Zusammenfassung
Professor Shen Pi’an aus Shanghai befasst sich in diesem Artikel mit Arzneimittelreaktionen, die durch chinesische Arzneimittel und Fertigrezepturen hervorgerufen werden können. Die wichtigsten Auslöser sind dabei tierische Arzneimittel, pflanzliche Proteine sowie Blüten und Gräser. Dabei kommt es in der Regel zu einem Arzneimittelexanthem, in wenigen Fällen auch zu Arzneimittelfieber oder zu schweren allergischen Zuständen. Rainer Nögel kommentiert dies aus westlicher Sicht.
Der Autor nennt Arzneimittel, die eine Arzneimittelreaktion hervorrufen können, er geht auf mögliche Toxizitäten chinesischer Arzneimittel ein, und er nennt Mittel, die bei einer allergischen Konstitution generell gemieden werden sollten. Er schildert den Krankheitsmechanismus und das Krankheitsbild, das in der Chinesischen Medizin den Kategorien „Arzneimittel-Toxisches“ (yaoduzheng) und „Ausschlag aufgrund von Arzneimittel-Toxischem“ (yaoduzhen) entspricht. Bei der Behandlung einer aufgetretenen Arzneimittelreaktion können verschiedene Arzneimittel und Rezepturen eingesetzt werden; der Autor geht näher auf diese ein und nennt einige Erfahrungsrezepturen. Zwei Fallbeispiele illustrieren das Vorgehen von Professor Shen.
Abstract
In this article Professor Shen Pi’an from Shanghai looks at the reactions to medicinal remedies which can be brought on by the use of Chinese herbs and standard prescriptions. The main substances most likely to induce adverse reactions are animal-based remedies, plant proteins and flowers and grasses. As a rule, these can result in drug-induced exanthema and, in a few cases, in drug fever or in severe allergic conditions. Rainer Nögel comments on this from a Western perspective.
The author specifies Chinese medicinal remedies which can cause adverse reactions; he discusses possible toxicities of Chinese remedies and he names Chinese herbs that should generally be avoided in patients with an allergic constitution. He describes the mechanisms and the symptoms which correspond in Chinese Medicine to the categories “drug toxicity” (yaoduzheng) and “rash resulting from drug toxicity” (yaoduzhen). A variety of Chinese herbs and prescriptions can be used in the treatment of an adverse (drug) reaction; the author discusses these in more detail and gives some empirical prescriptions. Two case studies are used to illustrate Prof. Shen’s approach.
Notes
Ingredienzen des „Dekoktes gegen Empfindlichkeit“ (Kangmin tang 抗敏汤): 30 g Rehmanniae radix (Shengdihuang), 30 g Scutellariae radix (Huangqin), 30 g unpräpariertes Gypsum fibrosum (Shigao), 30 g Kochiae fructus (Difuzi), 30 g Dictamni cortex (Baixianpi), 30 g Rumicis radix (Yangtigen), 30 g Caraganae sinicae radix (**quegen), 12 g Moutan cortex (Mudanpi), 12 g Curcumae longae tuber (Yu**), 12 g Saposhnikoviae radix (Fangfeng), 6 g Citri reticulatae pericarpium (Chenpi), 3 g Glycyrrhizae radix (Gancao).
Ingredienzen des „Fieber senkenden Dekoktes mit Gypsum“ (Shigao tuire tang 石膏退热汤): 30 g Rehmanniae radix (Shengdihuang), 60–90 g unpräpariertes Gypsum fibrosum (Shengshigao), 30 g Scutellariae radix (Huangqin), 30 g Lonicerae flos (**yinhua), 30 g Artemisiae annuae herba (Qinghao), 12 g Anemarrhenae rhizoma (Zhimu), 3 g Glycyrrhizae radix (Gancao).
Auf Asini corii colla (Ejiao) sollte aus Gründen des Tierschutzes verzichtet werden.
Bedroht, aber auf keiner Liste.
Kategorie II im Washingtoner Artenschutzübereinkommen (Handel reglementiert).
Von einer Verwendung wird aus toxikologischen Gründen dringendst abgeraten.
Auf Asini corii colla (Ejiao) sollte aus Gründen des Tierschutzes verzichtet werden.
Siehe Artikel „Die Behandlung von rheumatoider Arthritis mit Chinesischer Medizin – Teil 1: Grundlagen“ von Shen Pi’an, erschienen in in Chinmed 1/2018 [2018].
Caraganae sinicae radix (**quegen) ist bitter, scharf, neutral, Bezug zu den cc. pulmonalis et lienalis (Leitbahnen der Fk „Lunge“ und „Milz“, fei pi **g); sie wirkt den o. pulmonalis (Fk „Lunge“, fei) kühlend, den o. lienalis (Fk „Milz“, pi) stützend, das Xue dynamisierend und die Leitbahnen durchgängig machend; s. Jiangsu xin yixueyuan 江苏新医学: Zhongyao dacidian 中药大辞典 (Großes Lexikon der chinesischen Arzneimittel). Shanghai: Shanghai kexue jishu chubanshe 上海科学技术出版社 (Verlag für Wissenschaft und Technik Shanghai), 1997, S. 1402.
Literatur
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Shen Pi’an 沈丕安. Zhongyao buliang fanying yu linchuang 中药不良反应与临床 (Unerwünschte Reaktionen auf chinesische Arzneimittel und ihre klinische Behandlung). Bei**g: Di’er junyi daxue chubanshe 第二军医大学出版社 (Verlag der Zweiten Militärmedizin-Universität); 2007.
Shen Pi`an. Die Behandlung von rheumatoider Arthritis mit Chinesischer Medizin – Teil 1: Grundlagen, Chinesische Medizin 1/2018, S.19–33
Wiebrecht A. Sicherheit in der Chinesischen Arzneitherapie. In: Focks C, Hrsg. Leitfaden Chinesische Medizin – Grundlagen. München: Elsevier; 2017.
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Aus dem Chinesischen übersetzt von Agnes Fatrai, Wolfratshausen.
CME-Fragebogen
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Arzneimittel, die calor („Hitze“, re) des Qi und des qi constructivum (Bauenergie, yingqi) stark kühlen und die Temperatur und Fieber senken, sind
unpräparierter Coicis semen (Yiyiren)
Fraxini cortex (Qinpi)
Angelicae sinensis radix (Danggui)
Curcumae longae tuber (Yu**)
Schizonepetae herba (**gjie)
Arzneimittel mit einer antiallergischen Wirkung zur Behandlung von Arzneimittelexanthemen sind
Artemisiae annuae herba (Qinghao)
unpräpariertes Gypsum fibrosum (Shigao)
Glauberitum (Hanshuishi)
Sophorae flavescentis radix (Kushen)
Zingiberis rhizoma recens (Shengjiang)
Arzneimittelexantheme durch chinesische Arzneimittel
kommen bei oraler Einnahme nicht vor
kommen bei oraler Einnahme selten vor
kommen bei oraler Einnahme häufig vor
kommen bei parenteraler Einnahme nicht vor
wurden in großen westlichen Studien erfasst
Differentialdiagnosen der Chinesischen Medizin für Arzneimittelreaktionen durch chinesische Arzneimittel können sein
algor venti („Wind-Kälte“, fenghan)
calor venti („Wind-Hitze“, fengre)
Stase des Xue
humor venti („Wind-Feuchtigkeit“, fengshi)
pituita („Schleim“, tan)
Chinesische Arzneimittel, die laut Shen Pi’an bei oraler Einnahme vermehrt allergische Arzneimittelreaktionen hervorrufen können, sind
Ginseng radix (Renshen)
Zingiberis rhizoma (Ganjiang)
Trichosanthis radix (Tianhuafen)
Glycyrrhizae radix (Gancao)
Poria (Fuling)
Arzneimittel aus tierischen Substanzen
werden in der Chinesischen Medizin nicht eingesetzt
rufen keine allergische Arzneimittelreaktionen hervor
können allergische Arzneimittelreaktionen hervorrufen
rufen regelmäßig allergische Arzneimittelreaktionen hervor
dürfen zur antiallergischen Therapie nicht eingesetzt werden
Arzneimittel aus Blütenpollen, die allergische Arzneimittelreaktionen hervorrufen können,
gibt es nicht
sind besonders in Dekoktform sehr vorsichtig einzusetzen
werden immer über ventus („Wind“, feng) und Xue behandelt
betrifft häufig Chrysanthemi flos (Juhua)
betrifft selten Typhae pollen (Puhuang)
Gastrointestinale Nebenwirkungen als Arzneimittelreaktion auf Chinesische Arzneimittel
treten unabhängig von der Diagnose und der energetischen Situation auf
können das orthopathische Qi (geradläufiges Qi, zhengqi) nicht schädigen
traten in größeren westlichen Studien eher selten (0,2–2 %) auf
führen häufig zu Magenulcera
führen häufig zu Darmentzündungen
Zur Behandlung von Arzneimittelreaktionen mit Exanthemen gegenüber einzelnen chinesischen Arzneimitteln
ist vor allem Beseitigen von ventus („Wind“, feng) und Umwandeln von humor („Feuchtigkeit“, shi) wichtig
werden häufig Xue-Stasen aufgelöst
wird häufig algor („Kälte“, han) erwärmt
ist vor allem Kühlen von calor („Hitze“, re) und des Xue wichtig
ist Umwandeln von pituita („Schleim“, tan) ein zentrales Anliegen
Eine hilfreiche Rezeptur zur Behandlung von Arzneimittelreaktionen mit Exanthemen ist
die Erfahrungsrezeptur „Dekokt gegen Empfindlichkeit“ (Kangmin tang)
die „Rehmanniae-Pille mit sechs Geschmacksrichtungen“ (Liuwei dihuang wan)
das „Dekokt des Weißen Tigers“ (Baihu tang)
das „Pulver mit Lonicera und Forsythia“ (Yinqiao san)
das „Dekokt der vier Bestandteile“ (Siwu tang)
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Shen, P., Nögel, R. Arzneimittelreaktionen auf chinesische Arzneimittel. Chinese Medicine 36, 64–74 (2021). https://doi.org/10.1007/s00052-021-00020-6
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DOI: https://doi.org/10.1007/s00052-021-00020-6
Schlüsselwörter
- Shen Pi’an
- Arzneimittelreaktion
- Chinesische Phytotherapie
- Arzneimittelexanthem
- Arzneimittelfieber
- Arzneimitteltoxizität
- Fallbeispiel