Seit mehr als 70 Jahren werden Kortikosteroide (KST) und ACTH (adrenocorticotropes Hormon) zur symptomatischen Behandlung von frühkindlichen Epilepsien eingesetzt, wenn sich diese gegenüber konventionellen anfallssuppressiven Medikamenten (ASM) als resistent erwiesen haben. Über Wirkung und Verträglichkeit wurde überwiegend in retrospektiven Fallserien und nur selten in prospektiven Studien berichtet. Nur beim infantilen epileptischen Spasmensyndrom (IESS) wurden in den letzten 2 Jahrzehnten umfangreiche, aktiv-kontrollierte prospektive Studien durchgeführt, die eine Wirksamkeit dieser Substanzen und ihren Stellenwert im Vergleich zu Vigabatrin nachwiesen und zu klaren Empfehlungen in aktuellen Leitlinien führten [1]. Für die übrigen Epilepsien der frühen Kindheit ist die Studienlage aber weiterhin unbefriedigend. Es war das Ziel unseres hier in gekürzter Form wiedergegebenen systematischen Reviews, die Datenlage für diese Gruppe von Epilepsien jenseits des IESS möglichst vollständig zu erfassen und kritisch zu bewerten.

Methodik

Wir führten eine systematische Stichwortrecherche in zahlreichen Registern und Datenbanken durch. Die Einschlusskriterien für die Aufnahme von Publikationen in den Review waren:

  1. 1.

    Volltextpublikation über andere frühkindliche Epilepsien als IESS/West-Syndrom in englischer, deutscher, französischer oder spanischer Sprache,

  2. 2.

    Behandlung mit ACTH oder einem Kortikosteroid,

  3. 3.

    Einschluss von mehr als 5 Patienten,

  4. 4.

    klare Falldefinition der Epilepsie und der Anfälle,

  5. 5.

    zuverlässig beschriebener Behandlungsplan,

  6. 6.

    zuverlässig beschriebene Ergebniskriterien für die Wirksamkeit auf Anfälle, EEG (Elektroenzephalogramm) und/oder Verbesserung von Verhalten und Kognition und

  7. 7.

    Informationen über unerwünschte Wirkungen.

Arbeiten mit kritischer Bewertung des Bias-Risikos wurden ausgeschlossen. Es verblieben 38 Veröffentlichungen, die für eine detaillierte Zusammenfassung und Metaanalyse der Befunde geeignet erschienen. Weitergehende Angaben zur Methodik finden sich in der Vollpublikation [2].

Ergebnisse

Studienqualität und Verzerrungsrisiken

Unter den 38 eingeschlossenen Studien fanden sich eine randomisiert kontrollierte, und eine prospektiv kontrollierte Studie mit alternierender Zuweisung zweier verschiedener Steroide nach Aufnahmezeitpunkt in die Klinik. Fünf weitere prospektive Studien untersuchten je ein Steroid ohne Kontrollen. Die übrigen berichteten über retrospektive Fallserien mit einem (N = 25), 2 (N = 6) oder mehr (N = 1) verschiedenen KSTs oder ACTH. In 30 von 38 Studien wurde die Indikation zur Steroidbehandlung angegeben mit schwerer Epilepsie mit Resistenz gegen mindestens 2 oder mehr ASMs, schweren, meist generalisierten/diffusen Spike-Waves im EEG und kognitiver Verschlechterung. Fünf Arbeiten schlossen ausschließlich Patienten mit DEE-SWAS (entwicklungsbedingte und/oder epileptische Enzephalopathie mit Spike-and-Wave-Aktivierung im Schlaf) oder Landau-Kleffner-Syndrom ein, die meisten jedoch verschiedene Syndrome. Die Erfassungsperiode betrug bei den prospektiven Studien 1 bis 5 (meist 2) Jahre, bei den retrospektiven Studien jedoch 2 bis 26 (meist 10 bis 12) Jahre. Während die meisten Autoren angaben, alle behandelten Patienten im erfassten Zeitraum eingeschlossen zu haben, bleibt häufig unklar, welcher Teil der Patienten mit bestehender Indikation wegen beispielsweise Kontraindikationen oder Ablehnung der Eltern nicht behandelt wurde. Wichtige Einflussvariablen wie Ätiologie und Behinderungsgrad wurden in sehr unterschiedlicher Detailliertheit angegeben, MRT(Magnetresonanztomographie)-Befunde und molekulargenetische Untersuchungen finden sich nur selten und naturgemäß nur in neueren Studien. Die Anfallsfrequenz wurde meist durch Elternbeobachtung und -protokollierung geschätzt, quantitative Angaben in den Publikationen beschränkten sich fast immer auf Raten gebesserter Patienten. Quantitative Angaben zum EEG-Verlauf wurden nur selten anhand des Spike-Index angegeben, überwiegend bei den DEE-SWAS-Studien. Verhaltensauffälligkeit und kognitive Funktionen wurden meist klinisch geschätzt und nur selten psychometrisch erfasst. Nebenwirkungen wurden häufig nur anamnestisch erhoben, in etwa der Hälfte der Studien jedoch zumindest in der initialen Behandlungsphase prospektiv erfasst. Insgesamt ergibt sich v. a. bei den retrospektiven Studien ein in hohem Maße variables Bild mit häufig ernstem, vielfach aber auch nur moderatem Verzerrungsrisiko. Von einem günstigeren Risiko kann nur bei den prospektiven, kontrollierten Studien ausgegangen werden.

Behandlung

Es kam eine Vielzahl verschiedener KST, außerdem natürliches (USA) und synthetisches (Europa, Japan) ACTH in unterschiedlichen Dosierungen und Protokollen zum Einsatz. Traditionell handelte es sich dabei zunächst um eine relativ hoch dosierte Initialphase, der nach Erfolgseintritt oder vorgegebener Dauer eine schrittweise Dosisreduktion folgte. Die Größe der Schritte und die Dauer der Dosisreduktion waren wiederum sehr variabel, häufig abhängig von klinischen oder EEG-Rezidiven. Erst in neuerer Zeit wurde häufiger ein gepulstes Behandlungsschema eingesetzt mit mehreren ein- bis mehrtägigen Pulsen im Wochen- oder Monatsabstand für variable Dauer. Um dennoch eine gemeinsame Auswertung der Studien zu ermöglichen, haben wir die Medikamente in Gruppen zusammengefasst (Tab. 1) und die Dosierungen der verschiedenen KST in Kortisoläquivalente umgerechnet. Zur angenäherten Umrechnung auch der ACTH-Dosen in KST-Äquivalente haben wir uns auf Ergebnisse von 2 neueren Arbeiten gestützt, die allerdings bei erwachsenen Patienten erhoben wurden [3, 4]. Die unterschiedlichen Behandlungsdauern, Ausschleichphasen und Nachuntersuchungsdauern haben wir dadurch berücksichtigt, dass wir frühe Effekte bei Ende der Initialbehandlung oder kurz danach von anhaltenden Befunden im späteren Verlauf, häufig nach Auftreten von Rezidiven getrennt erfasst haben. Als Einflussvariable für die statistischen Berechnungen haben wir eine kumulierte Dosis in mg/kg Körpergewicht Kortisoläquivalent über die gesamte Initialtherapie berechnet.

Tab. 1 Studienmedikamente und Medikamentengruppen

Metaanalyse der Effekte

Die Metaanalyse der aggregierten Daten aller 38 eingeschlossenen Studien ergab, dass die Rate der primären Endpunkte „frühe Anfallsabnahme um mehr als 50 % (= Response)“ und „frühe EEG-Besserung um mehr als 50 % (= Response)“, gemittelt über alle eingeschlossenen Studien und ihre Behandlungsarme, 0,60 (95 %-KI [Konfidenzintervall] 0,52–0,67) und 0,56 (95 %-KI 0,43–0,68) betrug. Nach Beendigung der Behandlung oder bereits während der Dosisreduktion betrug die Rate der Patienten, die einen Rückfall erlitten, unter allen Behandelten 0,33 (95 %-KI 0,27–0,40). Längerfristig hielten eine Anfallsresponse bei 0,39 (95 %-KI 0,30–0,49) und eine EEG-Verbesserung bei 0,52 (95 %-KI 0,38–0,66) der Patienten an. Diese und die Ergebnisse der weiteren Ergebnisvariablen sind in Tab. 2 aufgeführt.

Tab. 2 Metaanalyse der 38 Studien, aggregierte Daten, Random-effects-Modell

Subgruppenanalysen nach Medikamentengruppen ergaben für alle Endpunkte keinen signifikanten Unterschied (Tab. 3). Für den Endpunkt „frühe Anfallsresponse“ lag die gepoolte Rate in Studien mit ACTH nicht signifikant um 0,10–0,15 höher im Vergleich zu den KST. Die verbleibende Heterogenität zwischen den ACTH-Studien war jedoch deutlich größer als dieser Unterschied. Insgesamt war die Heterogenität zwischen den Endpunkten innerhalb der Gruppen sehr groß, ohne Zusammenhang mit der Medikation oder der Epilepsieart. Die Heterogenität des primären Endpunktes „frühe Anfallsresponse“ war jedoch in prospektiven Studien geringer als in den retrospektiven Serien. Das deutlichste Ergebnis unserer Metaanalysen ist ein starker Zusammenhang zwischen dem Behandlungsschema und dem unerwünschten Ereignis „Übergewicht oder Cushing-Syndrom“. Der gepoolte Anteil ist bei gepulstem intravenösem Methylprednisolon (ivMP) oder Dexamethason gering und bei kontinuierlicher Behandlung mit ACTH oder oralen KST hoch (Abb. 1).

Tab. 3 Metaanalyse der 38 Studien, aggregierte Daten, Random-effects-Modell, Endpunkt früher Anfallsresponse, Subgruppenanalyse Medikamentengruppe
Abb. 1
figure 1

Metaanalyse der Studien [5,6,7,8,9,10,11,12,13,14,15,16,17,18] mit prospektiver Erfassung von Nebenwirkungen, aggregierte Daten, Random-effects-Modell, Endpunkt Übergewicht und Cushing-Syndrom, Subgruppenanalyse der Medikamentengruppe. ACTH adrenokortikotropes Hormon, ASM „anti-seizure medication“ (Anfallssuppressiva), ivMP intravenöses Methylprednisolon, SG Subgruppe. (Abbildung aus [2])

Zusätzlich führten wir multivariable Metaregressionstests durch. Deren Ergebnisse deuten auf einen positiven Effekt der ACTH-Behandlung und des Epilepsietyps DEE-SWAS/LKS (Landau-Kleffner-Syndrom) und auf einen negativen Effekt einer symptomatischen Ätiologie auf einen oder beide der primären Endpunkte (Anfall und/oder EEG-Response) hin. Die kumulative Medikationsdosis über die Initialtherapie erwies sich hingegen nicht als bedeutsamer Faktor.

Individuelle Ergebnisse der prospektiv kontrollierten Studien

Grosso et al. teilten Patienten mit therapierefraktärer Epilepsie einer offenen Behandlung mit oralem Hydrocortison oder Deflazacort (Oxazolinderivat von Prednisolon) abwechselnd in der Reihenfolge der Krankenhausaufnahme zu [5]. Hydrocortison wurde täglich jeweils für einen Monat mit 10 mg/kg, 5 mg/kg, 2,5 mg/kg und 1 mg/kg verabreicht, und anschließend für 2 Monate mit 1 mg/kg an jedem zweiten Tag. Deflazacort wurde während des gesamten 12-monatigen Studienzeitraums in einer täglichen Dosis von 0,75 mg/kg verabreicht. Die Wirksamkeit und Verträglichkeit der KSTs wurden nach 6 Monaten und bei einer 12-monatigen Nachuntersuchung bewertet. Es wurden 16 Patienten mit Hydrocortison (Gruppe 1) und 19 mit Deflazacort (Gruppe 2) behandelt. Nach 6 Monaten gab es 44 % Responder (> 50 % Anfallsverbesserung) in Gruppe 1 und 47 % in Gruppe 2; 87 % der Responder in Gruppe 1 rezidivierten 2 Wochen bis 3 Monate nach Absetzen von Hydrocortison zum Ausgangswert. In Gruppe 2 lag die Rückfallquote bei nur 22 % (p = 0,04). In Gruppe 1 erlitten 37 % der Patienten mindestens eine unerwünschte Wirkung (BMI [Body Mass Index] > 97. Perzentile, Cushing-Syndrom, Hypertonus und andere), in Gruppe 2 beendete nur ein Patient Deflazacort nach 12 Monaten aufgrund von Magenschmerzen. Die wesentlich geringere Rückfallquote nach 12 Monaten in Gruppe 2 ist wahrscheinlich auf die kontinuierliche Behandlung über diesen Zeitraum zurückzuführen und nicht auf einen medikamentenspezifischen Effekt.

In einer kürzlich veröffentlichten randomisierten, kontrollierten Studie wurde die gepulste Behandlung mit ivMP mit einer Standardtherapie mit ASM verglichen [6]. Nach Screening von 100 Kindern wurden 91, die die Einschlusskriterien erfüllten, in die Studie aufgenommen. In den ersten 4 Wochen wurde die ASM bei allen Kindern optimiert. Nach dieser Grundphase wurden jeweils 40 Patienten für eine Open-label-Behandlung mit ivMP + ASM oder unveränderter Standard-ASM randomisiert (11 waren vor der Randomisierung ausgeschieden). IvMP (30 mg/kg) wurde über 4–6 h an 5 Tagen/Monat für 3 aufeinanderfolgende Monate (12 Wochen) verabreicht. Die primären und sekundären Endpunkte Anfallshäufigkeit, EEG und VSMS (Vineland Social Maturity Scale) wurden 4 Wochen nach der letzten Dosis des dritten ivMP-Impulses bewertet. Die ITT(Intention to treat)-Analyse zeigte, dass der mediane Prozentsatz der Veränderung der Anfallshäufigkeit nach ivMP + ASM signifikant höher war als in der reinen ASM-Gruppe: 91,4 (IQR [Interquartilsabstand] 47,37–100) gegenüber 10 (IQR 0–25); p < 0,001. Die Responserate (Rückgang um mehr als 50 %) lag in der Interventionsgruppe bei 0,75 im Vergleich zu 0,15 in der reinen ASM-Gruppe (p < 0,001). In der ivMP-Gruppe wurden außer leichten Infektionen keine schwerwiegenden unerwünschten Arzneimittelwirkungen beobachtet. Leider berichteten die Autoren nicht über längerfristige Befunde über 4 Wochen nach der Behandlung hinaus, sodass Informationen über Rückfälle, die nach Beendigung der Behandlung zu erwarten wären, fehlen.

Diskussion

Wir glauben, durch systematische Literatursuche und vordefinierte Einschlusskriterien die relevanten Publikationen weitgehend erfasst zu haben. Um einen vollständigen Überblick zu gewinnen, haben wir bewusst nicht nur prospektive und kontrollierte Studien eingeschlossen. Das hohe Verzerrungsrisiko langjähriger retrospektiver Studien auf der Basis von Krankenblattanalysen führt natürlich dazu, dass auch unsere Metaanalysen nur unter Vorbehalt interpretiert werden können. Neben der inhärenten Problematik einer objektiven Zählung teils relativ subtiler Anfallsformen, der unsicheren Quantifizierung von EEG-Veränderungen und der eingeschränkten Möglichkeit prospektiver psychologischer Testungen bei teils schwer beeinträchtigten Kindern ist die historische Entwicklung der Möglichkeiten der ätiologischen Diagnostik, aber auch der epileptologischen Nomenklatur in Rechnung zu stellen. Die hier dargestellten Metaanalysen stützten sich auf aggregierte Daten der Studien wie Raten der klinischen und EEG-Besserung, Prozentsatz symptomatischer Ätiologie und kognitiv Beeinträchtigter und durchschnittliche kumulative Dosen der Medikation bei allerdings relativ einheitlich gehandhabter Studienmedikation. Die Beobachtungseinheit in unseren Analysen ist damit jeweils die Studie, nicht der einzelne Patient! Einige der Autoren hatten auch individuelle Patientendaten in Tabellenform publiziert. In der Hoffnung, hierdurch weitergehende Erklärungen für die hohe Variabilität der Studienergebnisse zu erlangen, haben wir auch diese zusammengestellt und statistisch analysiert. Dies ergab deutlich geringere Fallzahlen (N = 414), wobei die Zahlen für die einzelnen Variablen durch uneinheitliche Erfassung in den Tabellen noch geringer ausfielen. Wir erhielten damit kein anderes oder besser interpretierbares Ergebnis als mit den dargestellten aggregierten Daten. Eine Sensitivitätsanalyse, in die wir nur die 19 Arbeiten einschlossen, die kein schlechteres als mäßiges Verzerrungsrisiko für die Zielparameter aufwiesen, bestätigte die Ergebnisse der Metaanalyse mit allen 38 Studien. Unterstützt werden unsere Ergebnisse bezüglich der wichtigsten Endpunkte aber auch durch die Resultate der beiden prospektiven, kontrollierten Studien, wie oben dargestellt.

Zusammenfassend fanden wir eine gepoolte frühe > 50 %-Responserate für Anfälle und EEG bei etwa 60 % und Anfallsfreiheit oder EEG-Normalisierung bei 20–30 % der Patienten. Verhaltensmäßige oder kognitive Verbesserungen wurden bei 50 % der Patienten erzielt. Mehrere Autoren berichteten, dass die Besserung in der Regel nach 1 bis 2 (maximal 4) Behandlungswochen eintrat. Allerdings erlitten 33 % aller behandelten Patienten bzw. 50–60 % derjenigen, bei denen sich die Situation ursprünglich gebessert hatte, nach Absetzen von ACTH und KST oder bereits während der Reduktionsphase Rückfälle. Dies führte zu einem längerfristig anhaltenden Ergebnis von 30–40 % Respondern. Studien mit Patienten ausschließlich mit DEE-SWAS oder Landau-Kleffner-Syndrom schnitten günstiger ab, während solche mit einer höheren Rate symptomatischer Fälle oder schwer kognitiv beeinträchtigter Patienten eher schlechtere Ergebnisse erzielten. Die verschiedenen KST oder ACTH führten nicht zu unterschiedlichen Behandlungseffekten, Gleiches gilt für unterschiedliche kumulative Kortisoläquivalenzdosen zwischen den Studien.

Praktische Bedeutung

Folgt man diesen Ergebnissen mit der notwendigen Zurückhaltung, so profitiert gut die Hälfte der Patienten kurzfristig mit einer > 50 %-Besserung von Anfällen, EEG und Verhalten oder Kognition. Etwa 30 % werden zumindest vorübergehend anfallsfrei, und bei 20 % wird das EEG normalisiert. Diese Ergebnisse sind deutlich schlechter als die besser dokumentierten Daten bei IESS/West-Syndrom, wo 80 % der Säuglinge initial anfallsfrei werden, meist mit saniertem EEG. Auch hier kommt es jedoch zu Rezidiven, sodass langfristig etwa 50 % der Säuglinge anfallsfrei bleiben, verglichen mit 30 % in der hier besprochenen älteren Patientengruppe. Dennoch sind die Ergebnisse auch in den hier untersuchten Non-IESS/West-Syndrom-Studien nicht schlechter als diejenigen in Studien mit neueren ASMs oder alternativen Therapien.

Bedeutsam ist die Feststellung, dass sich zwischen den verschiedenen untersuchten KSTs und ACTH kein Unterschied des Effektes feststellen ließ und dass sich im Spektrum der untersuchten Dosierungen und Behandlungsschemata keine Grenze für eine effektive Kumulativdosis definieren lässt. Hingegen wird die klinische Erwartung bestätigt, dass gepulste Protokolle mit ivMP oder auch Dexamethason mit wesentlich weniger Nebenwirkungen belastet sind als kontinuierliche Schemata. Auch wenn sich aus den vorliegenden Daten keine auf hoher wissenschaftlicher Evidenz basierte Empfehlung ableiten lässt, erscheint bei Kindern mit schweren frühkindlichen Epilepsien, schwer pathologischem EEG und beginnendem kognitivem Abbau ein temporärer Behandlungsversuch mit KST oder ACTH sinnvoll, wahrscheinlich am besten in einem gepulsten Schema.

Zu wählendes Medikament, Länge und Zahl der Einzelpulse und Dosierung (z. B. ivMP 15 oder 30 mg/kg/Tag) sollten Gegenstand weiterer prospektiver Studien sein, die möglichst hohen wissenschaftlichen Standards genügen und auch eine ausreichend lange Nachbeobachtung enthalten sollten, um auch Rezidive und langfristige klinische und kognitive Effekte erfassen zu können.

Fazit für die Praxis

  • Dargestellt wurden die Ergebnisse eines systematischen Reviews, in dem Daten zur Wirksamkeit und Verträglichkeit von ACTH (adrenocorticotropes Hormon) und Kortikosteroiden (KST) bei Kindern mit anderen Epilepsien als dem infantilen epileptischen Spasmussyndrom (IESS) ausgewertet wurden, die auf Anfallssuppressiva (ASM) nicht angesprochen hatten.

  • Die Metaanalyse der aggregierten Daten zur Anfallsreduktion >50 % und zur Verringerung der EEG(Elektroenzephalogramm)-Spikes am Ende der Initialbehandlung ergab gepoolte Raten von 0,60 und 0,56. Die Rückfallquote war mit 33 % hoch.

  • Subgruppenanalysen und eine Metaregression zeigten keinen signifikanten Unterschied zwischen den eingesetzten Substanzen.

  • Die Höhe der kumulativen Dosis der initialen Behandlungsphase hatte keinen Einfluss auf die Behandlungsergebnisse.

  • Adipositas und Cushing-Syndrom waren die häufigsten unerwünschten Wirkungen, vor allem bei kontinuierlichen, nicht-gepulsten Behandlungsprotokollen.

  • Die Aussagekraft dieser Ergebnisse wird durch ein hohes Verzerrungsrisiko der meisten eingeschlossenen Studien und eine große Heterogenität zwischen den Studiendaten eingeschränkt.