Pathogenese und Klassifikationen

Funktions- oder Motilitätsstörungen des Ösophagus wie z. B. die Achalasie sind eine Gruppe von Erkrankungen, bei denen es aufgrund einer Veränderung der neuromuskulären Strukturen zu einer Störung des Schluckakts kommt [1].

Es werden primäre von sekundären, durch andere Ursachen bedingten Motilitätsstörungen unterschieden [2]. Die Entwicklung der diagnostisch-hierarchischen Chicago-Klassifikation (Abb. 1) hat die Diagnose von Ösophagusmotilitätsstörungen und die Wahl der Therapieform verändert [3, 4].

Abb. 1
figure 1

Ösphagusmotilitätsstörungen nach der Chicago-Klassifikation: Geringgradige Motilitätsstörungen werden auch bei asymptomatischen Patienten beobachtet ([9]; UÖS unterer Ösophagussphinkter, ÖGÜ ösophagogastraler Übergang, DES „diffuse esophageal spasm“)

Alle Therapieansätze dienen dazu, Symptome zu mildern und die Lebensqualität zu verbessern

Es handelt sich um seltene Erkrankungen, deren Ätiopathogenese unklar ist. Virale Infektionen (Varizella-zoster‑, Masern- und humane Papillomaviren) und Parasiten (Trypanosoma cruzii), jedoch auch genetische Ursachen wie das Allgrove-Syndrom werden als Ursache für einen Funktionsverlust der Nervenzellen des Ösophagus mit dem Resultat einer Achalasie diskutiert [5,6,7] Die Pathogenese der nichtmechanischen ÖGÜ(ösophagogastraler Übergang)-Obstruktion ist unklar. Als Ursache für den diffusen Ösophaguspasmus („diffuse esophageal spasm“, DES) und den Jackhammer-Ösophagus, werden eine GERD („gastroesophageal reflux disease“) sowie die Einnahme von Opiaten und Antidepressiva diskutiert [8].

Eine kausale Therapie besteht für keine der Funktionsstörungen, sodass alle Therapieansätze dazu dienen, Symptome zu mildern und die Lebensqualität zu verbessern.

Erkrankungen, die zu sekundären Motilitätsstörungen führen, sind sehr heterogen. Neben organischen Erkrankungen der Speiseröhre wie der eosinophilen Ösophagitis können auch Kollagenosen, neuromuskuläre und Stoffwechselerkrankungen diese auslösen. Neueren Erkenntnissen zufolge können sekundäre Motilitätsstörungen durch Opiate, Alkohol und Anticholinergika verursacht werden und „tarnen“ sich manometrisch als höhergradige Ösophagusmotilitätsstörungen [10, 11].

Symptome

Neben den Kardinalsymptomen Dysphagie und retrosternale Krämpfe/Schmerzen finden sich häufig Regurgitationen mit Aspirationen und ein Gewichtsverlust. Odynophagie (Schmerzen beim Schlucken), Sodbrennen und der nichtkardiale Thoraxschmerz sind häufige Begleitsymptome [12].

Aufgrund ihrer langsam-progredienten Entwicklung ist das klinische Bild der Achalasie heterogen und lässt sich auch auf der Basis der Symptome oft nicht von anderen Ösophagusmotilitätsstörungen abgrenzen. Die Schluckbeschwerden bestehen zunächst nur für feste, später auch für flüssige Speisen.

In der klinischen Praxis hat sich der Eckardt-Score (Tab. 1) nicht nur für die Evaluation der Symptomausprägung bei der Erstdiagnostik, sondern auch im Verlauf nach Therapie als pragmatisch und sinnvoll erwiesen [13].

Tab. 1 Eckardt-Score zur klinischen Evaluation des Schweregrads der Achalasie

Für die höhergradigen Motilitätsstörungen ist der Eckardt-Score zwar nicht validiert, wird aber in der klinischen Praxis angewandt.

Diagnostik

Endoskopie und Bariumösophagusbreischluck sind für die Diagnose der Achalasie und höhergradiger Motilitätsstörungen nur in 33 % bzw. 66 % richtungsweisend [14]. Die Primärdiagnostik besteht in der Endoskopie, um sekundäre Ursachen, wie z. B. eine eosinophile Ösophagitis bzw. eine Pseudoachalasie durch ein Tumorgeschehen auszuschließen. Computertomographie (CT) und Endosonographie kommen bei Verdacht auf eine Ösophaguskompression von außen oder auf einen intramuralen, endoskopisch nicht nachweisbaren Ösophagustumor zum Einsatz.

Der Röntgenbreischluck zeigt bei der Achalasie im Anfangsstadium das klassische „Vogelschnabelzeichen“ („birdʼs beak-sign“) bzw. eine sektglasförmige Konfiguration des ÖGÜ (Abb. 2). Die Schnelligkeit der Entleerung der Speiseröhre („timed barium swallow“) kann radiologisch bereits funktionelle Hinweise liefern. Spastische Motilitätsstörungen zeigen radiologisch oftmals eine „Korkenzieherkonfiguration“.

Abb. 2
figure 2

Der Röntgenbreischluck zeigt bei der Achalasie im Anfangsstadium das klassische „Vogelschnabelzeichen“ („birdʼs beak-sign“) bzw. eine sektglasförmige Konfiguration des ösophagogastralen Übergangs. (Mit freundl. Genehmigung, © Klinik und Poliklinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Universitätsklinikum Leipzig, AöR; alle Rechte vorbehalten)

Die High-Resolution-Manometrie (HRM) ist mit einer Sensitivität von 98 % hinsichtlich des Relaxationsmusters des unteren Ösophagussphinkters (UÖS) anderen diagnostischen Methoden überlegen [8]. Sie wird als Goldstandard der Diagnostik der Achalasie und der ÖGÜ-Obstruktion bzw. von spastischen Motilitätsstörungen angesehen.

Die Chicago-Klassifikation unterscheidet anhand der HRM 3 Subtypen der Achalasie (Abb. 1; [3]):

  • Typ I mit kompletter Aperistaltik,

  • Typ II mit panösophagealer Kompression,

  • Typ III mit spastischen Kontraktionen des Ösophagus.

Am häufigsten finden sich Typ I und Typ II. Typ III ist zwar mit etwa 8 % der seltenste Phänotyp, allerdings auch am komplexesten zu therapieren, da die spastischen Kontraktionen die gesamte Speiseröhre betreffen.

Die HRM gestattet auch im Bereich der höhergradigen ösophagealen Motilitätsstörungen eine phänotypbasierte Diagnostik, die je nach Relaxationsmuster des UÖS Implikationen für die chirurgische und endoskopische Therapie liefert [15, 16].

Eine Alternative stellt bei negativer endoskopischer, radiologischer und manometrischer Diagnostik die neue Technologie des Endoflip (Esoflip, Crospon, Galway, Irland) dar. Hierbei werden mittels Impedanzplanimetrie die Dehnbarkeit des ÖGÜ sowie das kontraktile Verhalten der Speiseröhre bei Dehnung untersucht. Sowohl in der Diagnostik der Achalasie bei manometrisch unklarem Befund, z. B. bei einer Aperistaltik, als auch zur Beurteilung des Therapieerfolgs nach endoskopischer und chirurgischer Therapie stellt der Endoflip eine vielversprechende Diagnostikmöglichkeit dar [15].

Therapie

1674 findet sich in der Literatur die erste Beschreibung der Achalasietherapie durch Sir Thomas Willis mittels Dilatation des Ösophagus mit einem Walknochen [17]. Die heute zur Verfügung stehenden Therapieoptionen auch für höhergradige Motilitätsstörungen zielen auf eine Verbesserung der Nahrungspassage über den ÖGÜ sowie die Prävention der Progression zum Megaösophagus ab. Die Achalasie ist als die am besten charakterisierte Funktionsstörung der Speiseröhre für die endoskopische und chirurgische Therapie am relevantesten. Für die Therapie der ÖGÜ-Obstruktion und der spastischen Motilitätsstörungen stehen noch wenig klinische Daten zur Verfügung. Dennoch werden hier vermehrt invasiv-endoskopische Therapieoptionen angewandt.

Die Therapie der Achalasie basiert auf 3 Säulen:

  1. 1.

    oral-medikamentös,

  2. 2.

    endoskopisch,

  3. 3.

    chirurgisch.

Die Wahl des Therapieverfahrens ist abhängig vom Subtyp der Achalasie sowie zudem von Alter, Komorbidität, Operationsrisiko und vorherigen Interventionen am ÖGÜ. Interdisziplinäre Leitlinien zur Behandlung der Achalasie existieren in Deutschland nicht, sodass Bezug auf die 2018 publizierte ISDE(International Society for Diseases of the Esophagus)-Leitlinie (I-GOAL) genommen wird [18].

Die invasive Therapie der höhergradigen Motilitätsstörungen und der ÖGÜ-Obstruktion basiert hauptsächlich auf Fallserien, da randomisierte, kontrollierte Studien fehlen. Zudem liegen keine Vergleichsstudien zwischen medikamentösen, endoskopischen und invasiven Therapiemethoden (perorale endoskopische Myotomie, POEM) vor.

Oral-medikamentöse Therapie

Es existiert keine Evidenz, dass Kalziumantagonisten, Nitrate oder Phosphodiesterasehemmer eine effiziente, dauerhafte Therapie beim Erwachsenen mit Achalasie oder anderen höhergradigen Motilitätsstörungen darstellen [18]. Aufgrund der kurzen Wirkdauer, der Tachyphylaxie und des Nebenwirkungsspektrums werden sie heutzutage zum „bridging“ und zur Initiierung einer der weiteren Optionen eingesetzt. Der Einsatz von Säurehemmern bei spastischen Motilitätsstörungen und bei der ÖGÜ-Obstruktion ist umstritten.

Endoskopische Therapie

Injektion von Botulinumtoxin

Eine der endoskopischen Möglichkeiten der Behandlung der Achalasie ist die Injektion von Botulinumtoxin (Botox) in den UÖS. Botulinumtoxin A, ein Neurotoxin, das die Freisetzung von Acetylcholin an den Nervenendungen im Plexus myentericus hemmt, wirkt hier der durch cholinerge Nerven gesteuerten Kontraktion des UÖS entgegen. Dies bewirkt eine bis zu 50 %ige Reduktion des Ruhedrucks des UÖS, was zu einer verbesserten Entleerung der Speisröhre führt.

Der Therapieerfolg liegt bei 75 %, wobei ältere Patienten die stärkste Symptomverbesserung aufweisen. 2 Injektionen á 100 IE (Internationale Einheiten) Botox im Abstand von 30 Tagen sind am effektivsten. Im Langzeitverlauf ist die Wirksamkeit im Vergleich zur pneumatischen Dilatation (PD) und zur laparoskopischen Heller-Myotomie (LHM) schlechter, und die Kosten sind höher [19]. Es handelt sich um eine Therapieoption für Patienten mit hoher Komorbidität, die ein invasiveres Verfahren nicht tolerieren [16, 18].

Auch bei der ÖGÜ-Obstruktion und den spastischen Motilitätsstörungen wird Botox eingesetzt, weist jedoch niedrige Erfolgsraten als bei der Achalasie auf, weswegen die Leitlinien einen eher zurückhaltenden Einsatz empfehlen [16, 20].

Pneumatische Dilatation

Die PD gilt neben der POEM als die effektivste nichtchirurgische Behandlungsmöglichkeit der Achalasie [16]. Ein Konsens über die optimale Technik der PD existiert nicht. Neben den verschiedenen Ballonsystemen sind eine Vielzahl an Vorgehensweisen hinsichtlich Ballongröße, Zeit der Inflation, Inflationsdruck und -häufigkeit der Dilatation während einer Sitzung sowie Art und Häufigkeit bei der Redilatation bzw. das Konzept der „graded dilation“, d. h. die stufenweise PD mit graduell größerem Ballondurchmesser, zur Risikoreduktion der Perforation und Steigerung der Effizienz entwickelt worden.

Der Eingriff wird in Standardsedierung durchgeführt. Nachdem ein Führungsdraht in den Magen platziert und der ÖGÜ sicher identifiziert ist, wird der Ballon über den Draht eingeführt und unter radiologischer oder endoskopischer Kontrolle über den UÖS positioniert. Anschließend erfolgt die Aufdehnung bis zum Verstreichen der Taille des Ballons. Die Prozedur wird durch eine Beurteilung zum Ausschluss von Komplikationen wie Perforation, Blutung oder Hämatom beendet. In vielen Zentren wird vor Beginn des Kostaufbaus eine zusätzliche Breischluckuntersuchung mit wasserlöslichem Kontrastmittel durchgeführt, worauf verzichtet werden kann, wenn die postinterventionelle Endoskopiekontrolle unauffällig ist.

Etwa 20–30 % aller Patienten nach PD entwickeln eine GERD

Die Perforationsrate variiert stark je nach Expertise des Endoskopikers und wird in der Literatur mit 0–10 % angegeben [2]. Große Perforationen mit Flüssigkeitsaustritt ins Mediastinum und drohender Mediastinitis müssen sofort chirurgisch versorgt werden, kleinere Defekte können in Abhängigkeit von der Klinik endoskopisch-interventionell behandelt werden. Ein hohes Lebensalter, das Vorhandensein von Ösophagusdivertikeln, ein torquierter Ösophagus, Drücke von mehr als 10–11 psi und ein großer Durchmesser des Ballons gelten als Risikofaktoren für eine Perforation. Zudem entwickeln etwa 20–30 % aller Patienten nach PD eine GERD, da – im Gegensatz zur chirurgischen Therapie – keine Antirefluxvorrichtung geschaffen wird. Diese Patienten sprechen in aller Regel gut auf Protonenpumpeninhibitoren an. Als relevante Kontraindikation für die PD wird ein reduzierter Allgemeinzustand bzw. ein multimorbider Patient angesehen, bei dem eine Notfalloperation im Falle einer Perforation zu risikoreich wäre [21].

Während die initialen Erfolgsraten der PD mit 85 % angegeben werden, liegt die Langzeitremission nach einmaliger PD nach 10 Jahren nur bei etwa 40 %, und mehr als die Hälfte der Patienten muss wiederholt dilatiert werden [22]. Patienten im Alter unter 40 Jahren scheinen besser auf die PD anzusprechen als ältere. Der beste Prädiktor für ein erfolgreiches Langzeitergebnis ist die postinterventionelle Senkung des initialen UÖS-Ruhetonus um mehr als 50 %. Patienten mit Typ-III-Achalasie und Megaösophagus sprechen hingegen nicht gut auf die PD an. Die PD bei UÖS-Obstruktion und spastischen Motilitätsstörungen weist in mehreren Studien eine Erfolgsrate von 20–60 % auf, was jedoch deutlich unter den dokumentierten Erfolgsraten der Achalasie liegt [8, 20].

Perorale endoskopische Myotomie (POEM)

Die POEM – als jüngste aller vorhandenen Methoden zur Behandlung der Achalasie – beinhaltet eine endoskopisch geführte endoluminale langstreckige Myotomie über eine mukosale Eintrittspforte im proximalen Ösophagus. Sie wurde erstmals von Inoue et al. 2010 beschrieben [23]. Die Myotomie wird von oral nach aboral bis über die Kardia hinaus in den proximalen Magen in endoskopischer Submukosadissektionstechnik (ESD) vollzogen (Abb. 3). Anschließend erfolgt in antegrader Richtung die Myotomie der nun zugänglichen Muskulatur, hierbei wird – im Gegensatz zur chirurgischen Myotomie – die innere Ringmuskulatur in aller Regel mit dem „needle knife“ mit „triangle tip“ (TT) bzw. mit dem „hybrid knife“ mit zusätzlicher Water-Jet-Funktion gespalten. Abschließend wird der proximale mukosale „entry“ mit Clips verschlossen. Der Eingriff wird normalerweise in Vollnarkose durchgeführt.

Ob eine POEM der Vorder- oder der Hinterwand des Ösophagus effizienter ist, muss noch evaluiert werden. Komplikationen sind Ösophagusperforationen, Mediastinitis, Mediastinalemphysem, Verletzungen von Aorta und Trachea sowie Vagusläsionen. Langfristig tritt eine GERD auf, da auch hier keine Antirefluxprozedur erfolgt [24]. Kurzzeitergebnisse in größeren Fallserien und Studien zeigen Erfolgsraten der POEM von mehr als 90 %. Insbesondere Patienten mit Typ-III-Achalasie profitieren von dieser Art der langstreckigen Myotomie [16].

Abb. 3
figure 3

Bei der peroralen endoskopischen Myotomie (POEM) wird zunächst durch eine Inzision im Ösophagus ein submuköser Tunnel bis über den ösophagogastralen Übergang (ÖGÜ) geschaffen (ab). Danach erfolgt die endoskopische Myotomie mit anschließendem Clipverschluss der Inzision (cd)

Auch im Bereich der spastischen Motilitätsstörungen wird die POEM eingesetzt, wobei nur Daten aus kleineren Fallserien existieren. In einer Metaanalyse mit 179 Patienten schnitt die POEM bei spastischen Motilitätsstörungen nur wenig schlechter ab als bei der Achalasie Typ III [25].

Chirurgische Therapie

Laparoskopische oder robotische Kardiomyotomie nach Heller (LHM) mit partieller Fundoplikatio

Die von Ernst Heller 1913 als „extramuköse Kardioplastik beim chronischen Kardiospasmus“ beschriebene und 1923 durch Zaaijer modifizierte Technik besteht in einer Spaltung der Hochdruckzone des UÖS mit Anlage einer partiellen Fundusmanschette als Refluxschutz [26]. Die Myotomie der Längs- und Ringmuskulatur des distalen Ösophagus erfolgt dabei, vom ÖGÜ ausgehend, über eine Distanz von 6–7 cm im distalen Ösophagus und wird anschließend über 2–3 cm auf den proximalen Magenfundus fortgesetzt (Abb. 4a). Als Antirefluxplastik wird entweder die 180° anteriore Semifundoplikatio nach Dor/Thal oder die partielle dorsale 270°-Manschette nach Toupet favorisiert (Abb. 4b, c).

Die LHM hat sich aufgrund ihrer guten Langzeitergebnisse und geringen Komplikationsraten zur First-Line-Therapie insbesondere bei jüngeren Patienten (<40 Jahre) mit Achalasie entwickelt. Auch als Rescue-Verfahren kommt sie bei Patienten mit vorheriger erfolgloser PD [19, 25], Botox-Therapie oder POEM mit guten Ergebnissen zum Einsatz. Die LHM eignet sich besonders für Patienten mit Typ-I- oder -II-Achalasie [18, 25]. Auch bei Patienten mit sigmaförmigem Megaösophagus sollte die LHM als Therapie erwogen werden. Mit einer Mortalitätsrate von 0,1 % gilt die LHM als eine der sichersten laparoskopischen Operationen in der Viszeralchirurgie. Die Häufigkeit von Mukosalazerationen des Ösophagus oder des Magenfundus während der LHM wird in der Literatur mit etwa 5–7 % angegeben, davon allerdings nur 0,7 % mit klinischer Relevanz, da sie intraoperativ erkannt und übernäht werden können.

Die LHM hat sich zur First-Line-Therapie v. a. bei jüngeren Patienten mit Achalasie entwickelt

Die minimal-invasive Kardiomyotomie nach Heller wird in der letzten Zeit auch robotisch durchgeführt. Als Vorteile hierbei werden die Angulation der chirurgischen Instrumente mit besserem Winkel bei der Myotomie, geringere Raten an intraoperativen Mukosalazerationen und die bessere Visualisation der Muskulatur der Hochdruckzone des UÖS berichtet. Langzeitdaten bzw. prospektive, randomisierte Studien zur Robotikmyotomie stehen allerdings noch aus.

Abb. 4
figure 4

Robotische Kardiomyotomie nach Heller: a Die Myotomie der Längs- und Ringmuskulatur des distalen Ösophagus erfolgt, vom ösophagogastralen Übergang (ÖGÜ) ausgehend, über eine Distanz von 6–7 cm im distalen Ösophagus und wird anschließend über 2–3 cm auf den proximalen Magenfundus fortgesetzt. b Als Antirefluxplastik im Rahmen der robotischen Kardiomyotomie favorisieren wir die vordere 180-Grad-Manschette nach Dor/Thal. c Komplettierung der vorderen 180-Grad-Manschette nach Dor/Thal als Antirefluxplastik im Rahmen der robotischen Kardiomyotomie nach Heller. (Mit freundlicher Genehmigung, © S. Niebisch, Klinik und Poliklinik für Viszeral‑, Transplantations‑, Thorax- und Gefäßchirurgie, Universitätsklinikum Leipzig, AöR; alle Rechte vorbehalten)

Im Endstadium der Achalasie mit ausgeprägtem Megaösophagus (>6 cm Durchmesser) und sigmaförmiger Konfiguration sind die oben genannten Optionen (1.–3.) nur noch wenig zielführend, sodass hier einzig die subtotale Ösophagektomie mit Schlauchmagenhochzug zielführend ist.

Vergleich der Therapieverfahren – interdisziplinäres Management

Die Wahl des adäquaten Therapieverfahrens bei der Achalasie ist komplex und muss individuell adjustiert werden. Ein möglicher Algorithmus (ausschließlich Expertenkonsensus) findet sich in Abb. 5. Wegweisend für diesen ist – neben dem Alter des Patienten mit besserem Ansprechen jüngerer Patienten auf die LHM – die präoperative Diagnostik mittels HRM [27]. Insbesondere Patienten mit Typ-I- und -III-Achalasie sprechen sehr gut auf die LHM oder die POEM an. Bei der Typ-II-Achalasie ist die LHM der POEM geringfügig überlegen [28].

Abb. 5
figure 5

Interdisziplinärer Therapiealgorithmus der Achalasie. PD pneumatische Dilatation, POEM perorale endoskopische Myotomie, LHM laparoskopische Heller-Myotomie

Die Typ-III-Achalasie hingegen stellt eine besondere therapeutische Herausforderung dar: Hier ist eine lange Myotomie indiziert (POEM oder LHM), die das spastische Segment des distalen und z. T. des mittleren Ösophagus umfasst. Die HRM-basierte Myotomie bietet aufgrund ihrer individuell angepassten Länge die optimale Voraussetzung für eine „maßgeschneiderte“, individuell der HRM-Hochdruckzone angepasste Therapie der Achalasie. Somit können bestmögliche Therapieerfolge erzielt werden. Eine prospektive europäische Multizenterstudie erbrachte keinen signifikanten Unterschied zwischen der PD und der LHM, wenngleich die Ergebnisse der Dilatation verzerrt erscheinen, da einige Patienten mit Perforation nach PD exkludiert wurden und das Studienprotokoll im Verlauf abgeändert wurde [29]. Nach einer Nachbeobachtung von mindestens 5 Jahren hatten beide Verfahren vergleichbare Erfolgsraten – ohne Unterschiede in der ösophagealen Funktion und Entleerung. Allerdings benötigten 25 % der Patienten mit PD eine Redilatation im Verlauf [21].

Zum Vergleich von LHM + Dor versus POEM wurde aktuell eine prospektive, randomisierte Studie publiziert. POEM war hinsichtlich der Symptomkontrolle nach 2 Jahren der LHM nicht unterlegen, ging allerdings mit einer relevanten GERD einher [30].

In Bezug auf die spastischen Motilitätsstörungen, die Aperistaltik und die ÖGÜ-Obstruktionen liegen keine randomisierten, vergleichenden Studien bezüglich invasiver Therapieoptionen vor. In retrospektiven Studien zum Einsatz der POEM bei spastischen Motilitätsstörungen werden Erfolgsraten von bis zu 80 %, allerdings auch längere Eingriffszeiten durch spastische Kontraktionen während der Endoskopie berichtet [8]. Die ÖGÜ-Obstruktion verschwindet häufig von selbst, weswegen primär der Ausschluss einer Pseudoachalasie und das Sistieren auslösender Medikamente empfohlen werden [15]. Bei aperistaltischen Motilitätsstörungen ohne klare Relaxationsstörung des UÖS sollte zur weiteren Diagnostik, wo möglich, eine Endoflip-Untersuchung zur Bestimmung der Dehnbarkeit des ÖGÜ erfolgen. Sollten sich Hinweise für eine Achalasie zeigen, sollte eine PD oder eine POEM erwogen werden [15, 31]. Die nach Expertenmeinung möglichen Therapieoptionen bei höhergradigen Motilitätsstörungen sind in Tab. 2 zusammengefasst.

Tab. 2 Expertenkonsensbasierte Therapieempfehlungen von Motilitätsstörungen, die nicht klar einer Achalasie zuzuordnen sind [15]

Fazit für die Praxis

  • Wichtig ist ein interdisziplinäres, stadiengerechtes Management der Achalasie und der weniger gut verstandenen höhergradigen Ösophagusmotilitätsstörungen zwischen interventioneller Gastoenterologie und Chirurgie.

  • Je nach Alter, Allgemeinzustand, Vorbehandlungen und Wunsch des Patienten steht die Chirurgie immer als Rescue-Verfahren zur Verfügung – auch bei ausbleibendem Erfolg anderer interventioneller Methoden.

  • Eine zweite Myotomie kann erfolgversprechend sein, diese wird dann eher konventionell-offen und meist im dorsalen Bereich des Ösophagus durchgeführt. Dies ist nicht nur technisch anspruchsvoller, sondern birgt auch die Gefahr der Vagusläsion.

  • Andererseits ist auch die perorale endoskopische Myotomie (POEM) als effizientes Verfahren bei Rezidiv nach laparoskopischer Heller-Myotomie (LHM) möglich. Auch hier sollte eine der Erstmyotomie ferne Stelle gewählt und das erhöhte Perforationsrisiko beachtet werden.