_ Das Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Syndrom (ADHS) bietet bei Erwachsenen ein vielleicht noch bunteres Erscheinungsbild als bei Kindern und Jugendlichen. Oft bestehen erhebliche Komorbiditäten, die nicht selten den eigentlichen Charakter der Erkrankung überlagern und verdecken. So leiden Betroffene unter anderem an Abhängigkeitserkrankungen und Substanzmissbrauch (60 %), an affektiven Störungen (40 %) und Persönlichkeitsstörungen (35 %) [Rösler M, Retz W. Psychotherapie 2008;13: 175–83]. Diese und weitere Begleitsymptome führen zu einer oft sozial isolierten und somatisch belastenden Lebensführung mit zugehörigen, oft in jungen Jahren auftretenden psychosozialen und somatischen Begleiterkrankungen. Damit nehmen nicht nur die diagnostischen Herausforderungen bei der Identifizierung der ADHS-Patienten im Erwachsenenalter zu, es müssen auch vermehrt pharmakologische Begleittherapien berücksichtigt werden. Die ADHS-Therapie beruht auch bei erwachsenen Patienten entscheidend auf Methylphenidat (MPH) (z. B. Medikinet® adult), daher ist die Komedikation zu MPH ein wichtiges Thema.

Beim Einsatz von MPH sind vor allem Interaktionen mit anderen Medikamenten sowie die Beeinflussung des Blutdrucks (Tab. 1) zu beachten. Es gibt Hinweise, dass MPH den Metabolismus von Antikoagulanzien vom Cumarin-Typ, Antikonvulsiva (z. B. Phenobarbital, Phenytoin, Primidon) und einigen Antidepressiva (trizyklische Antidepressiva und selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Inhibitoren) hemmen kann. Bei Beginn oder Absetzen einer MPH-Therapie kann es erforderlich werden, die Dosis dieser Wirkstoffe, die bereits eingenommen werden, anzupassen und die Wirkstoffkonzentrationen im Plasma zu bestimmen (bzw. bei Cumarin die Koagulationszeiten). Speziell in der Behandlung von Epileptikern mit ADHS mit MPH sind gerade zu Beginn der Therapie engmaschige Kontrollen des Blutspiegels der Antiepileptika erforderlich. Diese könnten unerwünschte Interaktionen anderseits jedoch sicher ausschließen und den Einsatz von MPH unbedenklich machen.

Tab. 1 Beeinflussung des Blutdrucks bei gemeinsamer Gabe mit MPH

Ein häufiges Problem in der Praxis ist das Auftreten von Bauchschmerzen, Diarrhö, Magenbeschwerden oder Erbrechen bei Neueinstellung auf MPH im Erwachsenenalter zu Behandlungsbeginn. Diese gastrointestinalen Nebenwirkungen — unabhängig ob kurz oder verzögert freisetzendes MPH-haltiges Präparat — lassen sich durch begleitende Nahrungsaufnahme lindern [Midha KK et al. Pharmaceutical Research 2001;18(8):1185–9]. Für MPH-haltige Arzneimittel, zugelassen für eine Neueinstellung im Erwachsenenalter, wird die Anwendung mit beziehungsweise nach einem Frühstück empfohlen (z. B. Fachinformation Medikinet® adult, März 2018). Das hat für den Patienten darüber hinaus den Vorteil, dass er bereits eine Mahlzeit zu sich genommen hat. Denn da Stimulanzien wie MPH mit einer Verminderung des Appetits assoziiert sein können, ist die tägliche Kalorien- und Nährstoffaufnahme bei Patienten unter MPH-Therapie im Allgemeinen niedriger als bei gesunden Personen gleichen Alters. Daher sehen Autoren wie Durá-Travé T et al. [J Royal Soc Med Open 2014;5(2)1–7] die Notwendigkeit, besonders bei Kindern unter MPH-Therapie die Nahrungsaufnahme engmaschig zu dokumentieren.