Wo Liebe und Freiheit sich begegnen und einander transformieren

Leo Tolstois „Auferstehung“ als Bildungstheorie

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Zusammenfassung

Leo Tolstoi wird in der Erziehungswissenschaft als früher Konstruktivist und Reformpädagoge gewürdigt (Winkler, 2012) sowie allgemein als großer Visionär und Vordenker bezeichnet (Kropotkin, 2001). Seine pädagogischen Schriften stellen Schulwesen und Erziehung als solche radikal infrage und lassen ihn mit seiner Betonung von Freiheit und erfahrungsbasiertem Lernen zum Wegbereiter der Antipädagogik werden (Klemm, 1987).

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Notes

  1. 1.

    Tolstoi ist über diese eigene Aussage hinaus geprägt von anderen liberal-reformerischen russischen Denkern, die seit Beginn der russischen Volksbildungsreform Ende des 18. Jahrhunderts zunehmend Einfluss auf die russische Pädagogik nehmen (für einen Überblick s. Froese, 1963).

  2. 2.

    Tolstois Anschauungen zur Auferstehung (s. u.) stehen allerdings im Widerspruch zu dieser stark vereinfachenden Aussage. Präziser wäre es wohl, die religiöse Erziehung als Fundament zu verstehen, vor dessen Hintergrund das Individuum aber selbstverantwortlich die eigene Entwicklung vorantreiben muss.

  3. 3.

    Winkler (2018) unterscheidet mit Klemm (2002) zwischen drei Phasen in Tolstois Leben, in denen er sich intensiv mit der Theorie und Praxis von Bildung auseinandergesetzt hat. 1859 bis 1863 in der Phase praktischer Pädagogik und libertärer Schulkritik öffnet er seine eigene Schule auf dem Landgut Jasnaja Poljana. Zwischen 1869 und 1876 ist er als pädagogischer Schriftsteller tätig. Nach 1882 und stark beeinflusst durch seine eigene religiöse Krise und deren Auflösung in dem von ihm propagierten urchristlichen Anarchismus wandelt sich Tolstoi zum Bildungsphilosoph und Menschheitserzieher.

  4. 4.

    Tolstoi zeigt diese Doppelmoral der sogenannten Gläubigen an einem anderen, humoristischen Beispiel im Roman, wo eine Tante Nechludows kein Mitleid mit Strafgefangenen zeigen will. Nechludow fragt: „Sie, ma tante, sind eine Christin und glauben an das Evangelium, wie können Sie da so unbarmherzig …“. Die Tante antwortet: „Das hat damit nichts zu tun. Das Evangelium bleibt das Evangelium und was widerwärtig ist, bleibt widerwärtig“ (Tolstoi, 1969, S. 338).

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Riebel, J. (2023). Wo Liebe und Freiheit sich begegnen und einander transformieren. In: Riebel, J. (eds) Lernen 4.0. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-40398-0_3

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