Unser Blick auf das zurückliegende Jahr wird von der COVID-19-Pandemie überschattet, die nahezu unsere ganze Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat und die Kardiologie als fast unbedeutend hat erscheinen lassen. Sowohl in der Außenwahrnehmung als auch in Projektfokussierung, Wissenschaftsförderung und Ressourcenkonzentration hat die Pandemie vieles dominiert und wird es auch auf noch unbestimmte Zeit tun.

Während in der Zeit vor der Pandemie ca. 2 % der biomedizinischen Forschung auf die Virologie (inklusive Influenza) entfielen, ist der Anteil inzwischen auf mehr als 10–20 % nach der ersten Lockdown-Welle weltweit angestiegen [1]. In die multinationalen Bemühungen zur Bekämpfung der Pandemie sind immense Summen geflossen, die u. a. aus anderen Fördertöpfen stammen und an anderer Stelle in der Zukunft fehlen werden.

Themen und Studien, die nicht in einem Zusammenhang mit einer COVID-Infektion standen, haben nur schwer Interesse und Aufmerksamkeit gewinnen können und sich auch in weniger kardiologischen Publikationen niedergeschlagen. Zwischen Dezember 2019 und Juni 2020 sind mehr als 20.000 COVID-assoziierte Publikationen erschienen, einige in hoch angesehenen Journalen, zum Teil dem enormen Wissensdurst der Öffentlichkeit und der Medienwirksamkeit geschuldet, zum Teil auch mit Aussagen, die bei genauerer Analyse revidiert werden mussten, da offensichtlich die Gründlichkeit der Reviewprozesse nicht mit der Masse der anfallenden Daten und dem Drang der Publikation schritthalten konnte [1].

Über die Umverteilung der finanziellen Ressourcen hinaus haben auch die Reisebeschränkungen, die reduzierte Betreuung von Studien durch Spezialisten und die Einschränkungen in den Behandlungsmöglichkeiten von sog. „nicht akuten“ Patienten Auswirkungen auf die Durchführung von kardiologischen Studien. Patienten haben sich aus Sorge vor Ansteckung mit dem Coronavirus von Kliniken ferngehalten, haben sich spät im Krankheitsverlauf vorgestellt und haben ambulante Nachbeobachtungstermine sowohl in Kliniken und Praxen vermieden, sodass u. a. auch bereits laufende kardiologische Studien weniger Einschlüsse zu verzeichnen hatten und haben.

Rhythmologische Betreuung in Pandemiezeiten

Mit Beginn der Pandemie zu Beginn des letzten Jahres ist frühzeitig die Diskussion um die Dringlichkeit und Notwendigkeit medizinischer Eingriffe in der Nutzen-Risiko-Abwägung in der allgegenwärtigen Infektsituation entbrannt. Die Umverteilung personeller Ressourcen innerhalb der Kliniken zugunsten der Behandlung von COVID-Erkrankten, die Bereitstellung von räumlichen Kapazitäten, von Beatmungsmöglichkeiten und Intensivbetten hat ein Umdenken in der etablierten Einbestellungs- und Behandlungspraxis von kardiologischen Patienten nach sich gezogen. Eine Graduierung nach Dringlichkeit und Notwendigkeit medizinischer Eingriffe wurde eingefordert mit der Konsequenz, bestimmte Patienten nicht zu versorgen, was gerade in der Herz-Kreislauf-Medizin mit nicht abschätzbaren Folgen einer unterlassenen Behandlung als sehr kritisch einzuschätzen ist. Im September 2020 haben die Heart Rhythm Society COVID-19 Task Force, die Electrophysiology Section des American College of Cardiology und das Electrocardiography and Arrhythmias Committee des Council on Clinical Cardiology der American Heart Association eine Richtlinie veröffentlicht, die eine Hilfestellung bei der Graduierung der Dringlichkeit von rhythmologischen Interventionen und Eingriffen inklusive der Device-Therapie und Nachsorge gibt, die vorrangig dem Schutz von Patienten, Angehörigen des Gesundheitswesens, Industriemitarbeitern und Krankenhausangestellten dienen soll [2].

In dieser Richtlinie wird zwischen „urgent/emergent“, „semi-urgent“ und „non-urgent/elective“ unterschieden. Behandelt werden sollten somit in jedem Fall die dringlich einzuschätzenden Indikationen, unterlassen werden sollten Eingriffe/Interventionen mit nichtdringlicher/elektiver Notwendigkeit.

Im Bereich der elektrischen Implantate werden folgende Eingriffe als dringend notwendig eingestuft:

  • Sondenrevisionen bei stimulationsabhängigen Schrittmacherpatienten und/oder inadäquate Defibrillatortherapie bei ICD(implantierbarer Kardioverter-Defibrillator)-Trägern,

  • Batteriewechsel bei elektiver Austauschindikation oder bei Batterieerschöpfung („end of life“),

  • Batterieerschöpfung mit minimaler Restlaufzeit unter besonderen Situationen,

  • ICD-Implantation zur Sekundärprävention,

  • Schrittmachernotwendigkeit bei AV(atrioventrikulär)-Block III; Mobitz II oder höhergradiger AV-Block mit Symptomen sowie symptomatische Sinusknotendysfunktion mit langen Pausen,

  • antibiotikaresistente Sonden‑/Device-Infektion oder Endokarditis, Bakteriämie oder Tascheninfektion,

  • CRT(kardiale Resynchronisationstherapie)-Indikation bei therapieresistenter schwerer Herzinsuffizienz unter optimaler leitlinienkonformer medikamentöser Therapie.

Demgegenüber wird ein sehr zurückhaltendes und vermeidendes Verhalten bei den nichtdringlichen oder elektiven Indikationen empfohlen, wozu folgende Maßnahmen zählen:

  • ICD-Implantation zur Primärprävention,

  • CRT bei stabilen Patienten,

  • Upgrades verschiedener Systeme,

  • Schrittmacherimplantationen bei Sinusknotendysfunktion, AV-Block Mobitz I, wenig symptomatische Brady-Tachy-Syndrome,

  • ICD-Batteriewechsel bei einer Restlaufzeit von mehr als 6 Wochen,

  • Entfernung/Extraktion nicht infizierter Sonden/Aggregate, es sei denn, die Device-Funktion ist beeinträchtigt.

Zu den zu vermeidenden Interventionen gehören u. a. auch die Diagnostik supraventrikulärer Tachykardien und die Ablation atrialer Arrhythmien inklusive Vorhofflimmerablationen, solange die Patienten stabil sind. Grundsätzlich gibt es einen klinischen Ermessensspielraum, der sich auch in der Kategorie „semi-urgent“ niederschlägt. Das Patienten- und das Mitarbeiterwohl sollten immer im Licht einer angemessenen Versorgung und notwendiger Vermeidung/Ausbreitung von Infektionen beurteilt werden.

Device-Nachsorge

Auch in der Device-Nachsorge sollen so wenig wie möglich Patienten die Kliniken oder Praxen betreten und die persönlichen Kontakte vermieden werden, wenn machbar. Grundsätzlich und theoretisch wäre zumindest ein Teil der Implantatträger, die mit modernen telemedizinfähigen Geräten versorgt sind, per „remote interrogation“ zu verfolgen und ein Teil der Routinenachsorge zu vermeiden. Ebenso könnte eine Bildübermittlung von z. B. einer suspekten Schrittmacher‑/Defibrillatortasche aus der Häuslichkeit erfolgen. Über welche Plattform das dann zu geschehen hätte und wie gerade ältere Schrittmacherpatienten das technisch bewältigen könnten, bleibt auch unter datenschutzkonformem Vorgehen zurzeit ungeklärt.

Übrig bleiben und empfohlen werden somit nur Nachsorgekontakte aus folgenden dringlichen oder zeitkritischen Indikationen:

  • Auffälligkeiten der Devices im Remote-Monitoring, in der Telemetrie oder im ambulanten Monitoring, die eine klinische Gefährdung oder Konsequenz nach sich ziehen,

  • ICD-Schocks, Synkope oder Präsynkope in Zusammenhang mit einem arrhythmischen Ereignis, die eine Umprogrammierung erfordern,

  • verdächtige Symptome oder Auffälligkeiten im Remote-Monitoring, die in Zusammenhang mit einer Fehlfunktion oder Fehlprogrammierung stehen könnten,

  • Notwendigkeit einer Umprogrammierung,

  • verdächtige Symptome bei Device-Trägern, die keine Remote-Monitoring-Funktion haben,

  • Notwendigkeit einer dringlichen nichtvermeidbaren MRT (Magnetresonanztomographie)-Untersuchung.

Obwohl das Remote-Monitoring schon seit 2015 eine Klasse-I-Indikation aufweist [3], wird gerade in den aktuellen Pandemiezeiten deutlich, dass es nach wie vor an einer strukturierten flächendeckenden Umsetzung mangelt. Die Ursachen sind vielfältig und seit Jahren bekannt. Hierzu gehören eine uneinheitliche technische Ausstattung, firmenspezifische Unverträglichkeiten und Besonderheiten, fehlende Plattformen, unklare Organisationsabläufe und Zuständigkeiten sowie ein fragwürdiges und noch zu klärendes Entgeltsystem, das bisher über Jahre nicht refinanzierte etablierte telemedizinische Strukturen in Kliniken in den bestehenden Organisationsformen nicht unterstützt hat.

Auswirkungen auf die klinische Versorgung – am Beispiel Italiens

Bereits vor Erscheinen dieser Empfehlungen hat in Italien, das in der ersten Phase der Pandemie besonders heftig betroffen war, eine Priorisierung von rhythmologischen Interventionen und Eingriffen stattgefunden. Eine so differenzierte Einteilung – wie oben ausgeführt – lag jedoch für die dortige kardiologische Versorgung noch nicht vor, wie eine Umfrage der Italian Association of Arrhythmology and Cardiac Pacing zeigte [4]. So schien die Versorgung von Patienten mit Rhythmusimplantaten während des Lockdowns gravierend eingeschränkt zu sein [5]. Basierend auf dieser Befragung von 104 Ärzten aus 84 rhythmologischen Zentren, die damit fast ein Viertel der vorhandenen Rhythmologien darstellen, haben sich im Zeitraum von Ende April bis Ende Mai 2020 im Vergleich zum identischen Vorjahreszeitraum bedeutsame Veränderungen ergeben. Die Mehrzahl der Befragten berichtet einen einschneidenden Rückgang der elektiven Schrittmacherimplantationen, 50 % von ihnen sogar einen Rückgang von über 50 %. Eine ähnliche Abnahme zeigt sich auch bei den ICD-Implantationen zur Primärprävention; 50 % der Befragten gaben sogar eine Abnahme ihrer Implantationszahlen von mehr als 65 % an. Der Rückgang bei der Sekundärprävention scheint geringer zu sein. Etwa 25 % bemerkten keine Veränderung bei dringlicher Indikation. Die Auswirkungen auf das Nachsorgeverhalten sind uneinheitlicher. Während fast die Hälfte eine unveränderte Nutzung per Remote-Monitoring berichtet, gibt ein Drittel an, die Remote-Monitoring-Funktion vermehrt genutzt zu haben.

Unklar und bislang nicht beschrieben sind die Auswirkungen der zweiten Welle der Pandemie. Die beschriebenen notwendigen Veränderungen im Umgang mit der Nachbetreuung sowie der grundsätzlichen Nutzen von Remote-Monitoring-fähigen Geräten heben den besonderen Wert dieser Technologie hervor und machen deutlich, dass wir zeitnah und mit Nachdruck die Grundlagen finanzieller, technischer und struktureller Art legen müssen.

Informationen aus Implantaten im Lockdown

In einer kleinen italienischen Studie wurden an 24 Patienten die Auswirkungen des 40-tägigen strikten Lockdowns auf die körperliche Aktivität untersucht [5]. Via Home-Monitoring wurden bei ICD-Trägern, die aus primärprophylaktischer Indikation versorgt worden sind, die Akzelerometerdaten mit dem vergleichbaren Zeitintervall vor dem Lockdown verglichen. Bedingt durch geschlossene Fitnessstudios, fehlende Physiotherapie, Beschränkung auf die Häuslichkeit und eine strikte Ausgangssperre zeigte sich eine Abnahme der körperlichen Aktivität um 25 %, was bei den ohnehin eingeschränkt belastbaren und beweglichen Patienten weitere ungünstige Auswirkungen haben dürfte und ermutigen sollte, auch „indoor“ ein strukturiertes Trainingsprogramm aufrechtzuerhalten [5].

Device-basierte Telemedizin kann helfen, neben einer Progredienz der Herzinsuffizienz auch Änderungen der Lebensumstände zu erfassen und entsprechend frühzeitig zu reagieren. Diese Informationen werden unterstützt durch die Analyse von mehr als 150.000 US-Bürgern, die im vergleichbaren Zeitraum über eine App (Achievement – EVIDATION, Evidation Health, Inc. San Mateo, CA, USA), die mehr als 20 Fitnesstracker zusammenführt, wissenschaftlich auswertet und ein gesundheitsförderndes Verhalten belohnt. Über alle 50 Staaten und Columbia hat sich eine Abnahme der täglichen Aktivität von mehr als 30 % gezeigt, in 9 Bundesstaaten sogar um mehr als 50 %. EVIDATION ist im Dezember 2020 eine Partnerschaft mit dem American College of Cardiology zur Förderung der kardiovaskulären Gesundheit eingegangen (https://evidation.com/news/covid-19-pulse-first-data-evidation [6]).

Gemeinsamer Bundesausschuss – Telemonitoring bei Herzinsuffizienz

Erstmalig hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) nach langem Bewertungsprozess einen Zusatznutzen für die telemedizinische Begleitung von Herzinsuffizienz bestätigt. In seinem Beschluss vom 17.12.2020 hat der G‑BA festgelegt, dass die lückenlose telemedizinische Betreuung von Patienten mit fortgeschrittener Herzschwäche zum ambulanten Leistungsangebot der gesetzlichen Krankenkassen gehören wird und somit nur durch zugelassene Kassenärzte und Ermächtigte ausgeübt werden darf.

In enger Kooperation soll die Analyse der in das telemedizinische Zentrum (TMZ) übertragenen Daten aus Implantaten, aber auch von externen Geräten durch das internistisch/kardiologische Personal erfolgen, die Therapieentscheidung und -umsetzung durch die niedergelassenen Ärzte. Das TMZ ist für die Datenanalyse, die technische Ausstattung der Patienten und für die Versorgung zu Zeiten, bei denen Praxen geschlossen haben, verantwortlich.

Als Indikation für ein Telemonitoring ist eine Herzinsuffizienz im Stadium NYHA (New York Heart Association) II oder NYHA III mit einer linksventrikulären Auswurffraktion (LVEF) von < 40 % anzusehen.

Die vom G‑BA herangezogenen Studien mit positiven Endpunkten basierten zum einen auf Daten implantierter Aggregate [7, 8] oder externer Geräte [9, 10]. Allen gemeinsam ist, dass klar strukturierte Abläufe mit hohem Personalaufwand und eindeutig hinterlegte Analyse- und Behandlungsalgorithmen einzuhalten waren. Zahlreiche andere Studien sind an uneindeutigen Strukturen gescheitert und haben keinen Nutzen der Telemedizin für herzinsuffiziente Patienten belegen können.

Die kurze Zusammenfassung der Eckpunkte des G‑BA-Beschlusses dürfte klarmachen, welches Spannungsfeld sich auch für rhythmologische Patienten aufbauen wird, da zum einen höchste internistisch-kardiologische Kompetenz im TMZ gefordert wird, eine Genehmigung der Kassenärztlichen Vereinigung im entsprechenden Versorgungsgebiet vorliegen muss, die therapeutische Umsetzung in die Zuständigkeit des/der PBA (primär behandelnden/er Arztes/in) fällt und die finanzielle Vergütung an die Ermächtigung gekoppelt ist. Die Rolle der Kliniken, der überregionalen Herzinsuffizienzzentren und der Herzinsuffizienzschwerpunktpraxen ist nicht definiert. Von diesen ist bisher über Jahre die telemedizinische Versorgung insbesondere bei implantatgebundener Datenübermittlung nahezu unentgeltlich sichergestellt und diese Technologie auch weiterentwickelt worden.

Studien in der Device-Therapie

Die besondere pandemiebedingte Situation im Jahr 2020 und auch im Jahr 2021 hat – wie beschrieben – auch Auswirkung auf die Publikation neuer, nicht COVID-assoziierter kardiologischer Daten sowie auf die Durchführung bereits laufender Studien, nicht nur im Bereich rhythmologischer Schwerpunkte.

Es sind keine neuen Guidelines oder Empfehlungen zur Device-Therapie erschienen. In den aktuellen 2020 ESC (European Society of Cardiology) Guidelines zur Diagnose und Therapie von Vorhofflimmern [11] finden Herzschrittmacher außer zur beiläufigen Diagnose von atrialen Hochfrequenzepisoden keine weitere Erwähnung. Multizentrische internationale Landmark-Trials aus dem Bereich der Device-Therapie, die unser Denken und Handeln beeinflussen könnten, sind ebenso nicht erschienen.

Die nächste klinisch bedeutsame Studie könnte RESET-CRT sein (Reevaluation of Optimal Re-synchronisation Therapy in Patients With Chronic Heart Failure) (ClinicalTrials.gov Identifier: NCT03494933). Diese beabsichtigt zu klären, ob eine CRT‑P(Cardiac Resynchronization Therapy-Pacemaker)-Therapie bei Patienten mit optimal medikamentös behandelter Herzinsuffizienz einer CRT‑D(Cardiac Resynchronization Therapy-Defibrillator)-Therapie in Bezug auf „all-cause-mortality“ nicht unterlegen ist. Start war im August 2018, 1800 Patienten sollen auf CRT‑P oder CRT-D randomisiert werden, 35 Monate sind für den Einschluss geplant, die finale Analyse ca. 10 Monate später, sodass im April 2022 die Daten zur Auswertung vorliegen könnten, COVID bedingt doch eher später.

Sondenlose Herzschrittmacher

Seit nunmehr bald 65 Jahren werden Herzschrittmachersysteme implantiert, die immer mit einer oder mehreren Sonden im Herzen oder auf dem Herzen stimulieren konnten und somit Leben retten. Die häufigsten Probleme gehen von den Elektroden oder der Schrittmachertasche aus und erfordern zum Teil komplexe und risikoreiche Extraktionsmanöver.

Hieraus ist der Wunsch entstanden, kabellose Schrittmacher zu entwickeln, die über einen Katheter implantiert werden, komplett im Herzen verbleiben und möglichst miniaturisiert sind.

Im Juli 2015 erfolgte die CE-Zulassung und damit die offizielle Marktzulassung des ersten über die Femoralvene in Kathetertechnik („transcatheter pacemaker systems“ [TPS]) einzuführenden „Kapsel“-Schrittmachers. Dieser wird in der rechten Herzkammer platziert und mit Widerhaken im Trabekelwerk verankert. Auch wenn inzwischen weltweit mehr als 50.000 solcher Systeme implantiert worden sind, ist sein Einsatz begrenzt, da er nur über eine VVI(R)-Stimulationsfunktion verfügt und bei sehr selten auftretenden AV-Blockierungen überhaupt eingesetzt werden kann.

Die Notwendigkeit einer AV-sequenziellen Stimulation mündete in der CE-Zulassung und Marktzulassung des Micra AV (Medtronic Parkway, MN, USA) [12, 13] im Juli 2020, der ebenso nur im rechten Ventrikel (RV) implantiert wird. Bei gleicher Größe wird über den Akzelerometer die mechanische Kontraktion des rechten Vorhofs wahrgenommen und eine VDD(Vorhofgetriggerte Ventrikelstimulation)-Stimulation veranlasst. Eine atriale Stimulation ist nicht möglich. Der Algorithmus nutzt das mechanische Signal der passiven ventrikulären Füllung (A3) und der aktiven atrialen Kontraktion (A4) sowie 2 Mode-switch-Algorithmen, die zu einer VVI-40- und VVIR-Stimulation führen.

In MARVEL 2 konnte gezeigt werden, dass bei intermittierendem AV-Block III zuerst eine VVI-Back-up-Stimulation stattfindet (Abb. 1), bevor nach einigen wahrgenommenen Vorhofaktionen eine AV-Synchronizität erreicht wird (Abb. 2; [14]). Die erreichbare AV-Synchronizität war lage- und belastungsabhängig und erreichte bei längerer Ruhe 89 %, sank aber beim Stehen und Laufen auf ca. 70 % [14]. Echokardiographische Parameter, wie z. B. ein E/A-Verhältnis < 0,94 und eine geringe Variabilität der Sinusrate in Ruhe, korrelieren mit einer hohen AV-sequenziellen Stimulationsrate [15].

Abb. 1
figure 1

a AV(atrioventrikulär)-Überleitungs-Moduswechsel bei einem Patienten mit intermittierendem AV-Block III. Grades. Vor dem Moduswechsel bei 2884 s weist der Patient eine AV-Überleitung im VVI(ventrikuläre Einkammerstimulation)-40-Modus auf. Dann tritt bei dem Patienten ein AV-Block II. Grades auf, und der Gerätemodus wechselt zu VDD (Vorhofgetriggerte Ventrikelstimulation). Zwei Zyklen nach dem Moduswechsel beginnt das Gerät das Tracking des Vorhofs im VDD-Modus. b Aktivitätsmoduswechsel bei einem Patienten mit vollständigem AV-Block und normalem Sinusrhythmus. Während der Steh- und/oder Gehmanöver wird eine gute AV-Synchronizität durch die Ähnlichkeit der mittleren Herzfrequenz (HR) und der Sinusfrequenz angezeigt. Der Moduswechsel zu VVIR tritt ein, wenn die Sensorfrequenz sich von der Stimulationsfrequenz unterscheidet. Die Sensorfrequenz sinkt bis zur mittleren HR und steigt dann schrittweise, um große Frequenzänderungen zu minimieren. Nachdem die Aktivität aufgehört hat, geht der Modus wieder in VDD zurück, um so ein AV-synchrone Stimulation zu fördern. ADL Aktivitäten des täglichen Lebens, AS atriale Signalerkennung, bpm Schläge pro Minute, EKG Elektrokardiogramm, MS Moduswechsel, VE ventrikuläres Ende, VEGM ventrikuläres Elektrogramm, VP ventrikuläre Stimulation, VS ventrikuläre Signalerkennung

Abb. 2
figure 2

AV-Synchronisierungsprozentsatz nach Manöver [14]

Hieraus ergeben sich die Fragen: Wie viel AV-synchrone Stimulation ist notwendig, wie werden die asynchronen Phasen klinisch wahrgenommen, was passiert bei stärkerer Belastung, wie ist die Wahrnehmung bei deutlich vergrößertem, mechanisch eher inaktivem rechtem Vorhof, und welche Bedeutung hat eine Trikuspidalinsuffizienz? Folglich wird das Patientenklientel für die Zukunft zu definieren sein.

Primärprävention des plötzlichen Herztodes – mehr als linksventrikuläre Auswurffraktion

Der plötzliche Herztod (SCD) stellt unverändert eine bedeutsame Bedrohung dar, auch wenn sich aktuell in den nationalen und internationalen Empfehlungen keine Änderung ergeben hat. Gerade die moderne medikamentöse Herzinsuffizienztherapie mit vielen neuen, sich vermutlich zeitnah etablierenden Präparaten wie SGLT2-Inhibitoren und der frühzeitigere Einsatz der ARNIs (Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitoren), die Erkenntnis über eine deutlich längere Herzinsuffizienzvorbehandlung bis zu 6 Monaten und die Überbrückung einer initial rhythmologisch besonders vulnerablen Phase durch einen „Wearable-Defibrillator“ stellen die Notwendigkeit einer permanenten ICD-Implantation zunehmend infrage bzw. erfordern andere Selektionskriterien als die alleinige linksventrikuläre Ejektionsfraktion [16]. Eine zunehmende Bedeutung gewinnt dabei die Bildgebung, insbesondere die MRT, bei der Erkennung von intramuralem Narbengewebe und dessen Verteilungsmuster. In einer prospektiven Untersuchung von mehr als 1000 Patienten mit nichtischämischer Kardiomyopathie (NICM) mit einem medianen Follow-up von mehr als 5 Jahren waren die LVEF < 35 % und Narbennachweis signifikant mit der Gesamt- und kardialen Sterblichkeit assoziiert, aber nur die nachgewiesene Narbe war mit dem SCD assoziiert, die LVEF jedoch nicht [17]. Die Narbensuche (in der MRT) sollte in die Patientenselektion aufgenommen werden.

In der bisher größten Untersuchung an über 800 Patienten, die ebenso an einer NICM erkrankt waren, konnte gezeigt werden, dass sowohl der Nachweis von Narben als „late gadolinium enhancement“ (LGE) als auch das intramurale Verteilungsmuster relevant sind für die Gesamtsterblichkeit und den plötzlichen Herztod. Eine septale und laterale Wandbeteiligung sowie multiple als auch subepikardiale Spots gehen mit dem höchsten Risiko einher, am plötzlichen Herztod zu versterben (Abb. 3; [18]).

Abb. 3
figure 3

„Late gadolinium enhancement“ (LGE) und Outcome bei Patienten mit dilatativer Kardiomyopathie. LVEF linksventrikuläre Ejektionsfraktion, SCD plötzlicher Herztod („sudden cardiac death“), ASCD atherosklerotische kardiovaskuläre Erkrankungen („atherosclerotic cardiovascular disease“). (Mod. nach [18])

Auch bei ischämischer Kardiomyopathie (ICM) von fast 1000 Patienten, bei denen die „grey zone“ der myokardialen Fibrose in der MRT visuell festgestellt wurde und in ihrer Masse quantifiziert wurde, war der Narbennachweis mit mehr als 5 g mit einer HR (Hazard Ratio) von 10,8 zum SCD korreliert, eine LVEF < 35 % korrelierte deutlich schwächer. Somit wird auch in dieser aktuellen Studie der Wert der Narbendetektion bei ICM hervorgehoben und scheint der LVEF deutlich überlegen [19].

Zusammenfassend sollte von Elektrophysiologen und Implanteuren vermehrt eine über die alleinige LVEF-Bestimmung hinausgehende Bildgebung insbesondere zur Narbendetektion in der MRT angeregt werden, um diese Informationen dann bei der Entscheidungsfindung zur Notwendigkeit einer ICD-Implantation zu berücksichtigen.

Schlussfolgerung

Die große Herausforderung wird nicht nur in der Kardiologie darin bestehen, durch die Pandemie bedingte Verunsicherungen aufzulösen und Vertrauen wiederzugewinnen. Rhythmologische Eingriffe, die nicht der Beseitigung einer akuten Notfallsituation dienen und einen für den Patienten eher prognostischen, nicht direkt greifbaren Wert haben, werden bezüglich ihrer Notwendigkeit und Dringlichkeit hinterfragt immer in der Sorge, sich in einer Ambulanz, einer Praxis oder der Klinik einer COVID-Infektion auszusetzen und sich und Angehörige zu gefährden. Hierdurch bedingt, sind in nunmehr einem ganzen Jahr Maßnahmen unterblieben, die es gilt, wohldosiert, gestaffelt und unter Beibehaltung höchster Sicherheitsmaßnahmen nachzuholen und eine entstandene Unterversorgung auszugleichen.

Sicher sind Probleme, wie z. B. Infektionen, Perforationen an Schrittmacher- und Defibrillatortaschen, durch mangelnde Präsenzbesuche verspätet oder nicht entdeckt worden. Hierauf sollte unsere vermehrte Wachsamkeit in Zukunft gerichtet sein.

Die Pandemie hätte der Telemedizin in der Device-Therapie, dem Remote-Monitoring und der Televisite einen substanziellen Schub verschaffen können, der aber gefühlt nicht eingesetzt hat. Die Strukturen sind noch nicht übergreifend vorhanden, klare sektorenübergreifende Technologien und Behandlungsrichtlinien sind nicht ausreichend etabliert. Ebenso sollte die telemedizinische Vergütung alle Beteiligten in der rhythmologischen Versorgung gleichermaßen berücksichtigen und somit auch motivieren.

Auch unter erschwerten Bedingungen sollten unsere Anstrengungen nicht nachlassen, die aktuellen Milestone-Studien, wie z. B. RESET-CRT, voranzubringen, um unseren Patienten bei zu erwartenden geringeren Ressourcen evidenzbasiert die notwendige, aber nicht überschießende Therapie zukommen zu lassen. Gerade unter der sich zurzeit vehement im Fluss befindlichen medikamentösen und interventionellen Herzinsuffizienztherapie erscheinen viele unserer im Bewusstsein tief verankerten, richtungsweisenden historischen Studien nicht mehr kritiklos anwendbar.

Fazit für die Praxis

  • Die COVID-Pandemie hat zu einem deutlichen Rückgang der körperlichen Aktivität und einer Abnahme bis zu 50 % in der Versorgung mit Herzschrittmacher/Defibrillatorimplantaten sowie Ablationen geführt. Diese minderversorgten Patienten sollten im Fokus unserer Aufmerksamkeit stehen.

  • Patienten mit höhergradigen AV(atrioventrikulären)-Blockierungen kann jetzt die Therapieoption mit einem kabellosen miniaturisierten Schrittmacher angeboten werden, der nur im rechten Ventrikel über eine Katheterprozedur implantiert wird. Ob der zugrunde liegende herztonbasierte VAT(vorhofgetriggerte ventrikuläre Stimulation)-Algorithmus alltagstauglich ist und eine klinisch zufriedenstellende AV-Synchronizität ermöglicht, wird die Zukunft zeigen.

  • Die Notwendigkeit einer primärprophylaktischen ICD(implantierbarer Kardioverter-Defibrillator)-Implantation sollte gerade im Bereich der nichtischämischen Kardiomyopathie eine diagnostische Erweiterung über die LVEF(linksventrikuläre Auswurffraktion)-basierte Einschätzung hinaus durch den intramuralen Narbennachweis und das Verteilungsmuster erfahren.