1 Forschungsdatenmanagement – Herausforderung und Chance für die empirische Bildungsforschung

Die empirische Bildungsforschung zieht ihre Erkenntnisse aus der Erhebung und Auswertung empirischer Daten. Im Feld der Bildungsforschung wird mit einer Vielzahl unterschiedlicher Paradigmen eine ebenso große Vielfalt an Datentypen erhoben, von „klassischen“ quantitativen (z. B. Fragebogen, Leistungstest) und qualitativen Datentypen (z. B. Interview, Beobachtung) bis hin zu komplexen Mischformen (z. B. verschiedene Formen von Log-Daten, Eye Tracking Daten, Social Media-Daten).

Fragen des Forschungsdatenmanagements (FDM), also etwa zur Speicherung, Dokumentation, Aufbereitung, Archivierung und Bereitstellung der Forschungsdaten, aber auch zu rechtlichen Aspekten, haben in den letzten Jahren viel Aufmerksamkeit erhalten. Dafür, dass sich der verantwortungsvolle Umgang mit Forschungsdaten als wichtige Anforderung an gute wissenschaftliche Praxis etabliert hat, waren mehrere teilweise parallele, teilweise aber auch aufeinander bezogene Entwicklungen maßgebend, die im Folgenden kurz beschrieben werden.

Seit einem guten Jahrzehnt wird die Debatte um die „Replikationskrise“ in den Sozial- und Verhaltenswissenschaften (Klein et al. 2014; Open Science Collaboration 2015) und um die Umsetzung von Open Science-Prinzipien als mögliche Lösung verstärkt geführt (Nelson et al. 2018; Nosek et al. 2015). Um Studienergebnisse besser nachvollziehbar und im Idealfall besser replizierbar und robuster zu machen, wird unter anderem ein transparenter Umgang mit Hypothesen (im Sinne einer Präregistrierung), mit Studienmaterialien, mit Analyseprotokollen und mit Datensätzen gefordert. Diese Forderung nach einer Bereitstellung von Daten für Reanalysen (data sharing) lenkte die Aufmerksamkeit auch auf Fragen der Datendokumentation sowie auf rechtliche und technische Aspekte des Umgangs mit Daten.

Gleichzeitig wurden Empfehlungen zum Umgang mit Forschungsdaten von verschiedenen Stakeholdern veröffentlicht. So veröffentlichte die Allianz der Wissenschaftsorganisationen im Jahr 2010 Grundsätze zum Umgang mit Forschungsdaten, in denen die Archivierung und Verfügbarmachung von mit öffentlichen Mitteln generierten Forschungsdaten grundsätzlich empfohlen wird (Allianz der deutschen Wissenschaftsorganisationen 2010). Ähnliche Empfehlungen zur Langzeitarchivierung von Datensätzen aus geförderten Projekten kamen von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG 2013). Auf Grundlage dieser allgemeinen Empfehlungen wurden wiederum fachspezifische Empfehlungen, Richtlinien und Positionspapiere im Bereich der Psychologie (Deutsche Gesellschaft für Psychologie (DGPs) 2018, 2021), Soziologie (Akademie für Soziologie 2019) und Bildungswissenschaft (Deutsche Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE) et al. 2020; Stanat 2015) herausgegeben, die einen Diskurs in den jeweiligen Communities angestoßen haben. Auch wenn die Meinungen und Standpunkte unserer Wahrnehmung nach in Bezug auf das Teilen von Forschungsdaten immer noch auseinandergehen (z. B. dazu, ob das Teilen von Forschungsdaten als allgemeiner Standard für alle empirischen Projekte gelten sollte oder nicht), so wird doch in allen Empfehlungen deutlich gemacht, dass erhobene Daten gut dokumentiert und verlässlich archiviert werden sollen (und sei es nur für die eigene weitere Nutzung).

Vor dem Hintergrund solcher Empfehlungen änderten sich auch die Vorgaben für Drittmittelanträge und Publikationen. So ist heute bei vielen Zeitschriften eine Aussage zur Verfügbarkeit der genutzten Daten erforderlich (data availability statement). Bei der Planung und Beantragung von Projekten wird zunehmend, sowohl von der DFG als auch vom BMBF, eine Beschreibung des geplanten Umgangs mit Forschungsdaten in Form eines Datenmanagementplans (DMP) gefordert. Das BMBF fordert für Projekte des Rahmenprogramms zur empirischen Bildungsforschung darüber hinaus, dass alle erhobenen Daten archiviert und für Sekundäranalysen verfügbar gemacht werden. Vor dem Hintergrund dieser Anforderungen werden auch Forschende, die sich bisher nicht mit dem Themenbereich FDM beschäftigt haben, vor die Herausforderung gestellt, nun ein professionelles FDM umzusetzen. Diese neuen Praktiken erfordern wiederum Ressourcen zur Unterstützung der Forschenden im Feld. Dabei geht es sowohl um das Bereitstellen von Expertise in Form von FDM-Beratung und von Handreichungen als auch um die Entwicklung und Bereitstellung technischer Lösungen (z. B. Forschungsdatenrepositorien).

Jenseits der oben geschilderten veränderten Anforderungs- und Erwartungslage sei aber auch erwähnt, dass die Bereitstellung von gut dokumentierten und qualitätsgesicherten Forschungsdaten nicht nur die Transparenz im Forschungsfeld erhöht und Reanalysen erlaubt, sondern auch eine wichtige Ressource für sekundäranalytische Forschung darstellt. Die Sekundäranalysen aus bestehenden Datensätzen sind ein häufiger Forschungsansatz in verschiedenen Bereichen der Bildungsforschung, wie der Bildungssoziologie, Ökonomie, aber auch Bildungspsychologie. Diese führen zu einer tieferen und breiteren Auswertung von mit öffentlichen Mitteln erhobenen Datensätzen (Jansen et al. 11,12,a, b).

Die genannten Entwicklungen machen deutlich, wie sehr der Themenbereich FDM an Bedeutung gewonnen hat. Es wurde damit begonnen, Infrastrukturen aufzubauen, während sich die Standards innerhalb der Community geändert haben. Gleichzeitig sind auch neue wesentliche Anforderungen an die Forschenden entstanden. Es besteht daher weiterhin ein Bedarf nach einheitlichen Standards und Vorlagen für das FDM. Auch wenn die Diskussion, wie viel Standardisierung überhaupt möglich, notwendig und sinnvoll ist, in unterschiedlichen Forschungscommunities noch andauert, gibt es doch einen breiten Bedarf für Unterstützung der Forschenden durch Vorlagen und Handreichungen (Hausen et al. 2022). Es existieren bereits einige Vorlagen für DMP und Checklisten, die allerdings entweder sehr knapp sind (z. B. von der DFG) oder einzelne Aspekte, nicht aber den gesamten FDM-Prozess in einem Forschungsprojekt abdecken. Es fehlte bisher ein Rahmenmodell, das den Anspruch hat, die Breite an Forschungsprojekten der empirischen Bildungsforschung abzudecken und dabei sowohl auf technische als auch auf datenschutz- und urheberrechtliche Aspekte einzugehen. Dies soll der Standardisierte Datenmanagementplan für die Bildungsforschung (Stamp) leisten. Er kann von der Planungs- über die Datenerhebungs- bis hin zur Datenarchivierungsphase für das FDM eines wissenschaftlichen Projekts genutzt werden. Im Idealfall wird er nicht nur dazu dienen, Vorgaben zur guten wissenschaftlichen Praxis zu erfüllen, sondern als Werkzeug auch im Projektverlauf selbst hilfreich sein. Während der schrittweise Entwicklungsprozess des Stamps schon an anderer Stelle detailliert beschrieben wird (Eckert et al. 2023), ist das Ziel dieses Beitrags, den Stamp der Scientific Community der empirisch arbeitenden Bildungsforschenden vorzustellen und darzustellen, wie die Nutzung des Stamps im Rahmen von Datenerhebungsprozessen aussehen kann. Dabei gehen wir auf das Konzept und den modularen Aufbau des Stamps ein und erläutern dessen Vorteile und Grenzen.

2 Der Stamp – Ein Domain Data Protocol für die Bildungsforschung

Der Stamp wurde im Rahmen eines vom BMBF in der Förderlinie „Entwicklung und Erprobung von Kurationskriterien und Qualitätsstandards von Forschungsdaten“ (Fördernummer:16QK01) von 06/2019 bis 05/2022 geförderten Projekts entwickelt (Projekt DDP-Bildung), an dem insgesamt 12 Institutionen (GESIS, IQB, DIPF, DIE, SOEP, DJI, DZHW, AIP, LIfBi, ZPID, ZeLB und Qualiservice) beteiligt waren. Als Grundlage des Stamps diente ein Vorschlagspapier von Science EuropeFootnote 1 (2018), in welchem die Entwicklung sogenannter Domain Data Protocols (DDPs) angeregt wurde, um das domänenspezifische FDM in verschiedenen Communities weiterzuentwickeln. Im Papier werden DDPs als fachspezifische, standardisierte, vorausgefüllte und referenzierbare Modell-DMPs konzeptualisiert, die insgesamt sechs zentrale Themen des FDMs abdecken sollen. Die sechs Themenbereiche der Science Europe-Vorlage umfassen:

  • Data description and collection or re-use of existing data

  • Documentation and data quality

  • Storage and backup during the research process

  • Legal and ethical requirements, codes of conduct

  • Data sharing and long-term preservation

  • Data management responsibilities and resources

In jedem dieser sechs Themenbereiche wurden Leitfragen formuliert, auf die bei der Entwicklung eines DDPs geachtet werden könnte. Neben diesen abzudeckenden inhaltlichen Bereichen zeichnet sich ein DDP laut Science Europe (2018) auch durch seine Struktur aus. So folgen die DDPs einem modularen Aufbau entlang der oben genannten Themenkomplexe und erlauben so eine flexible Anpassung an die tatsächlichen Bedürfnisse der Nutzenden. Das Verbundprojekt DDP-Bildung hatte sich zum Ziel gesetzt, mit dem Stamp einen eigenen FDM-Ansatz für die empirische Bildungsforschung in Deutschland zu entwickeln (siehe Abschn. 4).

Der Stamp bietet konkrete Anleitungen für die Planung, Umsetzung und Dokumentation von Datenmanagementmaßnahmen sowie zum Umgang mit gesetzlichen Vorgaben im Kontext von Datenschutz und Urheberrecht. Der Stamp ist auf die Generierung nachnutzbarer Daten ausgelegt, die zumindest potenziell Dritten gemäß den FAIR-Data-Prinzipien (Findable, Accessible, Interoperable, and Re-usable) über ein Repositorium oder Forschungsdatenzentrum zur Verfügung gestellt werden können (Wilkinson et al. 2016).

Der Stamp geht über klassische DMP-Vorlagen hinaus, indem er zusätzlich zur herkömmlichen Dokumentationsfunktion eines DMPs konkrete Hilfestellungen zur praktischen Umsetzung bietet. Die vorausgefüllten Checklisten, die im weiteren Verlauf detaillierter beschrieben werden (siehe Abschn. 4.2), stellen konkrete Maßnahmen des Datenmanagements bereit, um den Anforderungen an FAIR-Daten gerecht zu werden. Dadurch erhalten die Forschenden einerseits eine Auflistung konkreter FDM-Maßnahmen und andererseits die Möglichkeit zu dokumentieren, welche FDM-Maßnahmen im Projekt (noch) umgesetzt werden sollen und bereits umgesetzt wurden. Die Checklisten ermöglichen somit den Forschenden, einem standardisierten Protokoll zu folgen, ohne selbst einen DMP entwerfen zu müssen. Der Stamp zeigt dabei lediglich einen möglichen (prototypischen) Weg durch das Datenmanagement auf.

Der Stamp ist in einer Online-Version und in einer Offline-Version verfügbar. Die online-Variante wird im Research Data Management Organiser (RDMO, https://rdmoddp.aip.de/) zur Verfügung gestellt. Der RDMO ist ein Open Source-Tool für Institutionen und Forschende, der sie dabei unterstützt, das FDM ihrer Projekte zu strukturieren und zu planen. Die RDMO-Version des Stamps ist eine dynamische und leicht zugängliche Variante zur Bearbeitung der Stamp-Checklisten, die sich für jede/n Nutzende/n eignet, beispielsweise durch das Ausblenden von Elementen, die nicht auf das jeweilige Projekt zutreffen. Als Offline-Variante des Stamps, dient eine interaktive Word-Datei, die es Nutzenden ermöglicht, Informationen einzugeben, auszuwählen oder auszufüllen. Diese interaktive Word-Datei wird vom Verbund Forschungsdaten Bildung (VerbundFDB) zur Verfügung gestellt (https://www.forschungsdaten-bildung.de/stamp), der nach Ende des Verbundprojekts DDP-Bildung die Pflege und Weiterentwicklung des Stamps übernommen hat. Beide Varianten (Online-Version und Offline-Version) sind inhaltlich deckungsgleich.

Der Stamp wurde im Rahmen des VerbundFDB-Projekts im Laufe der letzten Jahre überarbeitet und in Version 1.0 veröffentlicht, die sich teilweise von Version 0.9 unterscheidet. In diesem Beitrag beziehen wir uns jedoch auf die Stamp-Version 0.9, die im Rahmen des Projekts DDP-Bildung entwickelt wurde.

3 Wie wurde der Stamp entwickelt?

Das Projekt DDP-Bildung startete im Juni 2019 unter der Koordination von GESIS mit 11 weiteren Partnerinstitutionen von denen alle einerseits Teile der Forschungsdateninfrastruktur bereitstellen (z. B. Forschungsdatenzentren), andererseits Berührungspunkte mit der empirischen Bildungsforschung aufweisen. Die einzige Ausnahme war das AIP (Leibniz-Institut für Astrophysik), das für die Entwicklung einer Anbindung zur FDM-Software RDMO zuständig war.

Zu Beginn des Projekts im Januar 2020 organisierte der Verbund als erste Veranstaltung mit der Community der empirischen Bildungsforschung einen Anforderungsworkshop. Dieser Workshop richtete sich an Forschende, Vertretende von Fachverbänden, Forschungskoordinierende und Datenkuratierende der empirischen Bildungsforschung. Im Fokus lagen hier die zentralen Anforderungen der Community an einen standardisierten DMP. Auf Basis der so gewonnenen Erkenntnisse sowie unter Berücksichtigung des DDP-Konzepts wurden in den Folgemonaten erste Stamp-Entwürfe erstellt, die dann ab Dezember 2020 in einem wiederkehrenden Rhythmus evaluiert und weiterentwickelt wurden. Durch diesen Ansatz konnten die jeweils neu entwickelten Elemente des Stamps, durch die Teilnehmenden der Workshops in einem iterativen Prozess, eingeordnet, bewertet und verbessert werden (Eckert et al. 2023).

4 Aufbau des Stamps

Der Stamp in der Version 0.9 umfasst ein Basismodul für das jeweilige (Forschungs‑)Projekt und acht Inhaltsmodule zur Datenverwaltung (siehe Abb. 1), die je nach Projektanforderungen angepasst werden können. Der Fokus liegt dabei auf den einzelnen Inhaltsmodulen, die in ihrer Gesamtheit den finalen Stamp bilden.

Abb. 1
figure 1

Aufbau des Stamps: Module

4.1 Das Basismodul des Stamps

Das Basismodul wird von den Forschenden mit Informationen zum Forschungsprojekt ausgefüllt. Im Laufe des Projekts wird das Basismodul kontinuierlich mit relevanten Angaben ergänzt und bietet einen Rahmen für die Dokumentation des Projekt- und Datenmanagements. Somit hat das Basismodul zum Ziel, (1) den verwaltungstechnischen und inhaltlichen Hintergrund des Forschungsprojekts zur Datenerhebung zu beschreiben; (2) zu erfassen, welche Daten im Projekt erzeugt und verarbeitet werden und welche Anforderungen sich daraus für das FDM ergeben.

Das Basismodul ist in vier Abschnitte unterteilt:

  1. 1.

    Angaben zum Stamp, z. B. die aktuelle Version oder die für den Stamp verantwortliche(n) Person(en) und deren Kontaktdaten.

  2. 2.

    Angaben zum Projekt, z. B. zum Titel, den Projektbeteiligten oder zur Förderung.

  3. 3.

    Angaben zu den entstehenden Forschungsdaten wie Datentyp, Fallauswahl oder Erhebungsverfahren. Bei den Angaben zu den zu verwaltenden Daten können sowohl Freitextinformationen (z. B. individuelle Beschreibung der Studienpopulation) als auch Angaben zu kontrollierten Vokabularen (d. h. vorgegebene Auswahloptionen beispielsweise zur standardisierten Beschreibung von Erhebungsverfahren) aufgenommen werden. Diese kontrollierten Vokabulare stammen aus dem fachspezifischen (Meta‑)Datenstandard des Verbund Forschungsdaten Bildung (Verbund Forschungsdaten Bildung 2019), der speziell für die Bildungsforschung entwickelt wurde. Alternativ können Forschende auch andere internationale und disziplinübergreifende Meta-Datenstandards wie den DDI-Standard (Data Documentation Initiative) zur Beschreibung sozialwissenschaftlicher Daten (Beuster et al. 2023) heranziehen. Diese Angaben ermöglichen eine umfassende Dokumentation, welche die Daten auf nachvollziehbare Weise beschreibt, um ihre Auffindbarkeit und Nachnutzbarkeit zu gewährleisten.

  4. 4.

    Bestandsliste (siehe Abb. 2), z. B. Angaben zu den zu verarbeitenden Dateien im Kontext des FDMs. Dabei sollte jede Datei in der Liste über wesentliche relevante Merkmale (z. B. Speichervolumen, Speicherformat oder die zur Verarbeitung der Datei verwendete Software) beschrieben werden.

Abb. 2
figure 2

Beispiel einer Bestandsliste

4.2 Inhaltliche Module

Die inhaltlichen Module ermöglichen eine systematische Planung und Umsetzung des Datenmanagements von der Projektplanungsphase bis über das Projektende hinaus. In den inhaltlichen Modulen sind Maßnahmen des Datenmanagements entlang von acht Themenkomplexen (Forschungsethik, Datenschutz, Urheberrecht, Datenorganisation, Nachvollziehbarkeit, Verfügbarkeit, Langfristsicherung sowie Verantwortlichkeiten und Aufwendungen; siehe Abb. 1) gebündelt. Die inhaltlichen Module sind gleich aufgebaut und enthalten die folgenden Elemente:

Anforderung

Die Anforderung für das jeweilige Modul stellt eine abstrakte Vorgabe zum Managen FAIRer Daten dar. Eine Übersicht der im Stamp gestellten Anforderungen für jedes inhaltliche Modul findet sich in Abb. 3. So wird beispielsweise im Modul Nachvollziehbarkeit die Vorgabe formuliert, Daten und Begleitmaterialien im Projektverlauf so zu verarbeiten und zu dokumentieren, „dass Projektbeteiligte ebenso wie Dritte 1) die gesamte Datengenese nachvollziehen und 2) die Daten und Begleitmaterialien im Projekt ebenso wie in neuen Vorhaben nutzen können.“ Anschließend wird im Rahmen einer kurzen Erörterung die jeweilige Anforderung genauer beschrieben. Die Anforderungen sind grundsätzlich eher allgemein formuliert und dienen den Forschenden als grobe Orientierung zu den wichtigsten Aspekten des FDMs.

Abb. 3
figure 3

Anforderungen der inhaltlichen Module

Checklisten

Die Checklisten umfassen eine Auflistung der konkreten Maßnahmen des FDMs zur Gewährleistung der jeweiligen Anforderungen. Ein Beispiel einer solchen Checkliste für das Modul IV (Datenorganisation) findet sich in Abb. 4. Da der Stamp eine Vielzahl unterschiedlicher Projekte und Datentypen erfassen kann, sind nicht alle Maßnahmen und Aktivitäten für jedes Forschungsprojekt relevant. Die Checklisten der acht inhaltlichen Module können daher in der Projektplanungsphase bzw. zu Projektbeginn zunächst spezifiziert, d. h. auf das konkrete Projekt und die zu managenden Daten angepasst werden. Je nach Modul gibt es zwischen zwei und drei Checklisten. Die Nutzenden können im ersten Schritt entscheiden, ob eine Maßnahme auf ihr Projekt „zutrifft“ oder „nicht zutrifft“. Wenn die Maßnahme nicht zutrifft, werden in der Online-Version des Stamps die untergeordneten Maßnahmen automatisch ausgeschlossen. Dadurch bearbeiten Nutzende in jedem Modul nur die Maßnahmen, die im Projektverlauf für sie relevant sind. Die Checklisten beinhalten darüber hinaus Querverweise, die auf andere Module, Checklisten bzw. weitere Elemente des Stamps wie z. B. auf Empfehlungen, Fallbeispiele und rechtliche Vorgaben verweisen.

Abb. 4
figure 4

Beispiel einer Checkliste des Moduls IV. Datenorganisation

Empfehlungen

Die Empfehlungen stellen Handlungs- oder Ausführungsverfahren zu bereits in der Bildungsforschung bewährten Methoden zum Umgang mit Daten und Datenerhebungen dar (siehe Abb. 5). Die Empfehlungen beinhalten externe Ressourcen zu einzelnen Maßnahmen des FDMs in Form von Handreichungen, Best-Practice-Leitlinien, Richtlinien von Fachgesellschaften, Fachverbänden und Infrastruktureinrichtungen (z. B. Forschungsdatenzentrum am IQB 2019; Jensen 2012; Kultusministerkonferenz (KMK) 2022; Ludwig und Enke 2013; Rat für Sozial- und Wirtschaftsdaten (RatSWD) 2017).

Abb. 5
figure 5

Beispiel einer Empfehlung des Moduls II. Datenschutz

Fallbeispiele

Fallbeispiele sind kurze fiktive Beispiele zur Planung und Umsetzung einzelner Maßnahmen des Datenmanagements, beispielsweise zur rechtssicheren Erhebung und Weitergabe von Daten, die auf die Bildungsforschung zugeschnitten sind (siehe Abb. 6). Die Fallbeispiele sind immer gleich aufgebaut und beinhalten (1) eine kurze Einleitung mit der Beschreibung eines fiktiven Projekts und der Problematik, sowie (2) eine Beschreibung, wie dieses Projekt bei der Lösung des genannten Problems vorgeht.

Abb. 6
figure 6

Beispiel eines Fallbeispiels des Moduls II. Datenschutz

Rechtliche Vorgaben

Rechtliche Vorgaben beinhalten Erörterungen relevanter Gesetzestexte im Kontext des Datenschutzes und Urheberrechts und liefern die Hintergründe zu den Checklisten in diesen „Rechtsmodulen“. So wird z. B. die rechtliche Basis der Formulierung von Einwilligungserklärungen erläutert (siehe Abb. 7).

Abb. 7
figure 7

Auszug rechtlicher Vorgaben des Moduls II. Datenschutz

Weiterführende Ressourcen

Die weiterführenden Ressourcen verweisen auf relevante externe Quellen zur Unterstützung der Implementierung und Umsetzung von Maßnahmen des FDMs, die über die Bildungsforschung oder den Stamp hinausgehen (z. B. alternative Handreichungen zum Thema Datenschutz). Die weiterführenden Ressourcen dienen damit dazu, Nutzenden weitere Möglichkeiten des Datenmanagements aufzuzeigen.

Ergänzt wird der Stamp durch ein Glossar zur Definition zentraler Begrifflichkeiten.

5 Die projektbegleitende Nutzung des Stamps

Der Stamp ist so angelegt, dass Forschende diesen sowohl in der Projektplanungsphase als auch im Projektverlauf und schließlich auch zum Projektende nutzen können. In jeder Projektphase müssen Forschende jeweils einen oder mehrere spezifische Aspekte hinsichtlich des FDMs berücksichtigen (siehe auch Abb. 8). Dazu zählen auch Maßnahmen der Datenerhebung (z. B. in Bezug auf die o. g. Formulierung von Einverständniserklärungen), die dann Auswirkungen auf die spätere Möglichkeit der Speicherung und Weitergabe der erhobenen Daten haben. Durch die flexible Nutzung des Stamps ist es möglich, Veränderungen in der Datenerhebung und im Umgang mit den Daten im Projekt und darüber hinaus in den entsprechenden Modulen zu dokumentieren. Welche Module des Stamps zu welcher Projektphase zu bearbeiten wären, um die FDM-Maßnahmen weitgehend zu adressieren, wird nun im Folgenden entlang eines fiktiven Fallbeispiels erläutert. Da der Stamp sehr umfangreich ist, können dabei nur ausgewählte Aspekte hervorgehoben und betrachtet werden.

Abb. 8
figure 8

Die Nutzung des Stamps im Projektverlauf

Fallbeispiel

Das Fallbeispiel bezieht sich auf ein Drittmittelprojekt im Bereich der empirischen Bildungsforschung mit dem Projektnamen „Lesen Lernen 2024“ (LesLer2024). Das Projekt zielt darauf ab, längsschnittliche Daten zur Lesekompetenz in der Grundschule zu erheben.

In der Planungsphase sind das Basismodul und die Verantwortlichkeiten und die erwarteten FDM-bezogenen Aufwendungen (benötigte finanzielle, aber auch personalbezogene Ressourcen) zu konkretisieren. Das Basismodul bietet eine Vorlage zur Erfassung der Metadaten, um alle relevanten Informationen zum Projekt zu dokumentieren. Die Forschenden halten zunächst Angaben zum Projekt fest, wie den Projekttitel, die Projektbeteiligten und die Förderung. Beispiele hierfür können der Projektname (z. B. Lesen Lernen 2024), das Akronym (z. B. LesLer2024), die zugehörige Förderlinie und die geplante Laufzeit des Projekts sein. Darüber hinaus machen die Forschenden weitere bereits bekannte Angaben zu ihrem Forschungsvorhaben, wie beispielsweise den Datentyp, die Fallauswahl und das Erhebungsverfahren. Im Basismodul wird auch eine kurze Projektbeschreibung hinterlegt. Zusätzlich erstellen die Forschenden eine Bestandsliste, in der alle zu verarbeitenden Dateien im Kontext des Forschungsdatenmanagements aufgeführt werden. Diese Dateien entstehen während des Projekts und werden mit relevanten Merkmalen wie dem Speichervolumen, dem Speicherformat und der verwendeten Software zur Verarbeitung beschrieben. Die Bestandsliste dient der Erfassung des Datenbestands für die Weitergabe an Dritte.

Zusätzlich zum Basismodul werden die Verantwortlichkeiten und die erwarteten FDM-bezogenen Aufwendungen (Modul VIII. Verantwortlichkeiten und Aufwendungen/Ressourcen), einschließlich der benötigten finanziellen und personalbezogenen Ressourcen, konkretisiert. Bei der Definition von Verantwortlichkeiten und Aufwendungen berücksichtigen die Forschenden folgende Aspekte:

  • Die Verantwortlichkeiten für 1) den spezifizierten Stamp und 2) die darin definierten Maßnahmen des Datenmanagements sowie 3) über das Projektende hinausgehende Maßnahmen, unter Berücksichtigung eventueller Anpassungen, z. B. aufgrund personeller Veränderungen.

  • Die Aufwendungen und der damit einhergehende notwendige Ressourcenbedarf zur Umsetzung des spezifizierten Stamps im Projektverlauf sowie darüber hinaus.

In der laufenden Projektphase aktualisieren die Forschenden das Basismodul und nutzen den Stamp zur Strukturierung unterschiedlicher FDM-Maßnahmen. Dabei greifen sie auf die entsprechenden Checklisten der Stamp-Module zurück, um die Anforderungen des Forschungsdatenmanagements zu erfüllen (siehe Abb. 3).

Im Modul I. Forschungsethik erfolgt die Verarbeitung der Daten und Begleitmaterialien gemäß den Regeln guter wissenschaftlicher Praxis. Die Forschenden beachten die Persönlichkeitsrechte aller Beteiligten und setzen bestehende Regelungen entsprechend um. Hierzu nutzen sie folgende Checkliste (siehe Abb. 1):

  • Gute Wissenschaftliche Praxis/Forschungsethik: Die Forschenden setzen sich mit den Vorgaben der guten wissenschaftlichen Praxis auseinander und reflektieren kontinuierlich potenzielle Auswirkungen ihres Vorhabens auf andere betroffene Personen und sich selbst.

Modul II. Datenschutz zielt darauf ab, sicherzustellen, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten in Übereinstimmung mit den geltenden rechtlichen Bestimmungen zum Datenschutz erfolgt. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, nutzen die Forschenden die folgenden Checklisten (siehe Abb. 1):

  • Datenschutzkonzept: Die Forschenden erstellen ein Konzept, das sicherstellt, dass der Datenschutz gemäß den datenschutzrechtlichen Vorschriften gewährleistet ist.

  • Einwilligung: Die Projektbeteiligten berücksichtigen die rechtlichen Anforderungen für die Verarbeitung personenbezogener Daten und holen eine informierte Einwilligung der betroffenen Personen ein. Die Verarbeitung erfolgt auf der Grundlage der EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Zusätzlich werden Genehmigungen gemäß den Schulgesetzen der jeweiligen Bundesländer eingeholt, um Zugang zu den Grundschulen zu erhalten.

  • Sicherungsmaßnahmen: Die Projektbeteiligten entwickeln Maßnahmen, um personenbezogene Daten während des Projekts und darüber hinaus sicher zu verarbeiten. Dazu gehören Schutzmaßnahmen wie Zugangskontrolle, Verschlüsselung und Verwendung sicherer Passwörter für Mitarbeitende. Zudem wird ein Vorgehen für den Umgang mit möglichen Datenschutzverletzungen festgelegt.

Modul III. Urheberrecht legt fest, dass die Verarbeitung der im Projekt generierten Daten und Materialien sowie nachgenutzte Materialien Dritter gemäß den geltenden Urheberrechtsbestimmungen erfolgen muss. Um diese Anforderungen zu erfüllen, greifen die Forschenden auf folgende Checklisten zurück (siehe Abb. 1):

  • Urheberrecht allgemein: Die Forschenden erstellen ein Konzept zur Verwaltung der Urheberrechte. Dies umfasst die korrekte Nutzung der Materialien gemäß dem Projektziel, die Übertragung von Nutzungsrechten an Dritte, beispielsweise für die Bereitstellung von projekteigenen Daten und Materialien zur Nachnutzung, sowie die langfristige Sicherung relevanter Materialien über das Projekt hinaus. Im Fall von LesLer2024 fallen Videoaufzeichnungen unter das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie (KunstUrhG), und das Messinstrument LeseKompass unterliegt ebenfalls dem Urheberrecht.

  • Eigene Urheberrechte: Die Forschenden organisieren die eigenen Urheberrechte an den generierten Daten und Materialien. Sie besitzen die Verwertungsrechte an den erstellten Inhalten.

  • Urheberrechte Dritter: Die Forschenden berücksichtigen und gewährleisten auch die Urheberrechte Dritter. Dies beinhaltet die Nutzung von Materialien Dritter im Zusammenhang mit der Datenverarbeitung, wie z. B. nachgenutzten Forschungsdaten (FördLes-2019-Daten) und Messinstrumenten (LeseKompass-2018-Messinstrumente).

Modul IV. Datenorganisation legt fest, dass Daten und Begleitmaterialien im Projektverlauf systematisch gespeichert, in einem zugriffsgeschützten Back-Up-System gesichert und ihre Nutzbarkeit gewährleistet werden sollen. Zur Erfüllung der Anforderungen dieses Moduls nutzen die Forschenden folgende Checklisten (siehe Abb. 1):

  • Datenorganisation: In der Projektplanungsphase entwickeln die Forschenden ein Konzept zur Organisation von Daten und Begleitmaterialien. Dabei werden eindeutige Regelungen zur Speicherung, Benennung und Versionierung der Daten und Begleitmaterialien im Projekt festgelegt. Zudem wird ein Back-Up-Verfahren entwickelt, um die Daten und Begleitmaterialien vor versehentlichem Verlust zu schützen.

  • Vernichtungsmanagement: Die Forschenden erstellen ein Konzept für das Vernichtungsmanagement, um Daten und Begleitmaterialien, die nicht mehr benötigt werden oder aufgrund rechtlicher Auflagen oder Vorgaben Dritter gelöscht werden müssen, entsprechend zu entfernen.

Modul V. Nachvollziehbarkeit erfordert eine sorgfältige Verarbeitung und Dokumentation der Daten und Begleitmaterialien, um die gesamte Datengenese für Projektbeteiligte und Dritte nachvollziehbar zu machen. Um die Anforderung dieses Moduls zu erfüllen, stehen den Forschenden folgende Checklisten und Hilfsmittel zur Verfügung (siehe Abb. 1):

  • Aufbereitung und Dokumentation: Zur Sicherstellung der Nachvollziehbarkeit der Daten und Begleitmaterialien dokumentieren die Projektbeteiligten ergriffene Maßnahmen im Rahmen der Aufbereitung der Rohdaten. Die Daten des LesLer2024-Projekts werden als pseudonymisierter Datensatz mit einem Methodenbericht und Codebuch verfügbar gemacht. Bei den Interviews werden verschiedene Materialien, wie etwa ein Leitfaden und Kontextualisierungsbogen verwendet. Zudem wird ein Forschungstagebuch erstellt, in dem Erfahrungen und Probleme bei den Interviews dokumentiert werden. Diese Dokumentationen werden digitalisiert.

  • Tabellen Datendokumentation: Die Forschenden machen Angaben zu den Daten innerhalb ihrer Bestandsliste.

Im Sinne der Nachnutzbarkeit sollte eine Bereitstellung der Daten so offen wie möglich und ohne Zugangsschranken erfolgen. Demgegenüber stehen allerdings häufig rechtliche und ethische Anforderungen an die Forschungsdaten. Um diesen Balanceakt zu bewältigen, existieren diverse Optionen zur Bereitstellung von Forschungsdaten. So können Forschende die Daten selbst in einem Repositorium veröffentlichen und verwalten. Sie können die Daten aber auch an ein Forschungsdatenzentrum oder Archiv geben. Auch hier gibt es Unterschiede – manche Datenzentren beschränken etwa die Datennachnutzung auf wissenschaftliche Zwecke und verlangen für besonders sensible Daten gegebenenfalls explizite inhaltliche Anträge, während andere Datenzentren diese Einschränkungen und Prüfschritte nicht vornehmen. Forschende sollten hier mit Bedacht vorgehen und ein Repositorium wählen, das, sofern datenschutz- und urheberrechtsbedingte Gründe nicht dagegensprechen, die Daten ohne zusätzlichen inhaltlichen Antrag so offen wie möglich zur Verfügung stellt.

Zum Projektende regeln die Forschenden des Projekts „Lesen Lernen 2024“ die Verfügbarmachung der Daten über ein Forschungsdatenzentrum sowie die Langfristsicherung der Daten, die nicht für eine Nachnutzung durch Dritte verfügbar gemacht werden können.

Modul VI. Verfügbarkeit legt fest, dass alle im Projekt generierten Daten und Begleitmaterialien nach Möglichkeit Dritten über ein Repositorium oder Forschungsdatenzentrum zur Nachnutzung zugänglich gemacht werden sollen. Die Bereitstellung erfolgt inhaltlich umfassend, unter Berücksichtigung von rechtlichen und ethischen Aspekten sowie frühzeitig im Verlauf des Projekts. Die Forschenden haben Zugriff auf Checklisten, um diese Anforderung zu erfüllen (siehe Abb. 1):

  • Verfügbarkeit: Die Forschenden entwickeln anhand dieser Checkliste ein Konzept zur Verfügbarmachung der Daten und Begleitmaterialien. Die Daten und Begleitmaterialien des Projekts werden offen und umfassend zur Nachnutzung bereitgestellt, unter Berücksichtigung von Datenschutz, Urheberrecht und ethischen Grundsätzen. Zugriffsbeschränkungen werden je nach Pseudonymisierung geprüft und festgelegt. Das Forschungsdatenzentrum ermöglicht den Zugang zu den Daten, die aufgrund ihres Potenzials für die Sprachentwicklungsforschung bei Grundschulkindern sowie ihrer landesweiten Abdeckung und Interviews vielfältig genutzt werden können.

  • Vorbereitung: Die Forschenden nutzen zudem die Checkliste „Vorbereitung“, um die Daten und Begleitmaterialien zeitnah im Projektverlauf auf die Verfügbarmachung durch das Forschungsdatenzentrum vorzubereiten.

Modul VII. Langfristsicherung betont die Aufbewahrung von Daten und Begleitmaterialien, die nicht für eine Nachnutzung durch Dritte verfügbar gemacht werden können. Diese werden gemäß den Prinzipien guter wissenschaftlicher Praxis für mindestens 10 Jahre über das Projektende hinaus gesichert. Den Forschenden stehen Checklisten zur Verfügung, um diese Anforderung zu erfüllen (siehe Abb. 1):

  • Langfristsicherung: Die Forschenden erstellen bereits in der Projektplanungsphase ein Konzept zur Langfristsicherung, bereiten die Daten und Begleitmaterialien rechtzeitig vor Projektende auf die Langfristsicherung vor, managen die Daten und Begleitmaterialien in der Langfristsicherung und vernichten diese ggf. mit Ablauf der Sicherungsdauer. Im Projekt werden alle Daten und Begleitmaterialien gemäß institutionellen Regelungen für einen Zeitraum von 15 Jahren über das Projektende hinaus, bis April 2040, intern gesichert. Ausnahmen gelten für Daten und Begleitmaterialien, die Dritten zur Nachnutzung zur Verfügung gestellt wurden oder aufgrund rechtlicher Vorgaben, Genehmigungen oder Vereinbarungen nicht gesichert werden dürfen. Eine eindeutige Identifikation ermöglicht die Verknüpfung der langfristig gesicherten Daten mit den öffentlich verfügbaren Daten auch nach Projektende. Das Projekt übernimmt die Verantwortung für die Langfristsicherung und die damit verbundenen Kosten. Der physische Erhalt sensibler und personenbezogener Daten wird bis April 2040 innerhalb des Projekts gewährleistet.

Das hier skizzierte Fallbeispiel zeigt eine Möglichkeit, wie der Stamp innerhalb eines Projekts genutzt werden kann. Dabei wurden im Fallbeispiel nicht alle Checklisten des Stamps herangezogen, sondern nur die für das Fallbeispiel relevanten Checklisten. Nachdem in den vorausgehenden Abschnitten die Hintergründe der Entwicklung des Stamps geschildert wurden, sein Aufbau erläutert wurde und die praktische Verwendung im Projektkontext illustriert wurde, erfolgt im Folgenden eine kritische Diskussion über die Vorteile seiner Nutzung.

6 Was sind die Vorteile einer Nutzung des Stamps?

Die Vorteile einer Nutzung des Stamps zeigen sich auf verschiedenen Ebenen und in verschiedenen Projektphasen. Einige Vorteile manifestieren sich unmittelbar, bereits zu Beginn oder im Verlauf eines Projekts, während andere sich erst mittelbar, also gegen Ende eines Projekts oder über den unmittelbaren Projektkontext hinaus, zeigen. Zusätzlich gibt es potenzielle langfristige Vorteile gemäß dem Grundgedanken des DDPs (Science Europe 2018, siehe Abschn. 2), die sich nur im Falle einer breiten Akzeptanz des Stamps innerhalb der Community und von Förderorganisationen entfalten können. Im Folgenden werden diese potenziellen Vorteile einer Nutzung des Stamps auf den jeweiligen Ebenen, getrennt nach den durch das FDM betroffenen Gruppen von Stakeholdern, skizziert: den Forschenden selbst, den Forschungsdatenzentren, den Forschungsförderorganisationen sowie der (disziplinübergreifenden) Community im Allgemeinen.

Unmittelbare Vorteile, d. h. von Beginn des Projekts an wirksame Arbeitserleichterungen, bestehen für die Forschenden darin, dass sie kein selbständiges FDM im eigentlichen Sinne betreiben müssen bzw. sie in den hiermit verbundenen Aufgaben ganz wesentlich entlastet werden. Dies geht darauf zurück, dass der Stamp sonst fragmentierte Teilaspekte des FDMs bündelt und entsprechende Informationsbedarfe gesammelt adressiert.

  • Der Stamp liefert Forschenden konkrete Handlungsanweisungen zur Planung, Umsetzung und Dokumentation von Maßnahmen des Datenmanagements. Der Aufwand für eigene Recherchen wird hierdurch auf ein Mindestmaß reduziert (siehe Abschn. 4).

  • Der Stamp ist weiterhin dynamisch konzipiert und kann durch Spezifikationen in Modulen an ein bestimmtes Forschungsprojekt angepasst werden (siehe Abschn. 5).

  • Der Stamp kann zudem als standardisierter Nachweis (der Planung) des FDMs für Projektanträge sowie Zwischen- und Abschlussberichte verwendet werden, wodurch Aufwände in der Berichtslegung reduziert werden. Den in Abschn. 1 geschilderten steigenden Anforderungen an das FDM von Seiten der Förderorganisationen kann damit auch langfristig Rechnung getragen werden.

  • Der Stamp unterstützt Forschende schließlich auch über das konkrete FDM hinaus im Projektmanagement allgemein und erleichtert die interne Koordination und Kommunikation innerhalb des Projekts.

Im Zusammenspiel mit Forschungsdatenzentren und den dort in der Datenkuration beschäftigten Mitarbeitenden resultieren darüber hinaus gegen Ende des Projekts weitere Zugewinne einer Nutzung des Stamps. Der Stamp folgt den FAIR-Data-Prinzipien und ist explizit auf das Erstellen möglichst offener, d. h. nachnutzbarer, qualitätsgesicherter Daten, ausgelegt. Da hierbei explizite Handlungsanweisungen zur Übergabe an Forschungsdatenzentren gegeben werden und die Perspektive der Forschungsdateninfrastruktur in der Entwicklung des Stamps explizit Berücksichtigung fand, können die unter Anleitung des Stamps erzeugten Daten mit vergleichsweise geringem Aufwand zur Verfügung gestellt werden. Da der Stamp bereits frühzeitig über die Verknüpfung von Checklisten, rechtlichen Vorgaben, Fallbeispielen und Empfehlungen eine Datengewinnung anleiten, die Urheberrecht und Datenschutz im Kontext einer potenziellen Nachnutzung berücksichtigt, wird zudem das Risiko dafür minimiert, dass eine Übergabe an Forschungsdatenzentren aus rechtlichen Gründen scheitert.

Durch die Umsetzung der FAIR-Kriterien (Wilkinson et al. 2016) zur Verbesserung der Nachnutzbarkeit der Forschungsdaten kann auch im Interesse der Forschenden selbst liegen. Im Sinne der Regeln guter wissenschaftlicher Praxis zielt der Stamp darauf ab, Daten so weit wie möglich für andere Personen auffindbar, zugänglich und nachnutzbar zu machen. Hieraus ergibt sich zum einen potenziell ein Reputationsgewinn aufseiten der Forschenden, welcher sich beispielsweise in einem Zitationsgewinn assoziierter Publikationen äußern kann (Christensen et al. 2019). Die eigene Sichtbarkeit in der Community wird zudem erhöht. Die Daten sind gleichermaßen mit geringerem Aufwand durch die Forschungscommunity nachnutzbar, was potenzielle Vorteile aufseiten der Nachnutzenden mit sich bringt und im Sinne eines effizienten Einsatzes der Gelder von Forschungsförderern ist.

Langfristig ergeben sich darüber hinaus auch Potenziale im Zusammenspiel mit Forschungsfördernden im Kontext eines vereinfachten Berichtswesens. So erlaubt der Stamp eine Standardisierung der Berichterstattung zum Datenmanagement und damit eine Vergleichbarkeit von Förderanträgen über Projekte hinweg. Zusätzlich unterstützt der Stamp Forschende auch in der Erzeugung standardisierter Ausgaben, z. B. innerhalb des RDMO, die die zugehörigen Informationen beinhalten. Da diese Ausgaben nutzerfreundlich generierbar sind, wird hierbei sowohl aufseiten der Förderorganisationen als auch aufseiten der Forschenden der Aufwand reduziert. Schließlich ist der Stamp als disziplinspezifische Fassung eines DDPs darauf ausgelegt, erweiterbar und adaptierbar für andere (sozialwissenschaftliche) Disziplinen zu sein (siehe Abschn. 8). Sollte es langfristig zu solchen Umsetzungen kommen, könnte dies wiederum die oben genannten Effekte weiter verstärken. Beispielsweise würden Aufwände auf Seiten von Drittmittelgebern weiter reduziert, aber gleichermaßen könnte auch eine disziplinübergreifende Nutzung von Forschungsdaten weiter forciert werden, woraus wiederum community-übergreifende Reputationsgewinne resultieren könnten.

Zusammenfassend bietet der Stamp einen klaren Rahmen für die transparente Dokumentation von Forschungsdaten und Methoden, was die unabhängige Reproduzierbarkeit von Studien fördern kann. Standardisierte Datenmanagementpraktiken und nachnutzbare Daten tragen allgemein zu einer höheren Qualität und Transparenz der Forschung bei und unterstützen die empirische Bildungsforschung damit potenziell auf ihrem Weg aus der Replikationskrise.

7 Welche Herausforderungen bestehen bei der Nutzung des Stamps und was kann der Stamp nicht leisten?

Die Etablierung eines nachhaltigen FDMs bringt erhebliche Anforderungen an die Forschenden mit sich. Sie sollen nicht nur die im Stamp vorgeschriebenen Datenmanagementmaßnahmen umsetzen, sondern auch eine kontinuierliche Pflege der Datenbestände sicherstellen, zumindest wenn diese ein hohes Nachnutzungspotenzial haben. Dies bedeutet zusätzliche Verantwortung für das Team, um sicherzustellen, dass die Forschungsdaten langfristig zugänglich, nachvollziehbar und sicher aufbewahrt werden. Für Drittmittelgeber und Institutionen bedeutet dies, nicht nur finanzielle Mittel für die Initiierung eines professionellen FDMs während des Projekts bereitzustellen (was bisher nur selten beantragt und umgesetzt wird), sondern auch Ressourcen für die langfristige Datenpflege zumindest wichtiger Datenbestände mitzudenken – zum Beispiel durch Förderung von Forschungsdatenzentren. Schulungen und technische Unterstützung sind ebenso entscheidend wie die Implementierung von Überwachungs- und Validierungssystemen, um die Datenintegrität sicherzustellen und mögliche Fälschungen zu erkennen.

Die im Stamp formulierten Anforderungen könnten auf einige Forschende zunächst etwas abschreckend wirken. In diesem Kontext ist allerdings wichtig, sich vor Augen zu halten, dass es sich hierbei eher um eine Systematisierung bestehender Anforderungen an die Forschenden im Rahmen des Stamps handelt – und nicht um genuin neue durch den Stamp gestellte Anforderungen. Vielmehr bietet der Stamp Handreichungen, um die Anforderungen besser zu bewältigen. Die Vorteile, die mit der Nutzung des Stamps einhergehen, müssen dennoch im Kontext dieser Verpflichtungen betrachtet werden, um eine effektive und nachhaltige Datenverwaltung zu gewährleisten.

Als weitere Limitation des Stamps ist darauf hinzuweisen, dass der Bereich der Datenaufbereitung notwendigerweise relativ unkonkret bleibt. Die Forschenden müssen hier weiterhin basierend auf ihrer inhaltlichen Expertise viele Entscheidungen darüber treffen, welche konkreten Aufbereitungsschritte in ihrem Einzelfall notwendig sind, damit ihre Forschungsdaten gut nachvollziehbar und verständlich werden (auch wenn der Stamp auf einige Handreichungen verweist).

Der Stamp wurde v. a. von Institutionen im Bereich der Forschungsdateninfrastruktur entwickelt, auch wenn im Projektverlauf immer versucht wurde, die Nutzendenperspektive einzubeziehen. Somit war das Projekt auf eine Mitwirkung von Forschenden aus der Community angewiesen und hier war es nicht immer einfach Personen für die Workshops zu finden, wobei auch fraglich ist, inwiefern hier eine repräsentative Abbildung der Community gelungen ist. Nur wenn auch zukünftig Forschung und Forschungsdateninfrastruktur in einem fruchtbaren Austausch stehen, wird es gelingen, Forschungsdatenstandards (wie den Stamp) und Infrastrukturen (weiter) zu entwickeln, die den Bedarfen der Community genügen und gleichzeitig dazu führen, dass eine hohe Datenqualität entsteht. Inwiefern der Stamp dazu geeignet ist, wird die Nutzung in den nächsten Jahren zeigen.

8 Ausblick

Der Stamp und seine Inhalte sind im Wesentlichen auf die der empirischen Bildungsforschung benachbarten Disziplinen (vor allem auf die Sozialwissenschaften, Psychologie etc.) übertragbar (Netscher et al. 15,16,a, b). Diese Übertragbarkeit des Stamps wird durch seine Bereitstellung unter einer freien Lizenz unterstützt, die die Anpassung an die jeweiligen disziplinspezifischen Gegebenheiten erlaubt. Bei der Übertragbarkeit auf andere Disziplinen müssen die Definitionen von Begriffen in jenen Disziplinen berücksichtigt werden. Auf der Ebene der Metadaten müssen insbesondere die abgefragten Informationen an die jeweiligen Disziplinen angepasst werden. Eine Herausforderung besteht allerdings auch darin, ein disziplinübergreifend interoperables Austauschformat für diese Informationen (Metadatenschema) zu entwickeln. Dabei sind auch die Standards und Vorgaben der jeweiligen disziplinspezifischen Forschungsdatenzentren zu berücksichtigen. Auf der Ebene der Anforderungen des Stamps sind die wesentlichen Punkte auf angrenzende Disziplinen übertragbar, während auf der Ebene der Checklisten die Inhalte je nach Fachgebiet spezifiziert werden müssen.

Abschließend lässt sich also festhalten, dass mit dem Stamp erstmals eine spezifisch auf die Bedürfnisse der deutschsprachigen empirischen Bildungsforschung angepasste Umsetzung des DDP-Konzepts vorliegt. Wir möchten die Community dazu einladen, diese disziplinspezifisch-standardisierte Lösung aufzunehmen und sich an ihrer Weiterentwicklung zu beteiligen, damit sich das volle Potenzial dieses Ansatzes entfalten kann.