Zur Einleitung: partizipative Forschung im Kontext von Behinderung und Inklusion

Der vorliegende Beitrag berichtet über Ergebnisse und Reflexionen eines partizipativ durchgeführten Seminars zum Thema „Inklusion in Arbeit – zur Bedeutung von Assistenzmaßnahmen“ am Institut für Bildungswissenschaft an der Universität Wien im Wintersemester 2022/2023. Das partizipative Design konnte in transdisziplinärer Kooperation mit Expert*innen mit Behinderungserfahrung aus dem Projekt P.I.L.O.T. (Integration WienFootnote 1) realisiert werden. Gemeinsam mit 3 Expert*innen mit Behinderungserfahrung wurde das Seminar partizipativ geplant, durchgeführt und reflektiert. Die Konzeption orientiert sich dabei an den Prinzipien partizipativer Forschung.

Partizipative Forschung kann als Reaktion auf die Kritik an der ungleichen Reproduktion von Machtstrukturen im Zuge wissenschaftlicher Forschung bzw. Wissensproduktion verstanden werden und fokussiert die aktive Beteiligung jener Menschen, deren soziale Kontexte beforscht werden. Hella von Unger [13] beschreibt partizipative Forschung als einen Überbegriff für Forschungsansätze, welche soziale Wirklichkeit partnerschaftlich erforschen. Sie kann nach Bergold und Thomas [2] als Forschungsstil verstanden werden, da sich die Begründung partizipativer Forschung weniger auf der Ebene konkreter Forschungsmethoden fassen, sondern vielmehr als Methodologie verstehen lässt, die für die Notwendigkeit des Einbezugs von Koforscher*innen argumentiert. Partizipative Forschung beschreibt damit ein Verfahren, das sich in hohem Maße durch Kontextualität und Flexibilität auszeichnet [13] und verweist dabei auf eine Reihe von Ansätzen, bei denen Menschen als Koforschende aktiv an akademischer Wissensproduktion beteiligt sind. Diese Ansätze eint das Anliegen, den beteiligten Koforscher*innen Gehör zu verschaffen und die Möglichkeit zu geben, ihre Sichtweisen in die wissenschaftliche Theoriebildung einzubringen, jedoch können sich die Ansätze hinsichtlich des Ausmaßes an Einbeziehung und Mitbestimmung deutlich unterscheiden [4].

Im vorliegenden Kontext meint die partizipative Gestaltung universitärer Lehre zum Thema „Inklusion in Arbeit“ den aktiven Einbezug von Menschen mit Behinderungserfahrungen als Expert*innen in eigener Sache. Dies stellt gleichermaßen den Versuch dar, Diskursräume zu eröffnen, welche Menschen mit Behinderungserfahrung oftmals strukturell unzugänglich sind. Hauser et al. [9] halten fest, dass Ansätze partizipativer und inklusiver Forschung auf internationaler Ebene wie auch in Österreich vereinzelt Einzug in universitäre Lehre finden. Nichtsdestotrotz sei zu konstatieren, dass diese zu kurz greifen würden, „um von einer ‚echten‘ und institutionell verankerten Partizipation“ [9] sprechen zu können. Die fehlende Teilhabe von Menschen mit Behinderungserfahrungen (und v. a. von Menschen mit Lernschwierigkeiten) in universitärer Lehre und Forschung lässt sich auf unterschiedlichen Ebenen als problematisch erachten. Zum einen legt die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung [3] in Artikel 24 deutlich das Recht auf Bildung fest. Zum anderen lässt sich der Ausschluss der Perspektiven von Menschen mit Behinderungserfahrung aus universitärer Lehre und Forschung als eine Form epistemischer Ungerechtigkeit kritisch betrachten, also im Sinne einer „Nicht-Anerkennung marginalisierter Gruppenmitglieder als Personen, die bedeutsames und relevantes Wissen innehaben“ [12].

So lässt sich die Universität auch als Sozialraum betrachten, welcher in seiner inhärenten Struktur exkludierende Bedingungen für Menschen mit Behinderung schafft. Im Sinne eines kritischen und teilhabeorientieren Verständnisses von Wissenschaft gilt es also auch, Bedingungen, welche Behinderungserfahrungen strukturell hervorbringen, in den Blick zu rücken. Behinderungen sind nach Wansing, Westphal, Jochmaring und Schreiner „stets relativ und relational zu denken und können folglich auch im Kontext schulischer und beruflicher Bildung ohne eine Beschreibung von institutionellen Strukturen, Logiken und Praktiken, die möglicherweise benachteiligend, diskriminierend oder ausgrenzend wirken, gar nicht identifiziert und beschrieben werden“ [14]. Schlussendlich lässt sich also festhalten, dass im vorliegenden Beitrag ein Versuch dargestellt wird, in Form einer partizipativ gestalteten Lehrveranstaltung eben jene Perspektiven von Menschen mit Behinderungserfahrung auf behindernde Strukturen aktiv miteinzubeziehen und im Sinne einer partialen Perspektive [10] unterschiedliche verortete Sichtweisen zu kollektiver Erkenntnis zu verknüpfen.

Planung und Durchführung mittels Reflecting Teams

In einem ersten gemeinsamen Planungstreffen wurde mit den Expert*innen mit Behinderungserfahrungen der inhaltliche Fokus des Seminars konzipiert. Bisherige Planungsschritte wurden vorgestellt, wie auch erste Ideen zu möglichen Themengebieten für die Seminardiskussion. Erste thematische Stoßrichtungen umfassten die Themen Arbeit, Assistenz und Selbstbestimmung und wurden in der Diskussion mit den Expert*innen adaptiert und erweitert. Arbeit und Assistenz wurden beibehalten, Barrierefreiheit als weiterer Themenbereich mit aufgenommen. Nach kritischem Einwand seitens der Expert*innen, wonach Selbstbestimmung als vieldeutig und thematisch zu umfassend erachtet wurde, erfolgte eine Einigung auf den Themenbereich von Selbstvertretung.

Die partizipative Durchführung der Lehrveranstaltung erfolgte verteilt auf zwei Seminareinheiten in Orientierung an der systemischen Gruppenmethode des bereits zuvor erwähnten Reflecting Teams (RT) nach Tom Andersen [1]. RT wurden bereits im FWF-Projekt „Kooperation für Inklusion in Bildungsübergängen“Footnote 2 für die Durchführung partizipativer Forschung adaptiert [5, 6] und für das Seminar weiter an die entsprechenden Rahmenbedingungen angepasst.

Die Durchführung von RT erfolgt grundlegend in 4 Schritten. Zentrale Aspekte dieses Verfahrens bilden dabei die Vergabe unterschiedlicher Diskutant*innen- und Beobachter*innenrollen, wie auch eine Trennung von Diskussions- und Reflexionsphasen. Anschließend an einen ersten, eröffnenden Teil erfolgt eine Diskussion zu einem bestimmten Thema, die reflektierenden Beobachter*innen nehmen eine passive Rolle ein. Nach Abschluss der Diskussion wechseln diese in eine aktive Rolle und berichten der Diskussionsgruppe ihre Beobachtungen. Im 4. Teil erfolgt ein erneuter Rollenwechsel, die Diskussionsteilnehmer*innen reflektieren und diskutieren die Darstellungen der Beobachter*innen [7]. Diese abschließende Phase bezeichnet die „Reflexion über die Reflexion“ [5, 6].

Die RT wurden für unser Seminar übernommen und dem Kontext entsprechend adaptiert. Als Diskussionseinstiegshilfe mit den Expert*innen wurden seitens der Studierendengruppe Kurzpräsentationen in einfacher Sprache vorgetragen und mit möglichst barrierefrei gestalteten Postern ergänzt. Nach jedem theoretischen Kurzinput erfolgte eine Diskussionsphase, welche von einer Studierendengruppe moderiert wurde. Die Seminarleiter*innen nahmen dabei die Rollen der reflektierenden Beobachter*innen ein. Nach Abschluss der Diskussionen wurden die Eindrücke und Reflexionen der Gruppe mitgeteilt, in der abschließenden Phase von den Diskussionsteilnehmer*innen ergänzt, kommentiert oder erwidert.

Die zweite partizipative Seminareinheit wurde methodisch ähnlich gestaltet, jedoch wurde hierbei den Expert*innen die Auswahl der Themen übergeben. Die gewählten Themen umfassten „Journalismus“, „Literatur“ und „Sport für Menschen mit Behinderung“. Die Expert*innen präsentierten in der 2. Einheit zu diesen Themen, welche anschließend diskutiert wurden. Eine Auswahl zentraler Aspekte dieser Diskussionen soll nun im Folgenden vorgestellt werden.

Zentrale Ergebnisse

Im Folgenden werden ausgewählte Auszüge der partizipativ durchgeführten Gruppendiskussionen in RT aus den zwei Seminareinheiten präsentiert. Als Diskussionsteilnehmer*innen beteiligt waren die Expert*innen Luise Jäger, Karlo Palavra und David Tritscher aus dem Projekt P.I.LO.T, 19 Studierende, Studienassistentin Alexandra Aigner, Tutorin Eva Michl und die Lehrveranstaltungsleitung Helga Fasching und Nikolaus Hauer. Die Nennung der Namen von Teilnehmenden erfolgt im ausdrücklichen, informierten und schriftlich vorliegenden Einverständnis der jeweiligen Personen. Die Referenzen der angeführten Zitate beziehen sich dabei auf die Transkripte der ersten (T1) und zweiten (T2) Diskussionseinheit. Um den Lesefluss zu erleichtern wurden die angeführten Zitate geglättet.

Luise: „Menschen mit oder ohne Behinderung – alle können lernen wie Journalismus geht“ (T2, 7–9)

Luise erzählt davon, beim Einstieg in die Berufstätigkeit mit Herausforderungen konfrontiert gewesen zu sein. Schlussendlich habe ihr aber das Projekt P.I.L.O.T geholfen, einen Job zu finden und an ihren Zukunftsperspektiven zu arbeiten.

„Also bei mir war’s ein bisschen schwierig, weil ich da nicht so leicht einen Job gefunden habe, aber beim Projekt P.I.L.O.T. hab ich dann viel leichter, weil die ham mir dann geholfen und da konnte ich dann viel leichter einen Job finden, weil sie mir da sehr gut geholfen haben“ (T1, 83–86).

Zum Zeitpunkt der Diskussion arbeitet Luise als Autorin beim Magazin AndererseitsFootnote 3 und hebt in diesem Kontext die Möglichkeit zum Einstieg in den Journalismus für Menschen mit und ohne Behinderung positiv hervor. Bedeutsam zeigt sich hier auch, dass der Einstieg in dieses Feld auf niederschwelliger Ebene erfolgen kann und auch Personen ohne spezifische Ausbildung die Tätigkeit als Journalist*innen offensteht.

„Menschen mit oder ohne Behinderung – alle können lernen wie Journalismus geht, aber alle die des nicht können, können lernen wie das geht und Journalismus machen“ (T2, 7–10)

Luise beschreibt positive Aspekte ihrer Tätigkeit u. a. in der gegenseitigen Unterstützung im Team, wie auch in der Freiheit zur Themenfindung. Luise hebt auch wiederholt hervor, dass die Arbeit zu unterschiedlichen Themen kooperativ geschieht und dass bei Bedarf jederzeit gegenseitige Unterstützung geboten wird.

„genau wir arbeiten dann in Teams (...) – eben im Team man kann immer zu zweit gemeinsam arbeiten man kann sich gegenseitig unterstützen“ (T2, 11–13)

Zum Thema der Barrierefreiheit betont Luise v. a. die Relevanz der Verwendung von einfacher Sprache bei dem Verfassen von journalistischen Texten. Darüber hinaus hebt Luise auch den barrierefreien baulichen Zugang ihres Arbeitsortes für Rollstuhlnutzer*innen positiv hervor. Einen weiteren positiven Aspekt ihrer Tätigkeit als Journalistin beschreibt Luise in einem kollegialen Arbeitsklima und der Möglichkeit zum Austausch über persönliche Themen.

„am besten gefällt mir dort, dass ma alle zusammen sitzen und so reden in der Früh – wie es einem geht und dann miteinander arbeiten, das gefällt mir“ (T2, 103–105)

In Luises Erzählung zeigt sich, dass v. a. ein kollegiales und kooperatives Arbeitsumfeld als positiv beschrieben wird. Gleichermaßen wird in der Beschreibung der Tätigkeit im Journalismus auch die Bedeutung eines niederschwelligen Zugangs und der persönlichen Freiheit zu Wahl der Themen deutlich.

Karlo: „Wer denkt schon wer Füße hat, dass ein behinderter Mensch nicht reinkommt“ (T1, 299–300)

Karlo äußerst sich kritisch zur Thematik der Barrierefreiheit. Diese betrifft nicht nur die Zugänglichkeit von Gebäuden und Räumlichkeiten, sondern u. a. auch von Informationen, (Aus)bildung, Freizeit, Dienstleistungen, Freizeitangeboten und Kommunikation. Karlo macht u. a. auf den eingeschränkten baulichen Zugang beispielsweise für Rollstuhlnutzer*innen aufmerksam.

„Wer denkt schon wer Füße hat, dass ein behinderter Mensch nicht reinkommt. Die meisten denken sich AHA – die sehen gar nicht die Stiegen oder das WC, wies ausschaut“ (T1, 299–301).

Karlo beschreibt den fehlenden baulichen Zugang zu vielen Gebäuden als problematisch und plädiert für umfassende bauliche Barrierefreiheit. Einen weiteren Bedarf an Barrierefreiheit verortet Karlo im Bereich (schriftlicher) Kommunikation. Karlo ist als Übersetzer von Texten in Leichte Sprache tätig und merkt an, dass es oft schwer sein kann, komplizierte Texte zu übersetzen.

„Da sollte man einfach mehr Bilder verwenden. Oder ein wenig andere Wörter erfinden“ (T1, 327–328).

Barrierefreiheit kann sich demgegenüber auch auf zwischenmenschliche Barrieren und Diskriminierung beziehen. Karlo schildert den Eindruck, dass Personen oftmals nicht wissen würden, wie sie sich in seiner Gegenwart verhalten sollen. Er fügt hinzu, dass es auch schüchternen Personen mit Behinderung helfen würde, wenn offener auf sie zugegangen werden würde und dass generell ein offenerer Zugang wünschenswert wäre.

Karlo erzählt auch von Erfahrungen in Bezug auf das JungendcoachingFootnote 4 und merkt diesbezüglich an, dass es auch hier an mehr Aufklärung und Beratung bedarf.

„Du kommst da zu einem Termin und die fragen dich: Was willst du machen? Na boah, was weiß ich (lachend). Ich komm grad aus der Schule“ (T1, 188–189).

Karlo verortet die Verantwortung zur Vermittlung und Aufklärung u. a. in der Schule. Jene sollten v. a. im letzten Schuljahr jungen Menschen mehr Unterstützung in der Orientierung entlang der eigenen Interessen bieten. Lehrer*innen sollten vorab in Kooperation mit Expert*innen (v. a. mit Behinderungserfahrung) Informationen einholen, sodass umfangreiche Unterstützung und Beratung gewährleistet werden kann.

Um auf Missstände aufmerksam zu machen, trägt Karlo immer Aufkleber bei sich, um an entsprechenden Orten auf fehlende Barrierefreiheit aufmerksam zu machen. Seiner Meinung nach sollten höhere Geldstrafen vorgeschrieben und mehr Aufklärungsarbeit geleistet werden.

„Ich denke schon über Wünsche nach – ich bin eher realistisch – aber was mich wirklich stört ist eben, dass ich nicht überall reinkomme – dass Stufen sind oder – oder irgendwas anderes ja“ (T1, 416–418).

In Karlos Erzählungen zeigt sich v. a. eine kritische Haltung gegenüber dem Anspruch von umfassender Barrierefreiheit. Er weist dahingehend auf Verbesserungsbedarf auf unterschiedlichen Ebenen hin und zeigt auch die institutionelle Verantwortung in diesen Belangen auf.

David: „Es geht ja letztendlich um den Menschen und um das, was sie geschrieben haben“ (T2, 216–217)

David präsentiert in der zweiten Einheit zum Thema „Literatur von Menschen mit Behinderung“. Zum Einstieg stellt David die Frage in den Raum, ob die Diskussionsteilnehmer*innen bereits Berührungspunkte mit Literatur von Menschen mit Behinderung hätten, was von den meisten Teilnehmenden verneint wird. David begründet daran anknüpfend auch die Wahl des Themas und führt kritisch aus, dass

„… die [Schriften von Menschen mit Behinderung, Anm.] einfach nicht so oft wahrgenommen werden oder einfach – anders wahrgenommen werden oder vielleicht gar nicht von der Gesellschaft“ (T2, 177–178).

David verweist damit kritisch auf die fehlende Repräsentation von Literatur von Menschen mit Behinderung. David führt weiter aus und erzählt von dem Literaturpreis Ohrenschmaus, bei welchem Literatur von Menschen mit Behinderung ausgezeichnet und sichtbar gemacht wird. Diese wird damit der Gesellschaft zugänglich gemacht, sodass die Literatur von Menschen mit Behinderung laut David

„zum ersten Mal wirklich wahrgenommen wird von der ganzen Gesellschaft – also von der Gesellschaft, die jetzt vielleicht oftmals nichts oder noch nie etwas davon gehört haben“ (T2, 170–172)

In Davids Erzählung positioniert er sich auch deutlich gegen die Vorstellung, dass es sich bei der Vergabe um einen Preis handeln könnte, welcher anhand adaptierter Kriterien vergeben werden würde, weil es sich bei den Autor*innen um Personen mit Behinderung handelt. Die Literatur wird dabei auch als solche wahrgenommen.

„nicht als ein Text, der jetzt einfach eingesandt wird und der als Spaß irgendwie jetzt vorgelesen wird nur weil’s irgendwie prämiert wird, sondern es ist also Leitsatz ist es ist kein Mitleidsbonus es ist einfach Literatur“ (T2, 197–199)

Positiv hebt David hervor, dass den Autor*innen Anerkennung für ihre Werke entgegengebracht wird, sie als Autor*innen wahrgenommen und nicht auf die Zuschreibung einer Behinderung reduziert werden.

„der Mensch der des geschrieben hat – wird als Autor und als Literat wahrgenommen und nicht als der Mensch der jetzt eine Behinderung hat“ (T2, 200–201)

In der Erzählung wird deutlich sichtbar, dass David sich sehr kritisch gegenüber einer Trennung von Literatur von Menschen mit und ohne Behinderung äußert. Zum einen hebt er die Problematik der fehlenden Sichtbarkeit von Literatur von Menschen mit Behinderung hervor, zum anderen zeigt David auch deutlich auf, dass Autor*innen und ihre Literatur auch abseits der Zuschreibung von Behinderung als solche anerkannt werden sollen.

Diskussion

Die partizipativen Seminareinheiten wurden mit den Expert*innen nachbesprochen und reflektiert. Bei einer partizipativen und inklusiven Lehrveranstaltung eignen sich nicht nur die Studierenden im Sinne eines Bildungskontextes neues Wissen an, auch Lehrende und Expert*innen mit Behinderung können neue Erkenntnisse daraus gewinnen. Es ist ein Lernen mit- und voneinander aller Beteiligten [7]. In den Diskussionen zeigte sich, dass es für den Großteil der anwesenden Studierenden einen erstmaligen Einblick in das Leben von Menschen mit Behinderungen ermöglicht. Somit kann sich eine Kompetenzerweiterung in Bezug auf Perspektivität, Kommunikation, Zusammenarbeit und Problemlösen in inklusiven Kontexten ergeben. Es wird ein Raum für Sensibilisierung geschaffen, der es ermöglicht, durch offene und respektvolle Kommunikation ein tieferes Verständnis von Inklusion zu vermitteln. Studierende sammeln Erfahrungen und können Empathie und ein Verständnis für die spezifischen Bedürfnisse und auch Herausforderungen von Menschen mit Behinderungen entwickeln [8, 9, 14]. Auch Lehrende können immer wieder ihr Wissen in inklusiven Kontexten erweitern, vertiefen, reflektieren und für Studierende zugänglich machen. Inklusive Lehre ermöglicht Raum für die Entwicklung inklusiver Lernstrategien – um diese zu entwickeln, zu verbessern und zukünftig differenzierte Lernmethoden anzubieten [8]. Eine solche Form der Verknüpfung von Theorie und Praxis lässt sich auch dahingehend als bedeutsam ansehen, wenn davon ausgegangen werden kann, dass „Inklusion (…) als Konzept nicht nur theoretisch vermittelt werden [kann], sondern (…) als Bewusstseinshaltung erlebt werden [muss]“ [11].

Fazit

Der Beitrag schließt mit einem Fazit der Expert*innen, bei denen sich die Verfasser*innen an dieser Stelle auch herzlich für die Zusammenarbeit im Rahmen des Seminars bedanken möchten.

Fazit von Luise.

Mir hat das Mitarbeiten bei der Lehrveranstaltung sehr gut gefallen und es hat mir richtig Freude gemacht. Ich bekam die Möglichkeit über meine Erfahrungen zu erzählen, das war schön. Am Anfang war ich schon auch sehr nervös und aufgeregt. Aber die Student*innen waren alle sehr nett und sie haben viele Fragen gestellt. Das hat mir besonders gut gefallen, weil sie so interessiert waren. Ich habe auch einen kleinen Vortrag über meine Arbeit bei andererseits gehalten. Den Vortrag habe ich davor mit einer Kollegin von andererseits vorbereitet. Es war eine sehr gute Übung für mich vor fremden Menschen zu sprechen. Also einerseits war es sehr aufregend für mich aber andererseits auch sehr cool.

Manchmal war es ein bisschen schwierig, weil ich ein paar Fragen von den Student*innen nicht ganz verstanden habe. Da habe ich dann überlegen müssen, was sie meinen und wie ich die Fragen beantworten soll. Mir hat dann aber auch der Karlo geholfen, weil er die Fragen oft besser verstanden hat. Das war nett. Wir haben dann auch gesagt, dass die Student*innen mehr in einfacher Sprachen sprechen sollen. Das haben sie dann besser gemacht. Es war auch toll, dass wir bei der Vorbereitung der Vorlesung dabei waren. Da haben wir dann gesagt, was wir erzählen möchten. Weil ja jeder was anderes gut kann. Das war nett, dass wir da gefragt wurden. Mir hat es wirklich gut gefallen bei der Lehrveranstaltung dabei zu sein. Das war eine coole Erfahrung und ich habe auch viel für mich gelernt!

Fazit von Karlo.

Für mich war es ein sehr tolles Erlebnis. Man bekommt nicht so oft die Möglichkeit anderen Menschen über die eigenen Erfahrungen zu erzählen. Ich habe auch manchmal das Gefühl, dass es andere nicht so interessiert. Aber die Student*innen war alle sehr nett und haben viele Fragen gestellt. Die Fragen waren z. T. gar nicht so einfach zu beantworten. Da habe ich der Luise auch einmal geholfen, weil sie eine Frage nicht verstanden hat. Die haben am Anfang noch nicht in einfacher Sprache gesprochen, das muss man natürlich auch lernen. Wir haben auch viel über Barrierefreiheit gesprochen, das ist für mich ein wichtiges Thema. Wenn man selber nicht mit dem Rolli unterwegs ist, fallen einem viele Hürden oft gar nicht auf. Da fand ich es gut, dass ich den Student*innen darüber erzählen konnte. Generell war es toll über Themen zu erzählen, die die Student*innen noch nicht so gut kennen. Wie auch persönliche Assistenz. Das ist für mich Alltag, aber viele Menschen wissen gar nicht was das überhaupt ist. Da war es cool davon zu erzählen. Ich fand es sehr schön, dass alle so interessiert waren und uns ganz viele Fragen gestellt wurden.

Fazit von David.

Mir hat besonders gut gefallen, dass sich jeder von uns ein Thema aussuchen konnte und darüber erzählt hat. Weil man dadurch über das sprechen konnte, worin man selber wirklich Experte ist. Ich habe über Literatur von Menschen mit Lernbehinderung erzählt. Das hat die Studierenden sehr interessiert und sie haben auch einige Fragen gestellt. Das war richtig toll, weil da ich der Experte bin in dem Bereich und ich viel erzählen konnte. Weil viele Menschen wissen gar nicht, dass Menschen mit Behinderung auch sowas können. Für mich war es auch sehr interessant dabei zu sein und eine Lehrveranstaltung an der Uni zu erleben, das kennt man ja sonst nicht so. Da habe ich auch viel gelernt. Es war aber auch sehr anstrengend, weil man viel nachdenken musste und ich sehr konzentriert war. Aber es war sehr interessant, deshalb ist die Zeit schnell vergangen. Also für mich war es eine sehr tolle neue Erfahrung und es hat mir auch viel Spaß gemacht.

Fazit die Praxis

  • Die Durchführung dieses partizipativ gestalteten Seminars stellt aus Sicht der Verfasser*innen für alle am Seminar Beteiligten einen gewinnbringenden Lernprozess dar.

  • Die Verknüpfung von Theorie, Methode und Praxis kann sowohl für Studierende, Lehrende und Expert*innen neue Perspektiven eröffnen. Insofern möchte der Beitrag auch dazu anregen, transdisziplinäre Kooperation zur Unterstützung inklusiver und partizipativer Räume zu nutzen.