1 Einleitung

Bedingt durch die Natur des Bergbaus war und ist das Thema Sicherheit immer schon ein Schwerpunkt. In der Ausbildung werden die zukünftigen Bergleute an die möglichen Gefahren und die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen herangeführt.

Ein wesentliches Ausbildungsziel in der universitären Ausbildung ist es, den zukünftigen, in leitender Funktion tätigen Rohstoffingenieuren das selbständige Erkennen der Risiken zu ermöglichen.

In den letzten 30 Jahren haben sich die Sicherheitsverhältnisse im internationalen Bergbau erheblich verbessert, und die Unfallzahlen sind stark zurückgegangen.

Dies kann man den internationalen Unfallstatistiken entnehmen, die durch international eingesetzte Kennzahlen gut miteinander vergleichbar sind.

Die global gebräuchliche Kennzahl LTIR (Loss Time Injury Rate) ist ein Maß für die Unfallhäufigkeit, allgemein definiert als Anzahl von Arbeitsunfällen mit mindestens einem Tag Ausfallzeit bezogen auf die geleisteten Arbeitsstunden, normiert auf 1 Mio. Arbeitsstunden.

Als Beispiele werden hier die Unfallzahlen im deutschen Steinkohlenbergbau von 2018 (Abb. 1) angeführt, welche sich im Zeitraum 1995 bis 2015 um den Faktor 10 verringert haben.

Abb. 1
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Im Rahmen der Veranstaltungen zur Schließung des Bergwerkes Prosper Haniel wurden am 18. Oktober 2018 auch die Zahlen der Unfallentwicklung im Bergbaubereich der Ruhrkohle AG präsentiert. In nur 22 Jahren hat sich die Zahl der Unfälle je 1 Mio. Arbeitsstunden von 57,5 auf 2,2 verringert (Foto: N. Sifferlinger)

In diesem Beitrag wird der Frage nachgegangen, was die universitäre Ausbildung zu einer weiteren Verbesserung der Sicherheit beitragen kann.

2 Sicherheitsrelevante Ausbildung im Rohstoffingenieurwesen

Im Curriculum des Masterstudiums Rohstoffgewinnung und Tunnelbau finden sich zahlreiche Lehrveranstaltungen, die sich speziell mit Sicherheitsfragen auseinandersetzen [1].

Einige der speziellen Lehrveranstaltungen zu Sicherheit sind das „Bergrecht“, das „Grubenrettungsseminar“, „Occupational and Process Safety“, „Risk Management in Mines“, „Schutzvorschriften und Sicherheitstechnik“, „Sicheres Arbeiten im Bergbau“ und „Sicherheit, Gesundheit und Umweltschutz bei Sprengarbeiten“.

Aber es hat natürlich fast jede Lehrveranstaltung im Rohstoffingenieurwesen Komponenten, die sich mit der Sicherheit befassen.

Owain Mädel hat in seiner Bachelorarbeit „Mining Education in Europe“ die Lehrinhalte analysiert [2]. Dabei hat er in folgende Gruppen unterschieden:

  • Basic Engineering, Economics and Law courses (BEEL)

  • Mining Engineering specific courses (MESC)

  • Health, Safety, Environment, Sustainability courses (HSES)

  • Social Skills, Problem Based Learning, Scientific work courses (SPBLS)

  • Elective courses not specific to mining (ELEC)

Für die Gruppe HSES hat er dabei für Leoben 10 % der Lehrveranstaltungen im Masterstudium aus der Benennung mit direktem Bezug zum Thema identifiziert. Abb. 2 gibt auch den Vergleich mit einigen anderen europäischen Universitäten.

Abb. 2
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Vergleich für das Masterstudium im Bereich Bergbau nach Lehrinhalten nach dem Titel nach. Für Sicherheit, Gesundheit, Umweltschutz und Nachhaltigkeit schwankt auf den verschiedenen Universitäten der Anteil von 4,4 bis 26,67 %. Aber Achtung: Natürlich finden sich viele Sicherheitsthemen als Unterkapitel auch in den anderen Lehrinhalten. (O. Mädel)

3 Universitätslehrgänge

Universitätslehrgänge dienen der Weiterbildung und wenden sich an die interessierte Gesellschaft.

Im Bereich Sicherheit hat die Montanuniversität Leoben auf der strategischen Ebene den Universitätslehrgang „Safety and Disaster Studies – PANK Prozess- und Anlagensicherheit, Notfall- und Katastrophenmanagement“ [3].

Auf der betrieblich-technischen Ebene wird der Universitätslehrgang „Safe Deep Mining – Rock engineering for deep mines“ [4] angeboten. Gemeinsam mit sechs anderen Universitäten und Industriepartnern wird hier ein fundiertes Ausbildungsprogramm für den Bergbau in großen Teufen angeboten.

4 Exkursionen und Praktika

Ein wichtiger Beitrag zur Sicherheitsausbildung sind die Exkursionen und Praktika der Studenten (Abb. 3). Hier ist das Wohlwollen der Industrie besonders hervorzuheben. Dabei ist es den Studenten möglich, sich mit den praktischen Aspekten der Arbeitssicherheit vertraut zu machen.

Abb. 3
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Praktika der damaligen Studentin Katharina Haider als Muldenkipperfahrerin in einem österreichischen Betrieb während der Osterferien im April 2021 (K. Haider)

5 Forschung

Mit dem Zentrum am Berg [5] am Erzberg hat die Montanuniversität Leoben ein einzigartiges Sicherheitsforschungszentrum, welches auch zur Ausbildung der Studenten genutzt wird (Abb. 4).

Abb. 4
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DI Michael Nöger demonstriert den Studenten im Presser-Stollen des Zentrum am Berg die Durchführung einer Wettermessung (N. Sifferlinger)

Auch für Grubenwehrübungen (Abb. 5) eignet sich das Zentrum am Berg sehr gut.

Abb. 5
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Grubenwehrübung im Presser-Stollen im Rahmen der Übung IRON NIKE 22. Bergung eines Verletzten mit dem Schleifkorb (N. Sifferlinger)

Kürzlich war am Steirischen Erzberg der Spatenstich zur Forschungseinrichtung NAGEMA. Das auf Schutzbauten spezialisierte Unternehmen Trumer wird hier gemeinsam mit der Montanuniversität Leoben und der BOKU Wien forschen.

Gebaut wird unter anderem eine Schrägwurfseilbahnanlage, auf der Testkörper im 1:1 Feldversuch beschleunigt werden können. Die Aufzeichnungen und Messungen sollen Erkenntnisse und Entwicklungen für ein verbessertes Naturgefahrenmanagement bringen. Ziel ist es, beim Schutz vor Naturereignissen, die in Zukunft aufgrund des Klimawandels sicher häufiger werden, vorausschauend agieren zu können. Der Umgang mit Naturgefahren hat ein hohes Niveau erreicht, doch bleiben der Erhalt und die innovative Verbesserung eine Daueraufgabe [6].

Ein weiterer Bereich der Sicherheitsforschung sind die gebirgsmechanischen Modelle und Simulationen für den untertägigen Bergbau, besonders für den tiefgelegenen Abbau [7]. Hier ist besonders die Zusammenarbeit mit LKAB bei der Entwicklung der Raise Cave Mining Method für große Teufen anzuführen.

Kleinere Forschungsprojekte müssen unerwähnt bleiben, um nicht den Rahmen dieses Artikel zu sprengen.

6 Automation und Robotik

Die Entfernung der Bergleute aus gefährdeten Bereichen durch Automation und Roboter ist die große Forschungs- und Entwicklungsaufgabe im 21. Jahrhundert. Die Montanuniversität Leoben ist mit den Lehrstühlen Bergbau, Bergtechnik und Bergwirtschaft sowie Automation und Cyber Physical Systems mit Beiträgen zu diesen Fragestellungen involviert [8].

Ein konkretes Beispiel ist die Mitarbeit an der Entwicklung von Robotsystemen für das Einbringen von Sprengstoff in die Bohrlöcher und das anschließende Zusammenführen der Zündkreise für die Sprengung (Abb. 6). Diese Entwicklung nahm ihren Anfang im Jahre 2015 mit der Konzeptfindung im Project „Safer Charging“ durch das Nordic Rock Tech Center (Projektleiter Nikolaus A. Sifferlinger) mit Industriepartnern [9].

Abb. 6
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Konzeptstudie für ein Robotersystem zum Einbringen des Sprengstoffes in die Bohrlöcher und Herstellen des Zündkreises für die Sprengung im Projekt „Safer Charging“ im Jahr 2015 (CAD: Bent Aanonsen)

Die ABB Mining Division hat das Projekt fortgeführt und erfolgreiche Prototypeneinsätze in Skandinavien im Laufen [10].

Der Lehrstuhl für Automation hat einen wesentlichen Beitrag zur Automation eines neuartigen Rapid Mine Development Systems für Hartgesteinsbergbau der Firma Sandvik Mining and Construction GmbH geleistet. Die Entwicklung des dafür notwendigen Hydrauliksystems wurde unter der Leitung von Gerhard Rath gemeinsam mit dem Industriepartner durchgeführt [11].

Damit sind nur einige Beispiele der Beiträge der Montanuniversität Leoben für erhöhte Sicherheit durch Automation und Robotisierung angeführt.

7 Lehren aus dem Unfallgeschehen

Um ein Verständnis für das Unfallgeschehen in Österreich zu erhalten, wurde die Masterarbeit „Analyse des Unfallgeschehens im österreichischen Berg- und Tunnelbau im Zeitraum 2000-2020 und Ableitung möglicher Verbesserungspotentiale“ [12] durchgeführt.

Ziel war dabei, für die Ausbildung der Studenten im Bereich Unfallvermeidung ein klares Bild über das nationale Unfallgeschehen zu bekommen. Sowohl die Österreichische Montanbehörde wie auch die Allgemeiner Unfallversicherungsanstalt (AUVA) haben diese Analyse bestens unterstützt.

Als Grundlage wurden Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Berg- und Tunnelbaubranche, spezifische Gefahrenquellen, Unfallkennzahlen und die Methodik der Europäischen Statistik über Arbeitsunfälle (ESAW) behandelt.

Es wurden Datenquellen aus dem österreichischen Berg- und Tunnelbau vorgestellt, dargestellt und ausgewertet.

Die häufigste Unfallursache im österreichischen Bergbau waren von 2000 bis 2019 laut Montan-Handbuch „Arbeitsmittel (Gezähe, Geräte, Werkzeuge, Maschinen, Apparate, abspringende Splitter)“ und laut Allgemeiner Unfallversicherungsanstalt (AUVA) für Berg- und Tunnelbau „Verlust der Kontrolle über eine Maschine, Transportmittel, Fördermittel, Handwerkzeug, Tier“.

Bei einer Gegenüberstellung der am Unfall beteiligten Gegenstände wird deutlich, dass „ortsveränderliche Maschinen und Ausrüstungen“ schwerere Unfälle verursachen.

Ein Vergleich zwischen dem Berg- und Tunnelbau Österreichs wurde durchgeführt. Es stellte sich heraus, dass im Tunnelbau sehr hohe Unfallraten (ca. 95 Unfälle pro 1000 Beschäftigte) im Vergleich zum Bergbau (ca. 27 Unfälle pro 1000 Beschäftigte) herrschen.

Anschließend wurden internationale Datenquellen vor- und dargestellt. Österreich zeigt im Vergleich mit dem internationalen Bergbau höchste Unfallraten. Daraus ergibt sich der Auftrag an alle Beteiligten, die Situation zu verbessern.

Für eine Gegenüberstellung im Tunnelbau fehlten vergleichbare internationale Datenquellen.

8 Mangel an zugänglichen Unfallberichten in Europa

Waren im 20. Jahrhundert anonymisierte Unfallberichte zum Geschehen im Bergbau mit jeweils einem Jahr Verzögerung in den Montanhandbüchern oder ähnlichen Jahresberichten in Europa verfügbar, ist dies im Jahr 2023 nicht mehr der Fall.

Mit Reduktion bzw. Auflösung der nationalen Bergbaubehörden hat sich das Unfallberichtswesen in Europa wesentlich verschlechtert.

Vor 20 Jahren gab es in Europa noch den Ständigen Ausschusses für die Betriebssicherheit und den Gesundheitsschutz im Steinkohlenbergbau und den anderen mineralgewinnenden Industriezweigen (SHCMOEI) der Europäischen Union. Der SHCMOEI war maßgeblich in die Erstellung der EU Richtlinien 92/91 und 92/104 betreffend Bergbausicherheit involviert. Dort wurde auch über Gruppenunfälle (wie etwa Lassing) berichtet. Der SHCMOEI umfasste mehr als 90 Personen, die viermal im Jahr zusammentrafen und sehr intensiv diskutierten. Der SHCMOEI wurde inzwischen aufgelöst.

Bis in die späten 1990er-Jahre beinhalteten die Montanhandbücher Kurzbeschreibungen über tödliche Unfallhergänge. Aus diesen Unfallbeschreibungen konnten wichtige Schlüsse gezogen und ein Gefahrenbewusstsein verstärkt werden. Sicherheitsverantwortliche anderer Bergbaubetriebe konnten dadurch auf mögliche Mängel im eigenen Betrieb aufmerksam gemacht werden oder Inspiration für Sicherheitsschulungen ziehen. ArbeitnehmerInnen konnte vor Augen geführt und erneut bewusst gemacht werden, wie real einige Gefahren sind, mit denen sie tagtäglich konfrontiert sind und an die sie sich bereits gewöhnt haben.

Es sei an dieser Stelle die Mining Health and Safety Administration (MSHA) der Vereinigten Staaten von Amerika erwähnt, die genaueste Details über tödliche Unfälle auf ihrer Homepage veröffentlicht [13]. So eine Tiefe der Informationen wäre für Unfallbeschreibungen für die Öffentlichkeit nicht notwendig, allgemein gefasstere und etwas anonymere Berichte wären ausreichend.

Inzwischen ist das nationale und europäische Unfallgeschehen nur mehr als Statistik verfügbar. Was zu den Unfällen geführt hat, wird nicht mehr bekannt gegeben. Ein Argument für diese Weglassung ist der Datenschutz.

Damit können die Industrie und die Ausbildungsstätten keine Lehren zur Vermeidung zukünftiger Unfälle ziehen!

Vielleicht gelingt es wieder, anonymisierte Unfallberichte in die Montanhandbücher aufzunehmen? Datenschutz darf nicht Sicherheitsausbildung verhindern.