Einleitung

Arbeitnehmerinnen und ArbeitnehmerFootnote 1 verbringen einen Großteil ihrer Lebenszeit in der Arbeit. Folgende Zahlen verdeutlichen dies sehr anschaulich: Die durchschnittliche Lebenserwartung bei der Geburt lag im Jahr 2021 in Deutschland für Frauen bei 83,4 und für Männer bei 78,5 Jahren. Die voraussichtliche Lebensarbeitszeit lag im Jahr 2022 bei Frauen bei 37,4 und bei Männern 41,2 Jahren [20]. Fast die Hälfte des Lebens wird somit der Erwerbstätigkeit gewidmet. Sicherlich zu Recht richtet der Gesetzgeber daher ein besonderes Augenmerk auf das Thema Arbeitsschutz. Eine Vielzahl von Gesetzen spiegelt dies wider. Eine Auswahl wichtiger Rechtsquellen im Arbeitsrecht ist in Tab. 1 (Gesetze) und Tab. 2 (Verordnungen) zusammengefasst. Viele dieser Regelungen sollen Arbeitnehmer (AN) schützen (z. B. das Mutterschutzgesetz, kurz MuSchG). Aber auch anerkennenswerte Belange der Arbeitgeber (AG) finden Berücksichtigung (z. B. über die relativ kurze Klagefrist von 3 Wochen im Fall einer Kündigung gemäß § 4 Kündigungsschutzgesetz, kurz KSchG).

Tab. 1 Auswahl wichtiger Gesetze im Arbeitsrecht in alphabetischer Reihenfolge
Tab. 2 Auswahl wichtiger Verordnungen im Arbeitsrecht in alphabetischer Reihenfolge

Zu beachten ist, dass diese Rechtsquellen einer Rangfolge unterliegen. Bei der Anwendung der Gesetze ist diese Rangfolge zu beachten, beginnend mit der ranghöchsten: Unionsrecht (Recht der Europäischen Union), Gesetze, (Rechts‑)Verordnungen, Tarifverträge (TV), Betriebsvereinbarungen (BV), individuelle Arbeitsverträge (zwischen AN und AG) und zuletzt das sog. Direktionsrecht des AG. Missachtet man diese Rangfolge, kann es sein, dass man zu falschen Lösungen kommt. Beispielsweise gehen unionsrechtliche Regelungen (z. B. in Form von Verordnungen) grundsätzlich deutschen Gesetzen vor (sog. Anwendungsvorrang). Zu beachten ist auch, dass Gesetze zwingende Vorschriften enthalten können, also solche, die nicht durch vertragliche Übereinkünfte ausgehebelt werden können (z. B. MuSchG und KSchG). Das Gegenstück stellen die sog. dispositiven Gesetzesvorschriften dar, die im Einzelfall abbedungen werden können, ggf. auch kollektiv durch TV. Die BV sind Vereinbarungen zwischen Betriebsrat und AG, die für alle AN gelten. Das Direktionsrecht ermöglicht es dem AG, seinen AN Weisungen zu erteilen und damit Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher zu bestimmen (§ 106 Gewerbeordnung) [22].

In Deutschland gibt es beim Arbeitsschutz ein duales Schutzsystem: Zusätzlich zu den oben dargelegten staatlichen Vorgaben mit Arbeitsschutzgesetz und nachrangigen Verordnungen erlassen die Unfallversicherungsträger eigene Unfallverhütungsvorschriften nach Bedarfsprüfung und mit Genehmigung von Bundesregierung und Ländern.

Methoden

Die Arbeit beruht auf selektiver Literaturrecherche und -aufarbeitung von Daten zur Lebenserwartung und -arbeitszeit sowie zu den Rechtsgrundlagen des Arbeitsrechts, des Arbeitsschutzes und der arbeitsmedizinischen Vorsorge mit dem Schwerpunkt des Mutterschutzes. Dazu wurden medizinische (https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/) und juristische (https://beck-online.beck.de/Home) Datenbanken nach Stichworten durchsucht. Suchworte waren für die medizinische Datenbank „occupational safety“, „women“, „healthcare“. Suchworte waren für die juristische Datenbank u. a. Arbeitsrecht, Arbeitsschutz, Arbeitsmedizin und Mutterschutz. Darüber hinaus erfolgte eine freie Internetrecherche. Zudem wurde der Literatur- und Zeitschriftenbestand der Universitätsbibliothek der LMU München nach einschlägiger arbeitsrechtlicher und -medizinischer Literatur durchsucht.

Ergebnisse

Auf EU-Ebene gibt die Richtlinie 92/85/EWG einen einheitlichen Mindeststandard für den Gesundheitsschutz von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz vor.

Auf einige relevante nationale Regelungen, insbesondere das Mutterschutzgesetz, soll im Folgenden näher eingegangen werden:

1. Mutterschutzgesetz

Das MuSchG soll die Gesundheit der Frau und ihres Kindes (geschützter Personenkreis) am Arbeits‑, Ausbildungs- und Studienplatz (geschützte Orte) während der Schwangerschaft, nach der Entbindung und in der Stillzeit (zeitlicher Schutzumfang) schützen (§ 1 Abs. 1 MuSchG). Zweck des Gesetzes ist es, der Frau zu ermöglichen, ihre Beschäftigung oder sonstige Tätigkeit in dieser Zeit ohne Gefährdung ihrer Gesundheit oder der ihres Kindes fortzusetzen und Benachteiligungen während der Schwangerschaft, nach der Entbindung und in der Stillzeit entgegenzuwirken. Das MuSchG gilt nicht für Beamtinnen (§ 1 Absatz 3), die jedoch vergleichbar über Verordnungen für Bundes- (Mutterschutz- und Elternzeitverordnung, MuSchEltZV) und Landesbeamtinnen (z. B. in Bayern über die Bayerische Urlaubs- und Mutterschutzverordnung, BayUrlMV) geschützt sind. Wesentliche Unterschiede ergeben sich hier grundsätzlich nicht [12].

Für die Sicherstellung des Mutterschutzes nach MuSchG ist grundsätzlich der AG zuständig (§ 9 Abs. 1 MuSchG). Die Mitarbeiterin kann grundsätzlich nicht auf den Mutterschutz verzichten (Ausnahmen bestehen lediglich bezüglich der Arbeitszeit, s. unten). Geschützt wird jede Person, die schwanger ist, ein Kind geboren hat oder stillt (§ 1 Abs. 4 MuSchG). Dies ist geschlechtsneutral unabhängig vom im Geburtseintrag angegebenen Geschlecht. Geschützt sind auch in Teilzeit oder befristet Beschäftigte. Mutterschutz besteht auch im Rahmen sog. Minijobs (geringfügige Beschäftigungsverhältnisse) und während der Probezeit. Seit 2018 wurde das Mutterschutzgesetz auf Schülerinnen und Studentinnen ausgeweitet [7]. Bei Schülerinnen und Studentinnen ist zu beachten, dass das MuSchG auch dann gilt, soweit die Ausbildungsstelle Ort, Zeit und Ablauf der Ausbildungsveranstaltung verpflichtend vorgibt oder im Rahmen der Hochschulausbildung ein Pflichtpraktikum abzuleisten ist (§ 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 8 MuSchG). Dies wäre denkbar bei Seminaren mit Anwesenheitspflicht, Pflegepraktika, Famulaturen oder im praktischen Jahr (PJ) [18].

Der Mutterschutz gilt während der Schwangerschaft, nach der Entbindung und in der Stillzeit (§ 1 Abs. 1 MuSchG). Bei Fehlgeburt oder im Falle eines Schwangerschaftsabbruches endet der Mutterschutz grundsätzlich mit dem Ende der Schwangerschaft. Bei Fehlgeburten nach der 12. Schwangerschaftswoche (SSW) gilt jedoch ein Kündigungsverbot (§ 17 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 MuSchG). Bei einer Totgeburt oder im Falle des Kindstodes greift der Mutterschutz grundsätzlich voll umfänglich. Weitere Regelungen zum Mutterschutz finden sich u. a. in folgenden Rechtsnormen:

  • Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV): Schwangere Frauen und stillende Mütter müssen sich während der Pausen und, soweit es erforderlich ist, auch während der Arbeitszeit unter geeigneten Bedingungen hinlegen und ausruhen können (Nr. 4.2 Abs. 1 Satz 3 im Anhang Anforderungen und Maßnahmen für Arbeitsstätten nach § 3 Abs. 1 ArbStättV). Dies ergänzt § 9 Abs. 3 MuSchG (s. unten).

  • Strahlenschutzgesetz (StrlSchG): Bei gebärfähigen Frauen beträgt der Grenzwert für die Organ-Äquivalentdosis der Gebärmutter 2 mSv im Monat. Für ein ungeborenes Kind, das aufgrund der Beschäftigung der Mutter einer Exposition ausgesetzt ist, beträgt der Grenzwert der effektiven Dosis vom Zeitpunkt der Mitteilung über die Schwangerschaft bis zu deren Ende 1 mSv (§ 78 Abs. 4 StrlSchG) [7].

1.1 Mitteilungspflicht bzw. -gebot an den AG

Der Zeitpunkt der Mitteilung der Schwangerschaft an den AG obliegt der Schwangeren selbst. § 15 Absatz 1 MuSchG spricht lediglich davon, dass eine Schwangere ihrem AG ihre Schwangerschaft und den voraussichtlichen Tag der Entbindung mitteilen sollte, sobald sie weiß, dass sie schwanger ist. Dies ist also eine Sollvorschrift. Eine Mitteilungspflicht besteht somit grundsätzlich nicht (kein Muss). Entsprechendes gilt für Stillende. Gemäß § 15 Absatz 2 MuSchG ist auch der Nachweis über die Schwangerschaft mittels eines ärztlichen Zeugnisses (alternativ einer Hebamme oder eines Entbindungspflegers) grundsätzlich nicht verpflichtend (ebenfalls eine Sollvorschrift). Da jedoch gerade in den ersten 3 Monaten der Schwangerschaft Gefährdungen für das ungeborenes Kind bestehen können, wird empfohlen, so früh wie möglich den AG von der Schwangerschaft zu unterrichten. Die Mitteilung über die Schwangerschaft oder Stillzeit ist auch deshalb empfehlenswert, da Kündigungsschutzfristen daran anknüpfen (s. unten).

Auf das ausdrückliche Verlangen des AG nach einem Nachweis über die Schwangerschaft sollte ein entsprechendes medizinisches Zeugnis vorgelegt werden. Dieses sollte auch den voraussichtlichen Tag der Entbindung („errechneten Geburtstermin“) enthalten. Die Vorlage des Mutterpasses darf der AG dagegen nicht verlangen, denn dieser enthält sensible Informationen über den Gesundheitszustand der Schwangeren und des Kindes, die für den Nachweis der Schwangerschaft nicht erforderlich sind. Der AG muss die Kosten für die Bescheinigung übernehmen. Die Information über die Schwangerschaft darf ohne Einwilligung der Schwangeren nicht an Dritte weitergegeben werden. Bei Bewerbungen muss die Schwangere ihre Schwangerschaft auch auf Befragen im Bewerbungsgespräch oder -verfahren nicht offenbaren [8].

1.2 Mitteilung an die Aufsichtsbehörde

Die Aufsicht über die Ausführung des Mutterschutzgesetzes liegt bei den Bundesländern. Die jeweilige Aufsichtsbehörde entscheidet bei Konflikten, ob das Arbeitsumfeld der Schwangeren oder Stillenden zu einer Gefährdung für Mutter und Kind führen kann, und ergreift ggf. erforderliche Maßnahmen [13]. Die zuständigen Mutterschutzbehörden in den jeweiligen Bundesländern können über das Internet abgefragt werden [16].

Der AG ist verpflichtet, die Schwangerschaft und Stillzeit unverzüglich an die zuständige Aufsichtsbehörde zu melden (§ 27 MuSchG). Zudem hat der AG die Schwangere oder Stillende in einem persönlichen Gespräch über die Ergebnisse der Gefährdungsbeurteilung und etwaig nötige Schutzmaßnahmen zu informieren (§ 14 MuSchG).

1.3 Beschäftigungszeiten

Der arbeitszeitliche Gesundheitsschutz ist wichtiger Bestandteil des Mutterschutzes. (Vorsorge‑)Untersuchungen sind grundsätzlich möglichst außerhalb der Arbeitszeit wahrzunehmen. Dies folgt aus der arbeitsvertraglichen Nebenpflicht, auf betriebliche Belange Rücksicht zu nehmen [6]. Ist dies nicht möglich, so kann die Schwangere verlangen, für erforderliche Untersuchungen während der Arbeitszeit von ihrer Tätigkeit freigestellt zu werden. Gemäß § 7 MuSchG hat der AG eine Frau für die Zeit freizustellen, die zur Durchführung der Untersuchungen im Rahmen der Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung bei Schwangerschaft und Mutterschaft erforderlich sind. Entsprechendes gilt zugunsten einer Frau, die nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert ist, mithin für privat Krankenversicherte. Ein Entgeltausfall darf dadurch nicht entstehen [7]. § 23 Abs. 1 MuSchG regelt die Entgeltfortzahlung für die Dauer der Freistellung und stellt klar, dass die Freistellungszeiten weder vor- noch nachzuarbeiten und auch nicht auf Ruhepausen angerechnet werden dürfen. Der Arbeitgeber sollte somit auch keine Kosten, die durch diese Freistellung entstehen, geltend machen können, denn dies würde dem Sinn und Zweck des MuSchG, dass der Schwangeren keine Benachteiligungen entstehen sollen, zuwiderlaufen (§ 1 Abs. 1 MuSchG).

Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst sind Arbeitszeit (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 lit. a Arbeitszeitgesetz). Dies gilt indes nicht für bloße Rufbereitschaft [10]. Werden AN während dieser Zeit angerufen und zur Arbeit herangezogen, so leisten sie Vollarbeit [1, 9].

1.4 Pausen

Gemäß § 9 Abs. 3 MuSchG hat der AG sicherzustellen, dass die Schwangere oder Stillende ihre Tätigkeit am Arbeitsplatz, soweit es für sie erforderlich ist, kurz unterbrechen kann. Der AG hat auch sicherzustellen, dass sich die Schwangere oder Stillende während der Pausen und Arbeitsunterbrechungen unter geeigneten Bedingungen hinlegen, hinsetzen und ausruhen kann (dazu ergänzend auch die ArbStättV, s. oben).

1.5 Beschäftigungsverbote

Im MuSchG sind definierte unzulässige Tätigkeiten für Schwangere und Stillende aufgeführt. Zusätzlich ist es untersagt, die Schwangere, Stillende oder ihr Kind unverantwortbaren Gefährdungen auszusetzen. Eine Gefährdung ist unverantwortbar, wenn die Eintrittswahrscheinlichkeit einer Gesundheitsbeeinträchtigung angesichts der zu erwartenden Schwere des möglichen Gesundheitsschadens nicht hinnehmbar ist (§ 9 Abs. 2 Satz 2 MuSchG) [7].

Ein Beschäftigungsverbot kann aus betrieblichen und/oder ärztlichen Gründen bestehen: Ein betriebliches Beschäftigungsverbot ist (in sicherlich seltenen Fällen) auszusprechen, sofern unverantwortbare Gefährdungen für Schwangere oder Stillende oder deren Kind weder durch eine Arbeitsplatzumgestaltung noch durch einen Arbeitsplatzwechsel ausgeschlossen werden können (§ 13 Abs. 1 Nr. 3 MuSchG). Ein ärztliches Beschäftigungsverbot (§ 16 MuSchG) setzt ein entsprechendes ärztliches Zeugnis voraus, das jeder Arzt, also nicht zwingend nur Gynäkologen, ausstellen kann. Dabei muss das Zeugnis ausdrücklich angeben, dass ein ärztliches Beschäftigungsverbot (dann Lohnfortzahlung gemäß § 18 MuSchG) und nicht eine Arbeitsunfähigkeit (dann Entgeltfortzahlung nach § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz) vorliegt [7]. Das ärztliche Zeugnis sollte die von der Schwangeren oder Stillenden geschilderten Gegebenheiten am Arbeitsplatz möglichst genau schildern, ohne dabei der Schweigepflicht unterliegende medizinische Daten weiterzugeben (anders nur im Falle einer Entbindung von der Schweigepflicht). Das Zeugnis sollte außerdem aufführen, welche konkreten Tätigkeiten bei der Schwangeren oder Stillenden zu einer Gefährdung führen können, welche Tätigkeiten nicht mehr ausgeführt werden dürfen, und ob ggf. leichtere Arbeiten oder verkürzte Arbeitszeiten zulässig sind [3].

1.6 Schutzfristen

Der AG darf die Schwangere in den letzten 6 Wochen vor der Entbindung nicht beschäftigen (Schutzfrist vor der Entbindung, § 3 Abs. 1 MuSchG), soweit sich die Schwangere nicht zur Arbeitsleistung ausdrücklich bereit erklärt. Diese Erklärung kann mündlich erfolgen, sollte aus Beweisgründen jedoch zumindest in Textform (z. B. E‑Mail) erfolgen [4]. Das bedeutet aber auch, dass die Schwangere auf eigenen Wunsch weiterarbeiten kann. Die Schwangere kann die Erklärung, dass sie dennoch arbeiten möchte, jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen. Maßgeblich für die Berechnung der Schutzfrist vor der Entbindung ist der voraussichtliche Tag der Entbindung, wie er sich aus dem ärztlichen Zeugnis (oder dem Zeugnis einer Hebamme oder eines Entbindungspflegers) ergibt. Entbindet eine Frau nicht am voraussichtlichen Tag, verkürzt oder verlängert sich die Schutzfrist vor der Entbindung entsprechend. Nach der Entbindung darf der AG eine Frau bis zum Ablauf von 8 Wochen nicht beschäftigen. In Sonderfällen (z. B. nach Früh- und Mehrlingsgeburten) verlängert sich die Frist auf 12 Wochen (Schutzfrist nach der Entbindung, § 3 Abs. 2 MuSchG). Im Regelfall wird somit eine Schutzfrist von 6 Wochen vor und 8 Wochen nach der Entbindung greifen [7].

Nach Entbindung und Ende der 8‑ (bzw. ggf. 12-)wöchigen Schutzfrist kann die Frau die Beschäftigung entweder wieder aufnehmen oder direkt in Elternzeit gehen (§§ 15 f. Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz). Stillt die Beschäftige ihr Kind, ist dies der Aufsichtsbehörde unverzüglich anzuzeigen (dies kann entfallen, sofern die Schwangerschaft schon angezeigt worden war), und die Stillende ist in einem persönlichen Gespräch über die Ergebnisse der Gefährdungsbeurteilung und etwaig nötige Schutzmaßnahmen zu informieren (vgl. oben). Während der Stillzeit gilt das oben zum arbeitszeitlichen Gesundheitsschutz und zu Freistellungen für Untersuchungen Gesagte analog. Während der ersten 12 Monate nach der Entbindung hat der AG die Stillende auf ihr Verlangen für die zum Stillen erforderliche Zeit freizustellen, mindestens aber 2‑mal täglich für eine halbe Stunde oder einmal täglich für eine Stunde. Dabei ist zu beachten, dass bei einer zusammenhängenden Arbeitszeit von mehr als 8 Stunden auf Verlangen der Frau 2‑mal eine Stillzeit von mindestens 45 min oder, wenn in der Nähe der Arbeitsstätte keine Stillgelegenheit vorhanden ist, einmal eine Stillzeit von mindestens 90 min gewährt werden soll. Die Arbeitszeit gilt als zusammenhängend, wenn sie nicht durch eine Ruhepause von mehr als 2 Stunden unterbrochen wird (§ 7 Abs. 2 MuSchG). Ein Entgeltausfall darf auch dadurch nicht entstehen [7]. Das oben zur Freistellung für Untersuchungen Gesagte gilt hier entsprechend, d. h., Freistellungszeiten zum Stillen sind weder vor- noch nachzuarbeiten und werden nicht auf Ruhepausen angerechnet (§ 23 Abs. 1 MuSchG). Der Arbeitgeber sollte keine Kosten geltend machen können (vgl. oben).

1.7 Kündigungsverbot

Grundsätzlich ist die Schwangere vom Beginn der Schwangerschaft bis mindestens für 4 Monate nach der Entbindung vor Kündigungen geschützt (Kündigungsverbot gemäß § 17 MuSchG). Unter Entbindung wird die Trennung der Leibesfrucht vom Mutterleib verstanden. Dies umfasst Lebend‑, Früh- und Totgeburten (Gewicht über 500 g, zur Auslegung: § 31 Personenstandsverordnung). Auch nach einer Fehlgeburt (Gewicht unter 500 g) nach der 12. Schwangerschaftswoche ist die Kündigung bis zum Ablauf von 4 Monaten unzulässig [2, 21]. Ein länger als 4 Monate bestehendes Kündigungsverbot greift nur im Sonderfall der Mehrlingsgeburt oder Geburt eines behinderten Kindes, kombiniert mit einer mehr als 4 Wochen zu frühen Geburt (verlängerte Schutzfrist gemäß § 3 Abs. 2 MuSchG) [4]. Ein Kündigungsverbot setzt jedoch voraus, dass dem AG zum Zeitpunkt der Kündigung die Schwangerschaft, die Fehlgeburt nach der 12. Schwangerschaftswoche oder die Entbindung bekannt ist, oder wenn sie ihm innerhalb von 2 Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt wird. Das Überschreiten dieser Frist ist unschädlich, wenn die Überschreitung auf einem von der Frau nicht zu vertretenden Grund beruht und die Mitteilung unverzüglich nachgeholt wird (§ 17 Abs. 1 MuSchG). Die Aufsichtsbehörden kann in Ausnahmen zulassen (§ 17 Abs. 2 MuSchG), beispielsweise bei Diebstahl der Beschäftigten zulasten des AG [2].

2. Konflikt mit Erfüllung der Weiterbildungszeit

Für die ärztliche Weiterbildung zum Facharzt sind die Landesärztekammern zuständig. Die von der Bundesärztekammer veröffentlichte (Muster‑)Weiterbildungsordnung ist für die Landesärztekammern nicht bindend. Dies hat zur Folge, dass die Weiterbildungsordnungen der einzelnen Landesärztekammern abweichende Bestimmungen enthalten können. In der Weiterbildung müssen die Zeiten und die Inhalte der Weiterbildungsordnung derjenigen Landesärztekammer, bei der der Antrag auf Anerkennung gestellt wird, nachgewiesen werden.

Beispielsweise gibt die Bayerische Landesärztekammer in ihrem Internetauftritt Folgendes an: „Eine Unterbrechung der Weiterbildung, beispielsweise wegen Schwangerschaft, Elternzeit, … – sofern eine Weiterbildung nicht erfolgt – kann grundsätzlich nicht auf die Weiterbildungszeit angerechnet werden. … Erholungsurlaub bis zu sechs Wochen im Kalenderjahr ist keine Unterbrechung. Angaben über Unterbrechungen der Weiterbildung müssen im Weiterbildungszeugnis enthalten sein“ [15]. Dies ist für Bayern geregelt in § 4 Abs. 4 der Weiterbildungsordnung für die Ärzte Bayerns und deckt sich mit den Vorgaben der (Muster‑)Weiterbildungsordnung 2018 der Bundesärztekammer (in der Fassung vom 29.06.2023) [14, 17].

Zeiten für die Freistellung zum Stillen dürften unter Berücksichtigung des Sinn und Zwecks des MuSchG, dass der Schwangeren keine Benachteiligungen entstehen sollen (§ 1 Abs. 1 MuSchG), jedenfalls zu keiner Unterbrechung der Weiterbildungszeit führen. Auch der Wortlaut von § 4 Abs. 4 (Muster‑)Weiterbildungsordnung führt als Beispiele für Unterbrechungen nur länger andauernde Ereignisse auf („… Schwangerschaft, Elternzeit, Wehr- und Ersatzdienst, wissenschaftlicher Aufträge – soweit eine Weiterbildung nicht erfolgt – oder Krankheit …“). Dies dürfte jedenfalls nicht das allenfalls wenige Stunden am Tag erfordernde Stillen umfassen.

Diskussion

Die moderne Arbeitswelt unterliegt einem stetigen Wandel. Auch das Arbeitsrecht und insbesondere der Arbeitsschutz werden daher regelmäßig angepasst und geändert. In jüngerer Zeit wurde vom Gerichtshof der Europäischen Union festgestellt, dass AG verpflichtet sind, ein System einzurichten, mit dem die von einem jeden AN geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann („Stechuhr-Urteil“; [11]). Ohne (idealerweise elektronische) Arbeitszeiterfassung sind jedoch mutterschützende Arbeitszeitbestimmungen schwer zu erfassen und umzusetzen [5]. Im präventiven Bereich besteht Verbesserungsbedarf: So werden geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Gefährdungsbeurteilung durch AG bisher nur unzureichend erfasst [19]. Betriebsärzte können AG bei der Beurteilung von Gefährdungen für Schwangere und Stillende unterstützen.