Das Vorliegen eines Chylothorax kann zu respiratorischer Beeinträchtigung sowie, durch Eiweiß- und Lymphozytenverlust, zu Ödemen, Mangelernährung und Immundefizienz führen. Man unterscheidet den angeborenen versus erworbenen sowie traumatischen versus nichttraumatischen Chylothorax mit jeweils unterschiedlicher Ätiologie.

Falldarstellung

Anamnese

Ein 8 Monate alter Säugling wurde zur Abklärung eines erworbenen Stridors in die Klinik eingewiesen. Seit 4 Wochen bestanden dazu intermittierend bellender Husten, interkostale Einziehungen und Tachypnoe. Es erfolgte bereits eine HNO-ärztliche Vorstellung, die (laryngoskopisch) keine Auffälligkeiten ergab. Eine häusliche, nächtliche Pulsoxymetrie war ebenso unauffällig.

Die Geburt erfolgte mit 39 + 1 SSW mittels Vakuumextraktion bei pathologischem CTG, Geburtsgewicht 3020 g (13. Perz.), Länge 47 cm (2. Perz.), Kopfumfang 35 cm (15. Perz.). Der Junge war bei Aufnahme noch gestillt und erhielt altersentsprechende Beikost. Die motorische Entwicklung war leicht verzögert. Es erfolgten seit etwa 5 Monaten eine orthopädische sowie physiotherapeutische Mitbetreuung bei leichter muskulärer Hypotonie und nicht näher beschriebener Fehlhaltung. Vor 2 Monaten erfolgte eine osteopathische Behandlung des HWS- und Schulterbereiches bei anamnestisch „muskulärer Blockade“.

Primärer klinischer Befund

Gewicht 8 kg (27. Perz.), Größe 75 cm (90. Perz.). Hautkolorit blass-rosig, am Rücken einzelne, diffus angeordnete, nichtkonfluierende, teilweise erhabene purpuraartige Effloreszenzen. Nichtkonfluierende Weichteilschwellung des linken Hals- und Schulterbereiches. Muskeltonus normoton. Herztöne rein & rhythmisch. Pulmo linksseitig minderbelüftet, AF 30/min. Bei Aufregung zeigen sich ein inspiratorischer Stridor sowie subkostale Einziehungen und eine leichte periorale Zyanose.

Diagnostik

Thoraxröntgen

Zur weiteren Abklärung wurde ein bettseitiges Thoraxröntgen durchgeführt. Es zeigten sich eine Komplettverschattung der linken Thoraxhälfte mit massiver Rechtsverlagerung des gesamten Mediastinums und einer Weichteilverdickung supraklavikulär links (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Thoraxröntgen mit Komplettverschattung der linken Thoraxhälfte, massiver Rechtsverlagerung des Mediastinums und Weichteilverdickung supraklavikulär links

Sonographie des Thorax

Zur weiteren Differenzierung der Verschattung erfolgte im Anschluss eine sonographische Untersuchung des Thorax mit Darstellung eines ausgedehnten linksseitigen Pleuraergusses und eines kleinen Pleuraergusses rechts.

Pleurapunktat

Es erfolgte unmittelbar die Anlage einer linksseitigen Pigtail-Drainage. Es entleerte sich eine große Menge (initial etwa 500 ml) eines milchig-trüben Ergusses, die laborchemisch untersucht wurde: Triglyzeride 538 mg/dl, Leukozyten 8277 /µl, Cholesterin 31 mg/dl, Eiweiß 40,1 g/l, Erythrozyten 1536 /µl. Die Diagnose eines Chylothorax wurde somit gesichert [10].

Laborchemische Untersuchung

Die Blutgasanalyse zeigte Normalwerte. Im Blutbild zeigte sich eine hypochrome Anämie. Die Elektrolyte waren bei Aufnahme und unter angepasster Substitution stets normwertig. Eine Übersicht ausgewählter Laborparameter findet sich in Tab. 1.

Tab. 1 Übersicht der Laborparameter

Therapie und Verlauf

Die respiratorische Situation besserte sich unmittelbar nach Entlastung; Stridor oder bellender Husten traten nicht wieder auf. Die beschriebene Weichteilschwellung der linken Körperhälfte klang über den Aufenthalt unter Drainage ab.

Sonographisch und mittels MRT (Abb. 2a,b) konnten venöse Thrombosen, Raumforderungen sowie Gefäßmalformationen ausgeschlossen werden.

Abb. 2
figure 2

Magnetresonanztomogramm mit Ausschluss von venösen Thrombosen, Raumforderungen oder Gefäßmalformationen. a Übersicht Trachea und Bifurkation, b Übersicht mit Betonung der Gefäße

Auch durch die weiteren differenzialdiagnostischen Untersuchungen gelang keine ätiologische Zuordnung des Chylothorax (Tab. 2).

Tab. 2 Übersicht der Diagnostik

Die konservativen Therapiemaßnahmen, wie eine fettfreie Ernährung unter Zufuhr mittelkettiger Fettsäuren, die enterale Nahrungskarenz und totale parenterale Ernährung sowie eine i.v.-Octreotid-Gabe (max. 10 µg/kgKG und h) zeigten keinen Einfluss auf den thorakalen Lymphfluss von konstant 400 ml/Tag. Eine wiederholte Substitution von Albumin und Immunglobulinen entsprechend der Laborbefunde wurde erforderlich. Im Rahmen der teilparenteralen Ernährung wurde dauerhaft eine fixe Kombination aus wasser- und fettlöslichen Vitaminen substituiert (Vitalipid/Soluvit). Nach 6 Wochen konservativer Therapie wurde aufgrund des therapierefraktären Chylothorax ein kinderchirurgisches Prozedere angestrebt. Es erfolgte eine videoassistierte Thorakoskopie (Abb. 3), in welcher makroskopisch keine Lymphleckage zu erkennen war. Daraufhin wurde der Ductus thoracicus en bloc mittels 3 Clips ligiert.

Abb. 3
figure 3

Thorakoskopie

Eine Lungenbiopsie zum Ausschluss einer strukturellen Lungenerkrankung wurde in gleicher Sitzung entnommen. Es zeigten sich keine primäre Anomalie der Lymphgefäße, keine Fibrose und keine floride Entzündung.

Postoperativ sistierte der Lymphfluss via Thoraxdrainage unmittelbar und rezidivierte nicht. Nach 6 Tagen wurde die Thoraxdrainage entfernt. Die Clips wurden mittels Röntgenbild in korrekter Position dargestellt (Abb. 4).

Abb. 4
figure 4

Kontrollbefund des Thoraxröntgens

Engmaschige klinische und abdomensonographische Kontrollen bestätigten den erfreulichen postinterventionellen Verlauf und zeigten keinerlei Lymphabflussstörungen im Sinne eines Aszites oder einer Darmwandverdickung. Der enterale Kostaufbau gelang problemlos, mit nahezu fettfreier Ernährung und Substitution von „medium-chain triglycerides“(MCT)-Fetten. Diese Ernährung wurde zunächst für 6 Wochen beibehalten und dann schrittweise in normale Ernährung überführt.

Sechs Monate postoperativ, auch unter wieder aufgenommener altersentsprechender Ernährung, hat der Patient klinisch wie radiologisch keinen Hinweis auf das Vorliegen eines Rezidivs.

Diskussion

Die iatrogene oder traumatische Verletzung des Ductus thoracicus stellt die häufigste Ursache des erworbenen Pleuraergusses beim Kind dar [4, 5]. Er gilt als eine typische Komplikation nach thoraxchirurgischen Eingriffen wie Operationen am Herzen, angeborenen Zwerchfelldefekten oder Ösophagusatresien. Zudem kann die Anlage von zentralen Venenkathetern und Thoraxdrainagen ursächlich sein.

In der Neonatologie spielt auch der insgesamt aber seltene konnatale Chylothorax eine Rolle. Er ist oft bedingt durch eine abnorme Entwicklung oder eine Obstruktion des Lymphsystems und geht häufig mit einem Hydrops fetalis einher [3, 7, 9]. Die Häufigkeit in Deutschland wird mit 1:24.000 Geburten angegeben [2]. Er kann idiopathisch oder im Zusammenhang mit einer syndromalen Erkrankung vorkommen. Die Letalität beträgt 30–50 % [5, 6].

In dem beschriebenen Fall bleibt die Ursache des Chylothorax unklar. Aufgrund des Alters und der beschriebenen Häufigkeitsverteilung stellte sich für uns die Frage, ob nicht ein Trauma, evtl. sogar die osteopathische Behandlung, als mögliche Ursache infrage kam.

Die konservative Therapie besteht zunächst in einer fettfreien Ernährung und der oralen Substitution mittelkettiger Fettsäuren, bei anhaltendem Erguss gefolgt von einer totalen parenteralen Ernährung. Flüssigkeitsverluste müssen ausgeglichen, Eiweiße, Immunglobuline, Vitamine und Elektrolyte müssen regelmäßig kontrolliert und ggf. entsprechend substituiert werden. Bei weiterem Fortbestehen hat sich die Therapie mit Octreotid durchgesetzt, auch wenn die Evidenz dafür durchaus als umstritten gilt [4]. Auch der Einsatz von Propanolol und Sirolimus findet sich in der Literatur [8]. Eine signifikante Reduktion der Ergussmenge um mindestens 25 % würde auf ein Ansprechen der Therapie hinweisen. In unserem Beispiel konnte über einen Zeitraum von 6 Wochen keine Reduktion der Flussmenge erreicht werden.

Die Pleurodese, bei der durch eine chemisch irritierende Substanz Entzündung und Fibrose induziert werden, stellt eine weitere Therapieoption dar [6]. Verwendet werden Talkum, Povidon-Jod, Fibrinkleber oder Tetrazyklinderivate. Auch Streptococcus pyogenes A3 (OK-432) wird eingesetzt. Eine universelle Empfehlung kann für keines dieser Agenzien ausgesprochen werden, und es sollte immer individuell, basierend auf den Erfahrungen und Kenntnissen des Anwenders, entschieden werden. Als chirurgische Therapieoptionen gelten eine mechanische Pleurodese, pleuroperitoneale Shunts und die Ligatur des Ductus thoracicus [1].

Die Erfahrung des behandelnden Teams schätzte in unserem Fall die Erfolgsaussichten einer chemischen Pleurodese aufgrund des „High-output“-Chylothorax und der evtl. zugrunde liegenden traumatischen Genese als eher gering ein. Zudem ist diese Prozedur sehr schmerzhaft, und es wäre, um einen ausreichenden Kontakt der Pleurablätter zu erreichen, eine mehrtägige Positivdruckbeatmung mit der Notwendigkeit einer Sedierung erforderlich gewesen. Im Vergleich zu diesem Vorgehen bietet eine Thorakoskopie mit minimal-invasiver Technik eine geringere Morbidität und Belastung für den Patienten. Zusätzlich bietet sich der Vorteil einer Visualisierung der Ductus thoracicus. Daher wurde sich in unserem Fall für dieses Vorgehen entschieden. Es wurde eine En-bloc-Ligatur des Ductus thoracicus durch eine videoassistierte thorakoskopische Clip-Applikation durchgeführt (Abb. 3). Der Lymphfluss über die Drainage sistierte innerhalb von 3 Tagen. Das schnelle Sistieren des Chylothorax durch den Verschluss des Ductus thoracicus unterstützt die These, dass es sich bei diesem Patienten um eine traumatische Verletzung des Ductus thoracicus gehandelt haben könnte.

Fazit für die Praxis

  • Ein neu aufgetretener Stridor im Säuglingsalter erfordert stets eine weitere Abklärung.

  • Beim Chylothorax kommen zunächst konservative Maßnahmen wie fettfreie Ernährung unter Substitution mittelkettiger Fettsäuren, gefolgt von einer Nahrungskarenz mit totaler parenteraler Ernährung sowie eine Octreotidtherapie zum Einsatz.

  • Beispiele für eine chirurgische Intervention sind die mechanische Pleurodese oder die videoassistierte Ligatur des Ductus thoracicus.