Die Betrachtung von Kopfschmerzerkrankungen im Rahmen des biopsychosozialen Modells indiziert eine interdisziplinäre Behandlung unter Einbezug psychologisch-psychotherapeutischer Maßnahmen. Es stehen verschiedene psychologische Interventionskategorien zur Verfügung, die maßgeschneidert auf die jeweilige Kopfschmerzerkrankung angewendet werden sollten. Nachfolgend werden häufige sowie klinisch relevante Kopfschmerzarten beschrieben und entsprechende Behandlungsoptionen vorgestellt.

Einleitung

Kopfschmerzerkrankungen haben eine hohe Prävalenz und sind weltweit die zweithäufigste Ursache für Beeinträchtigung, noch vor den depressiven Störungen und den Angststörungen (GBD 2017 Disease und Injury Incidence und Prevalence Collaborators 2018). Sehr häufig sind die Migräne und der Kopfschmerz vom Spannungstyp (KST) mit einer Prävalenz von ca. 14 % bzw. 26 % (Stovner et al. 2022). Aber auch die selteneren trigeminoautonomen Kopfschmerzen, der Kopfschmerz bei Übergebrauch von Schmerz- oder Migränemitteln und die Gesichtsschmerzen sind versorgungsrelevant und verursachen z. T. hohe Kosten (Gaul et al. 2011).

Zur Diagnostik von Kopfschmerzerkrankungen liegt ein differenziertes Klassifikationssystem vor, die „Internationale Klassifikation der Kopfschmerzerkrankungen“ (International Classification of Headache Disorders, 3rd edition [ICHD-3]; Headache Classification Committee of the International Headache Society 2018), mit über 200 Kopfschmerzarten. Gesichtsschmerzen (z. B. die Trigeminusneuralgie) werden in der ICHD‑3 ebenfalls aufgeführt und lassen sich unter den Kopfschmerzen subsumieren. Für den klinisch-psychologischen Alltag dürfte eine einfachere Klassifikation ausreichen (siehe Abb. 1). Die Art der Kopfschmerzerkrankung kann oft bereits anhand von Angaben zu Lokalisation, Dauer, Qualität und Intensität bestimmt werden. Im vorliegenden Beitrag werden die drei wichtigsten primären Kopfschmerzarten (Migräne, Kopfschmerz vom Spannungstyp, Clusterkopfschmerz), als sekundäre Kopfschmerzerkrankung der Kopfschmerz bei Übergebrauch von Schmerz- oder Migränemitteln sowie die Kategorie der Gesichtsschmerzen dargestellt. Typische, differenzialdiagnostisch wichtige Begleitsymptome (z. B. vegetative Reaktionen wie Augentränen und Nasenlaufen beim Clusterkopfschmerz) sind in den Abschnitten zu den einzelnen Kopfschmerzarten beschrieben.

Abb. 1
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Kopfschmerzarten. (Grafische Darstellungen der Köpfe mit freundl. Genehmigung von „Attacke! Gemeinsam gegen Kopfschmerzen“ der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft e. V., www.attacke-kopfschmerzen.de)

Die Trennung in primäre und sekundäre Kopfschmerzen ist wichtig. Primäre Kopfschmerzen sind nicht auf eine eindeutige Ursache (z. B. eine andere Erkrankung oder einen Unfall) zurückzuführen und können als eigenständige Störung aufgefasst werden. Sekundäre Kopfschmerzen sind hingegen auf eine konkrete, eindeutige Ursache, die relativ harmlos (z. B. Katerkopfschmerz), aber auch potenziell lebensbedrohlich (z. B. Meningitis) sein kann, zurückführbar. In den meisten Fällen (ca. 90 %) liegt eine primäre Kopfschmerzerkrankung vor (Förderreuther und Straube 2016). Diagnostische Aufgabe in der ärztlichen Untersuchungssituation ist zunächst der Ausschluss eines sekundären Kopfschmerzes, wobei die sorgfältige klinische Anamnese in der Mehrzahl der Fälle ausreicht. Warnsignale („red flags“) für einen sekundären Kopfschmerz bzw. eine potenziell gefährliche Erkrankung sind z. B. Auffälligkeiten im neurologischen Befund, Kopfschmerzen mit Hinweis auf eine systemische Erkrankung (Fieber, Ausschlag) oder Kopfschmerz nach einem körperlichen Trauma (Holle und Obermann 2013), die jeweils eine bildgebende Untersuchung indizieren.

Versorgungsrelevant sind Diagnosen nach der 10. Version der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD-10), wobei für die Kopfschmerzerkrankungen das Kapitel VI (Krankheiten des Nervensystems) entsprechende G4-Kodierungen vorsieht (DIMDI 2020). Zusätzlich besteht die Möglichkeit, entsprechende Diagnosen aus dem Kapitel V (Psychische und Verhaltensstörungen) zu stellen. Hier bieten sich die psychotherapeutisch relevanten Diagnosen F45.41 („Chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren“) oder F54 („Psychische Faktoren oder Verhaltenseinflüsse bei andernorts klassifizierten Krankheiten“) an (Nilges und Rief 2010). Die Diagnose F45.41 kann gestellt werden, wenn psychische Faktoren (z. B. Stresserleben, schmerzbezogene Ängste, dysfunktionales Durchhalteverhalten) maßgeblich zur Aufrechterhaltung der Erkrankung beitragen. Auch in der Diagnose F54 werden psychische Faktoren, die sich schmerzverstärkend auswirken (z. B. Stress), als Kriterium angegeben. Es kann kritisiert werden, dass die beiden Diagnosen F45.41 und F54 letztendlich nicht trennscharf sind. In der ICD-11 ist erstmals die biopsychosoziale Sichtweise auf chronische Schmerzen abgebildet (Barke et al. 2022).

Im Rahmen der psychologischen Kopfschmerzdiagnostik sollte außerdem eine Einschätzung der (i) Kopfschmerzsymptomatik, (ii) kopfschmerzassoziierten Beeinträchtigung, (iii) psychischen Belastung, (iv) Einflussfaktoren und (v) Krankheitsverarbeitung erfolgen (Klan und Liesering-Latta 2020). Zur Erfassung der Kopfschmerzsymptomatik können Selbstbeobachtungsprotokolle (Kopfschmerzkalender oder Apps, z. B. www.dmkg.de/patienten) eingesetzt werden. Für die anderen Bereiche existieren spezifische Fragebogen mit guten psychometrischen Eigenschaften (Tab. 1). Insbesondere die systematische Erfassung von Trigger-Empfindlichkeit und -Vermeidung ist psychotherapeutisch relevant; hierzu eignet sich die Kurzform des „Headache Triggers Sensitivity and Avoidance Questionnaire“ (HTSAQ-SF; Caroli et al. 2020; für die deutschsprachige Version siehe Zusatzmaterial online: ESM 1). Problematisch bei der Interpretation der kopfschmerzspezifischen Fragebogen sind oft nichtrepräsentative Stichproben, das teilweise Fehlen von Cut-off-Werten oder ihre sehr willkürliche Definition ohne ausreichende empirische Grundlage; hier besteht noch erheblicher Forschungsbedarf. Ein wichtiges diagnostisches Instrument, das die Fragebogendiagnostik ergänzt, ist die Verhaltensanalyse (Kanfer und Saslow 1965). Diese eignet sich zur kopfschmerzbezogenen Bedingungsanalyse und kann wichtige Hinweise für therapeutische Interventionen liefern.

Tab. 1 Auswahl spezifischer testpsychologischer Verfahren bei Kopfschmerz

Die Entstehung von Kopfschmerzerkrankungen sollte vor dem Hintergrund eines biopsychosozialen Störungsmodells gesehen werden. Gut geeignet und auf prinzipiell alle primären Kopfschmerzerkrankungen anwendbar ist das „funktionale Bedingungsmodell chronischer Kopfschmerzen“ (Abb. 2; Martin 1993). Dieses konzeptualisiert Kopfschmerzen vor dem Hintergrund lerntheoretischer Annahmen sowie unter Berücksichtigung des Diathese-Stress-Modells. Das funktionale Bedingungsmodell chronischer Kopfschmerzen unterscheidet Antezedensbedingungen, kopfschmerzspezifische Phänomene sowie Verhaltenskonsequenzen. Unter den Antezedensbedingungen werden – entsprechend dem Diathese-Stress-Modell (Zuckerman 1999) – sowohl biologische und psychische Vulnerabilitätsfaktoren als auch stressassoziierte Auslösefaktoren subsumiert. Entsprechend dem SORKC-Modell (Kanfer et al. 2012) können die folgenden Variablenzuordnungen vorgenommen werden: Vulnerabilität ≙ O, auslösende Faktoren ≙ S, Kopfschmerzsymptomatik ≙ R, Kontingenz ≙ K und Konsequenzen ≙ C. Die Konsequenzen beziehen sich sowohl auf eigenes Verhalten (z. B. übermäßiges Schonen oder dysfunktionales Durchhalten) als auch auf das Verhalten anderer Personen (z. B. übertriebene Rücksichtnahme oder mangelnde Unterstützung). Die Zuordnung der einzelnen Elemente des funktionalen Bedingungsmodells zu den SORKC-Variablen ist flexibel handhabbar. Zum Beispiel können maladaptive Verhaltensweisen sowohl als Konsequenz (C) der Kopfschmerzsymptomatik als auch alternativ als Problemverhalten (R) konzeptualisiert werden.

Abb. 2
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Funktionales Bedingungsmodell chronischer Kopfschmerzen. (In Anlehnung an Martin 1993)

Ein Vorteil des funktionalen Bedingungsmodells ist dessen generischer Charakter, d. h. seine universelle Anwendbarkeit auf Kopfschmerzerkrankungen. Dies ist gleichzeitig aber auch ein Kritikpunkt. Das Modell kommt bei der Beschreibung kopfschmerzspezifischer pathophysiologischer Abläufe an seine Grenzen. Die Fokussierung auf Lernmechanismen („Konsequenzen“) bei der Aufrechterhaltung von Kopfschmerzen kann im Rahmen der Patientenedukation für Missverständnisse sorgen („ich habe Kopfschmerzen, weil ich mich falsch verhalte“). Ein nicht unerheblicher Anteil von Kopfschmerzattacken läuft zudem spontan resp. ohne konkreten Auslöser ab (Kelman 2007), was durch das Modell nicht erklärt werden kann. Zusammengefasst ist das funktionale Bedingungsmodell zwar für die Verhaltensanalyse von Kopfschmerzen (Makro- und Mikroebene) gut einsetzbar, für die Edukation der (teilweise sehr gut vorinformierten) Kopfschmerzbetroffenen jedoch nur bedingt geeignet. Zu den nachfolgend beschriebenen Kopfschmerzerkrankungen existieren inzwischen spezifischere Entstehungsmodelle, die die Charakteristika der jeweiligen Erkrankung, einschließlich der relevanten physiologischen Prozesse, genauer adressieren und bei der Patientenedukation berücksichtigt werden sollten.

In der Behandlung wird zwischen Akut- (Behandlung der stattfindenden Attacke) und Prophylaxemaßnahmen (Behandlung zur Vorbeugung bzw. zur langfristigen Reduktion von Kopfschmerzen) sowie zwischen medikamentösen und nichtmedikamentösen Maßnahmen unterschieden. Es gibt eine ganze Reihe von wirksamen Medikamenten sowohl zur Akut- als auch zur Prophylaxebehandlung, auf die weiter unten kurz eingegangen wird. Unter den nichtmedikamentösen Maßnahmen nehmen psychotherapeutische Interventionen einen zentralen Stellenwert ein. Zur psychotherapeutischen Behandlung von Kopfschmerz liegen mehrere evidenzbasierte Interventionskategorien vor; diese lassen sich überwiegend dem verhaltenstherapeutischen Spektrum zuordnen und werden vorwiegend zur Prophylaxe eingesetzt (Abb. 3). In mehreren Metaanalysen wurde gezeigt, dass die Kopfschmerzaktivität mithilfe verhaltenstherapeutischer Interventionen reduziert werden kann (z. B. Lee et al. 2019). Die empirischen Befunde zur Wirksamkeit beziehen sich v. a. auf Migräne und KST. Die Evidenzlage ist insgesamt noch ausbaufähig (Dresler et al. 2021). Auch hinsichtlich der differenziellen Indikation („Welche Intervention für welchen Kopfschmerz?“) besteht noch Forschungsbedarf. Kopfschmerzerkrankungen sind nach wie vor unterdiagnostiziert und unterversorgt, insbesondere im psychotherapeutischen Bereich gibt es erhebliche Versorgungsdefizite (Langenbahn et al. 2021). Bei Personen mit einer primären Kopfschmerzerkrankung liegt im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung zudem ein deutlich höherer Anteil an komorbiden psychischen Störungen vor, besonders häufig sind depressive Störungen (23 %) und Angststörungen (25 %; Caponnetto et al. 2021). Es ist wichtig, im Rahmen der Versorgung von Kopfschmerzbetroffenen auch mögliche psychische Störungen zu berücksichtigen bzw. mitzubehandeln. Aufgrund der biopsychosozialen Genese von Kopfschmerz sowie vor dem Hintergrund, dass sowohl medikamentöse als auch nichtmedikamentöse Maßnahmen wirksam sein können, sollte eine interdisziplinäre Behandlung angestrebt werden. Nachfolgend werden Besonderheiten der psychologischen Diagnostik und psychotherapeutische Behandlungsoptionen bei wichtigen Kopfschmerzerkrankungen skizziert.

Abb. 3
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Psychologische Interventionskategorien bei Kopfschmerz. (Dargestellt sind evidenzbasierte Verfahren. Die verschiedenen Kategorien überschneiden sich teilweise)

Migräne

Migräne ist eine häufige Kopfschmerzerkrankung und kann zu hoher psychosozialer Beeinträchtigung führen (Steiner et al. 2020). In Deutschland sind etwa 14 % der Frauen und 6 % der Männer betroffen (Porst et al. 2020). Bei Frauen im gebärfähigen Alter ist Migräne die häufigste Ursache für Beeinträchtigung (Steiner et al. 2020).

Klinisches Bild und Entstehung

Charakteristisch für die Migräneerkrankung sind wiederkehrende Attacken von meist einseitig lokalisierten pulsierenden Kopfschmerzen mittlerer bis hoher Intensität. Die Kopfschmerzen gehen oft mit Licht- und Geräuschempfindlichkeit sowie Übelkeit bis hin zum Erbrechen einher. Körperliche Aktivität verschlimmert den akuten Kopfschmerz. Die Dauer der Migräneattacke beträgt 4–72 h (Headache Classification Committee of the International Headache Society 2018). Bei etwa 30 % der Betroffenen (Lai und Dilli 2020) treten ca. 1 h vor der Attacke neurologische Reiz- oder Ausfallerscheinungen auf (sog. Aura, meistens in Form von Sehstörungen). Bei chronischer Migräne liegen ≥ 15 Kopfschmerztage/Monat vor, diese hat eine deutlich niedrigere Prävalenz (1,2 %; Porst et al. 2020).

Es existieren viele Befunde zu pathophysiologischen Faktoren der Migräneattacke. Diskutiert werden u. a. eine sensorische Hyperreaktivität des Gehirns, ein erhöhter neuronaler Energieverbrauch und die Aktivierung des trigeminovaskulären Systems (de Tommaso et al. 2014). Die am häufigsten berichteten Kopfschmerzauslöser („Trigger“) sind Stress und schlafassoziierte Faktoren (Pellegrino et al. 2018). Diese konnten in prospektiven Tagebuchstudien bestätigt werden (Vives-Mestres et al. 2021; Vgontzas et al. 2021). Hierbei zeigten sich zum Einfluss von Stresserleben folgende drei verschiedene Muster: (i) Auftreten der Migräneattacke bei Stressabfall („stress let down pattern“, auch „Wochenendmigräne“), (ii) stressunabhängige Migräneattacken („flat stress pattern“) und (iii) unmittelbar durch Stresserleben ausgelöste Migräneattacken („stress as a trigger/symptom pattern“). Die jeweiligen Muster variierten sowohl inter- als auch intraindividuell, wobei stressunabhängige Migräneattacken am häufigsten (59 % der Attacken) beobachtet wurden, gefolgt von durch Stress ausgelöste Migräneattacken (24 %) und Migräneattacken nach Stressabfall (17 %; Vives-Mestres et al. 2021).

Das „integrative somatopsychische Entstehungsmodell der Migräne“ (Abb. 4) stellt eine Konkretisierung des biopsychosozialen Modells dar und ist aufgrund der Reduktion auf wesentliche Faktoren auch zu didaktischen Zwecken (Patientenedukation) geeignet (Klan et al. 2019). Das Modell kann unter Annahme einer Migräneschwelle die Auslösung von Attacken erklären (Klan et al. 2019). Zentral in dem Modell ist die Annahme einer erhöhten Reaktivität des Gehirns als biologische Prädisposition. Bei erhöhtem Stresserleben und anderen Triggern kann eine metabolische Überlastung des Gehirns entstehen, was das Auftreten einer Migräneattacke erklärt. Die Migräneattacke wird als Schutzreaktion (Motivation zum Rückzug in eine reizarme Umgebung) angesehen. Die Darstellung von Stressoren und dem (dysfunktionalem) Umgang mit Triggern als Faktoren, die die Überschreitung der Migräneschwelle fördern und eine Attacke auslösen können, bietet ein Therapierational für die Durchführung von entsprechenden verhaltenstherapeutischen Interventionen (Verbesserung der Stressbewältigung, Trigger-Management). Das Konstrukt des neuronalen Energieverbrauchs als Treiber der Attacke ist für Betroffene oft entlastend und fördert die Entstigmatisierung. In einer neuen Übersichtsarbeit wird die Migräneattacke ebenfalls als Schutzreaktion aufgefasst und konzeptionell im Rahmen des Allostasemechanismus betrachtet (Sedley et al. 2024).

Abb. 4
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Integratives somatopsychisches Entstehungsmodell der Migräne

Diagnostische Besonderheiten

Da körperliche Aktivität während der Migräneattacke zur Zunahme von Kopfschmerzen führt, ist es differenzialdiagnostisch (Abgrenzung vom KST) sinnvoll, gezielt nachzufragen. Auch im attackenfreien Intervall kann die Erkrankung mit Einschränkungen und Belastungen einhergehen. Etwa 50 % der Migränebetroffenen berichten, Sorgen und Ängste vor dem Auftreten der nächsten Attacke zu haben (Martelletti et al. 2018). Zur Einschätzung dieser Ängste bietet sich der Fragebogen zur Attacken-Angst bei Migräne an (FAMI; Klan et al. 2023a). Von hoher Relevanz im Rahmen einer Psychotherapie kann der Umgang mit (vermeintlichen) Kopfschmerz-Triggern sein, weswegen Trigger-Empfindlichkeit und -Vermeidung systematisch mithilfe des HTSAQ-SF (Caroli et al. 2020; siehe Tab. 1; Zusatzmaterial Online: ESM 1) erfasst werden sollten. Ein in Studien oft angewendetes Instrument zur Erfassung von migräneassoziierter Beeinträchtigung ist der Migraine Disability Assessment Score (MIDAS; Agosti et al. 2008; Stewart et al. 1999). Aufgrund der teilweise schwer verständlichen Item-Formulierungen, in denen Subtraktionen gefordert werden (z. B. Item 2: „An wie vielen Tagen in den letzten drei Monaten war Ihre Leistungsfähigkeit am Arbeitsplatz oder in der Schule um die Hälfte oder mehr eingeschränkt? [Zählen Sie die Tage, die Sie bei Frage 1 angaben, nicht dazu]“) ist der Einsatz dieses Instruments allerdings kritisch zu sehen (Klan et al. 2022a). Als Alternative bietet sich die Anwendung des Fragebogens zu Auswirkungen von Kopfschmerzen (Headache Impact Test, HIT‑6TM; Kosinski et al. 2003) an.

Therapeutische Optionen

Zur Migränebehandlung stehen wirksame Medikamente zur Verfügung (Therapie der Migräneattacke: z. B. Triptane; Attackenprophylaxe: z. B. β‑Rezeptoren-Blocker); relativ neu ist der Einsatz von monoklonalen Antikörpern (z. B. Erenumab) im Rahmen der Attackenprophylaxe (Diener et al. 2022). Als nichtmedikamentöse Maßnahmen sind neben Edukation v. a. Lebensstilempfehlungen, die regelmäßige Durchführung von Entspannung und die Anwendung von Strategien zur Stressbewältigung relevant. Als spezifische Interventionen können Maßnahmen zur Reduktion von Attackenangst und ein Trigger-Management eingesetzt werden (Klan und Liesering-Latta 2020). Die Wirksamkeit verhaltenstherapeutischer Maßnahmen in der Reduktion der Kopfschmerzaktivität ist leicht bis mittelgradig ausgeprägt; die Beeinträchtigung kann reduziert werden (Dudeney et al. 2022). Durchschnittlich kann eine Reduktion um 2 Kopfschmerztage/Monat erwartet werden; die Therapieeffekte sind auch langfristig anhaltend (Klan et al. 2022b). Es ist noch nicht klar, ob und, wenn ja, welche verhaltenstherapeutischen Interventionen überlegen sind (Seng und Lipton 2022). Bei einfachen Verläufen (z. B. geringe Beeinträchtigung) reicht vermutlich die regelmäßige Anwendung eines Entspannungsverfahrens aus. Bei schwierigeren Verläufen (z. B. hohe Beeinträchtigung) sollte ein komplexeres kognitiv-verhaltenstherapeutisches Behandlungsangebot, das die spezifischen Bedürfnisse von Migränebetroffenen adressiert, favorisiert werden (Klan et al. 2023b).

Fazit.

  • Migräne verursacht unter den Kopfschmerzerkrankungen die höchste Krankheitslast.

  • Insbesondere bei komplexeren Krankheitsverläufen ist es sinnvoll, die spezifischen Bedürfnisse von Migränebetroffenen (z. B. Umgang mit Triggern) psychotherapeutisch zu adressieren.

Kopfschmerz vom Spannungstyp

Der KST ist der häufigste Kopfschmerz (Ashina et al. 2021). Die Prävalenz beträgt weltweit 26 % (Stovner et al. 2022); in Deutschland erfüllen ca. 10 % der Frauen und 7 % der Männer die Kriterien des KST (Porst et al. 2020).

Klinisches Bild und Entstehung

Charakteristisch für den KST sind wiederkehrende, meist beidseitige dumpf-drückende Kopfschmerzen von geringer bis mittlerer Intensität. Im Vergleich zur Migräne führt körperliche Aktivität nicht zu einer Verschlimmerung. Die Kopfschmerzdauer beträgt 30 min bis 7 Tage, bei chronischem KST mitunter länger. Eine Begleitsymptomatik wie Licht‑/Geräuschempfindlichkeit oder Übelkeit fehlt meist (Headache Classification Committee of the International Headache Society 2018).

Studien zur Pathophysiologie weisen auf periphere (z. B. myofasziale und vaskuläre Veränderungen) sowie zentrale (z. B. Sensitivierung von Schmerzbahnen) Mechanismen hin (Ashina et al. 2021). Im spezifischen Bedingungsmodell werden außerdem eine defizitäre Emotionserkennung und die Hemmung emotionaler Expressivität angenommen (Traue et al. 2013). Insbesondere die verminderte Erkennung von Spannungs- und Stresszuständen kann eine effiziente Regulation dieser Spannungszustände verhindern und zum KST beitragen (Yücel et al. 2002).

Diagnostische Besonderheiten

Durch eine entsprechende Anamnese lässt sich der KST relativ gut von der Migräne abgrenzen. Allerdings besteht die Möglichkeit, dass Betroffene sowohl unter Migräne als auch unter KST (früher „Kombinationskopfschmerz“) leiden.

Therapeutische Optionen

Psychologische Verfahren, die auf die Reduktion der erhöhten Muskelspannung abzielen (Progressive Muskelrelaxation, elektromyographisches [EMG‑]Biofeedback) sollten bevorzugt eingesetzt werden, da ein bei KST relevanter Parameter verändert wird (Neeb 2023). Die Grundidee hierbei ist, dass durch das Bewusstwerden und Spüren der Muskelspannung entsprechende Regulationsstrategien erworben werden. Mit einem emotionspsychologischen Therapieprogramm soll die Kopfschmerzsymptomatik durch die Verbesserung von Emotionserkennung und emotionaler Expressivität reduziert werden (Traue et al. 2013). Slavin-Spenny et al. (2013) stellten in ihrer Untersuchung an Studierenden mit Kopfschmerzen fest, dass ein „anger awareness and expression training“ genauso wirksam war wie ein Entspannungstraining. Zur medikamentösen Behandlung akuter Kopfschmerzen können einfache Analgetika und nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) verabreicht werden, zur medikamentösen Prophylaxe ist Amitriptylin zu bevorzugen (Diener und Neeb 2023).

Fazit.

  • Der KST ist eine häufige Kopfschmerzart, die mithilfe von entsprechender Edukation, Entspannungsverfahren und Lebensstilmodifikation behandelt werden kann.

  • Bei der chronischen Form und im Fall von Komorbiditäten sollten psychotherapeutische Interventionen zur Förderung der Emotionsregulation erfolgen.

Clusterkopfschmerz

Clusterkopfschmerz (CK) ist der häufigste Kopfschmerz unter den insgesamt seltenen trigeminoautonomen Kopfschmerzen und geht mit sehr hohem Leidensdruck einher. Bei einer Prävalenz von 0,15 % betrifft er in Deutschland etwa 120.000 Menschen, wobei Männer im Vergleich zu Frauen etwa 2‑ bis 3‑mal häufiger darunter leiden (Evers et al. 2007).

Klinisches Bild und Entstehung

Die Intensität des CK wird deutlich höher eingeschätzt als die anderer Schmerzen (z. B. Geburtsschmerz, Pankreatitis; Burish et al. 2021). Der attackenartige, halbseitige Kopfschmerz dauert bis zu 3 h an, ist durch trigeminoautonome Begleitsymptome wie Augentränen oder Nasenlaufen gekennzeichnet und geht mit starker Unruhe einher. In den meisten Fällen (ca. 85 %; Fischera et al. 2008) tritt der CK episodisch auf, d. h. über Wochen bis Monate mit teils täglichen Attacken (eine bis acht und mehr) und mit anschließender attackenfreier Zeit über Monate bis Jahre. Bei der chronischen Verlaufsform sind die attackenfreien Zeiten auf unter 3 Monate jährlich reduziert. Zur Pathophysiologie von CK werden eine Funktionsstörung im Hypothalamus und ein Ungleichgewicht im trigeminoautonomen Nervensystem vermutet (Wei und Goadsby 2021). Es spielen sowohl genetische Faktoren als auch situative Trigger (z. B. Alkohol, Stress) eine Rolle. Die Episoden haben meist einen zirkannualen Rhythmus und treten v. a. im Frühling oder Herbst auf (Hoffmann und May 2018). Die Einschränkungen in der Lebensqualität und das Risiko für eine komorbide depressive Symptomatik sind im Vergleich zu anderen Kopfschmerzerkrankungen, insbesondere während der Episode und bei chronischem CK, sehr ausgeprägt (Jürgens et al. 2011).

Diagnostische Besonderheiten

In der Anamnese besonders zu berücksichtigen sind Ängste, Suizidalität (Koo et al. 2021), Selbstverletzung in den Attacken (de Lima Martins et al. 2011) sowie Abhängigkeitserkrankungen. Auch außerhalb der Episoden kommt es zu Attackenängsten und Trigger-Vermeidung (Pohl et al. 2020; Kim et al. 2023). Aus Angst vor Attacken wird Schlaf teils hinausgezögert, wodurch Grundanspannung, Erschöpfung und das Risiko für Panikattacken steigen. Substanzkonsum (insbesondere Nikotin) und Abhängigkeit kommen bei CK häufig vor (Rossi et al. 2012; Rozen 2018). Clusterkopfschmerzspezifische Fragebogen ermöglichen eine adäquate Erfassung von Beeinträchtigung und Belastung (z. B. Clusterkopfschmerzskalen [Cluster Headache Scales, CHS]; Klan et al. 2020; Zusatzmaterial online: ESM 2).

Therapeutische Optionen

Eine CK-Attacke kann medikamentös gut mit der Inhalation von hochdosiertem Sauerstoff (über eine „Non-rebreather“-Maske) oder mit der Gabe von Triptan (Sumatriptan s.c. oder Zolmitriptan nasal) behandelt werden; jeweils über 70 % der Betroffenen können somit die Attacke vorzeitig beenden (May et al. 2016). Zur Attackenprophylaxe ist Verapamil die erste Wahl (May et al. 2016). Bezüglich der Psychotherapie von CK gibt es aktuell noch keine evidenzbasierten Ansätze. Vorschläge gehen in Richtung interdisziplinärer Angebote, die auch kurzfristige Akutinterventionen bei drohender Dekompensation beinhalten (Schenck und Andrasik 2019), Akzeptanz- und Commitmenttherapie integrieren (ACT; Grinberg et al. 2021) oder den Fokus auf Edukation, Lebensstilanpassungen sowie Trigger- und Attackenmanagement legen (Lüking 2013). In einem krankheitsspezifischen Patientenratgeber werden verhaltensmedizinische Maßnahmen zu Attacken-Management und -prophylaxe mit der Förderung von kommunikativen Kompetenzen und Resilienz verbunden (Klan et al. 2023c).

Fazit.

  • Clusterkopfschmerz ist mit einer hohen psychischen Belastung verbunden; erste Ansätze v. a. im Bereich Krankheitsbewältigung wurden entwickelt.

  • Bisher ist die Versorgung der Betroffenen unzureichend und es fehlen evidenzbasierte psychotherapeutische Ansätze.

Kopfschmerz bei Übergebrauch von Schmerz- oder Migränemitteln

Patienten mit primären Kopfschmerzen können als Komplikation der Kopfschmerzerkrankung einen Kopfschmerz bei Übergebrauch von Schmerz- oder Migränemitteln („medication overuse headache“, MOH) entwickeln; dieser zählt zu den sekundären Kopfschmerzen. Wichtige Risikofaktoren sind: weibliches Geschlecht, > 10 Kopfschmerztage/Monat, niedriger sozialer Status, Stress, körperliche Inaktivität, Übergewicht, Rauchen, abhängiges Verhalten und psychische Erkrankungen (Diener und Kropp 2022; Hagen et al. 2012; Ljubisavljevic et al. 2021). In Deutschland beträgt die Prävalenz 0,7–1 % (Pohl et al. 2020; Straube et al. 2010).

Klinisches Bild und Entstehung

Der MOH ist definiert als Kopfschmerzen, die ≥ 15 Tage/Monat über einen Zeitraum ≥ 3 Monaten bestehen und durch die regelmäßige Einnahme von symptomatischer Kopfschmerzmedikation an mindestens 10 (z. B. Triptane) bzw. 15 Tagen/Monat (z. B. Nichtopioidanalgetika) ausgelöst werden (Headache Classification Committee of the International Headache Society 2018). Betroffene beschreiben häufig im Zusammenhang mit ihren Kopfschmerzen Angst vor der nächsten Attacke, weisen als Folge eine hohe Selbstbeobachtung auf, vermeiden geplante Aktivitäten, geraten zunehmend in Stress und Angst sowie in den Teufelskreis der zu schnellen Medikamenteneinnahme (Diezemann 2013). Die Betroffenen versuchen, über die Medikamenteneinnahme im Alltag funktionsfähig zu bleiben, was zu einer Steigerung der Schmerzempfindlichkeit und zu einer weiteren vermehrten Medikamenteneinnahme führen kann („Teufelskreismodell“: Abb. 5). Lerntheoretisch lässt sich das Einnahmeverhalten durch negative Verstärkung (kurzfristige Angst- und Schmerzreduktion) erklären. Die genaue Pathophysiologie des MOH ist allerdings noch unklar. Es wird vermutet, dass der übermäßige Medikamentenkonsum u. a. zu einer erhöhten Erregbarkeit der trigeminalen Neurone beiträgt, was die periphere und zentrale Sensibilisierung begünstigt (Srikiatkhachorn et al. 2014).

Abb. 5
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Entwicklung eines Medikamentenübergebrauchskopfschmerzes („medication overuse headache“, MOH)

Diagnostische Besonderheiten

Die Diagnose des MOH stützt sich auf die Anamnese, die Diagnose einer vorbestehenden primären Kopfschmerzerkrankung und die Tage mit (im Kopfschmerztagebuch) dokumentierter Einnahme von Akutmedikation (Diener und Kropp 2022). Auch für Personen mit MOH ist der FAMI sinnvoll (Klan et al. 2023a).

Therapeutische Optionen

Bereits eine Aufklärung ist bei vielen Betroffenen wirksam (Kristoffersen et al. 2017, Rossi et al. 2013). Darüber hinaus werden eine Pause bzw. ein Entzug der Akutmedikation mit Einleitung einer medikamentösen Prophylaxe empfohlen (z. B. mit einem monoklonalen Antikörper; Diener und Kropp 2022). Bei Abhängigkeitserkrankungen oder anderen Komorbiditäten kann eine stationäre multimodale Schmerztherapie sinnvoll sein. Kognitiv-verhaltenstherapeutisch wird der adäquate Umgang mit Attackenangst vermittelt (Klan und Liesering-Latta 2020). Wichtig ist es, sowohl die innere Griffnähe (z. B. Schmerzstärke, Stress, Angst) als auch die äußere Griffnähe (z. B. Ort der Aufbewahrung des Medikaments) zu evaluieren. Im Rahmen der Rückfallprophylaxe soll gelernt werden, die Griffnähe mit angemessener Distanz selbstständig zu regulieren, um die Medikamenteneinnahme sinnvoll und kontrolliert steuern zu können.

Fazit.

  • Der MOH ist eine sekundäre Kopfschmerzerkrankung, die auch im psychotherapeutischen Kontext Relevanz hat.

  • Risikofaktoren für die Entwicklung eines MOH sollten beachtet und schon frühzeitig eine psychologische Beratung durchgeführt werden, um die Entwicklung eines manifesten MOH zu verhindern.

Gesichtsschmerz

Für Schmerzen im Mund- und Gesichtsbereich („orofaziale“ Schmerzen) gibt es viele Ursachen. Die Komplexität von Gesichtsschmerzen konfrontiert Betroffene oftmals mit einer umfangreichen fachärztlichen Diagnostik (z. B. Zahnärzte, Hals-Nasen-Ohrenärzte). Orofaziale Schmerzen haben eine 12-Monats-Prävalanz von 16 % (Frauen 20 %, Männer 12 %) und können die Lebensqualität der Betroffenen erheblich beeinträchtigen (Kohlmann 2002).

Klinisches Bild und Entstehung

Am häufigsten sind Kaumuskel- und Kiefergelenkbeschwerden (kraniomandibuläre Dysfunktion, CMD). Typisch sind ein- oder beidseitige Schmerzen im Bereich der Wangen bzw. Schläfen, die in die Zähne bzw. den Kieferbereich ausstrahlen können. Überwiegend handelt es sich um muskuläre Störungen infolge einer Überlastung des Kauapparats (durch z. B. Zähnepressen oder -knirschen), was mit einer erhöhten Stressbelastung zusammenhängen kann (Glaros et al. 2016).

Symptome der Trigeminusneuralgie (TN) sind heftige, Bruchteile von Sekunden bis zu 2 min andauernde, blitzartig einschießende Schmerzen im Versorgungsgebiet eines oder mehrerer Äste des Gesichtsnervs (N. trigeminus). Die Schmerztattacken können spontan auftreten oder durch Bewegungen des Mundes, beim Kauen, beim Sprechen und beim Zähneputzen sowie durch Kälte oder Berühren ausgelöst werden. Zusätzlich können Dauerschmerzen im betroffenen Gebiet bestehen. Im Fall der klassischen TN wird ursächlich von einer Kompression des Trigeminusnervs durch ein benachbartes Blutgefäß ausgegangen (Obermann 2022).

Der anhaltende idiopathische Gesichtsschmerz (AIGS, früher atypischer Gesichtsschmerz) kann verschiedene Bereiche des Gesichts betreffen, zumeist als schlecht lokalisierbarer, dumpfer und in der Tiefe wahrgenommener Dauerschmerz wechselnder Intensität. Der klinische Befund ist unauffällig; es handelt sich um eine Ausschlussdiagnose. Nicht selten werden operative Eingriffe (z. B. Zahnextraktionen) durchgeführt, die zu einer weiteren Chronifizierung beitragen können. Die langwierige erfolglose „somatische“ Ursachensuche mit fehlgeschlagenen Behandlungen kann für Betroffene sehr belastend sein (Ziegeler et al. 2021).

Diagnostische Besonderheiten

Ausgehend von der Bedeutsamkeit psychosozialer Faktoren bei Gesichtsschmerz sollte ein entsprechendes Assessment stattfinden. Es wird der Einsatz der Depressions-Angst-Stress-Skalen (DASS, Nilges und Essau 2015), der Beschwerden-Liste (B-L-revidiert, von Zerssen und Petermann 2011) und der Skala zur Graduierung Chronischer Schmerzen (Graded Chronic Pain Status [GCPS]; Türp und Nilges 2000) empfohlen (Türp und Nilges 2016). So können frühzeitig Subgruppen mit erhöhtem Chronifizierungsrisiko bzw. komplexem Behandlungsbedarf identifiziert werden, und es kann eine Anpassung des Behandlungsplans mit entsprechender psychologischer (Mit‑)Behandlung erfolgen.

Therapeutische Optionen

Bewährte Behandlungsmaßnahmen bei CMD sind Physiotherapie mit Eigenübungen, die Versorgung mit einer oralen Schiene sowie psychologische Interventionen. Entsprechende Wirksamkeitsnachweise liegen für Entspannungsverfahren, Hypnose, Biofeedback und kognitive Verhaltenstherapie vor (Türp und Nilges 2017). Invasive Eingriffe sind zu vermeiden (List und Axelsson 2010).

Die prophylaktische Behandlung der klassischen TN erfolgt in erster Linie mit Medikamenten (v. a. Antikonvulsiva). Bei unzureichender Wirkung oder intolerablen Nebenwirkungen können operative Verfahren erwogen werden. Ausgehend von klinischen Erfahrungen können Betroffene von einer psychologischen Unterstützung bei der Krankheitsbewältigung (z. B. durch den Abbau schmerzbezogener Erwartungsängste) profitieren. Evidenzbasierte Studien zu Effekten von Psychotherapie liegen nicht vor.

Auch beim AIGS existieren nur wenige Daten zum Einsatz psychologischer Interventionen; Hypnose kann bei suggestiblen Personen zu einer Schmerzreduktion und Verringerung der Schmerzmitteleinnahme führen (Abrahamsen et al. 2008). Mit multimodaler Schmerztherapie bei AIGS konnte eine Reduktion der Schmerzintensität sowie der Angst und Depressivität erreicht werden (Foerster et al. 2022).

Fazit.

  • Gesichtsschmerzen sind vielfältig und diagnostisch herausfordernd. Ein interdisziplinärer Ansatz kann einseitiger Stigmatisierung als „psychogen“ und auch der Überbewertung somatischer Befunde vorbeugen.

  • Ein wichtiges Ziel im psychotherapeutischen Kontext ist es auch hier, Risikofaktoren für eine Chronifizierung frühzeitig zu identifizieren und zu adressieren.

Fazit für die Praxis

  • Kopfschmerzerkrankungen sollten vor dem Hintergrund des biopsychosozialen Modells gesehen und interdisziplinär behandelt werden.

  • Es stehen kopfschmerzspezifische Fragebogen zur Verfügung; diese ermöglichen eine Einschätzung von Beeinträchtigung, emotionaler Belastung, Einflussfaktoren und Krankheitsverarbeitung.

  • Es liegt ein umfangreiches Repertoire an psychologischen Interventionen zur Behandlung von Kopfschmerz vor; dieses umfasst transdiagnostische sowie kopfschmerzspezifische Interventionen. Weitgehend unklar ist, welche Interventionen sich für welche Personen eignen, sodass im klinischen Versorgungsalltag pragmatische Entscheidungen gefordert sind.