Die Physikalische Medizin hat mit ihren physikalischen Therapien eine lange Tradition, wodurch eine entsprechend fundierte empirische Grundlage sowohl bei den Behandler:innen (Ärzt:innen, Therapeut:innen) als auch bei deren mit den physikalischen Modalitäten therapierten Patientinnen und Patienten (Wünsche und Erwartungen der Patient:innen) geschaffen wurde. Laut Definition der evidenzbasierten Medizin nach Sacket stellen diese beiden Aspekte gemeinsam mit der publizierten wissenschaftlichen Datenlage das Fundament einer therapeutischen Maßnahme dar – und dieses Fundament ist gerade für die Transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS) sehr solide.

Physikalisch-medizinische Reizserien verfolgen das Prinzip der Reiz-Reaktions-Regulationstherapie und führen zur Normalisierung von Körperfunktionen sowie zur Umstellung von Körperfunktionen durch reaktions- und regulationstherapeutische Effekte.

Physikalisch-medizinische Reizserien verfolgen das Prinzip der Reiz-Reaktions-Regulationstherapie

Physikalische, adaptiv wirksame Reizserien benötigen demnach wirkungsphysiologisch adäquate, physikalische Reize in serieller Anwendung. Hierbei werden „natürliche“ physikalische Reize und Reizserien zu „Heilzwecken“ eingesetzt und führen zu einer Aktivierung adaptationsphysiologischer Mechanismen sowie zur Stimulierung autoregulativer Mechanismen mit dem Ziel der Regeneration und Heilung. Grundsätzlich bestehen für diese Therapien eine individuelle Reizempfänglichkeit sowie Kontraindikationen und manchmal auch „Überempfindlichkeiten“. Dies bedingt eine individuelle ärztliche Verordnung bzw. Rezeptur der Maßnahmen, die zumeist in Paketen verordnet und in interdisziplinäre multimodale Konzepte von der Diagnostik bis zu den State-oft-the-Art-Behandlungskonzepten integriert werden.

Elektrotherapien als Teil des physikalisch-medizinischen Behandlungsportfolios

Die grobe, systematische Einteilung der physikalischen Therapien erfolgt in die Thermotherapie, Mechanotherapie, Balneotherapie und Klimatherapie, Licht- bzw. Phototherapie und eben die Elektrotherapie (Nieder‑, Mittel- und Hochfrequenztherapie). Elektrotherapie bedeutet demnach die direkte und serielle Anwendung von elektrischer Energie in Form von elektrischem Strom bzw. elektrischen Reizen zu Heilzwecken.

Die transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS) gehört zur Niederfrequenztherapie

Unterschieden werden hierbei die Niederfrequenztherapie (0–1000 Hz, sie ist durch eine periodensynchrone Erregung „Reizimpuls – Reizantwort“ gekennzeichnet), die Mittelfrequenz- (1000–100.000 Hz bzw. 1–100 kHz) und die Hochfrequenztherapie (> 100.000 Hz bzw. über 100 kHz). Die transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS) gehört zur Niederfrequenztherapie. Man teilt die Niederfrequenztherapie TENS ein in eine niederfrequente Form (typischerweise 2‑4-10 Hz), welche mit höherer Intensität appliziert wird, und in eine hochfrequente Form (50-70-100-120 Hz), die mit niedriger Intensität angewandt wird.

Transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS)

TENS ist eine nichtmedikamentöse, nichtinvasive, anerkannte analgesierende Behandlungsmethode, welche stationär, ambulant oder als Heimtherapie angeboten werden kann. Zumeist werden dabei kleine tragbare Geräte für die Heimtherapie verwendet, wobei elektrische Energie an das periphere Nervensystem über Elektroden durch einen externen Stimulator übertragen wird. Der Einsatz der TENS-Therapie ist sehr weit verbreitet, sicher, günstig und effektiv, d. h. effizient.

Die elektrophysikalische Reizstromtherapie TENS erfolgt mit mono- oder meist biphasischen (also Wechselstrom‑)Rechteckimpulsen niedriger Frequenz (2–4 Hz, sog. Low-frequency-TENS) oder hoher Frequenz (etwa 70–100 Hz, sog. High-frequency-TENS). Die Stromformen können als konstante Impulsfolge von Rechtecknadelimpulsen oder als unterbrochene Impulsfolgen (sog. Burst-TENS) appliziert werden. Die elektrischen Impulse werden über Elektroden auf die Hautoberfläche übertragen.

Therapieziel ist die Beeinflussung von Schmerzafferenzen, d. h. u. a. die Verringerung oder die Verhinderung (im Sinne einer Blockade) der Schmerz(weiter)leitung zum Gehirn und die Erhöhung der Schmerzschwelle. Mit Frequenzen von 70–100 Hz (High-Frequency-TENS) sollen einerseits (durch Reizung rasch leitender A-β-Fasern) entsprechend der Gate-Control-Theorie körpereigene Hemmmechanismen (für die Schmerzfasern im Rückenmark) aktiviert werden und andererseits absteigende hemmende Nervenbahnen angeregt und die Endorphin-Freisetzung auf Hinterhornebene gesteigert werden (Tab. 1).

Tab. 1 Charakteristika von HF- und LF-TENS

Bei Anwendung von Frequenzen um etwa 2–4 Hz (Low-frequency-TENS) sollen die Aktivität afferenter, langsam leitender C‑Fasern im gleichen Segment vermindert und endogene Endorphinsysteme aktiviert werden (Tab. 1).

Seltenere Sonderformen der transkutanen elektrischen Nervenstimulation (TENS)

TENS-Sonderformen sind u. a. das sog. Burst-TENS (unterbrochene Impulsfolgen, siehe auch oben), die Frequenzmodulation, die HAN-Stimulation (Frequenzkombination), die Kaada-Stimulation (eine Sonderform des Low-frequency-TENS mit 2 HZ) die sog. Jenkner-Stimulation (eine Stimulation mit 30–40 Hz zur elektrischen Nerven- und Ganglienblockade wie zur Stellatum-Blockade) sowie die TENS-Applikation über Akupunkturpunkte und unterschiedliche Formen der sog. Elektroakupunktur.

Typische Indikationen für die transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS)

Typische TENS-Indikationen stellen Schmerzsyndrome am Bewegungs- und Stützapparat wie u. a. Tendomyopathien (z. B. Tennisarm, Golfer-Ellbogen, Achillodynie, Fersensporn etc.), Arthrosen und degenerative Wirbelsäulensyndrome, Kiefergelenkdysfunktionen, Stumpf- und Phantomschmerz, postoperative Schmerzen sowie gynäkologische Schmerzsyndrome wie u. a. „pelvic pain“ dar. TENS ist übrigens in der Spätschwangerschaft sicher und effektiv anwendbar.

TENS ist in der Spätschwangerschaft sicher und effektiv anwendbar

Die Anwendung bei Neuralgien, Radikulopathien (z. B. nach Bandscheibenvorfall), Mononeuropathien (z. B. Karpaltunnelsyndrom) sowie Polyneuropathien ist eine interessante, nichtmedikamentöse Möglichkeit. Aufgrund der Häufigkeit und der hohen Relevanz des Schmerzsyndroms findet am Universitätsklinikum AKH Wien an der Universitätsklinik für Physikalische Medizin, Rehabilitation und Arbeitsmedizin der Medizinische Universität Wien aktuell eine wissenschaftliche Studie mit dem Studienziel der Untersuchung der Effekte einer 6‑wöchigen Therapie mit TENS bei Patient:innen mit klinisch diagnostizierter und elektroneurographisch quantifizierter chemotherapieinduzierter Polyneuropathie (CIPN) statt („Randomisierte, kontrollierte Studie zur Durchführbarkeit und Wirksamkeit der TENS-Therapie bei chemotherapieinduzierter peripherer Polyneuropathie“).

Wie für viele Indikationen dargestellt, kann die TENS-Anwendung als Heimtherapie (Tab. 2) nach ärztlicher Verordnung und unter regelmäßiger ärztlicher Supervision sehr einfach, sicher, effektiv und günstig, d. h. letztlich effizient durchgeführt werden.

Tab. 2 Typische Indikationen für die TENS-Anwendung als Heimtherapie
Abb. 1
figure 1

Paravertebrale TENS-Behandlung der Lumbalregion bei Lumbago. (TENS transkutane elektrische Nervenstimulation. Fotocredit Univ. Klinik für Physikalische Medizin, Rehabilitation und Arbeitsmedizin, aus [1])

Kontraindikationen für die TENS-Anwendung

Die Kontraindikationen für TENS umfassen die allgemeinen für die Niederfrequenztherapie, wie u. a. eine relative für Herzschrittmacher (diese dürfen nicht im Behandlungsfeld liegen), implantierte Kardioverter-Defibrillatoren bzw. ICDs und sog. moderne elektronische Implantate im Behandlungsfeld bzw. in der Nähe. Des Weiteren zählen hierzu nicht oder schlecht eingestellte Anfallserkrankungen, Fieber, akute (eitrige) Entzündungen, Tuberkulose, Hautläsionen im Elektrodenbereich und eine Anwendung direkt über dem schwangeren Uterus (bzw. auch über Akupunkturpunkten, die zur Geburtseinleitung verwendet werden können).

TENS darf nicht lokal über Varizen, Thrombosen oder Thrombophlebitiden, bei gravierenden Sensibilitätsstörungen sowie bei floriden Hauterkrankungen, Psoriasis (Gefahr der Provokation eines Schubs) angewandt werden. Eine sog. „Stromunverträglichkeit“, vermehrte Blutungsneigung bzw. Antikoagulation sowie mangelnde Compliance etc. sind ebenfalls Gegenanzeigen (siehe Tab. 3).

Tab. 3 Zusammenfassung der absoluten und relativen Kontraindikationen für die TENS-Anwendung

Ärztliches Vorgehen und einzuhaltende Standards bei Elektrotherapien

Am Anfang, d. h., vor der ärztlichen Verordnung steht die genaue Anamnese u. a. nach Kontraindikationen. Außerdem ist die Aufklärung des Patienten bei der Rezeptur und nochmalig später vor Therapiebeginn relevant. Dies bedeutet eine Aufklärung über zu erwartende Empfindungen und Sensationen und natürlich auch darüber, dass bei Einhaltung der Sicherheitsvorschriften die Elektrotherapie gefahrlos ist. Vor Therapiebeginn selbst sollte dann eine erneute kurze Aufklärung, z. B. durch das Therapiepersonal oder eine hinzugerufene Ärzt:in über zu erwartende Empfindungen und Sensationen und über die Gefahrlosigkeit der Elektrotherapie bei Einhaltung der Sicherheitsvorschriften sowie Verhaltensinstruktion des Patienten erfolgen.

Bei der Therapievorbereitung ist dann für eine entspannte und dem Therapieziel entgegenkommende Lagerung der Patient:in zu sorgen. Während der Therapie, d. h. der Stromanwendung erfolgt das langsame Auf- und Abregulieren der Stromintensität in Abstimmung mit der Patient:in. Appliziert wir über Silikongummi‑, Aluminium‑, Socken- oder Handschuh- sowie Selbstklebeelektroden. Bei hohen Intensitäten werden große, bei niedrigen Intensitäten kleine Elektroden verwendet.

Die Elektroden werden direkt über oder in unmittelbarer Nähe des Schmerzgebietes positioniert

Die Position der Elektroden ist direkt über oder in unmittelbarer Nähe des Schmerzgebietes (sog. „DAWOS-Methode“), über dem betreffenden peripheren Nerv, im zugehörigen Segment, auch kontralateral sowie über Triggerpunkten und Akupunkturpunkten.

Bei der Applikation elektrotherapeutischer Modalitäten sind einige Punkte zu beachten, welche u. a. die Einhaltung der gesetzlich festgelegten Sicherheitsbestimmungen und den ausschließlichen Einsatz qualifizierter und in die Bedienung der Geräte eingewiesener Therapeuten umfassen. Des Weiteren dürfen ausschließlich Geräte mit entsprechender Bauartzulassung (Medizinprodukte sind mit dem Konformitätszeichen der Europäischen Union, CE gekennzeichnet) verwendet werden. Auch ist auf die Einhaltung der zulässigen Umgebungsbedingungen zu achten. Die Einhaltung und Durchführung der vorgeschriebenen regelmäßigen Funktionsprüfungen und sicherheitstechnischen Kontrollen verstehen sich von selbst.

Bei der eigentlichen Stromanwendung darf besonders bei der Anwendung von Gleichstrom und Strömen mit Gleichstromanteilen kein direkter Kontakt zwischen Haut und Elektrode erfolgen und sich kein Metall im Durchflussgebiet befinden. Generell muss eine Durchströmung der Herzregion, des Karotis-Sinus sowie der Gebärmutter bei Schwangeren vermieden werden. Die Verwendung sauberer und intakter Elektroden, die Einhaltung hygienischer Standards (wie z. B. Verwendung von Einmalelektroden bei infektiösen Patienten), das adäquate Reinigen (und Entfetten) der Haut an der Stelle, wo die Elektroden appliziert werden, gehören zu den Basics.

Eine Applikation darf darüber hinaus nur über intakten, aber nicht über offenen oder entzündeten Hautarealen erfolgen. Bei indizierter Stromanwendung erfolgt eine Überprüfung der Elektrodenlage (sie müssen mit ganzer Fläche aufliegen, um lokal hohe Stromdichten und Hautverätzungen zu vermeiden), der Elektrodenbefestigung, der Zuordnung der Elektroden sowie der Stecker und Kabel vor Therapiebeginn. Defekte Geräte sind sofort abzuschalten und auszutauschen. Daher muss das Equipment regelmäßig überprüft werden (u. a. auf Kabelbruch, kaputte Stecker oder Schalter etc.).

Transdermale aurikuläre Vagusstimulation als kombinierbare Therapieoption

Herkömmliche TENS-Geräte zur analgesierenden TENS-Heimtherapie können bei Verwendung einer entsprechenden Spezialsonde, die typischerweise im linken Ohr appliziert wird, zur Durchführung einer sog. „transdermalen aurikulären Vagusstimulation“ verwendet werden. Für diese sog. Vagusnervstimulation ist bekannt, dass sie positive Wirkungen auf die Stimmungslage, Wachheit, Lebensqualität, sowie stressassoziierte Symptome inkl. die Herzratenvariabilität (HRV) – letztlich die „Homöostase“ im Organismus haben kann. Eine Senkung der Schmerzschwelle und eine erhöhte objektive Toleranz gegenüber Schmerzen sowie eine Normalisierung der Immunantwort sind weitere beschriebene Effekte.

Die analgetische Wirkung soll u. a. über die Aktivierung absteigender noradrenerger und serotenerger Systeme mit Ausschüttung von Enkephalin und eine Wirkung auf Opioidrezeptoren zustande kommen. Antientzündliche Effekte über einen Einfluss auf die Hypothalamus-Nebennieren-Achse führt u. a. zu vagalen, anticholinergen, antiinflammatorischen Mechanismen (mit u. a. Hemmung proinflammatorischer Zytokine wie TNF, IL6, IL1β). Des Weiteren gibt es Hinweise auf eine antidepressive Wirkung sowie auf antikonvulsive Wirkungen bei fokalen Anfällen.

Fazit

Die transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS) ist eine nichtmedikamentöse, nichtinvasive, etablierte, analgesierende Behandlungsmethode, die stationär, ambulant oder als Heimtherapie angeboten werden kann.

Die vorliegende Evidenz spricht dafür, dass die TENS-Therapie sicher, günstig und effektiv, d. h. effizient ist.

Eine Spezialsonde als „Add on“ ermöglicht die zusätzliche Durchführung einer „transdermalen aurikulären Vagusstimulation“ als ideale Ergänzung dieser Form der Schmerztherapie.