Lernziele

Nach der Lektüre dieses Beitrags

  • sind Ihnen die aktuellen Empfehlungen der WHO Guidelines 2022 zum Management der Tuberkulose (TB) im Kindes- und Jugendalter bekannt.

  • kennen Sie die diagnostischen Schritte bei Verdacht auf eine TB.

  • kennen Sie die Therapieempfehlungen, abhängig vom betroffenen Organ, vom Patient:innenalter bzw. vom Vorliegen einer aktiven oder latenten TB und vom Resistenzprofil.

  • kennen Sie die aktuellen Nachsorgeempfehlungen nach TB-Therapie.

Einleitung

Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) erkranken etwa 1,1 Mio. Kinder und Jugendliche jährlich an einer TB, etwa die Hälfte davon ist < 5 Jahre alt. Die tatsächliche Zahl der TB-erkrankten Kinder ist vermutlich wesentlich höher, schätzungsweise wird nur etwa die Hälfte der Fälle weltweit von nationalen TB-Programmen erfasst [1]. Tuberkuloseexponierte Kinder < 5 Jahren weisen im Fall einer Infektion mit Mycobacterium tuberculosis (M.tb) ein hohes Risiko für eine Erkrankung auf – einschließlich schwerer Verlaufsformen wie einer miliaren Tuberkulose oder einer tuberkulösen Meningitis (TBM). Daher sind v. a. bei jungen Kindern Präventionsmaßnahmen wie eine Chemoprophylaxe nach signifikanter Exposition oder eine Chemoprävention bei latenter tuberkulöser Infektion (LTBI) von besonderer Bedeutung, um im Fall einer Infektion die Progression zu einer aktiven TB zu verhindern. Dringend erforderlich sind eine möglichst rasche Identifikation von TB-gefährdeten Kindern sowie bei Kindern mit einem TB-Verdacht eine zeitnahe Diagnostik und ggf. adäquate Therapie.

Die aktuellen 2022 veröffentlichten Empfehlungen der WHO berücksichtigen neue Erkenntnisse der TB-Diagnostik, Prävention und Therapie der medikamentensensiblen und -resistenten TB sowie der TBM im Kindes- und Jugendalter [1, 2]. Die WHO-Empfehlungen sind allerdings nicht explizit auf Regionen mit niedrigen TB-Inzidenzen zugeschnitten. Es handelt sich um globale Empfehlungen insbesondere für Länder mit hohen TB-Inzidenzen und limitierten Ressourcen.

Epidemiologie

Nach Schätzungen der WHO erkrankten 2018 weltweit 10 Mio. Menschen an TB. Laut dem European Center for Disease Prevention and Control (ECDC) waren 2019 etwa 246.000 Menschen in der europäischen Region an TB erkrankt (Inzidenz von 26/100.000). Davon wurden insgesamt 49.752 (Inzidenz 9,6/100.000) in Ländern der Europäischen Union (EU) bzw. des Europäischen Wirtschaftsraums (EEA) gemeldet; der Anteil von Kindern im Alter < 15 Jahren betrug 4,1 % [3]. Die Rate von multiresistenten (MDR‑)TB-Fällen in der EU/EEA betrug 3,4 %. In Europa variieren die Inzidenzen und MDR-TB-Raten in den einzelnen Ländern erheblich. Details hierzu sind der ECDC-Website zu entnehmen [4].

Deutschland und Österreich sind entsprechend der Definition der ECDC Niedriginzidenzländer für TB (< 20/100.000/Jahr). Im Jahr 2020 wurden in Deutschland 4127 TB-Fälle registriert, was einer Inzidenz von 5,0 Neuerkrankungen/100.000 Einwohner entspricht. Davon erkrankten 163 Kinder und Jugendliche < 15 Jahren (Inzidenz 1,4/100.000). Die höchste Inzidenz wurde mit 2,1 (84 Erkrankungen) bei Kleinkindern < 5 Jahren verzeichnet [5]. Kinder mit ausländischer Staatsangehörigkeit erkrankten im Vergleich zu deutschen Kindern etwa 12-mal so häufig an einer TB (Inzidenz 6,6 vs. 0,5/100.000).

In Österreich wurden im Jahr 2021 dem nationalen Referenzzentrum insgesamt 396 TB-Fälle gemeldet, entsprechend einer Inzidenz von 4,4/100.000. Die geringste Inzidenz findet sich in den Altersgruppe der 0‑ bis 4‑ und 5‑ bis 14-Jährigen mit 1,1/100.000, die höchste Inzidenz mit 6,2/100.000 weist die Altersgruppe der 15- bis 24-Jährigen auf [6].

Diagnostik

Die Diagnostik der TB in der Pädiatrie stellt betreuende Ärzt:innen vor eine Herausforderung, da aufgrund der geringen Erregerlast bei Kindern eine mikrobiologische Bestätigung oft nicht gelingt [7]. Die WHO empfiehlt einen sich an Anamnese, Symptom und Röntgenbefunde orientierenden Algorithmus als Diagnosehilfe bei Kindern < 15 Jahren ohne Verwendung immundiagnostischer Tests als Screening [2]. Diese Empfehlungen werden insbesondere in Regionen mit eingeschränkten Ressourcen angewendet. Aufgrund der diagnostischen Möglichkeiten im deutschsprachigen Raum werden zur frühzeitigen Identifizierung einer Infektion entsprechend den Empfehlungen des deutschen Zentralkomitees zur Bekämpfung der TB immundiagnostische Tests als Screening eingesetzt [8].

Anamnese

Mithilfe folgender anamnestischer Fragen an die Eltern/Betreuungspersonen sollte bei pädiatrischen Patient:innen eine Risikobeurteilung für eine TB erfolgen [7, 9].

  • Hat Ihr Kind einen relevanten Kontakt zu TB-Erkrankten gehabt?

  • Ist jemand aus ihrer Familie, Ihr Kind eingeschlossen, in einem Land mit hoher TB-Häufigkeit geboren oder hat sich in den letzten 2 Jahren dort aufgehalten?

  • Hat Ihr Kind regelmäßig Kontakt mit Erwachsenen, die ein hohes TB-Risiko haben?

  • Hat Ihr Kind eine HIV-Infektion?

  • Hat eine Migration oder Flucht stattgefunden, und wie waren die Fluchtumstände?

Klinische Zeichen

Klinische Symptome sind v. a. bei jungen Kindern meist unspezifisch. Kinder, bei denen im Rahmen einer Umgebungsuntersuchung radiologisch eine pulmonale TB diagnostiziert wird („active case finding“), haben im Frühstadium der Erkrankung häufig wenige Symptome oder sind symptomfrei. Auf eine (pulmonale) TB hinweisen können:

  • Gewichtsverlust/mangelnde Gewichtszunahme,

  • subfebrile Temperaturen/Fieber ohne Fokus > 1 Woche,

  • Abgeschlagenheit/Spielunlust,

  • Husten > 2 Wochen,

  • neu aufgetretenes nächtliches Schwitzen (von der WHO nicht als Symptom aufgeführt).

Immundiagnostische Testung

Zu den immundiagnostischen Nachweismethoden zählen der Tuberkulin Hauttest (THT) und der Interferon-Gamma-Release-Assay (IGRA). Diese Tests können eine Infektion mit M.tb nachweisen, jedoch nicht eine LTBI von einer aktiven TB unterscheiden [10, 11]. Bei beiden Tests gibt es eine Latenzzeit von 2 bis 8 Wochen, innerhalb derer nach Exposition und initial negativem Befund eine Konversion möglich ist. Bei Kindern < 5 Jahren sind beide Tests als gleichwertig anzusehen, haben jedoch nur eine Sensitivität von etwa 80 % [12, 13]. Eine rezente Infektion mit Varizellen oder Masern bzw. eine Lebendimpfung in den letzten 6 Wochen kann zu einem falsch-negativen Ergebnis der Tests führen [7, 10, 12].

Zahlreiche Biomarker sind zur Unterscheidung von Infektion und Erkrankung evaluiert worden, jedoch noch nicht abschließend validiert und daher für die klinische Routine aktuell weder national noch international empfohlen.

Bildgebende Untersuchungen

Ein Thoraxröntgen (initial in 2 Ebenen, insbesondere bei Kindern unter 5 Jahren) wird bei V. a. eine pulmonale TB im Kindesalter empfohlen, hat jedoch eine verminderte Aussagekraft im Vergleich zu Erwachsenen. Vor allem bei Kleinkindern zeigen sich oft Lymphknotenvergrößerungen im Hilusbereich, die jedoch ein eher unspezifisches Zeichen sind [2, 7]. Eine Computertomographie ist im Kindesalter bei Verdacht auf eine pulmonale TB nur in Ausnahmefällen z. B. vor EBUS-gesteuerter Biopsie oder zur Abklärung von Differenzialdiagnosen (u. a. eines Lymphoms) indiziert. Während eine Hilus-Lymphknotentuberkulose bisher als extrapulmonale TB klassifiziert wurde, wird diese laut aktueller WHO-Leitlinie nun als pulmonale TB definiert.

Bakteriologische Bestätigung

Ein Erregernachweis soll bei V. a. TB immer angestrebt werden. Aufgrund der geringen Erregerlast gelingt dieser bei Kindern deutlich seltener als bei Erwachsenen. Ein fehlender Nachweis schließt eine TB keineswegs aus.

Bei Kindern wird von der WHO im Gegensatz zu erwachsenen Patient:innen nach wie vor eine mikroskopische Untersuchung der gewonnenen Proben (Sputum, Magensaft) zum Nachweis säurefester Stäbchen empfohlen, dies auch im Hinblick auf eine mögliche Therapieverkürzung bei „nonsevere“ TB (s. unten). Folgende Erregerdiagnostik wird bei V. a. pulmonale TB empfohlen – in den meisten europäischen Ländern erfolgt diese aus mindestens 3 Proben an 3 aufeinanderfolgenden Tagen:

  1. 1.

    Sputum, induziertes Sputum.

  2. 2.

    Nüchternmagensäfte (Säuglinge, Kleinkinder): Hierbei wird „verschlucktes“, potenziell erregerhaltiges Sputum untersucht. Wenn keine zügige mikrobiologische Untersuchung möglich ist, sollten die Proben in Phosphatpuffer asserviert werden.

  3. 3.

    Stuhlproben: Nach „Verschlucken“ von erregerhaltigem Sputum und Passage des Magen-Darm-Trakts lassen sich tuberkulöse Mykobakterien molekulargenetisch im Stuhl nachweisen. Die Sensitivität und Spezifität ist mit Ergebnissen der Nüchternmagensäfte vergleichbar. Von der WHO wird der Nachweis von M.tb in Stuhlproben mithilfe von speziellen PCR-basierten Schnelltests bei V. a. pulmonale TB als Alternative zu Sputen oder Magensäften empfohlen (die mikroskopische oder kulturelle Untersuchung von Stuhlproben zum Nachweis von Mykobakterien wird nicht empfohlen). Die Stuhlprobe muss vor der Anwendung dieser speziellen PCR-Schnelltests nur minimal prozessiert werden [14].

Von der WHO werden als Erregernachweis spezielle Polymerase-Kettenreaktion-basierte Schnelltests empfohlen [14]; mit ihnen können Mykobakterien des MTb-Komplexes zeitgleich mit einer Rifampicinresistenz in < 2 h nachgewiesen werden (die Tests werden im Folgenden als „MTB/RIF-PCR-Schnelltests“ bezeichnet). Aufgrund der Verfügbarkeit und Finanzierbarkeit der oben genannten Untersuchungen in den meisten europäischen Ländern ist aus Sicht der Autoren die molekulargenetische Stuhluntersuchung mit MTB/RIF-PCR-Schnelltests zunächst als zusätzliche Erregerdiagnostik bei V. a. pulmonale TB empfehlenswert. Sollte eine Gewinnung anderer respiratorischer Proben bei V. a. pulmonale TB nicht möglich sein, sollten molekulargenetische Stuhluntersuchungen durchgeführt werden.

Bronchoskopie/Endobronchialer-Ultraschall-gesteuerte Biopsie

Eine Bronchoskopie ausschließlich zur Erregerdiagnostik wird bei Kindern nicht empfohlen. Sollte dies aus differenzialdiagnostischen oder therapeutischen Aspekten erfolgen, kann während der Narkose neben Trachealsekret/Bronchoalveolärer-Lavage-Flüssigkeit auch Magensaft asserviert werden. Die Gewinnung/Untersuchung von postbronchoskopischem Nüchternmagensaft am Folgetag kann die Nachweisquote aufgrund des vermehrten Hustens und Verschluckens von erregerhaltigem Sputum nach dem Eingriff erhöhen. Bei hilärer Lymphadenopathie ist eine EBUS-gesteuerte Lymphknotenbiopsie zur histologischen und zur mikrobiologischen Diagnostik durch pädiatrisch erfahrene Untersucher:innen bereits bei Kleinkindern möglich. Diese Untersuchung kann bei fehlendem Erregernachweis in oben genannten Proben zur histologischen differenzialdiagnostischen Abklärung einer Lymphadenopathie sowie zur Erregerdiagnostik bei unbekanntem Index und/oder hohem Risiko einer MDR-TB beitragen [2].

Merke

Eine molekulargenetische und kulturelle Erregerdiagnostik, einschließlich Resistenzbestimmung, soll bei jeder TB-Erkrankung angestrebt werden.

Therapie

Die Standardtherapie der medikamentensensiblen pulmonalen TB wird über 6 Monate durchgeführt [7]. Nach den neuen WHO-Empfehlungen ist bei „nonsevere“ bzw. minimaler TB eine Therapieverkürzung bei Kindern im Alter > 3 Monaten und < 16 Jahren, die sich in einem guten klinischem Allgemein- und Ernährungszustand befinden, von 6 auf 4 Monate möglich. Diesen Empfehlungen liegen Daten des SHINE-Trials zugrunde [15]. Als nonsevere bzw. minimale TB werden folgende Manifestationen definiert (Abb. 1):

  • isolierte periphere Lymphknoten-TB,

  • intrathorakale Lymphknoten-TB ohne Belüftungsstörung,

  • unkomplizierter Pleuraerguss ohne Empyem oder Pneumothorax,

  • nichtkavernöse pulmonale TB, pathologische Veränderung beschränkt auf einen Lungenlappen,

  • kein Anhalt für MDR- oder rifampicinresistente TB bei Patient:in oder Indexpatient:in,

  • kein mikroskopischer Nachweis säurefester Stäbchen in mikrobiologischen Präparaten,

  • MTB/RIF-PCR-Schnelltest negativ oder sehr niedrig (englisch „trace“).

Abb. 1
figure 1

Radiologische Befunde einer pulmonalen/intrathorakalen Tuberkulose sowie Unterscheidung von „severe“ und „nonsevere“. (Mod. nach Palmer et al. [16]. © International Union Against Tuberculosis and Lung Disease [The Union], Paris, France. Alle Rechte vorbehalten. Abdruck mit freundl. Genehmigung)

Keine Therapieverkürzung soll erfolgen bei:

  • Patient:innenalter < 3 Monate,

  • Patient:innenalter > 16 Jahre,

  • mikroskopischem Nachweis säurefester Stäbchen und/oder positivem (semiquantitativ nicht „trace“ oder niedrig) MTB/RIF-PCR-Schnelltests als Hinweis auf eine hohe Erregerlast,

  • miliarer TB bzw. miliarem Muster im Thoraxröntgen,

  • Kavernen, pathologische Veränderungen in > 1 Lungenlappen,

  • Belüftungsstörung,

  • extrapulmonaler TB (außer unkompliziertem Pleuraerguss oder peripherer Lymphknoten-TB),

  • früherer TB-Therapie,

  • Unterernährung, schweren Komorbiditäten,

  • deutlich beeinträchtigtem Allgemeinzustand.

Ob eine Therapieverkürzung möglich ist, sollte initial und erneut vor einer Therapiedeeskalation nach 2‑monatiger Drei- bzw. Vierfachtherapie kritisch evaluiert werden. Eine HIV-Infektion unter suffizienter Therapie ist per se keine Kontraindikation des verkürzten Therapieregimes.

Merke

Das verkürzte Therapieregime über 4 Monate bei „nonsevere“ TB stellt keine allgemeingültige Therapieempfehlung dar, sondern kann bei ausgewählten Patienten erwogen werden.

Weitere neue Therapieempfehlungen

Bei Kindern > 12 Jahren und mit einem Körpergewicht > 40 kg mit sensibler pulmonaler TB könnte nach den neuen WHO-Leitlinien ein 4‑monatiges Therapieregime mit Isoniazid (INH), Rifapentin, Moxifloxacin and Pyrazinamid als Alternative zu dem 6‑monatigen Regime erfolgen. Rifapentin ist im deutschsprachigen Raum jedoch noch nicht verfügbar [2].

Besuch von Gemeinschaftsunterkünften

Kinder < 5 Jahre sind aufgrund der Paucibazillarität seltener und infolge der geringeren Hustenstoßstärke weniger ansteckend [17]. Der Besuch einer Gemeinschaftseinrichtung ist bei gutem Allgemeinzustand nach Therapiebeginn möglich, sofern mikroskopisch und molekulargenetisch kein Erregernachweis in respiratorischen Proben gelang und die Medikamente zuverlässig täglich verabreicht werden. Auch bei initialem Erregernachweis ist aufgrund oben genannten Faktoren nach 14-tägiger Therapie der Besuch einer Gemeinschaftseinrichtung wieder möglich. Bei hoher Erregerlast mit mikroskopischem Nachweis säurefester Stäbchen in respiratorischen Proben und/oder ausgedehnter pulmonaler TB sollte dieser erst 21 Tage nach Therapiebeginn erfolgen. Nur bei Patient:innen mit mikroskopischem Keimnachweis, ausgedehnter/kavernöser pulmonaler TB oder MDR-TB sind erneute mikrobiologische Testungen vor dem Kita- oder Schulbesuch erforderlich. Kinder mit LTBI oder extrapulmonalen Manifestationen einer TB sind nicht infektiös und können Gemeinschaftseinrichtungen nach Ausschluss einer pulmonalen TB uneingeschränkt besuchen.

Betreuer:innen sollten über die Medikation (mit rifampicinbedingter orangefarbener Verfärbung des Urins) und die Nichtinfektiosität des jeweiligen Kindes aufgeklärt werden [7].

Extrapulmonale Tuberkulose

Neben den Lungen können Bakterien des M.tb-Komplexes beinahe jedes andere Organ befallen (u. a. periphere Lymphknoten, Pleura, Knochen und Gelenke, Abdomen, Zentralnervensystem und Haut). Der Anteil extrapulmonaler TB an 2017 weltweit gemeldeten 6,4 Mio. TB-Fällen betrug 14 % [18]. Die häufigste Form der extrapulmonalen TB im Kindesalter stellt die periphere Lymphknotentuberkulose dar [19]. Bei Kindern, sofern Patient:innen mit und ohne gleichzeitige pulmonale TB mitgerechnet werden, zeigt sich je nach Setting ein Anteil von 20–60 % [5, 20, 21].

Es gelten prinzipiell dieselben Diagnostik- und Therapieempfehlungen wie für die pulmonale TB. Spezifische Aspekte müssen jedoch je nach betroffenen Organen berücksichtigt werden. Dies kann sowohl die Wahl der antituberkulotischen Medikamente, die Dosierung und Therapiedauer, aber auch die Sensitivität der unterschiedlichen diagnostischen Möglichkeiten beeinflussen. Auch bei extrapulmonaler TB geht der Trend in Richtung kürzere Therapiedauer. So ist z. B. bei ausschließlich peripherer Lymphknoten-TB oder unkompliziertem Pleuraerguss eine Therapieverkürzung (2HRZ[E]/2HR: H Isoniazid (INH), R Rifampicin (RMP), Z Pyrazinamid, E Ethambutol) möglich. Alle anderen extrapulmonalen Manifestationen gelten als schwere TB („severe“) und sollten in der Zusammenschau mit der Grunderkrankung, den klinischen Zeichen und dem Verlauf 6 Monate [2HRZ(E)/4HR] oder länger therapiert werden [22].

Kinder mit osteoartikulärer Tuberkulose sollten ebenfalls 12 Monate (2HRZE/10HR) therapiert werden.

Tuberkulöse Meningitis

Eine seltene, aber sehr schwere Form der TB ist die tuberkulöse Meningitis (TBM), die auch in Niedriginzidenzländern mit einer hohen Mortalität und Morbidität einhergeht [23]. Ein besonders hohes Risiko für eine TBM nach Infektion haben Kinder im Alter von 2 bis 4 Jahren [24]. Die initialen Symptome einer TBM können insbesondere im jungen Alter unspezifisch sein, was die Diagnosestellung erschwert.

Als Neuerung wird in der aktuellen WHO-Leitlinie die Anwendung des MTB/RIF-PCR-Schnelltest aus dem Liquor als primärer diagnostischer Test empfohlen anstelle der Direktmikroskopie und der Kultur. Für Niedriginzidenzländern konnte gezeigt werden, dass mit der Kombination von immunologischen und mikrobiologischen Tests (Liquorkultur und Liquor-PCR) eine diagnostische Sensitivität von mehr als 80 % erreicht werden kann, sodass die Liquorkultur weiterhin einen hohen Stellenwert hat [25].

Für die optimale Therapie der TBM bei Kindern liegen wenige Studien vor. Neben der bislang ausgesprochenen Empfehlung einer initialen Vierfachkombination von INH, RMP, PZA und EMB über 2 Monate, gefolgt von einer 10-monatigen Therapie mit RMP und INH, wird nun als gleichwertige Alternative eine intensivierte Therapie über 6 Monate empfohlen. Hierbei werden erhöhte Dosen von INH (20 mg/kgKG), RMP (20 mg/kgKG), PZA (40 mg/kgKG) und Ethionamid (20 mg/kgKG) über den gesamten Zeitraum von 6 Monaten gegeben. Die gute Effektivität dieses verkürzten, intensivierten Regimes konnte an einer südafrikanischen Studie mit 184 Kindern belegt werden [26]. Im deutschsprachigen Raum steht statt Ethionamid das Propylanalogon Protionamid zur Verfügung; dieses wird in gleicher Dosierung wie Ethionamid verwendet. Die Rationale für dieses Regime ist zum einen die bessere Liquorgängigkeit von Ethionamid im Vergleich zu EMB, zum anderen konnte gezeigt werden, dass höhere Dosierungen der Antituberkulotika bei Kindern notwendig sind, um adäquate Liquorspiegel zu erreichen [27, 28]. Rifampicin hat eine schlechte Liquorgängigkeit, sobald sich die Inflammation der Blut-Hirn-Schranke gelegt hat. Bei Studien an Erwachsenen waren höhere RMP-Dosen bis 35 mg/kgKG mit einem Überlebensvorteil assoziiert [29, 30]. Neben der antituberkulotischen Therapie ist eine adjuvante antiinflammatorische Therapie mit Steroiden unverändert empfohlen. Kindern mit TBM sollten immer Kortikosteroide (Dexamethason oder Prednisolon) verabreicht und die Gaben nach 4 bis 6 Wochen ausgeschlichen werden. Im Fall einer paradoxen Reaktion auf die antituberkulotische Therapie („immune reconstitution inflammatory syndrome“, IRIS) kann zusätzlich die Gabe von Acetylsalicylsäure oder immunmodulatorischen Medikamenten wie Thalidomid erwogen werden [31, 32]. Auch Patient:innen mit einer tuberkulösen Perikarditis können von einer adjuvanten Therapie mit Kortikosteroiden am Beginn der TB-Therapie profitieren [33].

Behandlung der Multiple drug resistant tuberculosis

In den aktuellen WHO-Guidelines werden Bedaquilin und Delamanid für alle Altersgruppen empfohlen, womit ausschließlich orale Therapieregimes mit kürzerer Behandlungsdauer möglich geworden sind.

Die Therapieprinzipien sind unverändert:

  • Die Betreuung von Kindern/Jugendlichen mit multiresistenter TB soll stets in einem pädiatrischen TB-Zentrum erfolgen.

  • Wenn bei einem Kind/Jugendlichen keine Resistenzprüfung möglich ist, soll die Behandlung auf dem Resistenzmuster des wahrscheinlichsten Indexfalls basieren.

  • Die Regime beinhalten in der Initialphase mindestens 4 Substanzen (wenn möglich, alle 3 Substanzen aus der Gruppe A; Tab. 1), in der Erhaltungsphase mindestens 3.

  • Priorisiert sind bei der Auswahl die Medikamente aus Gruppe A und B sowie Delamanid.

Tab. 1 Klassifikation und Dosierung der Medikamente in der MDR-TB-Therapie. (Mod. nach The Sentinel Project for Pediatric Drug-Resistant Tuberculosis [34])

Die Dauer der Behandlung soll je nach Lokalisation und Schweregrad der Erkrankung und deren Verlauf individuell festgelegt werden. Bei leichten Krankheitsformen (bei gutem Therapieansprechen) werden 6 bis 9 Monate, bei schweren 9 bis 12 Monate Mindestdauer empfohlen. Wenn Medikamente aus der Gruppe A (bei Resistenz oder Toxizität) nicht angewendet werden können, verlängert sich die Therapie.

Kindgerechte Formulierungen sind generell empfohlen, jedoch in deutschsprachigen Ländern noch nicht verfügbar.

Chemoprophylaxe/Chemoprävention

Im deutschsprachigen Raum wird differenziert zwischen Chemoprophylaxe, d. h. der Prophylaxe nach einer TB-Exposition, und der Chemoprävention (Therapie der LTBI). International und in den WHO-Empfehlungen wird nur der Begriff der präventiven Therapie („preventive treatment“) verwendet. Diese stimmt weitgehend mit den deutschsprachigen Empfehlungen zur Chemoprävention überein und bietet in den neuen WHO-Empfehlungen keine neuen Aspekte zur Vorversion.

Chemoprophylaxe

Hierbei handelt es sich um eine medikamentöse prophylaktische Behandlung symptomfreier TB-exponierter Personen mit negativen immunologischen und radiologischen Befunden. Kinder < 5 Jahren sollen diese aufgrund des erhöhten Krankheitsprogressionsrisikos umgehend nach infektionsrelevantem TB-Kontakt bis zum Ausschluss einer Infektion 8 Wochen nach letztem TB-Kontakt erhalten. Ziel ist es, eine Infektion zu verhindern bzw. eine bereits bestehende, noch nicht nachweisbare Infektion zu behandeln, um eine Erkrankung zu verhindern.

Die Chemoprophylaxe erfolgt mit INH, sofern bei der/dem Indexpatient:in keine INH-Resistenz bekannt ist. Besteht bei der/dem Indexpatient:in eine INH-Resistenz, soll RMP zur Chemoprophylaxe eingesetzt werden. Bei einer MDR-TB der/des Indexpatient:in soll das Vorgehen abhängig von der Resistenzlage sowie dem Infektions- und Erkrankungsrisiko mit einem erfahrenen Zentrum abgesprochen werden. Besteht 8 Wochen nach letztem Kontakt kein Hinweis auf eine TB oder LTBI, wird die Chemoprophylaxe beendet, im Fall einer LTBI soll eine Chemoprävention durchgeführt werden.

Chemoprävention

Hierbei handelt es sich um die Therapie einer LTBI mit dem Ziel, eine Aktivierung bzw. Progression zu einer TB zu verhindern. Im deutschsprachigen Raum wird für Kinder und Jugendliche bei Vorliegen einer LTBI generell eine Chemoprävention empfohlen, d. h., auch wenn kein Index identifizierbar ist. Empfohlen wird die tägliche Gabe von INH und RMP für 3 Monate oder INH allein für 9 Monate, wobei Ersteres aufgrund der kürzeren Therapiedauer und des dadurch günstigeren Einflusses auf die Adhärenz bevorzugt wird. Die Verträglichkeit beider Regime ist gut, wobei es in den ersten Therapiewochen zu einem leichten passageren Transaminasenkonzentrationsanstieg kommen kann; schwere Hepatitiden sind sehr selten (< 0,1 %). Regelmäßige klinische und laborchemische (Transaminasen‑)Kontrollen sowie die Überwachung der Adhärenz werden empfohlen. Bei INH-Erregerresistenz stellt eine 4‑monatige Therapie mit RMP eine weitere Option dar. Die WHO-Leitlinien empfehlen auch INH plus Rifapentin einmal/Woche über 3 Monate, Rifapentin ist in Deutschland jedoch (noch) nicht zugelassen. Bei einer LTBI nach MDR-TB-Exposition erfolgt die Chemoprävention in Absprache mit einem erfahrenen Zentrum nach dem Erregerresistenzprofil des Indexpatienten/der Indexpatientin [7].

Besonderheiten bei der Therapie einer multiresistenten Tuberkulose

Zweitrangmedikamente weisen eine geringere Effektivität und eine erhöhte Toxizität im Vergleich zu Erstrangmedikamenten auf. Häufigere laborchemische und klinische Kontrollen sind daher notwendig (Tab. 2). Aufgrund der längeren Therapiedauer stellt die Betreuung von Patient:innen mit MDR-TB eine besondere Herausforderung dar. Die Betreuung von MDR-TB-Patient:innen sollte nur von bzw. in enger Zusammenarbeit mit einem TB-Zentrum erfolgen.

Tab. 2 Monitoring von Second-line-Medikamenten im Langzeitverlauf. (Adaptiert nach the Sentinel Project for Pediatric Drug-Resistant Tuberculosis [34])

Nachsorge, Kontrollen

Allgemein sollte vor Therapiebeginn (Chemoprophylaxe, Chemoprävention, Chemotherapie) sowie nach 2 bis 4 Wochen eine laborchemische Kontrolle erfolgen (Blutbild, Leberwerte). Eine Hepatotoxizität manifestiert sich meist innerhalb von 4 Wochen. Weitere Verlaufskontrollen sollten in Abhängigkeit von den klinischen Zeichen und den Laborbefunden erfolgen. Kontrollen in Form einer Thoraxröntgenaufnahme werden vor Beendigung der Chemoprävention, vor Deeskalation auf die Erhaltungstherapie (meist nach 2 Monaten) und vor Therapieende empfohlen. Eine erneute klinische und radiologische Kontrolle wird 12 Monate nach Therapiebeendigung empfohlen. Eine Aufklärung der Kinder und Betreuungspersonen über die Symptome einer TB sowie der Hinweis, sich bei deren Auftreten erneut ärztlich vorzustellen, sind essenziell.

Die detaillierten Empfehlungen bezüglich der Nachsorge und Kontrollen sind den aktuellen WHO-Guidelines und der AWMF-Leitlinie zu entnehmen [2, 7].

Fazit für die Praxis

  • Bei Kindern < 15 Jahren empfiehlt die WHO als Screening für eine Tuberkulose einen sich an Anamnese, Symptome und Röntgenbefunde orientierenden Algorithmus ohne Einsatz diagnostischer Tests. Aufgrund der diagnostischen Möglichkeiten im deutschsprachigen Raum stellen die immundiagnostischen Tests eine wichtige Säule im Screening dar.

  • Ein Erregernachweis soll bei V. a. eine TB immer angestrebt werden. Ein fehlender Nachweis schließt eine TB nicht aus.

  • Nach den neuen WHO-Empfehlungen ist bei „nonsevere“ bzw. minimaler pulmonaler TB eine Verkürzung der Therapiedauer bei Kindern im Alter > 3 Monaten und < 16 Jahren, die sich in einem guten klinischen Allgemein- und Ernährungszustand befinden, von 6 auf 4 Monate möglich. Das verkürzte Therapieregime stellt keine allgemeingültige Therapieempfehlung dar, sondern kann bei ausgewählten Patient:innen erwogen werden.

  • Bei extrapulmonaler Tuberkulose gelten prinzipiell dieselben Diagnostik- und Therapieempfehlungen wie für die pulmonale TB. Spezifische Aspekte müssen jedoch je nach betroffenen Organen berücksichtigt werden.

  • Kinder mit TB-Infektion haben im Alter von 2-4 Jahren ein besonders hohes Risiko für eine tuberkulöse Meningitis (TBM).

  • Zur Behandlung der „Multiple drug resistant tuberculosis“ empfehlen die WHO-Guidelines Bedaquilin und Delamanid, womit ausschließlich orale Therapieregime mit kürzerer Behandlungsdauer möglich geworden sind.