zweiten Schulstufe herangezogen werden?

4 Methode

4.1 Stichprobe

Es wurden Schülerinnen und Schüler (N = 221) aus 11 zweiten Klassen in vier österreichischen Grundschulen rekrutiert,Footnote 6 die am Forschungsprojekt „(Un)geteilte Klassen“ teilnahmen. Davon machten 213 Angaben zu ihrer Familiensprache, wobei 148 angaben, Deutsch nicht als Familiensprache zu haben. Sprachdaten wurden zu zwei Messzeitpunkten erhoben (s. 4.3), bei T1 waren die Kinder zwischen 6 und 10 Jahre alt (M = 7,48, SD = 0,65; 94,5 % waren 7 oder 8 Jahre alt). Von den 148 Schülerinnen und Schülern mit DaZ nahmen 141 Schülerinnen und Schüler (74 Schülerinnen und 67 Schüler) bei beiden Messzeitpunkten teil, die die Stichprobe des vorliegenden Beitrags bilden. In dieser Gruppe wurden mehr als 20 Erstsprachen angegeben, die häufigsten waren Türkisch, Kurdisch, Rumänisch, Arabisch, Bosnisch und Albanisch vertreten.

4.2 Sprachdiagnostische Erhebungsinstrumente

Die mündliche Sprachkompetenz wurde mit USB PluS (Grammel und Freunberger 2017) erhoben. Es handelt sich dabei um ein Testinstrument, das für Erst- und Zweitsprachenlernende konzipiert ist. USB PluS besteht aus zwei Aufgaben: Die erste Aufgabe bezieht sich auf vier vergleichbare Bilderbücher, die jeweils eine einfache Geschichte darstellen (Grammel und Freunberger 2017, S. 53). Jedes Buch umfasst sechs Bilder, wobei das fünfte Bild fehlt. Die Kinder sollen die Geschichte einer Fingerpuppe, dem Dachs, erzählen und dabei auch das fehlende Bild einbeziehen. Die zweite USB PluS-Aufgabe basiert auf zwei einzelnen Bildern, die ein Klassenzimmer und ein Haus darstellen. Die Kinder werden gebeten, die Gegenstände zu benennen, die sie auf einem der beiden Bilder sehen.

Die Erhebung mit USB PluS dauerte durchschnittlich neun Minuten pro Kind, dabei wurden die Geschichten mit einem ZOOM H1 Handy Recorder aufgezeichnet. Die Sequenzen, in denen das jeweilige Kind die Geschichte erzählte und das Bild beschrieb, wurden anschließend nach den Richtlinien von USB PluS transkribiert (Grammel und Freunberger 2017). Die Transkripte wurden mit dem USB PluS-Tool (BIFIE 2018) analysiert und mit Bezug auf die Basisqualifikationen nach Ehlich et al. (2008) nach Aufgabenerfüllung (pragmatisch-diskursive Kompetenzen), Verbstellung und Verbformen (morphosyntaktische Kompetenzen), Verbtypen, Konnektoren und Substantiven (lexikalisch-semantische Kompetenzen) kodiert.

Um das Leseverständnis der Schülerinnen und Schüler zu erheben, wurde der ELFE II (Lenhard et al. 2018) eingesetzt. Dieser erfasst dieses auf den Ebenen Wort‑, Satz- und Textverständnis, wobei eine Überprüfung des Textverständnisses in der 2. Schulstufe noch nicht empfohlen wird und daher in dieser Studie auch nicht durchgeführt wurde. Für die Untersuchung des Wortverständnisses mussten die Schülerinnen und Schüler unterschiedlichen Bildern passende Begriffe zuordnen. Für die Untersuchung des Satzverständnisses mussten Sätze mit angemessenen Begriffen ergänzt werden; pro Satz standen mehrere Begriffe zur Auswahl.

Neben sprachbezogenen Faktoren wurden im Projekt noch weitere Variablen erhoben. So wurde etwa anhand eines Elternfragebogens erfasst, welche Sprache(n) sie mit ihren Eltern, Geschwistern sowie Freundinnen und Freunden verwenden (siehe Bushati et al. 2023).

4.3 Erhebung

Die Daten wurden zu zwei Messzeitpunkten erhoben: T1 zu Beginn des Schuljahres (September – Oktober 2018) und T2 im Frühjahr (April 2019; Durchschnittsdifferenz zwischen T1 und T2 = 197,43 Tage, SD = 10,67).Footnote 7 Die Erhebungen wurden von einem 6‑köpfigen Team geleitet, die vor der Datenerhebung eine halbtägige Schulung zur Anwendung des Instruments erhielten.

Die Erhebungen wurden immer in derselben Abfolge durchgeführt: Zunächst wurde das Leseverständnis anhand von ELFE II in der ersten Unterrichtsstunde mit der gesamten Klasse erhoben. Die Erhebung mit USB PluS wurde anschließend mit jedem Kind einzeln in einem separaten Raum durchgeführt. Bei T1 und T2 wurde dabei jeweils ein anderes Bilderbuch eingesetzt. Die Bilderbücher und ihre Reihenfolge wurden über die Kinder und Klassen hinweg randomisiert. Danach erfolgte die Überprüfung des lexikalischen Wissens mittels Bildbeschreibung.

4.4 Analyse der Daten

Die Entwicklung der mündlichen Sprachkompetenz und des Leseverständnisses von T1 zu T2 wurden mit einem Cross-Lagged-Panel-Design analysiert. Dieses ist schematisch in Abb. 1 dargestellt. Für Cross-Lagged-Panel-Analysen ist eine längsschnittliche Erhebung notwendig. Diese Analysen ermöglichen es, die Stabilität und den gegenseitigen Einfluss der analysierten Variablen zu trennen. Daraus kann geschlossen werden, wie stabil Variablen sind (Pfade s1 bzw. s2 in Abb. 1), und wie sehr ihre Entwicklung von anderen Variablen abhängt (Pfade k1 und k2 in Abb. 1). Wenn die mündliche Sprachkompetenz und das Leseverständnis sich unabhängig voneinander entwickeln, dann sollten s1 und s2 hoch ausfallen und k1 und k2 niedrig. Wenn hingegen die mündliche Sprachkompetenz zur Entwicklung das Leseverständnis notwendig ist, dann sollte k1 hoch ausfallen und k2 niedrig sein.

Abb. 1
figure 1

Schematische Darstellung des Cross-Lagged-Panel-Designs zur Überprüfung der Entwicklung der mündlichen Sprachkompetenz und des Leseverständnisses von T1 zu T2

Die Cross-Lagged-Panel-Analysen wurden dreifach durchgeführt, einmal pro Fragestellung. Dabei gehen für das Leseverständnis immer die beiden Subskalen des ELFE II ein (Leseverständnis auf der Wort- und Satzebene). Wie die mündliche Sprachkompetenz abgebildet wird, variiert hingegen mit der Fragestellung. Für Fragestellung 1 (Zusammenhang der mündlichen Sprachkompetenz als Gesamtfaktor mit dem Leseverständnis) geht in die Cross-Lagged-Panel-Analyse der Gesamtwert aus dem USB PluS ein; für Fragestellung 2 (Zusammenhang der Basisqualifikationen mit dem Leseverständnis) die drei Basisqualifikationen diskurs-pragmatisch, morpho-syntaktisch und lexikalisch; für Fragestellung 3 (Zusammenhang der ausdifferenzierten Basisqualifikationen mit dem Leseverständnis) alle sechs Subskalen des USB PluS getrennt. Für alle drei Analysen liegt das Augenmerk darauf, wie sehr die mündliche Sprachkompetenz in ihren unterschiedlichen Ausprägungen zu T1 das Leseverständnis zu T2 vorhersagen kann.

Für die Analysen wurden alle Subskalen zuerst an den Klassenmittelwerten z‑standardisiert, um der hierarchischen Datenstruktur Rechnung zu tragen (Schülerinnen und Schüler in Klassen). Diese Verwendung der Klassenmittelwerte kontrolliert für etwaige bestehende Unterschiede auf Klassenebene und eliminiert damit die hierarchische Datenstruktur als Varianzquelle. Darüber hinaus bedingt die z‑Standardisierung, dass die Subskalen dieselbe Metrik aufweisen. Demnach kann für Fragestellung 1 der Gesamtwert der mündlichen Sprachkompetenz aus den sechs USB PluS Skalen durch Aufsummierung gebildet werden. Gleichermaßen können für Fragestellung 2 Gesamtwerte für die Basisqualifikation diskurs-pragmatisch, morpho-syntaktisch und lexikalisch durch Aufsummierung der betreffenden Subskalen gebildet werden. Für Fragestellung 3 gingen die Subskalen ohne weitere Aufsummierung ein, da die Subskalen die Ausdifferenzierung der Basisqualifikation darstellen.

Die Cross-Lagged-Panel-Analysen wurden in R (R Core Team, 2020) mit lavaan (Rosseel, 2012) durchgeführt. Im ersten Schritt wurden in der Cross-Lagged-Panel-Analyse alle Pfade zugelassen. Im zweiten Schritt wurde das Modell vereinfacht, indem nicht signifikante Pfade (p ≥ 0,05) iterativ auf 0 gesetzt wurden. Dieser iterative Prozess wurde wiederholt, bis im Modell nur mehr signifikante Pfade (p < 0,05) zwischen T1 und T2 waren. Alle Cross-Lagged-Panel-Analysen wurden mit maximum likelihood geschätzt (Schiefe und Kurtosis der manifesten Variablen bis auf die Subskala Verbstellungen alle < |1|). Die Modellgüte wurde mittels der χ2-Statistik beurteilt, wobei Modelle mit p ≥ 0,05 als passend angenommen wurden. Alle Daten und Skripten sind unter https://osf.io/3qprn verfügbar.

5 Ergebnisse

In Tab. 1 sind die deskriptiven Ergebnisse der mündlichen Sprachkompetenz und des Leseverständnisses von T1 und T2 dargestelltFootnote 8. Die Ergebnisse zeigen, dass Schülerinnen und Schüler in der 2. Grundschulklasse sich von T1 zu T2 in den Subskalen der mündlichen Sprachkompetenz veränderten. Bis auf die Subskala Benennen (d = −0,49) stiegen alle Kompetenzen (0,23 ≤ d ≤ 0,86). Die Steigerung im Leseverständnis fiel für die Ebene Wort und Satz hoch aus (d = 2,60 bzw. d = 2,24).

Tab. 1 Deskriptive Statistiken der sechs Subskalen der mündlichen Sprachkompetenz (Aufgabenbewältigung, Verbformen, Verbstellung, Verbtypen, Konnektoren und Benennen) und der zwei Subskalen des Leseverständnisses von T1 und T2, und der Vergleich von T1 zu T2

Die Ergebnisse für Fragestellung 1 zum Zusammenhang der mündlichen Sprachkompetenz mit dem Leseverständnis sind dargestellt in Tab. 2. In diesem Modell konnten zwei Pfade null-gesetzt werden (χ2 [2] = 4,982, p = 0,083). Es zeigt sich, dass die mündliche Sprachkompetenz das Leseverständnis weniger vorhersagte (für Wort: β = 0,132; für Satz: β = 0,123) als das Leseverständnis die mündliche Sprachkompetenz (für Wort: β = 0,338; für Satz: β = 0,255).

Tab. 2 Standardisierte Pfadkoeffizienten und Varianzaufklärung der Vorhersage des Gesamtwerts der mündlichen Sprachkompetenz (SK) und des Leseverständnisses (Wort und Satz) zu T2, durch dieselben Variablen zu T1

Die Ergebnisse für Fragestellung 2 zum Zusammenhang der Basisqualifikationen mit dem Leseverständnis sind dargestellt in Tab. 3. In diesem Modell konnten neun Pfade null-gesetzt werden (χ2 [9] = 12,899, p = 0,167). Es zeigt sich, dass das Leseverständnis auf der Wort- und Satzebene die morpho-syntaktischen Sprachkompetenz vorhersagen konnte (Wort: β = 0,193; Satz: β = −0,172), während die diskurs-pragmatische (für Wort: β = −0,135; für Satz: β = −0,160) und lexikalische (für Wort: β = 0,281; für Satz: β = 0,224) Sprachkompetenz im Mündlichen das Leseverständnis vorhersagten. Anzumerken ist, dass es sich bei den negativen Pfadkoeffizienten um Suppressionseffekte handelte (vgl. positive Korrelationen in Tab. 6 des Anhangs), weshalb wir davon Abstand nehmen diese negativen Regressionskoeffizienten als solche zu interpretieren.

Tab. 3 Standardisierte Pfadkoeffizienten und Varianzaufklärung der Vorhersage der drei Basisqualifikationen der mündlichen Sprachkompetenz (diskurs-pragmatisch, morpho-syntaktisch und lexikalisch) und des Leseverständnisses (Wort und Satz) zu T2, durch dieselben Variablen zu T1

Die Ergebnisse für Fragestellung 3 zum Zusammenhang der ausdifferenzierten Basisqualifikationen mit dem Leseverständnis sind dargestellt in Tab. 4. In diesem Modell konnten 37 Pfade null-gesetzt werden (χ2 [37] = 37,434, p = 0,449). Es zeigt sich, dass das Leseverständnis auf Wortebene die Verbformen und Verbstellungen der Sprachkompetenz vorhersagte (β = 0,274 bzw. β = 0,170). Für die Lesefähigkeiten auf Satzebene zeigten sich wiederum Suppressionseffekte (−0,241 ≤ β ≤ −0,131, vgl. positive Korrelationen in Tab. 5 des Anhangs). Bezüglich der Vorhersage des Leseverständnisses durch Facetten der ausdifferenzierten mündlichen Sprachkompetenz zeigte sich nur ein Effekt für die Teilkompetenz Benennen (für Wort: β = 0,146; für Satz: β = 0,132).

Tab. 4 Standardisierte Pfadkoeffizienten und Varianzaufklärung der Vorhersage der mündlichen Sprachkompetenz aufgegliedert in die sechs Subskalen der mündlichen Sprachkompetenz (Aufgabenbewältigung, Verbformen, Verbstellung, Verbtypen, Konnektoren und Benennen) und des Leseverständnisses (Wort und Satz) zu T2, durch dieselben Variablen zu T1

Über alle drei Analysen hinweg zeigte sich, dass die mündliche Sprachkompetenz das Leseverständnis stärker vorhersagte als das Leseverständnis die mündliche Sprachkompetenz. Weiters zeigt sich über alle drei Analysen hinweg, dass der Grad der Vorhersage des Leseverständnisses auf der Ebene Wort (R2: 57,2 % bzw. 59,1 % bzw. 57,4 %) und Satz (R2: 54,5 % bzw. 57,1 % bzw. 54,2 %) vergleichbar war, unabhängig davon wie sehr die mündliche Sprachkompetenz ausdifferenziert wurde.

6 Diskussion

In der in diesem Beitrag vorgestellten Studie wurde der Zusammenhang zwischen der mündlichen Sprachkompetenz sowie deren Ausdifferenzierung (Gesamtwert, Basisqualifikationen, ausdifferenzierte Basisqualifikationen) und der Entwicklung des Leseverständnisses im Deutschen als Zweitsprache von Schülerinnen und Schülern der 2. Grundschulstufe untersucht. Die mündliche Sprachkompetenz und das Wort- und Satzverständnis wurden zu zwei Messzeitpunkten erhoben. Die Ergebnisse der Cross-Lagged-Panel Analysen zeigen die Relevanz der mündlichen Sprachkompetenz für die Entwicklung des Leseverständnisses. Die Ergebnisse dieser Studie replizieren Befunde aus Studien zu anderen Sprachen insofern, als dass die mündliche Sprachkompetenz für die Entwicklung des Leseverständnisses auch für Kinder mit DaZ relevant ist, und nicht umgekehrt (Durgunoğlu und Verhoeven 1998; Melby-Lervåg und Lervåg 2014).

Unsere erste Fragestellung, ob mündliche Sprachkompetenz im Deutschen (als Gesamtfaktor) am Anfang der zweiten Schulstufe als Prädiktor für basale Prozesse des Leseverständnisses bei Schülerinnen und Schüler mit DaZ am Ende der zweiten Schulstufe herangezogen werden kann, können wir positiv beantworten. Dieses Ergebnis steht im Einklang mit Ergebnissen von Babayiğit (2014), die eine signifikante Rolle der mündlichen Sprachkompetenz in der Zweitsprache für das Leseverständnis von Kindern mit Englisch als L2 zeigte, sowie den Ergebnissen von Miller et al. (2006), die der mündlichen Sprachkompetenz von spanisch-englischsprechenden Kindern in ihrer L2 Englisch zu T1 eine Prädiktorrolle für das Leseverständnis zu T1 zuschreiben. Allerdings wird in diesen Studien kein longitudinales Studiendesign wie in der hier vorliegenden Studie realisiert; es können somit keine Aussagen über die Rolle der mündlichen Sprachkompetenz bei der Entwicklung des Leseverständnisses über die Zeit gemacht werden.

In Bezug auf die zweite Fragestellung zeigen unsere Befunde, dass, wenn man die Basisqualifikationen in diskurs-pragmatische, morpho-syntaktische und lexikalische Basisqualifikationen (Ehlich et al. 2008) aufschlüsselt, nur mehr die lexikalische Basisqualifikation (Verbtypen, Konnektoren und das Benennen) für das Leseverständnis von Wörtern und Sätzen relevant ist. Die morpho-syntaktischen und diskursiv-pragmatischen Fähigkeiten scheinen demgegenüber keine besondere Rolle zu spielen. Die Ergebnisse decken sich mit Ergebnissen anderer Studien, welche den Wortschatz als treibende Kraft bei der Entwicklung des Leseverständnisses mehrsprachiger Kinder in ihrer L2 sehen (Lervåg und Aukrust 2010; Limbird et al. 2014, Röthlisberger et al. 2021). Allerdings konnten wir keinen Zusammenhang, wie etwa in der Studie von Uchikoshi et al. (2016), zwischen narrativ-diskursiven Fähigkeiten (dem Gesamtscore unserer mündlichen Sprachkompetenz entsprechend) und der Entwicklung des Leseverständnisses finden. Diese Divergenz zwischen den Ergebnissen lässt sich z. T. durch die unterschiedliche Elizitierung der mündlichen Erzählkompetenz in den beiden Studien erklären. Die durch das Bilderbuch stark gelenkt elizitierte Erzählkompetenz der Kinder in der vorliegenden Studie umfasst zwar auch allgemeine Fähigkeiten des Erzählens, wie z. B. die Aufgabenbewältigung, die Erzählkompetenz selbst wird hier jedoch nur als diskursiv-pragmatische Komponente der mündlichen Sprachkompetenz untersucht.

Werden die diskursiv-pragmatischen, morphologisch-syntaktischen und lexikalisch-semantischen Basisqualifikationen weiter in ihre Teilbereiche (siehe Abschn. 4.2) ausdifferenziert, ist es nur die lexikalische Teilkompetenz Benennen, die relevant für das Leseverständnis von Wörtern und Sätzen ist. Das bedeutet, dass das Wort- und Satzverständnis von mehrsprachigen Kindern der 2. Grundschulstufe nur vom Benennen vorausgesagt werden kann. Dieses Ergebnis schließt an die Befunde von Duzy et al. (2013) an, die dem schnellen Benennen von Gegenständen in der Zweitsprache eine bedeutsame Rolle für die Vorhersage des Leseverständnisses zuschreibt. Erhoben wird hier jedoch im Unterschied zur vorliegenden Studie nicht nur das Benennen von Gegenständen auf Bildern, sondern auch die „Speedkomponente“ (Duzy et al. 2013, S. 186). Während in der Studie von Duzy et al. (2013) das schnelle Benennen über die Variable Lesegeschwindigkeit indirekt das Leseverständnis vorhersagen kann, wird in der vorliegenden Studie „die grundlegende Eigenschaft des Wortschatzes, […] bestimmte Objekte bereits mit bekannten Wörtern [zu] verknüpfen[t]“ (Grammel und Freunberger 2017, S. 15) als Prädiktor für das Leseverständnis untersucht. Die Varianz zwischen dem Benennen und den zwei weiteren Komponenten (Verbtyp und Konnektoren im Bereich der lexikalisch-semantischen Basisqualifikationen) ist mit hoher Wahrscheinlichkeit damit zu begründen, dass das Benennen mit einem anderen Instrument erhoben wurde als die Komponenten Verbtyp und Konnektoren, die im Rahmen der Bilderbuchgeschichte erhoben wurden. Nichtsdestotrotz relativiert die Erkenntnis um die besondere Rolle des Benennens die bisherige Annahme, dass Verbtypen ein verlässlicher Indikator für den Umfang des Wortschatzes von Kindern mit DaZ sind (Apeltauer 1998; Grammel und Freunberger 2017). Weitere Unterschiede zu bisherigen Ergebnissen anderer einschlägiger Studien bestehen darin, dass die meisten Studien entweder den rezeptiven Wortschatzumfang messen, indem ein auditiv dargebotenes Zielwort eins von vier Bildern zugeordnet werden soll (Röthlisberger et al. 2021; Uchikoshi et al. 2016), oder die Wortschatztiefe untersuchen, indem sie die semantische, morphologische und syntaktische Bewusstheit erheben (Leider et al. 2013). Andere Studien wiederum erheben nicht nur den rezeptiven, sondern auch den produktiven Wortschatz (Storch und Whitehurst 2002). Trotz dieser Unterschiede in der Modellierung der sprachlichen Kategorie Wortschatz stimmen bisher vorliegende Ergebnisse empirischer Studien dahingehend überein, dass der Wortschatz eine fundamentale Rolle für das Leseverständnis spielt.

Die Ergebnisse der vorliegenden Studie fügen sich somit in das Gesamtbild bisheriger Erkenntnisse ein und leisten einen Beitrag, um den komplexen Zusammenhang zwischen der mündlichen Sprachkompetenz sowie dem produktiven Wortschatz und der Entwicklung des Leseverständnisses im Deutschen als Zweitsprache besser zu verstehen. Diese Studie trägt insbesondere dazu bei, die Erkenntnislage zur Rolle der mündlichen Sprachkompetenz und ihrer Teilbereiche bei der Entwicklung des Wort- und Satzverständnisses im Deutschen als Zweitsprache von Kindern in der Grundschule zu erweitern.

7 Limitationen

Die Ergebnisse dieser Studie geben zum ersten Mal einen differenzierten Einblick in die Rolle der mündlichen Sprachkompetenz und ihrer Teilkomponenten für die Entwicklung des Leseverständnisses von Kindern im Deutschen als Zweitsprache. Sie sind daher von Relevanz für Arbeiten zum Zweitspracherwerb in mehrsprachigen schulischen Kontexten, sollten aber dennoch mit Vorsicht interpretiert werden, da die Studie einige Limitationen aufweist.

So wurde in dieser Studie nur der produktive Wortschatz elizitiert, obwohl auch der rezeptive Wortschatz für das Leseverständnis als Prädiktor eine Rolle spielt. Ebenso bestehen Limitationen aufgrund des Einsatzes von USB PluS als Erhebungsinstrument, da das Instrument das Benennen anhand einzelner Bilder erhebt, die mit den Bilderbuchgeschichten nicht direkt in Zusammenhang stehen.

Als eine weitere Limitation sehen wir die fehlenden Daten über die mündliche Sprachkompetenz und die Entwicklung des Leseverständnisses in den Erstsprachen der Kinder. So stellen Studien mit spanischsprechenden Kindern mit Englisch als Zweitsprache bspw. einen Zusammenhang zwischen der Kompetenz in der Erstsprache und der Entwicklung des Leseverständnisses in der Zweitsprache Englisch fest (Miller et al. 2006). Aufgrund der linguistischen Diversität der Stichprobe und eingeschränkter Ressourcen im Projekt war es nicht möglich, die Erstsprachkompetenzen der Kinder zu erheben und ihren Zusammenhang mit der Entwicklung des Leseverständnisses in der Zweitsprache Deutsch zu untersuchen. Es bedarf daher weiterer Studien, um das Zusammenspiel der verschiedenen Komponenten mündlicher Sprachkompetenz (insbesondere der lexikalischen Komponente) sowie ihre Rolle als Prädiktor für das Leseverständnis im Deutschen als Zweitsprache von multilingualen Kindern zu untersuchen.

8 Fazit

Die Ergebnisse zeigen, dass die mündliche Sprachkompetenz einen signifikanten Einflussfaktor auf das Leseverständnis im Deutschen als Zweitsprache von Kindern in der Primarstufe darstellt – dies gilt vor allem für die Teilkompetenz Benennen. Künftige Studien zum Erwerb des Leseverständnisses in der Zweitsprache sollten daher berücksichtigen, dass Effekte der mündlichen Sprachkompetenz (s. Ergebnisse zum Gesamtscore von Fragestellung 1) und Effekte der lexikalischen Basisqualifikation (s. Ergebnisse zu Basisqualifikationen von Fragestellung 2) auf die Teilkompetenz Benennen zurückzuführen sein könnten. Die Ergebnisse lassen weiters annehmen, dass je besser wir verstehen, welche komplexen Wechselwirkungen zwischen einzelnen Komponenten der mündlichen Sprachkompetenz und dem Leseverständnis bestehen, desto besser wir in der Lage sind, mehrsprachige Kinder bei der Entwicklung ihres Leseverständnisses in der Zweitsprache Deutsch zu fördern.