Das Konzept der damage control surgery

„A Patient alive at any cost, utilizing unconventional approach and abbreviated surgical technique […] and accept the morbidity of those approaches …“, so werden Ziel und Vorgehen der „damage control surgery“ (DCS) von Schwab et al. bis heute vermutlich am besten beschrieben [28]. Angelehnt an die Taktik der Marine, nach der schwer beschädigte Schiffe nach ersten, wesentlichen Maßnahmen zur definitiven Reparatur in den Hafen geschleppt werden, beschreibt die DCS ein operatives Konzept, welches Patienten, im hämorraghischen Schock und bei hochgradigen Verletzungen, ein Überleben durch abgekürzte operative Strategien ermöglichen soll [26]. Der Fokus liegt hierbei auf der Blutungs- und Kontaminationskontrolle im kleinsten Rahmen sowie dem Anspruch, das operativ notwendige Trauma auf ein Mindestmaß zu beschränken. Nach intensivmedizinischer, hämodynamischer Stabilisierung und Verbesserung der Patientenphysiologie sollen dann im weiteren Verlauf die notwendigen Folgeeingriffe stattfinden.

Bei der Analyse der Todesursachen aller zwischen 2001 und 2011 in Militäreinsätzen gefallenen US-Soldaten wird deutlich, dass das Überleben von der Effizienz der Blutstillung in Thorax und Abdomen sowie an den stammnahen Gefäßübergängen abhängt [7]. Periphere Blutungen der Extremitäten haben aufgrund der Renaissance des Tourniquet-Abbindesystems an letaler Potenz verloren.

Die DCS stellt nicht die prinzipielle Chirurgie auftretender Polytraumata dar, sie ist eine sehr seltene und nur selektiv anzuwendende chirurgische Verfahrenstechnik.

Die DCS gibt keine Überlebensgarantie, ist aber ein wichtiges Werkzeug, durch das die Mortalität Schwerstverletzter gesenkt werden kann [35].

Ob sie zum Einsatz kommen sollte oder nicht, hängt dabei von verschiedenen Triggerfaktoren ab (Infobox 1).

Infobox 1 Triggerfaktoren, die zur Aktivierung der DCS führen, modifiziert nach Parker [22] und Asensio [2]

  • Persistierende hämodynamische Instabilität,

  • multiple lebensgefährliche/penetrierende Verletzungen,

  • hochgradiger/hämorrhagischer Schock;

  • ISS (i„njury severity score“) >35,

  • persistierende Azidose (pH < 7,2),

  • manifeste Koagulopathie,

  • Hypothermie (Körperkerntemperatur unter 35  C),

  • Massentransfusion (>10 EK),

  • Notwendigkeit einer Schockraumthorakotomie/Laparotomie,

  • Notwendigkeit einer zusätzlichen Angioembolisation,

  • MANV (Massenanfall von Verletzten).

Als hämodynamisch instabil werden, laut des American College of Surgeons, Patienten mit einem systolischen Blutdruck von unter 90 mm Hg, einer Herzfrequenz von über 120/min, in Kombination mit Vasokonstriktion, Kurzatmigkeit und vermindertem Bewusstsein, bezeichnet [1].

Die DCS kommt bei Indikationsstellung bei allen Verletzungsarten, also stumpf wie penetrierend, zum Einsatz. Einen besonderen Stellenwert hat sie beim Terroranschlagtrauma. Hierunter werden Massenanfälle von Verletzten (MANV), mit Verletzungsmustern aus Explosionstrauma („blast injury“), Schuss-und Stichverletzungen oder ihrer Kombination, zusammengefasst. Dabei stellen die hohe Anzahl komplexer Polytraumata, limitierter Rettungs- und Versorgungsressourcen und persönliche fachliche Kompetenz und Erfahrung des Operateurs bei der Versorgung dieser Verletzungen entscheidende Faktoren dar.

Die DCS ist auch im Rahmen der Versorgung von Polytraumata in deutschen Kliniken nur selten indiziert. So können unter effizienten Stabilisierungs- und Korrekturmaßnahmen der Patientenphysiologie („damage control resuscitation“ – DCR) auch verkürzte chirurgische Techniken zum Einsatz kommen, ohne dass die DCS durchgeführt werden muss. Eine Übersicht über die möglichen Therapieansätze zeigt Abb. 1.

Abb. 1
figure 1

Therapieansätze in Abhängigkeit von Hämodynamik und Triggerfaktoren

Das Konzept der damage control resuscitation

In den letzten Jahren hat sich die DCS in ein Konzept der damage control resuscitation (DCR) eingefügt. Unter dem Begriff der DCR werden beim Schwerstverletzten verschiedene Ansätze zur Stabilisierung der Patientenpathophysiologie, seiner Gerinnungskompetenz und der Gewebeoxygenierung zusammengefasst [33].

Die DCS stellt dabei eine der Komponenten der aktiven Blutstillung dar. Weitere aktive Komponenten sind die radiologisch interventionellen Verfahren. Diese werden als „damage control radiology“ (DCRad) bezeichnet. Grundlage für diese Maßnahmen ist die hämodynamische Stabilisierbarkeit des Patienten. In der Minimierung des therapeutischen Traumas positioniert sich dabei die DCRad zunehmend.Die Massnahmen der DCR beinhalten die permissive Hypotension bis zur erfolgreichen chirurgischen oder radiologischen Blutstillung und den frühen Einsatz von Plasma. Weitere Komponenten stellen die konsequente medikamentöse Gerinnungsoptimierung und das Erreichen einer Normothermie dar.

Im Behandlungsfokus steht die Durchbrechung des Teufelskreises aus Koagulopathie, systemischer Azidose und Hypothermie.

Diese Faktoren verstärken sich gegenseitig eskalierend. Gegenmaßnahmen zur Korrektur und zur Unterbrechung dieser letalen Triade müssen frühzeitig und konsequent eingeleitet und durchgeführt werden. So beinhaltet die DCR auch die Option potenzielle Triggerfaktoren (Azidose, Koagulopathie u. a.) zu verhindern, und damit auch die Notwendigkeit einer DCS-Prozedur zu reduzieren. DCR und DCS können heute nur noch gemeinsam betrachtet werden. Abb. 2 zeigt das Säulenmodell der damage control resuscitation.

Abb. 2
figure 2

Säulenmodell der damage control resuscitation

Damage control surgery des Thorax

Das Thoraxtrauma stellt eine der häufigsten Zusatzverletzungen beim polytraumatisierten Patienten dar. In 80–85 % der Fälle kann es als begleitende Verletzung durch einfache Maßnahmen, z. B durch Anlage einer Thoraxdrainage, bereits präklinisch suffizient behandelt werden [12]. Beim Auftreten eines Spannungspneumothorax ist die direkte, unmittelbare Entlastungspunktion, sowie die Anlage einer Drainage lebensrettend. Insgesamt stellt dieser eine der häufigsten vermeidbaren Todesursachen beim Traumapatienten dar [13]. Das Thoraxtrauma ist zudem eine extrem variable und schwere Verletzungsform, da es, durch die Schädigung der Lungenfunktion auf zellulärer Ebene, als Begleitverletzung einen relevanten Einfluss auf das Überleben der Betroffenen hat. So kann die Schädigung der Lunge bei Kontusion, über den verminderten Gasaustausch des Parenchyms, bis zum letalen ARDS („acute respiratory distress syndrome“) führen, auch ohne das initiale Auftreten stumpfer Thoraxtraumata. Die Anlage einer Thoraxdrainage, die den größten Anteil thorakaler Verletzungen im Schockraum schon zu therapieren vermag, ist einfach und wenig aufwendig. Umso komplexer sind die Schädigungen, die tatsächlich eines operativen Eingriffs bedürfen. Die damage control thoracic surgery (DCTS) stellt ein Extremszenario dar.

Verglichen mit der DCS des Abdomens finden sich in der Literatur der DCTS weit weniger, vor allem retrospektiv, untersuchte Patienten.

Die Indikation zur DCTS wird, wie im Abdominalbereich auch, bei Vorliegen spezifischer Triggerfaktoren gestellt ([5]; Infobox 2).

Infobox 2 Indikationen zur Notfallthorakotomie beim penetrierenden Trauma und hämodynamischer Instabilität, modifiziert nach Clarke [5]

  • Initialer Blutverlust >1,5 l oder >400 ml/h in 2 h, oder >200 ml/h in 5 h,

  • großer Thoraxwanddefekt,

  • Tracheobronchiale Verletzungen,

  • zentrale Lungenruptur,

  • Persisterende, hämodynamische Instabilität bei penetrierendem Trauma,

  • transmediastinale Schussverletzung,

  • traumatische Ösophagusruptur,

  • hämodynamisch relevante Herzbeuteltamponade,

  • Notwendigkeit einer offenen Herzmassage.

In der DCTS wird die Notfallthorakotomie standardisiert als anterolaterale Thorakotomie durchgeführt, da sie, im Gegensatz zum posterolateralen Zugang, auf zeitaufwendige Lagerungsmaßnahmen verzichten kann (Abb. 3). Sie kann als sog. Clamshell-Inzision bis zur Gegenseite erweitert werden. Patienten mit zentralen, mediastinalen Verletzungen werden i. d. R. sternotomiert.

Abb. 3
figure 3

DCTS-Oberlappenresektion bei Schussverletzung der rechten Thoraxhälfte

In ihrer retrospektiven Übersichtsarbeit beschreiben O’Connor et al. die verschiedenen Verfahren der DCS, insbesondere das thorakale Packing (intrathorakale Tamponade) und den temporären Verschluss, die in einem relevanten 10-Jahres-Kollektiv zusammengefasst wurden [19]. Hierbei lag die Mortalität bei 23 %. Als Prädiktoren hierfür konnten ein hoher „injury severity score“ (ISS), die Entwicklung eines Nierenversagens und die Notwendigkeit der ECMO („extracorporal membrane oxygenation“)-Therapie identifiziert werden. Andere Autoren bestätigen die Vorteile des Packing bei persistierenden Blutungen der Lungen, der Wirbelkörper und der Thoraxwand [16].

Bei relevanten arteriellen Gefäßverletzungen, wie der Aortenruptur, haben sich endovaskuläre Verfahren, z. B. der endovaskuläre Aortenrepair (EVAR) bewährt, und sollten, bei gegebener interventioneller Bereitschaft und Durchführbarkeit, bevorzugt werden.

Weitere abgekürzte DCTS-Maßnahmen werden in Infobox 3 dargestellt.

Infobox 3 DCTS(damage control thoracic surgery)-Techniken, modifiziert nach [9]

  • Schnelle Notfallthorakotomie via anterolateralem Standardzugang im 5. Interkostalraum,

  • „nichtanatomische“ Lungenresektionen mittels Stapler,

  • „en masse“ Lobektomie/Pneumonektomie,

  • kompletter Verschluss der Thoraxwandmuskulatur,

  • temporärer Patch-Verschluss von Thoraxwanddefekten,

  • Gefäßinterventionen (Ligaturen/Shunts, Ersatz),

  • temporäres thorakales Packing bei diffuser Blutung,

  • Operationszeit: 60 bis max. 90 min.

Die Schockraumthorakotomie gilt als Ultima ratio bei Patienten unter absoluten Extrembedingungen. Grundsätzlich ist sie mit einer sehr schlechten Prognose verbunden, wobei sich die Studiendaten für das stumpfe und das penetrierende Trauma unterscheiden. So haben penetrierende Verletzungen eine gering bessere Überlebenschance. Eine mehr als 10-minütige erfolglose Reanimation beim stumpfen Thoraxtrauma bzw. eine über 15-minütige bei penetrierenden Thoraxverletzungen sind nahezu immer mit letalem Ausgang verbunden. [15].

Für die Traumapneumektomie findet sich in der Literatur im Idealfall eine Überlebensrate von 42 % [10].

Der „extracorporal lung support“ (ECLS), und die bereits erwähnte Verwendung der ECMO, stellen beim schweren Thoraxtrauma mit akutem Lungenversagen eine empfehlenswerte Therapieoption dar [25].

Nach initialen DCTS-Verfahren wird die weitere operative Versorgung erst nach erfolgreicher DCR, mit Stabilisierung der Patientenphysiolgie, durchgeführt. Hierzu zählen das „Entpacken“ des Thorax, der sekundäre Thoraxverschluss, Hämatomausräumungen, Empyementlastungen, wie auch nachträglich notwendige Resektionen.

Damage control surgery des Abdomens

Der Ursprung der chirurgischen Damage-control-Verfahren liegt in der ultraschnellen Exploration, der verkürzten und gegebenenfalls improvisierten Blutstillung, sowie der Kontaminationskontrolle des Abdomens. Klare Indikationen zur Notfalllaparotomie bestehen beim Vorliegen von sonographisch nachweisbarer, freier Flüssigkeit im Abdomen (FAST –„Focused assessment with sonography for trauma“ positiv), beim dauerhaft hämodynamisch instabilen Patienten, bei Eviszeration und bei Peritonitis [24]. Die mediane Laparotomie stellt in der abdominellen Traumatherapie weiterhin den Standard dar.

Nach erfolgter Laparotomie liegt der Schlüssel zur suffizienten Exploration des Abdomens in der Eviszeration des gesamten Dünndarms, und dem nachfolgenden, systematischen Packing aller Quadranten mit je 2–3 Bauchtüchern. Nach Entfernung des Blutes kann exploriert werden.

Retroperitoneale Verletzungen können rechtsrotierend durch das Cattel-Braasch-Manöver, der Lösung des Duodenums und des rechten Kolons, exploriert werden [4]. Die Komplettmobilisation des linken Kolons, sowie des Pankreasschwanzes und der Milz, ermöglicht die Exploration des Retroperitoneums und der zentralen Gefäßzugänge von der Gegenseite aus (Mattox-Manöver). Die abdominelle DCS verzichtet dabei weitgehend auf rekonstruktive Maßnahmen. Das heißt, grundsätzlich wird die venöse Blutstillung durch Ligatur oder Packing, und die arterielle durch Ligatur, Nähte oder Shuntverfahren erreicht.

Eine suffiziente, schnelle Kontaminationskontrolle wird durch Resektion und Blindverschluss des Darms erreicht. Anastomosen und Stomata sind in der DCS-Situation obsolet. Abschließend wird das gesamte Abdomen mit warmer Kochsalzlösung gespült, und ein Laparostoma angelegt [20].

Die weitere operative Versorgung, die Entfernung des Packing und die anatomiegerechte Rekonstruktion oder Stomaanlage erfolgt frühestens 24 h und spätestens 72 h nach der intensivmedizinischen Optimierung und Stabilisierung. Nach dieser Behandlungsphase sollte ein frühestmöglicher Verschluss des Laparostoma angestrebt werden.

Eine Übersicht der DCS-Verfahren für das Abdomen zeigt Tab. 1.

Tab. 1 DCS Abdomen – Techniken

Organbezogene Techniken

Verfahren bei Milzverletzungen

In der DCS-Situation gibt es beim Milztrauma nur eine Option, die Splenektomie. Während sich der operative Anspruch beim Monotrauma der Milz, und beim hämodynamisch stabilen Patienten, eindeutig in Richtung des Milzerhaltes oder des nichtoperativen Vorgehens verschiebt, sind derartige Ansätze bei der DCS nicht vorgesehen.

Therapeutische Ansätze, wie die selektive Angioembolisation (künstlicher Verschluss von Blutgefäßen), beweisen bei hämodynamisch stabilisierbaren Patienten, anhand von prospektiv erhobenen Daten, ihre Vorteile, und stellen für diese Patienten eine echte Alternative dar [14]. Das gilt für die unmittelbar durchführbare Intervention. Unter optimalen klinischen Bedingungen ist auch die konservative Therapie der hämodynamisch stabilen Milzlazeration mittlerweile durch Studien belegt. Selbst unter eingeschränkten Bedingungen entsteht, auch bei verzögerter Indikationsstellung und sekundärer Splenektomie, kein signifikanter Nachteil hinsichtlich der Gesamtmortalität [36].

Verfahren bei Leberverletzungen

Die DCS-Techniken der Leberblutstillung bei hämodynamischer Instabilität gehören notwendigerweise mit zu den variabelsten. Initiales und zentrales Manöver ist die bimanuelle Kompression („push“) der Leber und die Reposition an den ursprünglichen Platz. Das Leberpacking fixiert die anatomische Reposition und die Kompression („pack“) bei venösen Blutungen und zählt zu den essenziellsten Manövern [6]. Nach Mobilisation der Leber und Durchtrennung ihrer Bänder erfolgt das Einlegen von Bauchtüchern subhepatisch, sowie dorsoparakaval. Eine Behinderung des venösen Abstroms aus den Lebervenen durch „Überpacken“ muss unbedingt vermieden werden.

Bei allen Formen der venösen hepatischen Blutung empfiehlt sich der anästhesiologisch angepasste, soweit als möglich reduzierte, Beatmungsüberdruck (PEEP), um den Druckgradienten im Rückstromgebiet der V. cava cranialis und caudalis so gering wie möglich zu halten.

Da arterielle Blutungen nicht durch ein Packing zu stillen sind, ist die zentrale Kompression der arteriovenösen Blutzufuhr im Lig. hepatoduodenale (Pringle-Manöver) der nächste Deeskalationsschritt zur Blutungskontrolle bzw. zur Übersicht. Dann schließen sich venöse Ligaturen, bzw. nichtanatomische Resektionen an. Die Pfortader sollte dabei aufgrund konsekutiver, hochgradiger Ischämie rekonstruiert werden [23]. Bleibt ein Nahtversuch bei arterieller Gefäßverletzung erfolglos, bleibt letztlich die Ligatur.

Alternative und erfolgreich beschriebene DCS-Techniken bei tiefen, insbesondere penetrierenden Leberverletzungen stellen Ballonsondenkatheterisierungen dar [8].

Eine Übersicht über die DCS-Techniken bei Leberverletzungen gibt Abb. 4.

Abb. 4
figure 4

Übersicht der DCS-Techniken bei Leberverletzung

Anders dagegen ist die Datenlage bei Polytraumapatienten ohne DCS-Indikation. Hier haben sich mittlerweile die Empfehlungen des nichtoperativen Managements (NOM) und einer nichtoperativen, selektiv angiographischen Intervention, insbesondere für Leberverletzungen, positiv herauskristallisiert. So haben Shrestha et al. entdeckt, dass gerade unter effektiven DCR-Maßnahmen – also stabilen oder stabilisierbaren Kreislaufbedingungen – insbesondere hochgradige Leberverletzungen von einer selektiven Angioembolisation im Ergebnis profitieren [30].

Verfahren bei Dünn- und Dickdarmverletzungen

Muss aufgrund vorliegender Triggerfaktoren die Indikation zur DCS-Versorgung bei Kolon- bzw. Dünndarmverletzungen gestellt werden, wird lediglich das Fortschreiten der Kontamination gestoppt. Hierzu erfolgt die sichere Kontrolle durch Stapler- oder Nahtverschluss. Die anschließende Spülung des Abdomens mit vorgewärmter Kochsalzlösung dient, neben der Lavage und der damit verbundenen Keimreduktion, auch dem Anheben der Körperkerntemperatur und damit der physiologischen Gerinnungsoptimierung.

Primäre Anastomosen sind in der reinen DCS-Prozedur nicht vorgesehen. Nach Laparostomaanlage sollte die Anastomosierung blindverschlossener Kolonanteile allerdings spätestens nach 24 bis 72 h erfolgen, da sich die Dauer der offenen Abdominalbehandlung und die damit einhergehende Morbidität erhöhen.

Insbesondere bei Schuss- und Explosionsverletzungen müssen Barotraumen des Darmgewebes, mit sekundärer Ischämie und verzögerten Perforationen, berücksichtigt werden [31]. Die Gewebeschädigung durch Druckwellen muss initial nicht sichtbar sein, und sollte bei Verletzungen immer als potenziell nächste Komplikation mit bedacht werden.

Während auf der einen Seite die primäre Anastomosierung für mono- oder oligotraumatische Darmverletzungen eine adäquate Therapieoption darstellt, sind sie im DCS-Ansatz mit Laparostoma nachweislich mit einer deutlich erhöhten Insuffizienzrate verbunden [21, 32].

Verfahren bei Pankreasverletzungen

Bei Pankreasverletzungen werden, aufgrund des seltenen Vorkommens und der eher schwachen Datenlage beim Trauma, diverse chirurgische Behandlungsstrategien diskutiert. Hinsichtlich der reinen DCS-Techniken konzentrieren sich die Empfehlungen letztlich auf das Packing mit Drainageeinlage direkt an der Pankreasläsion [29]. Relevant ist hier, ob eine Pankreashauptgangverletzung vorliegt, da sich dann sekundäre Rekonstruktionen meist nicht vermeiden lassen, und diese initial zumindest eine Drainage benötigen. Primäre Resektionen bzw. Rekonstruktionen sind absolute Ausnahmen und bewegen sich außerhalb der DCS-Strategie.

Verfahren bei Gefäßverletzungen

Bei arteriellen, abdominellen Gefäßverletzungen können im Rahmen der DCS der Tr. coeliacus, die A. mesenterica inferior sowie die A. iliaca interna (unilateral) ligiert werden. Hingegen erfordern Verletzungen der A. mesenterica superior und der A. renalis eine arterielle Rekonstruktion [18].

Auch wenn im Fall der DCS, mit Ausnahme der Pfortader, nahezu jede Venenligatur notwendig sein kann, und durchgeführt werden darf, sollten Venen ab einem Durchmesser wie z. B. der V. poplitea rekonstruiert werden, sofern der Zustand des Patienten dem nicht entgegen steht.

Als Ultima ratio zur Okklusion der supradiaphragmalen Aorta, bei nichtkomprimierbaren, abdominellen Blutungen, steht dem thorakalen oder hiatalen Ausklemmen der Aorta mit der „resuscitative endovascular balloon occlusion of the aorta“ (REBOA), ein endovaskulärer Ansatz gegenüber [17].

Wie wichtig relevante, gefäßchirurgische Grundkenntnisse und DCS-Techniken (z. B. Shuntverfahren) insbesondere beim Terroranschlagtrauma sind, zeigen die Daten von Heldenberg et al. [11]. Hiernach erhöht sich die Anzahl der Gefäßverletzungen beim Terroranschlagtrauma um den Faktor 10, von 1 auf 10 %.

Verfahren bei Bauchhöhlenverletzungen – Laparostoma

Im Rahmen der DCS wird das Abdomen nach initialer Stabilisierungsoperation nicht verschlossen. Zum einen muss ein abdominelles Kompartmentsyndrom (ACS) unbedingt verhindert werden. Zum anderen können überblähte, bzw. gestaute Darmschlingen zudem den Verschluss des Abdomens technisch unmöglich machen.

Speziell bei Schuss- und Explosionsverletzungen kann das definitive Ausmaß der eigentlichen Schädigung (Minderperfusion) initial kaum abgeschätzt werden.

Hier gibt nur das Laparostoma mit geplanter, obligater Reexploration und sekundärem Verschluss die höchstmögliche Sicherheit.

On-demand-Verfahren bringen den Patienten aufgrund seiner massiv beeinträchtigten Physiologie in Lebensgefahr.

Die relevantesten Komplikationen der offenen Abdominalbehandlung waren, in der Vergangenheit, die Faszienretraktion mit unzureichenden Verschlussraten, sowie die Ausbildung von Darmfisteln. Standardisierte Verfahren, mit Konzentration auf bestimmte Therapieprinzipien, haben nachweislich zur Verbesserung der Faszienverschlussraten, und ebenso zur Reduktion der enteroatmosphärischen, bzw. enterokutanen Fisteln, geführt. So hat die Morbidität des Laparostoma an Relevanz eingebüßt.

Bei der Auswertung des eigenen Patientenguts wurden und werden die Faszienverschlussraten und Fistelungen unter standardisierter Laparostomatherapie nach dem „Koblenzer Algorithmus“ erfasst [34]. Der Algorithmus basiert auf einem intialen, vakuumassistierten Bauchdeckenverschluss, in den spätestens bei erneuter Operation in die Faszienränder ein Vicrylnetz eingenäht wird, um die Retraktion der Faszie zu verhindern, und sie im Verlauf aktiv anzunähern. Der Darm darunter wird durch ein Folienschwammsystem vollständig geschützt. Das eingenähte Netz wird im Rahmen jeder Kontrolle eröffnet, und, im Anschluss an die Lavage und den Vakuumsystemwechsel, konstant faszienannähernd verschlossen. Es wurden bis zum Jahr 2012 insgesamt Krankengeschichten von 53 Patienten ausgewertet. Die Faszienverschlussrate lag in der Per-protocol-Analyse bei 89,4 %. Eine Fistel trat während der Therapie nicht auf.

Die Arbeitsgruppe um Atema und Boermeester haben in ihrer Metaanalyse von mehr als 4000 Patienten im Jahr 2015 in 74 Studien zum Laparostoma und seinen abdominellen Verschlusstechniken die insgesamt deutlich verbesserten Ergebnisse zu den Faszienverschlussraten aufgezeigt. Sie unterstreichen aber auch sehr beeindruckend das Fehlen einer Datenlage von starker Evidenz [3].

Abb. 5 zeigt die DCS-Versorgung einer 22-jährigen, hypotonen und hypothermen (33,6  C) Fahrradfahrerin, mit multiplen abdominellen Verletzungen und gleichzeitiger Fraktur aller langen Röhrenknochen der beiden unteren Extremitäten, durch ein viszeral- und unfallchirurgisches Operationsteam (Dauer 70 min).

Abb. 5
figure 5

DCS-Versorgung einer polytraumatisierten Patientin mit multiplen abdominellen Verletzungen und Frakturen der Ober- und Unterschenkel beidseits durch ein viszeral- und unfallchirurgisches Operationsteam

Laparostoma-Register

Die Datenlage insbesondere für Studien mit hoher Evidenz ist nach wie vor sehr schwach. Ferner sind die Patientengruppen sehr inhomogen. Das Erreichen eines ausreichenden Evidenzniveaus wird somit nur durch standardisierte, prospektive, multizentrische Datenerfassung möglich sein. Daher wurde zur Verbesserung des Evidenzgrades durch die Chirurgische Arbeitsgemeinschaft für Militär- und Notfallchirurgie (CAMIN) der DGAV (Deutsche Gemeinschaft der Allgemein- und Viszeralchirurgie) das Laparostoma-Register implementiert. Ziel des Registers ist die bundes- bzw. auch europaweite Erfassung von Laparostomapatienten. Weiterhin soll die Qualitätssicherung unterstützt, und nachfolgend die Standardisierung von Therapiekonzepten geplant werden. Die Datenerfassung erfolgt derzeit über die EuraHS-Plattform (www.eurahs.eu). Zukünftig wird diese über das Studien-, Dokumentations- und Qualitätszentrum (StuDoQ-System) der DGAV geführt.

Differenzierte Anwendung der Damage control surgery

Die Anwendung der DCS kommt nur für wenige Patienten infrage. Aufgrund der mit ihr einhergehenden, potenziell erhöhten Morbidität, muss der Fokus der Datenerhebung zukünftig auf die spezifische Indikationsstellung gerichtet sein. Durch die Implementierung und Verbreitung der damage control resuscitation und ihrer konsequenten Anwendung kann die Indikation zur DCS möglicherweise weiter reduziert werden [27]. Durch die damit erreichbare hämodynamische Stabilisierbarkeit werden auch interventionelle, radiologische Verfahren, wie z. B. die selektive Angioembolisation, ihre atraumatischen Vorteile weiter nachweisen können. Eine unkritische Anwendung der DCS ist auch weiterhin unbedingt zu vermeiden.

Dennoch muss man diese Entwicklungsschritte in der Versorgung von Schwerstverletzten im Rahmen der chirurgischen Flächenversorgung Deutschlands betrachten. So verfügen zwar die zertifizierten, überregionalen Traumazentren in Deutschland über eine quasi uneingeschränkte radiologische Interventionsbereitschaft, dies trifft aber bei Weitem nicht auf die übrige Krankenhauslandschaft zu. Da insbesondere bei Terroranschlagtraumen, oder Großschadensereignissen mit einem Massenanfall von Verletzten, grundsätzlich jeder Allgemein-, Viszeral- oder Unfallchirurg, ganz gleich in welchem Krankenhaus, gefordert sein kann, ist die Notwendigkeit des Wissens um die DCS-Techniken und deren Beherrschung aktueller denn je.

Fazit für die Praxis

  • Das Beherrschen der DCS-Verfahren des Thorax und des Abdomens, sowie die Kenntnis und Umsetzung der damage control resuscitation ist Voraussetzung für die erfolgreiche Behandlung polytraumatisierter Patienten mit DCS-Indikation.

  • Die Ziele der DCS sind die Blutungs- und Kontaminationskontrolle unter Minimierung des zusätzlichen, operativen Traumas und die schnellstmögliche Verbesserung der Patientenphysiologie.

  • Das Durchbrechen bzw. Verhindern der letalen Triade erfolgt auf der Intensivstation, nicht im Operationssaal.

  • Die DCS ist selten und nur mit strenger Indikation anzuwenden, rettet dann aber Leben.

  • Die unkritische Anwendung der DCS erhöht die Morbidität.

  • Zur Verbesserung des Evidenzgrades der offenen Abdominalbehandlung wurde ein Laparostoma-Register eingeführt, www.eurahs.