Infektionskrankheiten sind in den letzten Jahren stark in den Fokus des öffentlichen Interesses gerückt, ausgelöst vor allem durch neue, bedrohliche Infektionen wie Ebola oder „Middle East respiratory syndrome“ (MERS) und durch die Verbreitung antibiotikaresistenter Erreger. Vielfach wird die Beschäftigung mit diesen Erkrankungen bzw. Problemen den Mikrobiologen bzw. den Hygienikern zugeordnet, während über das Aufgabenfeld des Infektiologen nur diffuse Vorstellungen bestehen. Die Herausforderungen in der klinischen Versorgung sowie bezüglich der damit verbundenen wissenschaftlichen Fragen sind hoch. Der vorliegende Beitrag skizziert die Aufgaben der Infektiologie sowie den möglichen Beitrag des Fachs zur Verbesserung der Patientenversorgung und definiert die Rolle der Infektiologie in der Inneren Medizin.

Besonderheiten von Infektionskrankheiten

Infektionskrankheiten weisen Eigenschaften auf, die sie grundsätzlich von anderen Erkrankungen unterscheiden. Die hervorstechendste Besonderheit ist die Übertragbarkeit einer Erkrankung auf andere Personen [7]. Eine weitere Besonderheit von Infektionskrankheiten besteht darin, dass es immer eine Interaktion zwischen einem Erreger und dem Wirt gibt. Diese Spezifika charakterisieren Infektionskrankheiten und deren Behandlung sowie Prävention. Der Arzt muss also nicht nur dafür Sorge tragen, dass der betroffene Patient möglichst gut behandelt wird, sondern auch dafür, dass andere Menschen nicht angesteckt werden. Ein sehr effektives Mittel dazu sind Impfungen. Wo potente Impfstoffe zur Verfügung stehen, gehören sie zu den wirksamsten medizinischen Maßnahmen überhaupt, wie das Beispiel der Eradikation der Pocken zeigt.

Patienten mit Infektionskrankheiten sind der Gefahr einer Stigmatisierung ausgesetzt

Ein anderer, in der klinischen Praxis häufig gebrauchter Ansatz zur Prävention von Infektionskrankheiten besteht in speziellen Hygienemaßnahmen wie der Isolierung von Patienten in einem Einzelzimmer oder dem Anlegen persönlicher Schutzkleidung. Solche Hygienemaßnahmen werden angesichts der Ausbreitung antibiotikaresistenter Erreger zunehmend in Leitlinien oder gar in gesetzlichen Vorschriften gefordert, auch wenn deren Wirksamkeit häufig unklar ist [6]. Patienten mit Infektionskrankheiten sind dadurch in modernen Krankenhäusern leicht zu identifizieren und damit der Gefahr einer Stigmatisierung ausgesetzt.

Die Beziehung zwischen Wirt und Erreger hat in der modernen Medizin eine besondere Bedeutung. Sie wird durch viele Behandlungsmaßnahmen stark moduliert, so etwa durch Organtransplantationen, immunsuppressive Therapien und Fremdmaterialimplantationen. Entsprechend stellen die Prävention, Prophylaxe und Behandlung einer Vielzahl seltener und opportunistischer Infektionen eine zunehmend wichtige Aufgabe für die Infektionsmedizin dar.

Antibiotika als „magic bullets“ – Nutzen und Risiken

Paul Ehrlich hat mit seiner Forschung zur Anfärbung von Bakterien die Grundlagen für die Entwicklung und Herstellung spezifischer antimikrobieller Medikamente gelegt. Mit der Verfügbarkeit von Antibiotika hat sich die Behandlung von Infektionskrankheiten grundlegend gewandelt. Erkrankte Patienten können wirksam behandelt werden und Infektionsketten werden unterbrochen. Ein eindrucksvolles Beispiel dafür sind die Therapie der Tuberkulose und der damit erzielte Rückgang der Erkrankung, wie er über die letzten Jahrzehnte in Deutschland und anderen Ländern beobachtet wurde. Gleichzeitig ist die Tuberkulose ein Beispiel dafür, welche Bedeutung Infektionskrankheiten auch aktuell haben. Weltweit sterben etwa 1,5 Mio. Menschen jährlich an dieser Erkrankung [24], und die Ausbreitung von multiresistenten Tuberkulosebakterien ist eine der großen Herausforderungen der nächsten Jahre [14].

Die sehr gute Wirksamkeit von Antibiotika bei sonst sehr schwer oder gar tödlich verlaufenden Erkrankungen hat über die Jahrzehnte bei vielen Ärzten die Einstellung geprägt, dass man mit diesen Medikamenten für den einzelnen Patienten nur Gutes tun kann. Man kann nur einen Fehler machen, wenn man ein Antibiotikum nicht gibt, während die unnötige Gabe eines Antibiotikums nach der gängigen Auffassung folgenlos bleibt. Unerwünschte Wirkungen einer Antibiotikatherapie werden als seltene Ereignisse bzw. als leicht beherrschbar angesehen. Erst in den letzten Jahren wächst die Erkenntnis, dass jede Gabe von Antibiotika mit zum Teil erheblichen unerwünschten Wirkungen einhergeht. Neben der Resistenzentwicklung und allergischen Reaktionen ist hier vor allem die Clostridium-difficile-Kolitis zu nennen. Die Erforschung des menschlichen Mikrobioms hat hierzu weitere Erkenntnisse beigetragen. So ist bei Patienten mit einer allogenen Stammzelltransplantation eine erhöhte Sterblichkeit zu erwarten, wenn frühzeitig breit wirksame Antibiotika mit negativen Auswirkungen auf die Mikrobiota des Darms eingesetzt werden [15, 22].

Antibiotikaresistenz

Die Raten von Antibiotikaresistenzen sind in den letzten Jahren weltweit bei vielen Erregern stark gestiegen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat eine Liste von 12 Bakterien erstellt, bei denen sie das Problem der Antibiotikaresistenz als besonders gravierend erachtet ([23]; Tab. 1). Insbesondere die Ausbreitung multiresistenter gramnegativer Bakterien, für die aktuell kaum oder gar keine Behandlungsmöglichkeiten bestehen, gibt Anlass zu großer Sorge und beschäftigt auch die Öffentlichkeit und politisch Verantwortliche. Die Antibiotikaresistenzraten und die Häufigkeit des Antibiotikaeinsatzes korrelieren eng miteinander, die Antibiotikagabe führt zur Entwicklung und Selektion resistenter Bakterienstämme.

Tab. 1 Prioritätenliste antibiotikaresistenter Erreger. (Nach [23])

Diese enge Verknüpfung deutet unmittelbar auf eine Lösungsstrategie hin: die Reduktion des Einsatzes. Dies ist allerdings aufgrund des breiten Einsatzgebiets von Antibiotika extrem schwierig. Infektionskrankheiten spielen sowohl in der ambulanten als auch in der stationären Medizin eine sehr große Rolle. Am häufigsten werden Antibiotika in der ambulanten Versorgung verschrieben (80 % aller Verschreibungen in Deutschland). Im stationären Bereich machen Infektionskrankheiten heute mehr als 20 % aller Diagnosen aus [10].

Die alleinige Fokussierung auf das Problem der bakteriellen Multiresistenz greift zu kurz

Klinisch ist die Behandlung von Infektionen mit antibiotikaresistenten Erregern derzeit nicht das größte Problem. Die weit überwiegende Zahl von Infektionskrankheiten wird in Deutschland nicht durch multiresistente, sondern durch „normal“ empfindliche Erreger verursacht (Abb. 1; [8]). Die ausschließliche Fokussierung auf das Problem der bakteriellen Multiresistenz greift deshalb zu kurz, die Infektiologie muss das gesamte Spektrum der Infektionskrankheiten ins Visier nehmen.

Abb. 1
figure 1

Resistenzraten wichtiger Erreger in europäischen Ländern 2015. Carb Carbapeneme; Chin Chinolon; ESBL „extended spectrum β‑lactamase“; MRSA methicillinresistenter Staphylococcus aureus; r resistent; VRE vancomycinresistente Enterokokken. (Adaptiert nach [5])

Infektiologie – mehr als Antibiotikatherapie

Infektiologen sind Experten für Antibiotika. Sie sind aber mehr als das, und dies zu verkennen, ist eines der vielen Missverständnisse, die sich um die Infektiologie ranken. Zwar ist die Therapie mit antimikrobiellen Substanzen eine Kerntätigkeit des Infektiologen, aber bei Weitem nicht alles.

Der hinzugezogene Infektiologe muss häufig die vermutete Infektionsdiagnose infrage stellen

Antibiotika werden in allen Fächern der klinischen Medizin eingesetzt, deshalb gehören Kenntnisse über die antimikrobielle Therapie zum Grundrepertoire jeder Fachdisziplin. Der Ruf nach dem Infektiologen im klinischen Alltag ergeht häufig dann, wenn eine antimikrobielle Ersttherapie nicht wirksam ist. Ein klassischer Grund für die Einholung eines infektiologischen Konsils ist daher die Frage nach der Umstellung der Therapie. Der hinzugezogene Infektiologe hat in der Regel erst einige Fragen zu klären, bevor er eine Antwort geben kann. Und häufig ist dabei die vermutete Infektionsdiagnose infrage zu stellen. Ein typisches Beispiel ist die „Behandlung“ von unspezifischen Symptomen wie Fieber oder auch von erhöhten Entzündungsparametern wie dem C‑reaktiven Protein ohne spezifische Diagnose mit Antibiotika. Hier ist dann zunächst medizinische Basisarbeit zu leisten: genaue Anamnese, Untersuchung, kritische Würdigung der vorliegenden Befunde und differenzialdiagnostischen Überlegungen – nicht als Ersatz für Versäumnisse, sondern aus der speziellen Perspektive des infektiologischen Experten. Diese besondere Kompetenz ist wichtig für die Bewertung von Wirts- und möglichen Erregerfaktoren und mündet in einem Plan zur weiteren Diagnostik und Therapie.

Am Ende dieses Prozesses können die Empfehlungen ganz unterschiedlich ausfallen: Die antimikrobiellen Substanzen können umgestellt werden, sie können ganz abgesetzt werden, interventionelle Maßnahmen können notwendig sein, weitere Untersuchungen werden angefordert oder es wird eine andere Diagnose als eine Infektion gestellt.

Sehr gut veranschaulichen lässt sich der Erfolg dieser Arbeit am Beispiel der Blutstrominfektion mit Staphylococcus aureus. Vielfach wurde in Studien nachgewiesen, dass sich die Prognose der Patienten mit dieser häufigen Erkrankung verbessert, wenn Infektiologen in die Behandlung einbezogen werden [13, 21]. Die Gründe dafür sind vielfältig: Betroffene Patienten erhalten dann eine hoch dosierte und ausreichend lange intravenöse Therapie mit β‑Laktam-Antibiotika, der Erfolg der Behandlung wird mit Blutkulturen kontrolliert, es wird nach Abszessen und anderen entzündlichen Herden wie einer Endokarditis gesucht und vorhandene Herde werden abgeleitet oder operativ beseitigt [18]. Nur der Einsatz all dieser Maßnahmen zusammen gewährleistet die optimale Behandlung und damit eine bestmögliche Prognose.

Klug entscheiden in der Infektiologie

Idealerweise wird eine Infektionskrankheit sowohl durch die Beteiligung eines Organs oder Organsystems als auch durch den verursachenden Erreger charakterisiert, beispielsweise eine Zystitis durch Escherichia coli. Vielfach ist die mikrobielle Ursache einer Infektionskrankheit jedoch nicht genau bekannt, wie etwa bei einer ambulant erworbenen Pneumonie. Umgekehrt stellt sich in der klinischen Praxis häufig die Frage, ob ein nachgewiesener Erreger auch der Verursacher einer Infektionskrankheit ist. Der praktisch tätige Arzt wird heute mit Befunden der unterschiedlichsten Art bombardiert und verlässt sich dann häufig auf die mitgelieferten Interpretationen, in der Regel in Form von Standardtextbausteinen. Die Folgen sind unnötige therapeutische und diagnostische Maßnahmen, wenn beispielsweise Kontrolluntersuchungen oder weitergehende Tests empfohlen werden, ohne dass überhaupt eine Erkrankung besteht.

Nur durch spezifisches Wissen und ein darauf basierendes „kluges Entscheiden“ können solche Fehlentwicklungen eingedämmt werden. Wie dringend dies notwendig ist, kann man am Beispiel der akuten Bronchitis erkennen. Dass diese Erkrankung in aller Regel viral bedingt ist und nicht mit Antibiotika behandelt werden kann, ist inzwischen medizinisches Basiswissen, das jeder Student beherrschen sollte. Dennoch wird weiterhin ein großer Anteil der Patienten mit einer akuten Bronchitis antibiotisch therapiert – in den USA etwa 80 % [1]. Ein anderes Beispiel für den häufigen Einsatz von Antibiotika ohne das Vorliegen einer Infektion (das heißt Erkrankung) ist die asymptomatische Bakteriurie. In einer aktuellen Untersuchung aus den USA erhielten 68 % stationärer Patienten mit einer asymptomatischen Bakteriurie Antibiotika – im Mittel über 10 Tage [17].

In der Infektionsmedizin sind inzwischen weitere häufige Probleme identifiziert und mit entsprechenden Empfehlungen zum „klugen Entscheiden“ adressiert worden [11]. Nationale und internationale Fachgesellschaften der Inneren Medizin sowie operativer Fächer haben infektiologische Themen in ihre Empfehlungen aufgenommen, was deren hohe Relevanz aufzeigt [9].

Infektiologie ungleich Antibiotic Stewardship

Vielfach wird Antibiotic Stewardship (ABS) mit Infektiologie gleichgesetzt bzw. als Ersatz dafür angesehen. Als Ansatz für einen verantwortungsvollen Umgang mit Antibiotika wurde ABS erstmals in den 1990er-Jahren eingeführt. Den Anstoß hierzu gaben die steigenden Antibiotikaresistenzraten und die Erkenntnis, dass beim Einsatz von Antibiotika häufig Fehler gemacht werden. ABS sollte helfen, diese Fehler zu vermeiden und damit auch die Resistenzentwicklung zu bremsen. Formuliert und erstmalig angewandt wurden diese Konzepte von Infektiologen in den USA [4].

Wegen der Breite des Antibiotikaeinsatzes – in allen Fächern, von der Prophylaxe bis zur gezielten Therapie – kann die Lösung nicht darin liegen, dass Antibiotika nur noch von Fachleuten, z. B. Infektiologen, eingesetzt werden dürfen. Allerdings können Fachleute typische Fehler in der Therapie rascher erkennen und sie dann vermeiden helfen. ABS verfolgt einen systemischen Ansatz durch die Erstellung von Regeln zur Antibiotikatherapie, durch die Messung von Parametern wie dem Antibiotikaverbrauch sowie durch die Rückspiegelung von Messdaten.

ABS nutzt also spezifisches Wissen zur Antibiotikatherapie und Methoden des Managements, um die Qualität der Antibiotikaverschreibung zu verbessern. In der Regel wird ABS in einem von Infektiologen geleiteten Team von Klinikern, Mikrobiologen und Pharmazeuten durchgeführt. Die umfangreiche Literatur zu diesen Ansätzen zeigt, dass ABS ein wirksames Instrument zur Verbesserung der Verschreibungsqualität ist, zu einem besseren klinischen Ergebnis führt und die Resistenzentwicklung verlangsamt [3]. ABS ist damit ein Instrument bzw. eine Methode infektiologischen Handelns. Der Einsatz eines ABS-Programms wird von den Centers for Disease Control (CDC) in den USA für jedes Krankenhaus empfohlen, hier soll in der Regel ein Infektiologe die Leitung übernehmen [2].

Ein gut weitergebildeter Infektiologe ist auch ABS-Experte, der Umkehrschluss gilt dagegen nicht

In Deutschland hat zuerst die Deutsche Gesellschaft für Infektiologie (DGI) ein Curriculum für die Fortbildung zum „Antibiotic-Stewardship-Experten“ erstellt. Mit diesem Curriculum hat bereits eine große Zahl von Ärzten und Apothekern Kenntnisse in diesem Bereich erworben. Ärzte, die in ABS-Kursen fortgebildet worden sind, tragen unzweifelhaft dazu bei, die infektiologische Versorgung in der Breite zu verbessern. Es muss aber klar sein, dass eine ABS-Fortbildung nicht zur gleichen klinischen Expertise führen kann, wie sie durch eine Zusatzweiterbildung oder eine Facharztweiterbildung erworben wird. Ein gut weitergebildeter Infektiologe ist auch ABS-Experte, der Umkehrschluss gilt nicht.

Zur Behandlung von Patienten mit komplexen Infektionen wird ein Grad an Kompetenz benötigt, der eine umfassende klinisch-infektiologische Weiterbildung voraussetzt und nicht adäquat durch eine ABS-Fortbildung ersetzt werden kann. Die Expertise entsteht in der Weiterbildung durch klinische Lehrer, Lernen am Fall und kritische Reflexion des Behandlungsverlaufs. All dies ist nur in einer strukturierten Weiterbildung möglich. In Deutschland ist eine solche Expertise derzeit nur unzureichend vorhanden und muss dringend durch Schaffung weiterer Weiterbildungsstätten und vor allem durch die Etablierung eines Facharztes für Innere Medizin/Infektiologie ausgebaut werden.

Krankenhäuser, die dies nicht erkennen und ein ABS-Programm als dauerhaften Ersatz für Expertise in der klinischen Infektiologie nutzen wollen, riskieren Misserfolge bei den eigentlichen Zielen und erhebliche Mängel in der Qualität der Patientenversorgung.

Eine Ausweitung der ABS-Fortbildung wird derzeit von vielen Landesärztekammern angestrebt. ABS wird auch zukünftig in der Weiterbildung zum Facharzt für Innere Medizin/Infektiologie bzw. in der kommenden Zusatzweiterbildung für klinische Infektionsmedizin eine wichtige Rolle spielen. Alle Maßnahmen zusammen werden benötigt, um die Qualität der Behandlung nachhaltig zu verbessern.

Infektiologischer Konsilservice – Herzstück der Infektiologie

Auch wenn die Blutstrominfektion mit Staphylococcus aureus das vermutlich anschaulichste und am besten belegte Beispiel für die klinische Bedeutung der Infektiologie ist, beschränkt sich der positive Effekt der infektiologischen Beratung nicht allein darauf. Sowohl für seltene Entitäten wie die Kryptokokkenmeningitis [16] als auch für häufige Erkrankungen wie die Sepsis [20] wurde kürzlich gezeigt, dass die Hinzuziehung von Infektiologen die Prognose der Patienten verbessert.

Die konsiliarische Beratung anderer Fachdisziplinen ist damit heute der wichtigste Bereich der infektiologischen Tätigkeit im Krankenhaus. Natürlich erfordert die Behandlung von Komplikationen der Human-immunodeficiency-virus-Infektion oder der Tuberkulose eine spezifische Expertise, die am besten auf einer infektiologischen Station vorgehalten wird. Die große Zahl von Infektionskrankheiten tritt aber quer durch die verschiedenen internistischen und nichtinternistischen Fächer auf und wird primär von den jeweiligen Fachkollegen eigenständig behandelt. Um auch Patienten mit komplizierten oder seltenen Infektionen adäquat behandeln zu können, sollten Infektiologen möglichst flächendeckend tätig sein.

Die Erfahrung zeigt, dass Infektiologen dort, wo sie zur Verfügung stehen, auch intensiv und von allen Fachdisziplinen zur Beratung angefordert werden (Abb. 2; [19]). Eine eigene Auswertung an vier deutschen Zentren der Maximalversorgung hat ergeben, dass Patienten, für die ein infektiologisches Konsil angefordert wurde, einen sehr hohen, die Durchschnittswerte weit übersteigenden Case Mix Index (CMI) aufweisen, was als Zeichen für die Schwere und die Komplexität der Erkrankungen der mitbetreuten Patienten gewertet werden kann [12]. Die Infektiologie ist damit ein Fach mit extrem breitem klinischem Spektrum und umfassende Medizin für den ganzen Menschen.

Abb. 2
figure 2

Anforderungen von infektiologischen Konsilen nach Fachabteilungen/Kliniken an 4 deutschen Universitätskliniken (n = 638). (Adaptiert nach [12])

Infektiologie als Kernfach der Inneren Medizin

Mit der zunehmenden Komplexität und öffentlichen Aufmerksamkeit wachsen auch das Interesse und die Beteiligung unterschiedlicher medizinischer Fachrichtungen an der Behandlung von Infektionskrankheiten. Die Innere Medizin ist deshalb aufgefordert, ihre Position zur Infektionsmedizin zu definieren. Die Breite der Organbeteiligungen und der klinischen Fragestellungen sowie die zentrale Rolle der differenzialdiagnostischen Bewertung prädestinieren die Infektiologie klar zu einem Teil der Inneren Medizin. Sie befasst sich zentral mit der Behandlung von Patienten mit Infektionskrankheiten und unterscheidet sich grundsätzlich von anderen Disziplinen der Infektionsmedizin wie der Mikrobiologie oder der Hygiene. Entsprechend ist die Facharztbezeichnung Infektiologie in Ländern, wo sie etabliert ist, in der Regel ein Teilgebiet der Inneren Medizin bzw. setzt eine internistische Basisweiterbildung voraus.

Die Infektiologie beschränkt sich nicht auf die Behandlung von Infektionskrankheiten im Bereich der Inneren Medizin, sondern bezieht auch andere Fachdisziplinen durch einen infektiologischen Konsilservice mit ein. Damit setzt sie auch einen Gegenpol zur zunehmenden Zersplitterung der Medizin in immer kleinere Teilbereiche. Als Querschnittsfach stellt sie Verbindungen zwischen den einzelnen Spezialgebieten in der Inneren Medizin her. Für die Weiterbildung ist die Infektiologie damit ein Bereich, in dem Innere Medizin auf breitester Basis erlernt werden kann.

Fazit für die Praxis

  • Die Anforderungen an die Behandlung von Patienten mit Infektionskrankheiten werden weiter zunehmen und mehr und bessere klinische Expertise erfordern.

  • Aufgrund der spezifischen Eigenschaften von Infektionskrankheiten ist die Behandlung in der Inneren Medizin zu verankern.

  • Die Innere Medizin wird dem am besten dadurch gerecht, dass sie diesen Schwerpunkt möglichst rasch durch eine Weiterbildung zum Facharzt für Innere Medizin und Infektiologie definiert. Das grenzt die Infektiologie auch qualitativ von der demnächst zu erwartenden Zusatzbezeichnung „klinische Infektionsmedizin“ ab.

  • Eine eigene Schwerpunktbezeichnung lässt Deutschland in der Infektiologie zu anderen europäischen Ländern aufschließen.

  • Für viele junge Ärzte wird eine eigene Facharztbezeichnung diese Disziplin noch attraktiver machen.

  • Dringend notwendig sind auch neue Modelle für die Finanzierung von infektiologischen Leistungen. Für die Kerntätigkeit des infektiologischen Konsils bestehen derzeit keinerlei Abrechnungsmöglichkeiten im DRG-System.