FormalPara Hintergrund

Die stereotaktische Körperstrahlentherapie (SBRT) wird als eine nicht-invasive Therapieoption zur Behandlung des primären Nierenzellkarzinoms (RCC) bei Patienten, die aus internistischen Gründen für eine Operation nicht geeignet sind oder diese ablehnen, postuliert. Ziel der multizentrischen FASTRACK II-Studie war es, die Wirksamkeit der SBRT beim RCC zu untersuchen [1].

FormalPara Patienten und Methoden

Diese prospektive, nicht-randomisierte und multizentrische Phase-II-Studie wurde in sieben australischen Zentren und einem niederländischen Zentrum im Rahmen der Trans Tasman Radiation Oncology Group (TROG) und der Australien and New Zealand Urogenital and Prostate Cancer Trials Group (ANZUP) durchgeführt. Eingeschlossen wurden Patienten, bei denen die Diagnose eines RCCs bioptisch gesichert wurde, deren ECOG-Performance-Status ≤ 2 war und die medizinisch inoperabel waren, ein hohes operatives Risiko aufwiesen oder eine Operation ablehnten. Für Tumore ≤ 4 cm wurde eine einzelne Fraktion von 26 Gy, für Tumore > 4 cm 42 Gy in drei Fraktionen verschrieben. Das primäre Ziel der Studie war die Abschätzung der Wirksamkeit der SBRT beim RCC, definiert als lokale Kontrolle auf der Grundlage der RECIST-Kriterien. Die Studie wurde unter der Annahme durchgeführt, dass die 1‑Jahres-Lokalkontrolle 90% betragen würde; als Nullhypothese wurde eine 1‑Jahres-Lokalkontrollrate von ≤ 80% gewählt, welche als ungeeignet für eine künftige randomisierte Studie anzusehen wäre.

FormalPara Ergebnisse

Zwischen Juli 2016 und Februar 2020 wurden 70 Patienten in die FASTRACK II-Studie eingeschlossen, Die mediane Nachbeobachtungszeit betrug 42 Monate. Das mediane Alter betrug 77 Jahren, 49 Patienten (70%) waren männlich, der mediane BMI lag bei 32 kg/m2 und der mediane Charlson-Komorbiditäts-Score bei 7. Die mediane Tumorgröße (Interquartilbereich [IQR]) betrug 4,6 cm [3,7–5,5]; sie betrug 3,3 cm [3,0–3,6] bei Patienten mit Einzeit-SBRT, und 5,3 cm [4,6–6,0] bei Patienten, die eine 3‑Fraktionen-SBRT erhielten (n = 47). Bei sieben Patienten (10%) traten behandlungsbedingte Grad 3-Toxizitäten auf. Es kam allerdings zu keinen Grad 4/5-Ereignissen. Elf Patienten (16%) verneinten jegliche unerwünschten Ereignisse. Die lokale Kontrolle lag während der gesamten Studiendauer bei 100%. Auch das krebsspezifische Überleben betrug während der gesamten Studiendauer 100%. Die Freiheit von distanten Metastasen (95% Konfidenzintervall [CI]) nach 1 und 3 Jahren betrug jeweils 97% (89–99%). Das Gesamtüberleben (95%-CI) nach 1 und 3 Jahren betrug 99% (90–100%) respektive 82% (70–89%). Die mittlere eGFR (Range, min; max) vor Therapie betrug 61,1 ml/min/1,73 m2 (56,6; 65,6) und verringerte sich im ersten Jahr um −10,8 ml/min/1,73 m2 (−13,1; −8,5) und im zweiten Jahr um −14,6 ml/min/1,73 m2 (−17,1; −12,1), um danach ein Plateau zu erreichen.

FormalPara Schlussfolgerung der Autoren

In der ersten multizentrischen prospektiven Studie einer nicht-chirurgischen Kohorte von Patienten mit primärem RCC, in die hauptsächlich Patienten im Stadium T1b oder höher eingeschlossen wurden, war die SBRT eine äußerst wirksame Behandlungsstrategie, bei der keine lokalen Rezidive beobachtet wurden. Das Nebenwirkungsprofil und der Erhalt der Nierenfunktion nach SBRT waren gut. Diese Ergebnisse sprechen für die Durchführung einer künftigen randomisierten Studie zur Wirksamkeit der SBRT im Vergleich zur Operation beim RCC.

Kommentar

Die Inzidenz des primären RCCs hat sich in den letzten Jahrzehnten in vielen westlichen Ländern erhöht [2], insbesondere bei Patienten über 70 Jahren. Dies ist unter anderem auf die häufigere Detektion asymptomatischer Nierenläsionen durch vermehrte abdominelle Bildgebungen zurückzuführen. Obwohl ‚active survaillance‘ in den Leitlinien [3,4,5] für kleinere, indolene Nierenläsionen als Option genannt wird, ist das krebsspezifische Überleben für ältere Patienten fast um den Faktor 4 geringer als das von jüngeren Patienten. Das RCC galt lange Zeit als radioresistente Tumorentität, allerdings basierte diese Annahme auf älteren Studien mit normofraktionierter Strahlentherapie und aus heutiger Sicht veralteten Bestrahlungstechniken, welche nicht auf die SBRT übertragbar sind [6].

Eine (partielle) Nephrektomie ist die Therapie der Wahl für primäre RCC bei Patienten, die medizinisch operabel sind und deren Erkrankung technisch resektabel ist. Viele ältere Patienten haben jedoch Komorbiditäten, die zu erhöhten Risiken eines chirurgischen Eingriffs führen. Zu den traditionellen nicht-chirurgischen Behandlungen gehört die thermische Ablation (TA) mit Radiofrequenzablation, Kryoablation oder Mikrowellenablation [7]. Diese invasiven Techniken führen in der Regel zwar zu einer hohen lokalen Tumorkontrolle (> 90%), haben aber Limitationen aufgrund der Größe des Tumors (TA nur bei Tumoren < 4 cm, idealerweise < 3 cm) oder aufgrund der Lokalisation (TA nur bei > 1 cm Abstand zu benachbarten anatomischen Strukturen wie dem Nierenbecken-Kelchsystem oder den Gefäßen), die ihren Einsatz oft verhindern. Grundsätzlich gilt die TA als sicheres Verfahren (< 10% Komplikationsrate) für kleine (< 3–4 cm), exophytische Nierenläsionen, die vom Nierenhilus entfernt sind. Bei Patienten mit größeren oder ungünstig gelegenen Primärtumoren, die mit der TA behandelt werden, besteht jedoch eine höhere Wahrscheinlichkeit eines Behandlungsversagens und erhöhter Risiken wie Blutungen und/oder Postablationssyndrom mit chronischen abdominellen Schmerzen.

Die SBRT ist eine relativ neue kurative Behandlungsoption für primäre RCCs ohne die oben genannten Limitationen der TA. Im Gegensatz zu TA-Techniken ist sie zudem nicht-invasiv, was insbesondere bei der hohen Prävalenz von antikoagulierten Patienten in der Altersgruppe der älteren Patienten von Bedeutung ist. In den letzten Jahren wurden eine Reihe von retrospektiven Studien, systematischen Reviews und Metanalysen zur Behandlung des RCC mittels SBRT veröffentlicht [8, 9], die alle eine hervorragende Effektivität der SBRT bei sehr gutem Nebenwirkungsprofil gezeigt haben.

Die hier diskutierte TROG 15.03 FASTRACK II-Studie ist nun die erste prospektive multizentrische Studie, welche die SBRT als nicht-chirurgische definitive Therapie für das primäre RCC untersuchte.

Die Ergebnisse sind beeindruckend und übertreffen die Erwartungen der Autoren. Obwohl die Tumoren mit durchschnittlich 4,6 cm größer waren als die Tumoren, die für eine TA zugänglich sind, kam es im Nachbeobachtungszeitraum zu keinem einzigen Lokalrezidiv bei den 70 eingeschlossenen Patienten. Neben der hohen Effektivität der Therapie zeigte sich ein günstiges Nebenwirkungsprofil mit lediglich 10% Grad 3-Toxizitäten. Flankenschmerz (4%) und Übelkeit mit Erbrechen (3%) waren die häufigsten höhergradigen Toxizitäten in der Studie.

Natürlich bestehen bei der Anwendung der SBRT an der Niere Bedenken hinsichtlich der Auswirkungen auf die Nierenfunktion. Die in dieser Studie beschriebene Abnahme der GFR von 14,6 ml/min/1,73 m2 nach 2 Jahren kann jedoch als akzeptabel betrachtet werden. Es ist erwähnenswert, dass es auch im Langzeitverlauf zu keinem weiteren Abfall der GFR kam. Ein Vergleich mit chirurgischen Therapieverfahren liegt nahe, auch wenn dieser Vergleich nicht direkt möglich und aufgrund differenter Tumorgrößen und unterschiedlicher initialer Nierenfunktion erschwert ist. So war die mediane GFR zu Behandlungsbeginn in der FASTRACK II-Studie mit 61,1 ml/min/1,73 m2 schlechter als in den meisten vergleichbaren chirurgischen Studien. Trotz schlechterer Nierenfunktion und großen Tumoren war die Abnahme der GFR jedoch vergleichbar mit der partiellen Nephrektomie [10].

Aussagen zur Effektivität der in der FASTRACK II-Studie angewandten, von der Tumorgröße abhängigen unterschiedlichen Dosierungen hinsichtlich der Lokalkontrolle lassen sich nicht treffen. Jedoch zeigten sich in einer kürzlich veröffentlichen Metaanalyse Hinweise auf eine höhere lokale Kontrolle mit einer Einzeit-SBRT, allerdings sind weitere Studien notwendig, um diese Beobachtung zu bestätigen [8, 11]. Das in der Metaanalyse am häufigsten zur Anwendung gekommene Dosierungsschema war 40 Gy in 5 Fraktionen, was einer geringeren biologisch effektiven Dosis als 1 × 26 Gy entspricht (BED (α/ß = 3) für 26 Gy in 1 Fraktion = 251 Gy; BED (α/ß = 3) für 42 Gy in 3 Fraktionen = 238 Gy; BED (α/ß = 3) für 40 Gy in 5 Fraktionen = 147 Gy).

In der Studie erfolgte bei allen Patienten eine Immobilisation mittels Vakuummatte, ein ITV wurde basierend auf einem 4D-CT generiert, welches dann um 5 mm zum PTV expandiert wurde. Die Peak-Dosis im PTV betrug zwischen 125% und 143%, die exakten Dosierungsempfehlungen sowie Normalgewebs-Grenzwerte sind im publizierten Studienprotokoll angegeben [12]. Eine Stärke der Studie war die begleitende Qualitätskontrolle der Bestrahlungspläne, um die Adhärenz an die Studienvorgaben zu gewährleisten.

Trotz der im Vergleich zu chirurgischen Therapiestudien immer noch relativ niedrigen Anzahl an eingeschlossenen Patienten und der vergleichsweise geringen Nachbeobachtungszeit von 43 Monaten zeigten diese Studiendaten die hervorragende Effektivität der SBRT beim RCC. Bei Patienten, für die eine Operation aus technischen oder internistischen Gründen nicht in Frage kommt oder die eine Operation ablehnen, kann die SBRT als Alternative eingesetzt werden und sollte aus unserer Sicht in Tumorboards als Behandlungsoption vermehrt Beachtung finden. Für nicht-operable Patienten mit großen, einer TA nicht zugänglichen Tumoren stellt die SBRT die einzige kurative Therapieoption dar. Die aktuelle Leitlinie zum Nierenzellkarzinom der EAU führt die SBRT explizit als Behandlungsoption auf [4], und auch die aktuelle NCCN-Leitlinie nennt die SBRT als Option bei inoperablen RCC-Patienten. Die deutsche S3 Leitlinie (Stand Februar 2023) bezeichnet den Einsatz der SBRT beim primären RCC hingegen bisher als experimentelles Verfahren [5], was angesichts dieser Daten einer prospektiven multizentrischen Phase II Studie nun deutlich in Frage gestellt werden muss. Die Ergebnisse sind erstens die beste verfügbare Evidenz für nicht-operative Verfahren und sprechen zweitens für die Durchführung einer randomisierten klinischen Studie zur SBRT versus Operation beim primärem RCC.

Janis Morgenthaler, Alexander Rühle,

Simon Kirste und Maike Trommer

Köln, Leipzig, Freiburg, Melbourne