Der Facharzt für Gefäßchirurgie ist in der Weiterbildungsordnung (WBO) der Ärztekammern verankert. Die endovaskulären Techniken sind bereits in der aktuellen Fassung fester Bestandteil dieser WBO. Art und Umfang der geforderten Weiterbildung befinden sich jedoch aufgrund der rasanten Entwicklung endovaskulärer Verfahren nicht mehr auf dem heute praktizierten und etablierten Niveau moderner Gefäßtherapie.

Um diesem Sachverhalt Rechnung zu tragen, war durch die Sektion für endovaskuläre Techniken der DGG bereits 2007 ein Curriculum mit einem begleitenden Kurssystem entwickelt worden, welches Gefäßchirurgen mit Facharztstatus ermöglichen sollte, ihre Kenntnisse in diesem Bereich der Gefäßmedizin zu vertiefen [1]. Der Nachweis der Kursteilnahme sowie die Vorlage einer im Curriculum geforderten Anzahl von selbstständig durchgeführten Eingriffen mündeten in die Zertifizierung zum „Endovaskulären Chirurgen“ als Nachweis einer breit gefächerten endovaskulären Weiterbildung und zum „Endovaskulären Spezialisten“ als eine darüber hinausgehende Qualifikation zur eigenständigen Durchführung komplexer endovaskulärer Prozeduren.

Diese Zertifikate haben seit 2007 den Prozess einer Markenbildung durchlaufen und sich als feststehende Größe etabliert. Einige Ärztekammern haben bei der Vergabe von Weiterbildungsermächtigungen Wert auf deren Nachweis gelegt. Auch bei forensischen Fragestellungen, z. B. in Bezug auf die Qualifikation von Operateuren, war der Nachweis von großer Wichtigkeit. Die Begriffe „Endovaskulärer Chirurg“ und „Endovaskulärer Spezialist“ haben sich somit als Marken etabliert. Vermutlich nicht zuletzt aufgrund der Anerkennung dieser Zertifikate über die Fachgesellschaft hinaus haben Kardiologen und Angiologen ein eigenes Fortbildungskonzept im Jahre 2012 vorgelegt [2].

Die rasante Weiterentwicklung der endovaskulären Techniken auf dem arteriellen wie venösen Sektor hat eine Aktualisierung des Curriculums notwendig gemacht. Zudem soll die Vermittlung der aktualisierten Lerninhalte mit einem Mehr an didaktischer Kompetenz erfolgen. Nach entsprechendem Abstimmungsprozess zwischen dem Vorstand der DGG und der Sektion für endovaskuläre Techniken möchten wir Ihnen im Folgenden das neue Konzept vorstellen, welches die bisherige Regelung ab 1.1.2017 ablöst.

Allgemeines

Ähnlich wie die in Erarbeitung befindliche Novelle der Weiterbildungsordnung ist auch das neue Curriculum kompetenzbasiert. Es sind insgesamt 3 Kompetenzlevel zu durchlaufen.

Im Level 1 geht es um den Erwerb von allgemeinen und organbezogenen Kenntnissen. Dieser Level wird durch den Besuch angebotener Kurse absolviert. Die Inhalte für die Kurse sind in diesem Curriculum festgeschrieben. Jeder Kursveranstalter wird zudem optional, ab 2018 verbindlich, für seine Kurse einen Syllabus erstellen, dem neben den Lernzielen auch die angewandten Lernmethoden und die kursbezogenen Literaturangaben zum Selbststudium zu entnehmen sind. Schwerpunkt der Kurse soll weiterhin die Vermittlung praktischer Fähigkeiten sein. Es werden daher immer auch Übungen am Simulator, „live cases“ oder Fallbesprechung mit Videodokumentation obligater Bestandteil eines Kurses sein.

Um die Qualität der Kurse zu gewährleisten, werden diese zuvor von der Privaten Akademie der DGG zertifiziert. Zudem sind die Kursleiter aufgefordert, bis 2018 einen Kurs zu absolvieren, der sich inhaltlich mit der didaktisch kompetenten Vermittlung von Wissen beschäftigt, sog. Train-the-trainer-Kurs. Ein solcher Kurs wird beispielsweise während des Konvents im Frühjahr 2017 angeboten. Es ist das Ziel der DGG, nicht nur inhaltlich, sondern auch pädagogisch ein hohes Niveau bei den Kursen bieten zu können. Ausgehend von den endovaskulären Kursen wird nach und nach das gesamte Kurskonzept der Privaten Akademie der DGG in dieser Form überarbeitet werden.

Beim Level 2 steht der Erwerb praktischer Erfahrungen durch Assistenzen sowie assistierte Prozeduren im Mittelpunkt. Ferner sollen aufgrund der gesammelten praktischen Erfahrungen Grundkenntnisse beim Komplikationsmanagement erworben bzw. vertieft werden. Ein spezieller Nachweis für die Absolvierung des 2. Levels ist nicht erforderlich.

Nach Durchlaufen dieses zweiten Levels soll im 3. Level nachgewiesen werden, dass die in Frage kommenden Eingriffe selbstständig durchführt werden können. Ähnlich wie in der Weiterbildungsordnung sind hier in den meisten Kategorien Richtzahlen hinterlegt. Das Erreichen dieser Richtzahl ist durch Vorlage eines Logbuches mit laufenden OP-Ziffern nachzuweisen. Diese Anzahl ist so bemessen, dass der Erwerber auch praktisch und nachvollziehbar zum Komplikationsmanagement befähigt sein soll. Eine Fokussierung auf nur wenige Kliniken, in denen man diese Kompetenzen erwerben kann, wurde bewusst vermieden.

Das neue Curriculum ist kompetenzbasiert. Es muss daher die erworbene Kompetenz vor Erteilung des Zertifikates nachgewiesen werden. Dieser Nachweis erfolgt durch eine Prüfung. Zu dieser Prüfung kann sich nur anmelden, wer

  1. 1.

    die erforderlichen Kurse absolviert hat,

  2. 2.

    die Fachkunde im Strahlenschutz für das Organgebiet Gefäße sowie die darauf aufbauende Fachkunde für Interventionen und

  3. 3.

    anhand des Logbuchs das Erreichen der Richtzahlen

nachweisen kann.

Das neue Curriculum ist kompetenzbasiert

Die Prüfungen haben einen theoretischen und einen praktischen Teil. Bei der Überprüfung der Theorie geht es um die Kenntnisse der aktuellen Datenlage und ggf. gültiger Leitlinien in den zu prüfenden Bereichen. Eine Publikationsanalyse, wie sie bei der europäischen Prüfung erforderlich ist, wird nicht erwartet. Zudem soll der Kandidat am Simulator nachweisen, dass er während seiner Ausbildung ausreichende handwerkliche Fähigkeiten erworben hat. Die Prüfungen werden an zentralen Veranstaltungen der DGG, z. B. während des Jahreskongresses, der Sommerakademie oder der Frühjahrstagung, regelmäßig angeboten.

Nach bestandener Prüfung erhält der Kandidat das Zertifikat „Endovaskulärer Chirurg“ oder „Endovaskulärer Spezialist“.

Begriffsdefinition nach neuem Curriculum

„Endovaskulärer Chirurg“

Hierbei handelt es sich weiterhin um das Basiszertifikat. Es beinhaltet folgende Module, für die allesamt die Kompetenzen im Level 1 und 3 nachgewiesen werden müssen. Die einzelnen Inhalte und Richtzahlen sind festgelegt (Tab. 1):

  1. 1.

    Grundkenntnisse endovaskulären Arbeitens.

  2. 2.

    Endovaskuläre Behandlung des infrarenalen Bauchaortenaneurysmas mittels Endoprothesen (EVAR).

  3. 3.

    Endovaskuläre Behandlung der Aorta und der Beckenetage bei pAVK.

  4. 4.

    Endovaskuläre Behandlung der Oberschenkeletage bei pAVK.

Nach Durchlaufen aller Kompetenzlevel kann der abschließende Nachweis durch die Prüfung erfolgen.

Tab. 1 Zertifikat „Endovaskulärer Chirurg“

„Endovaskulärer Spezialist“

Für dieses weiterführende Zertifikat ist der vorherige Erwerb des Zertifikats „Endovaskulärer Chirurg“ Voraussetzung.

Insgesamt besteht dieses Zertifikat aus 7 unterschiedlichen Modulen.

Da nicht jeder alles vorhält, müssen 4 der 7 Module in allen 3 Kompetenzleveln durchlaufen werden. Auch hier sind die Inhalte und die Richtzahlen festgelegt.

Folgende Module stehen zur Auswahl (Tab. 2):

  1. 1.

    Endovaskuläre Behandlung der supraortalen und suprakardialen Gefäße.

  2. 2.

    Endovaskuläre Behandlung des thorakalen Aortenaneurysmas.

  3. 3.

    Endovaskuläre Behandlung der Viszeralgefäße einschließlich fenestrierter und gebranchter Endoprothesen.

  4. 4.

    Endovaskuläre Behandlung von Dialyseshunts.

  5. 5.

    Endovaskuläre Behandlung der Unterschenkeletage bei pAVK.

  6. 6.

    Endovaskuläre Behandlung der tiefen Venen.

  7. 7.

    Endovaskuläre Behandlung besonderer Entitäten:

    1. a.

      Cava superior und inferior,

    2. b.

      Trauma,

    3. c.

      Lungenarterienembolie,

    4. d.

      AV-Malformationen.

Auch hier steht am Ende vor Erteilung des Zertifikats eine Überprüfung. Die Prüfungsinhalte stammen ausschließlich aus den 4 Modulen, die vom Kandidaten gewählt worden sind.

Tab. 2 Zertifikat „endovaskulärer Spezialist“

Weitere Neuerungen

Aufgrund der schnellen Entwicklung der auf dem endovaskulären Sektor zur Verfügung stehenden Systeme, haben sich DGG-Vorstand und Sektion dahingehend geeinigt, die Laufzeit der Zertifikate auf 5 Jahre zu befristen. Die Frist wird automatisch verlängert, sobald der Inhaber des Zertifikats nachweisen kann, dass er im 5‑Jahres-Zeitraum an einem von der Akademie ausgeschriebenen Auffrischungskurs (z. B. technisches Forum) teilgenommen hat.

Die Laufzeit der Zertifikate ist auf 5 Jahre zu befristen

Die Erteilung der Zertifikate ist an den Facharzt für Gefäßchirurgie gebunden, d. h. die bestandene Facharztprüfung ist Voraussetzung für die Erteilung des Zertifikats. Allerdings ist es sehr wohl möglich, bereits während der Weiterbildungszeit zum Facharzt mit dem Erwerb zu beginnen. Es ist also möglich, bereits Kurse zu absolvieren und Eingriffe selbstständig durchzuführen. Da sich die Richtzahlen auf einen Weiterbildungszeitraum von 6 Jahren (nach gültigen WBO) beziehen, erscheinen die Vorgaben durchaus erfüllbar.

Übergangsregelungen

Wie bei jeder Veränderung wurden Übergangsregelungen festgelegt. Diese betreffen zum einen den Erwerb, zum anderen die Gültigkeit der Zertifikate.

Alle diejenigen, die innerhalb eines halben Jahres nach Inkraftsetzung des neuen Curriculums, d. h. vor dem 30.6.2017, mit dem Erwerb des jeweiligen Zertifikats durch Teilnahme an einem Kurs begonnen haben, erhalten dies noch nach den Regelungen des alten Curriculums. Alle anderen müssen das neue Curriculum absolvieren. Wer zudem nach den alten Vorgaben die Zertifikate erhalten hat, ist im Sinne des Bestandsschutzes von der Befristungsregelung ausgeschlossen, auch wenn die Teilnahme an den vorgesehenen Auffrischungskursen empfohlen wird.

Zusammenfassung

Die DGG hat sich das Ziel gesetzt, die Fortbildung der Gefäßchirurgen zu unterstützen, um den steigenden Bedarf an endovaskulärer Kompetenz abzudecken. Diese Kompetenz muss nach außen auch durch die Zertifikate sichtbar sein. Durch Anwendung des von der Bundesärztekammer favorisierten Kompetenzmodells mit abschließender Überprüfung gewinnt das Zertifikat deutlich an Wert. Ebenfalls werden auch die Kursveranstalter durch Absolvierung von Trainingskursen und der Entwicklung eines Syllabus für ihre Kurse zu einer Steigerung der Wertigkeit beitragen. Dieses bedeutet zwar für alle einen Mehraufwand, der Gefäßchirurg der Zukunft aber muss unserer festen Überzeugung nach mit dem gesamten Spektrum operativer und endovaskulärer Techniken vertraut sein, denn nur so ist er in der Lage, eine umfassende Versorgung des Gefäßpatienten anzubieten. Dieses kann in den Ballungsgebieten in Zusammenarbeit mit den anderen Fachdisziplinen realisiert werden. In der Flächenversorgung unseres Landes muss der Gefäßchirurg in der Lage sein, alle Therapieoptionen anzubieten, um die gefäßmedizinische Versorgung der Bevölkerung aufrecht zu erhalten.