Ist das COVID-19-ARDS ein anderes ARDS?

Zu Beginn der Pandemie kam die Diskussion auf, ob es sich beim COVID-19-Atemnotsyndrom (ARDS) um ein ARDS handele, das sich vom „herkömmlichen“ ARDS unterscheide [1]. Gattinoni et al. beschrieben, dass die Lungen von COVID-19-Patienten bei noch erhaltener Lungen-Compliance bereits ausgeprägte Oxygenierungsstörungen aufwiesen. Die Autoren nannten diese frühe Form des COVID-19-ARDS die L‑Form (für „low elastance, low lung weight, low recruitability“, [2]). In dieser Phase zeigten sich CT-morphologisch die für COVID-19 typischen subpleuralen Milchglastrübungen noch ohne dorsobasalen Gradienten [3]. Die Ursache für die Oxygenierungsstörung wurde auf vaskulärer Ebene vermutet, im Sinne einer Vasoplegie mit Verlust der hypoxisch-pulmonalen Vasokonstriktion und einer erhöhten Rechts-links-Shunt-Fraktion [4]. Die ausgeprägte Endothelaffektion bei COVID-19-Patienten, mit häufig auftretenden venösen und arteriellen thrombembolischen Ereignissen sowie Mikroangiopathien in der pulmonalen Strombahn, ist mittlerweile hinreichend belegt [5, 6]. Im weiteren Verlauf könne sich die sog. H‑Form entwickeln (für „high elastance, high lung weight, high recruitability“), die mit einer niedrigen Lungen-Compliance atemmechanisch dem klassischen ARDS entspricht [2]. Diese Beobachtung fußte auf einer Studie an nur 32 Patienten und wurde dafür kritisiert [1]. Mit Veröffentlichung der großen Kohortenstudien [7,8,9,10], die Daten von fast 7000 Patienten enthielten, blieb von dem Konstrukt des „anderen ARDS“ zunächst nicht mehr viel übrig. Beschrieben wurde v. a. eine ausgeprägte Heterogenität im Hinblick auf die Lungen-Compliance, die sich insgesamt jedoch nicht signifikant von der des Non-COVID-ARDS unterschied.

Ergebnisse neuerer Studien legen nahe, dass es sich beim COVID-19-ARDS um eine Erkrankung handelt, die in unterschiedlichen Phasen verläuft und sich somit in zeitlicher Betrachtung durchaus vom klassischen ARDS unterscheidet. Bei 135 Patienten zeigte sich in einer Propensity-Match-Analyse, dass die Lungen-Compliance mit Beginn des COVID-19-ARDS signifikant höher war als beim klassischen ARDS-Patienten, sich dieser Unterschied aber im Krankheitsverlauf verlor [11]. Diese Interpretation deckt sich, nach Ansicht der Autoren, mit der Realität im klinischen Alltag. Zwar sind die COVID-19-Patienten in ihrer Oxygenierungsleistung häufig bereits deutlich eingeschränkt, lassen sich aber aufgrund ihrer atemmechanisch „weichen“ Lungen problemlos lungenprotektiv beatmen. Aus diesem Phänotyp kann sich das Krankheitsbild aggravieren, mit dichten Infiltraten und dorsobasalem Gradienten. Besonders beim schweren COVID-19-ARDS stellt sich im späten Krankheitsverlauf eine Neigung zu ausgeprägten Fibrosierungen ein [12]; diese sind möglicherweise einer erneuten Steroidtherapie zugänglich [13]. Eine schematische, vereinfachte Darstellung der unterschiedlichen Phänotypen des COVID-19-ARDS zeigt Abb. 1.

Abb. 1
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Schematische Darstellung der unterschiedlichen Phänotypen des COVID-19-ARDS. Abkürzungserklärungen s. Abkürzungsverzeichnis. (Adaptiert nach Tonelli et al. [14]; Verwendung der CT-Bilder mit freundlicher Genehmigung der Klinik und Poliklinik für Radiologie, LMU Klinikum)

Nichtinvasive respiratorische Unterstützung

Als Überbegriff für die assistierte Spontanatmung wird in diesem Beitrag und auch in der internationalen Literatur „nichtinvasive respiratorische Unterstützung/nichtinvasiver respiratorischer Support“ (NIRS) verwendet. Dieser umfasst die nasale High-Flow-Nasula-Cannula(HFNC)-Therapie, die Beatmung mithilfe des „continuous positive airway pressure“ (CPAP) und die nichtinvasive Beatmung (NIV). Die Definitionen der unterschiedlichen nichtinvasiven Verfahren enthält Tab. 1.

Tab. 1 Definitionen der unterschiedlichen Formen der assistierten Spontanatmung

Der NIRS bietet zweifelsfrei viele Vorteile gegenüber der invasiven Beatmung, allem voraus die Möglichkeit des Spontanmotorikerhalts mit Vermeidung einer Inaktivitätsatrophie der Muskulatur. Die Empfehlungen zur intensivmedizinischen Therapie von Patienten mit COVID-19 in ihrer ersten Version aus dem März 2020 stellten dennoch aufgrund des möglichen Infektionsrisikos für medizinisches Personal durch eine Aerosoldispersion eine zurückhaltende Indikation für NIRS [15]. Nach zahlreichen Studien zum Thema [16] lässt sich mittlerweile zusammenfassend sagen, dass sich das Infektionsrisiko durch eine adäquate Umsetzung von Schutzmaßnahmen so gut kontrollieren lässt, dass ein Vorenthalten des NIRS aus Gründen des Infektionsschutzes nicht mehr gerechtfertigt erscheint. Entsprechend empfiehlt die mittlerweile S3-Leitlinie in ihrer aktualisierten Version die Anwendung von NIRS bei Patienten mit COVID-19 und hypoxämischer Insuffizienz mit einem Oxygenierungsindex von 100–300 mm Hg [17]. Die Datenlage aus dem Non-COVID-Kollektiv unterstützt die Anwendung des NIRS in der milden bis moderaten akuten Hypoxämie (Oxygenierungsindex > 150 mm Hg), wohingegen die Studienlage bei der moderaten bis schweren Hypoxämie (Oxygenierungsindex ≤ 150 mm Hg) weniger eindeutig ist [18, 19].

Die Evidenz zum NIRS bei COVID-19 hat sich durch die bisher nur als Preprint veröffentlichte britische RECOVERY-Respiratory-Support-Studie erhöht; in dieser wurden über 1000 Patienten mit respiratorischer Insuffizienz multizentrisch in CPAP-, HFNC- oder eine Gruppe mit konventioneller Sauerstofftherapie randomisiert [20]. Der primäre Endpunkt (Notwendigkeit der Intubation oder Tod innerhalb von 30 Tagen) wurde in der CPAP-Gruppe signifikant seltener erreicht (36,3 % vs. 44,4 % in der Gruppe mit konventioneller Sauerstofftherapie). Dieser Effekt ließ sich für HFNC nicht zeigen. In einer weiteren Studie wurde die Anwendung von Helm-NIV mit HFNC bei Patienten mit COVID-19-ARDS verglichen. Es fand sich kein signifikanter Unterschied im Hinblick auf den primären Endpunkt, die Zahl an Tagen ohne respiratorische Unterstützung [21]. Es lohnt sich ein Blick auf die sekundären Outcome-Parameter, die Rate der Intubationen und die Zahl der Tage mit invasiver Beatmung, in denen die Helmgruppe signifikant besser abschnitt. Das bessere Abschneiden von CPAP gegenüber HFNC könnte mit der hier effektiveren Möglichkeit der PEEP-Applikation begründet werden. Hat HFNC bei COVID-19 somit ausgedient?

Im klinischen Alltag ist die wissenschaftliche Evidenz im Hinblick auf den NIRS nicht ausschließlich entscheidend. Zum einen muss die Auswahl des Verfahrens immer abhängig von der Toleranz des individuellen Patienten erfolgen. Zum anderen sind die unterschiedlichen Verfahren keinesfalls als konkurrierend zu betrachten, sondern als sich sinnvoll ergänzende nebeneinander in ein Konzept eingefügte Behandlungen: beispielsweise HFNC zum Essen, gefolgt von Masken-NIV im Rehastuhl und Helm-NIV während der Bauchlagerung. Aus Sicht der Autoren hat die HFNC-Beatmung trotz der genannten negativen Studienergebnisse somit keinesfalls ausgedient und findet sich auch weiterhin im Stufenschema der aktualisierten Leitlinie, mit jedoch nun einer Präferenz zugunsten von NIV gegenüber der HFNC-Beatmung bei Patienten mit progredienter respiratorischer Insuffizienz (Abb. 2; [17]). Unabhängig vom Verfahren muss ein engmaschiges Monitoring der Vitalparameter, und mindestens ebenso wichtig, ein klinisches Monitoring mit Fokus auf die Atemarbeit erfolgen. Tachypnoe, Dyspnoe, zunehmende Kontraktion der Atemmuskulatur und beispielsweise auch eine neurologische Verschlechterung können Prodrome einer respiratorischen Erschöpfung sein, die es durch rasche Intubation oder Verfahrenswechsel unbedingt zu vermeiden gilt. Ein Oxygenierungsindex < 100 mm Hg kann nur ein Richtwert zur Indikationsstellung zur Intubation sein [17].

Abb. 2
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Stufenschema der aktuellen S3-Leitlinie zum NIRS im Rahmen der stationären Therapie bei COVID-19-Patienten mit akuter respiratorischer Insuffizienz. Abkürzungserklärungen s. Abkürzungsverzeichnis. (Adaptiert nach Kluge et al. [17], Pfeifer et al. [22])

Invasive Beatmung

In retrospektiven Kohortenstudien wurde untersucht, wie Patienten mit COVID-19 invasiv beatmet wurden. Grasselli et al. analysierten in einem Sco**-Review die Beatmungsparameter innerhalb der ersten 24 h nach der Aufnahme auf die Intensivstation von über 14.000 Patienten aus 26 Studien und verglichen diese mit denen eines Non-COVID-19-ARDS-Kollektivs [23, 24]. Es zeigte sich, dass die COVID-19-Patienten im Vergleich zu den Patienten mit klassischem ARDS häufiger mit lungenprotektiven Tidalvolumina und höheren PEEP-Werten beatmet wurden sowie relaxiert und in die Bauchlage verbracht wurden. In Bezug auf die Compliance fand sich v. a. eine ausgeprägte Heterogenität. In einer niederländischen Observationsstudie bestätigte sich die Adhärenz der Behandler bezüglich der Kriterien zur lungenprotektiven Beatmung (niedrige Tidalvolumina, niedriger Driving Pressure [DP], häufige Anwendung der Bauchlagerung), bei jedoch sehr variablen PEEP-Werten zwischen 5 und 20 cm H2O, trotz insgesamt in diesem Studienkollektiv niedriger Compliance [10]. Hochwertige Evidenz zur invasiven Beatmung bei COVID-19 fehlt weiterhin. Daher wird empfohlen, bei beatmeten COVID-19-Patienten die bekannten Kriterien zur lungenprotektiven Beatmung anzuwenden (Tidalvolumen ≤ 6 ml/kg Standardkörpergewicht, Plateaudruck [pPlat] ≤ 30 cm H2O, [25]).

Die Übertragung der Leitlinienempfehlung für Non-COVID-19-Patienten zur PEEP-Einstellung nach der PEEP-Tabelle aus dem ARDS-Network [26] auf das COVID-19-ARDS gelingt nicht so leicht. Die klinische Erfahrung hat gezeigt, dass einige Patienten schlecht auf hohe PEEP-Werte ansprechen. Dies könnte die sehr variablen PEEP-Einstellungen in der niederländischen Studie erklären [10]. Daher empfiehlt die COVID-19-Leitlinie, den PEEP an die individuelle Situation des Patienten anzupassen. In der frühen Phase des ARDS, wenn eine geringe Rekrutierbarkeit aufgrund fehlender Konsolidierungen und noch guter Compliance angenommen wird, können niedrigere PEEP-Werten angewandt werden [17]. Aus Sicht der Autoren ist eine individualisierte Beatmungseinstellung mit PEEP-Titration unter Berücksichtigung atemmechanischer Parameter aber auch der CT-Morphologie sowie des Lungenultraschalls essenziell. Es wird diskutiert, ob bei Vorhandensein eines hyperkapnischen respiratorischen Versagens höhere Tidalvolumina (z. B. 7–9 ml/kgKG) zur effektiveren Decarboxylierung akzeptiert werden können, wenn DP und pPlat lungenprotektiv eingehalten werden können [27]. Sollte das Konzept der permissiven Hyperkapnie allein nicht ausreichen, scheint dieser Ansatz zumindest in der frühen Phase des COVID-19-ARDS denkbar, da der protektive Effekt kleiner Tidalvolumina möglicherweise auf der Vermeidung eines hohen DP basiert [28].

Einfluss der veränderten Beatmungsstrategien auf die Letalität

Die Anpassungen der Empfehlungen zur Beatmung führten deutschlandweit und auch international zu einer flächendeckenden Verbreitung von NIRS bei COVID-19-Patienten. Diese Änderung im Management zeigt noch keinen einheitlichen Effekt auf die Letalität.

In einer brasilianischen Studie wurden Behandlungstrends und Letalitätsdaten von 13.301 COVID-19-Patienten aus 42 Krankenhäusern analysiert [29]. Im Verlauf der Pandemie war eine deutliche Abnahme der 60-Tage-Letalität der Intensivpatienten von 17 % auf 9,6 % zu verzeichnen, parallel dazu eine Zunahme der Anwendungen des NIRS von 8 % auf 25 %. Die vermehrte Anwendung des NIRS war nach Risikoadjustierung unabhängig mit einem verbesserten Überleben assoziiert. Ein Einfluss der Überlastung des brasilianischen Gesundheitssystems zu Beginn der Pandemie in Südamerika auf dieses Ergebnis kann nicht ausgeschlossen werden.

Umso wertvoller sind Daten aus Deutschland, wo das Gesundheitssystem zwar zwischenzeitlich belastet, aber zu keinem Zeitpunkt überlastet war. Der Effekt der Überlastung der Gesundheitssystems mit möglichen Auswirkungen auf die Letalität muss daher bei deutschen Analysen nicht mitberücksichtigt werden. Karagiannidis et al. analysierten die AOK-Daten aus Deutschland bezüglich Veränderungen in der Beatmungspraxis zwischen der ersten und der zweiten Welle sowie daraus resultierenden Letalitätsunterschieden [30]. Die Rate der invasiven Beatmung sank im Rahmen der zweiten Welle deutlich von 75 % auf 39 %. Der Anteil der NIV-beatmeten Patienten erhöhte sich entsprechend von 10 % auf 29 %. Dadurch kam es zwar zur Abnahme der Krankenhausverweildauer um 4 Tage und der invasiven Beatmungsdauer von 11,6 auf 7,6 Tage. Die Letalität auf den Intensivstationen insgesamt blieb jedoch unverändert (51 % vs. 53 %). Die Patienten, die mit alleiniger NIV-Beatmung erfolgreich behandelt werden konnten, hatten eine reduzierte Letalität von 39 %. Besonders eindrücklich war jedoch die hohe Letalität der Patienten, die im Verlauf nach einer NIV-Therapie intubationspflichtig wurden. Die Letalität stieg mit der Dauer der NIV-Therapie stetig an und betrug bei einem späten NIV-Versagen nach über 4 Tagen über 75 %. Die Autoren folgerten, dass die NIV-Therapie zwar die Oxygenierungsleistung der Lungen verbessern kann, jedoch nur dann zu einer Verringerung der Letalität führt, wenn sich der Zustand der Patienten unter NIV-Therapie rasch bessert. Daher sollte der NIRS nur unter engmaschigem Monitoring und unter 24-stündiger Intubationsbereitschaft erfolgen.

Patient self-inflicted lung injury

Einen möglichen Erklärungsansatz für den beobachteten Letalitätsanstieg beim späten NIRS-Versagen könnte das Konzept der P‑SILI liefern. Hierbei handelt es sich um ein pathophysiologisches Konstrukt, das bereits vor COVID-19 Gegenstand der Forschung war [31] und im Zusammenhang mit NIRS bei COVID-19 zunehmend in den Fokus der Diskussion rückte.

Durch den inflammatorischen Reiz der geschädigten Lungen erhöht sich der Atemantrieb, insbesondere zu Beginn des Atemzyklus [32]. Zusätzlich ist die physiologische Hemmung des Atemantriebs durch Rückkopplung über Dehnungsrezeptoren in atelektatischen Lungenbereichen gestört. Bei der unterstützten Spontanatmung kann der transpulmonale Druck aufgrund der Reduktion des Pleuradrucks, kombiniert mit der Druckkonstanz der Beatmung, auf einen kritischen Wert ansteigen, resultierend in Lungenstress mit erhöhter Gefäßpermeabilität und lokaler Inflammation, v. a. in den nichtabhängigen Lungenbereichen. Insbesondere beim Vorliegen eines dorsobasalen Gradienten kommt es in den ventralen Lungenbereichen zu einer geringeren Erniedrigung des Pleuradrucks mit Aggravation eines intrapulmonalen Gradienten und dadurch entstehender Pendelluft [33]. Zusätzlich führt der erhöhte transpulmonale Druck zum Anstieg des transvaskulären Drucks, was die Ausbildung von Ödemen noch verstärkt. Insgesamt kommt es somit zu einem Fortschreiten der Lungenschädigung mit Entwicklung eines Circulus vitiosus – übertragen auf die eingangs vorgestellten 2 Typen des COVID-19-ARDS zur Progression vom L‑Typ zum H‑Typ (Abb. 3).

Abb. 3
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Konzept der P‑SILI. Ausgehend vom erhöhten Atemantrieb durch die initiale Lungenschädigung kommt es zu ausgeprägten intrapulmonalen Druckschwankungen mit Abnahme des Pleuradrucks und zur Zunahme des transpulmonalen Drucks, was die Entstehung eines Lungenödems und die Ausbildung eines intrapulmonalen Gradienten fördert. Dadurch verschlechtern sich die Atemmechanik und der Gasaustausch im Sinne eines Circulus vitiosus weiter. Abkürzungserklärungen s. Abkürzungsverzeichnis. (Adaptiert nach Brochard [31])

Zur Diagnose und zum Monitoring des P‑SILI wäre somit die Messung des transpulmonalen Drucks ideal. Da diese im klinischen Alltag nicht flächendeckend verfügbar und insbesondere bei spontan atmenden Patienten mit Atemstress auch schwer realisierbar ist, plädieren die Autoren für ein klinisches Monitoring mit Fokus auf Atemantrieb und Atemanstrengung. Mögliche NIRS-Strategien zur Vermeidung eines P‑SILI sind u. a.:

  • Reduktion nichtventilierter Lungenanteile durch eine ideale PEEP-Einstellung,

  • Bauchlagerung im Wachzustand (s. unten),

  • Reduktion des Atemantriebs durch eine leichte Sedierung sowie

  • Vermeidung einer Asynchronität mit der Beatmungsmaschine durch die optimierte Einstellung der Beatmungsparameter, möglicherweise mit verlängerter Druckanstiegszeit und niedriger Druckunterstützung zur Vermeidung einer Überassistenz der Atemmuskulatur.

Allein zur Vermeidung eines P‑SILI kann aufgrund der fehlenden Evidenz keine Indikation zur Intubation hergeleitet werden. Dennoch können die Awareness für das Konzept und der klinische Fokus auf den Atemantrieb bei der komplexen Entscheidungsfindung, wann das NIRS-Konzept für den individuellen Patienten ausgereizt ist und der Zeitpunkt zur Intubation gekommen ist, hilfreich sein.

„Awake proning“: die Lösung?

Auch unter dem Aspekt der Vermeidung eines P‑SILI ist v. a. die Bauchlagerung im Wachzustand bei COVID-19-Patienten eine vielversprechende Maßnahme. Die bekannten positiven physiologischen Effekte der Bauchlagerung beim beatmeten ARDS-Patienten [34, 35] führten dazu, dass die Bauchlagerung auch beim COVID-19-ARDS zur unverzichtbaren Standardtherapie gehört. Zusätzlich ist beim wachen Patienten die in Bauchlagerung reduzierte Thoraxwand-Compliance mit daraus resultierender homogenerer Ventilationsverteilung sowie Reduktion von Lungenstress und Pendelluft möglicherweise von Vorteil [36]. Zudem könnte eine durch die Bauchlagerung gebesserte Oxygenierung den Atemantrieb reduzieren und den beschriebenen Circulus vitiosus durchbrechen. Verschiedene kleinere Studien konnten zeigen, dass die Bauchlagerung im Wachzustand bei COVID-19-Patienten sicher möglich ist und sich die Oxygenierung häufig verbessert [35]. Dies gilt insbesondere, wenn diese früh und in Ergänzung zum NIRS durchgeführt wird. Eine aktuelle Metaanalyse, die fast 3000 Patienten berücksichtigte, bestätigte den positiven Effekt der Bauchlagerung im Wachzustand auf die Oxygenierung, jedoch ohne die Rate der sekundären Intubationen und die Letalität zu senken [37]. Mit Veröffentlichung eines multizentrischen Meta-Trial, in dem über 1000 Patienten in HFNC-Therapie-Gruppen mit oder ohne Bauchlagerung randomisiert wurden, zeigte sich ein Effekt auf die Vermeidung von Intubationen in der Interventionsgruppe [38], sodass die aktualisierte Leitlinie nun eine generelle Empfehlung für die Durchführung der kostengünstig und sicher umsetzbaren Bauchlagerung im Wachzustand enthält [17]; diese ist im klinischen Alltag längst angekommen.

Fazit für die Praxis

  • Der nichtinvasive respiratorische Support (NIRS) hat die Behandlungsoptionen bei Patienten mit respiratorischer Insuffizienz bei vorliegender Coronavirus disease 2019 (COVID-19) wertvoll erweitert, auch wenn ein Letalitätsvorteil im Gesamtkollektiv der Intensivpatienten bisher nicht eindeutig gezeigt werden konnte.

  • Er bietet zweifelsfrei zahlreiche Vorteile, v. a. die Vermeidung einer Inaktivitätsatrophie der Muskulatur durch Erhaltung der Spontanmotorik.

  • Wichtig ist es, den Zeitpunkt der Intubation nicht zu verpassen, da das späte NIRS-Versagen mit einer exorbitant hohen Letalität vergesellschaftet ist.

  • Da es sich bei der Patient self-inflicted lung injury (P-SILI) nach wie vor um ein pathophysiologisches Konzept handelt, dessen Existenz in klinischen Studien bisher nicht bewiesen wurde, scheint eine Intubation allein aufgrund dieses Konzepts aktuell nicht gerechtfertigt.

  • Der Entscheidungsprozess, wann der Zeitpunkt zur Intubation gekommen ist, bleibt komplex. Verschiedene Faktoren, wie das engmaschige klinische Monitoring bezüglich Zeichen der erhöhten Atemarbeit mit drohender respiratorischer Erschöpfung, die bildgebende Untersuchung mithilfe von CT und Lungensonographie zur Einschätzung einer möglichen Rekrutierbarkeit sowie der Verlaufsparameter wie eine sich verschlechternde Compliance oder das Nichtansprechen auf den NIRS, müssen berücksichtigt werden. Oder, um den Intensivmediziner Martin Tobin zu zitieren, der in einem Editorial für das European Respiratory Journal moniert, dass nicht alle Fragen mit randomisierten Studien beantwortet werden können [39]: „Use of CPAP is a clinical art: an experienced physician enacts multiple and rapid adjustments at the bedside depending on patient response. Refinements involve trial and error, combined with improvisation (as with jazz).“