Hintergrund und Fragestellung: SARS-CoV-2 verursacht eine systemische Infektion (COVID-19). Tumorpatienten sind durch ihre Erkrankung und/oder Therapie immungeschwächt, weshalb sich der Verdacht aufdrängt, dass sie für schwere oder gar tödliche Verläufe einer COVID-19-Erkrankung anfälliger sein könnten. Ziel der hier kommentierten Studie war es zu untersuchen, ob sich bei Tumorpatienten im Vergleich zu Patienten ohne Tumorerkrankung bei einer COVID-19-Erkrankung schwerere Verläufe zeigen [1]. Zudem sollten demografische und klinische Parameter als Marker für Morbidität und Letalität unter den Tumorpatienten ermittelt werden.

figure 1

© Maksim Tkachenko / Getty Images / iStock

Weil Krebspatienten infolge von Erkrankung und/oder Therapie immungeschwächt sind, liegt die Befürchtung nahe, dass eine SARS-CoV-2-Infektion sie schwerer träfe als solche ohne Tumorerkrankung. Ob das bei Tumorpatienten so ist, wurde in einer US-Studie aus New York geprüft.

Patienten und Methodik: In der retrospektiven Studie wurden die Daten von erwachsenen Patienten mit positivem SARS-CoV-2-Test untersucht, die zwischen 3. März und 15. Mai 2020 in zwei New Yorker Krankenhäusern stationär aufgenommen wurden. Dabei wurden in zwei Gruppen Tumorpatienten jeweils Patienten ohne Tumorerkrankung im Verhältnis 1:4 zugeordnet (bezüglich Alter, Geschlecht und Komorbiditäten gematcht). Mittels Kaplan-Meyer-Kurven und Log-Rank-Test wurden die beiden Kohorten bezüglich Morbidität (Verlegung auf Intensivstation und Intubation) und Letalität verglichen. Unter den Tumorpatienten wurden mittels Cox-Regressions-Modell demografische und klinische Marker für schlechtere Outcomes ermittelt.

Ergebnisse: Es wurden 585 Corona-positive Patienten eingeschlossen, von denen 117 eine aktive Tumorerkrankung hatten, definiert als entweder "aktuell unter tumorspezifischer Therapie stehend" oder "unter Überwachung innerhalb der letzten sechs Monate vor Krankenhausaufnahme". Fast die Hälfte der Patienten mit aktiver Tumorerkrankung erhielt aktuell eine tumorspezifische Therapie, und 45 % hatten innerhalb der letzten 90 Tage vor Aufnahme eine zytotoxische oder immunsuppressive Therapie erhalten. Die Symptomatik bei Aufnahme und die Komplikationen während des stationären Aufenthalts waren bei den beiden Kohorten ähnlich. Die Auswertungen zeigten keinen signifikanten Unterschied in Bezug auf Morbidität und Letalität (p = 0,894) zwischen Patienten mit aktiver Tumorerkrankung und Patienten ohne Tumor.

Schlussfolgerung der Autoren: Tumorpatienten scheinen keine schwereren Verläufe einer COVID-19-Erkrankung zu haben als Patienten ohne aktive Tumorerkrankung. Somit sollten Empfehlungen zur Limitierung tumorspezifischer Therapien aufgrund der COVID-19-Pandemie zurückhaltend bewertet werden.

Brar G et al. COVID-19 severity and outcomes in patients with cancer: a matched cohort study. J Clin Oncol. 2020;38(33): 3914-24

figure 2