Einführung und Geltungsbereich

2015 veröffentlichte der European Resuscitation Council erste Erste-Hilfe-Leitlinien [1], die auf der Grundlage des im selben Jahr veröffentlichten Konsenses des International Liaison Committee on Resuscitation (ILCOR) zur wissenschaftlich begründeten Ersten Hilfe mit Behandlungsempfehlungen beruhen [2, 3]. Im gleichen Jahr beschloss das ILCOR, den wissenschaftlichen Evidenzbewertungsprozess nicht mehr in einem Fünfjahreszyklus, sondern kontinuierlich vorzunehmen. Dies spiegelt sich im ILCOR-Konsens 2020 über Wissenschaft mit Behandlungsempfehlungen (CoSTR) wider [4, 5].

Alle 2010 von der American Heart Association und dem Amerikanischen Roten Kreuz untersuchten und geprüften Themen [6] sowie 13 medizinische, 10 Trauma- und ein Bildungsthema, die mittels PICO-Methode (Population = Bevölkerung, Intervention = diagnostisches/therapeutisches Verfahren, Comparison = Vergleich, Outcome = Überleben/Ergebnis) im ILCOR-2015-CoSTR-Review untersucht [2, 3] wurden, wurden 2016 von der ILCOR-Erste-Hilfe-Arbeitsgruppe geprüft. Achtunddreißig PICO-Themen wurden von den Mitgliedern der Arbeitsgruppe zur Bewertung und Einstufung ausgewählt. Die Bewertung orientierte sich daran, ob es neue veröffentlichte Erkenntnisse gab, die die CoSTR von 2015 verändern würden. Die zwanzig am besten bewerteten Themen wurden ausgewählt und von der ILCOR-Gruppe für kontinuierliche Evidenzbewertung (CEE) den konstituierenden ILCOR-Räten zur Ratifizierung vorgelegt und danach zur Kommentierung veröffentlicht. Die Erste-Hilfe-Arbeitsgruppe bewertete dann jedes ausgewählte Thema. Die Arbeitsgruppe wählte Themen aus, bei denen sie glaubte, dass es neue veröffentlichte wissenschaftliche Erkenntnisse (seit 2015) gab, und reichte diese zur systematischen Überprüfung ein. Für einige Themen wurde die PICO-Frage geändert, um Lücken zu schließen, die durch frühere Überprüfungen festgestellt wurden. Diese wurden ebenfalls zur systematischen Überprüfung eingereicht. Die Themen zur Kontrolle lebensbedrohlicher Blutungen wurden zu einem Mega-PICO-Thema für eine integrierte, systematische Überprüfung zusammengefasst. Wenn die Arbeitsgruppe unsicher war, ob es genügend neue wissenschaftlich veröffentlichte Erkenntnisse gab, wurde der PICO einem Sco**-Überprüfungsprozess unterzogen. Sco**-Überprüfungen basieren auf einer umfassenderen Suchstrategie, die auch graue Literatur einschließt, und liefern eher einen narrativen Bericht ihrer Ergebnisse als die kritische Bewertung einer systematischen Überprüfung. Die daraus resultierenden Manuskripte, sowohl für die systematischen Überprüfungen als auch für die Sco**-Überprüfungen, wurden für eine öffentliche Kommentierung auf der ILCOR-CoSTR-Website sowie in der CoSTR-Zusammenfassung 2020 veröffentlicht [4, 5]. Einige der systematischen Überprüfungen wurden direkt veröffentlicht, darunter „Sofortmaßnahmen bei Präsynkope“ [7], „Behandlung von Hypoglykämie“ [8], „Frühe versus späte Gabe von Acetylsalicylsäure bei Brustschmerzen nichttraumatischer Genese“ [9], „Kühltechniken bei Hitzschlag und anstrengungsbedingter Hyperthermie“ [10], „Kompressionsverband bei akuten, geschlossenen Gelenksverletzungen“ [11], „Zahnverlust“ [12] und „Erkennen eines Schlaganfalls durch Ersthelfer“ [13].

Die Erste-Hilfe-Autorengruppe des Europäischen Rates für Wiederbelebung hat die veröffentlichten systematischen Überprüfungen und Sco**-Überprüfungen zusammen mit den wissenschaftlichen Konsens- und Behandlungsempfehlungen der ILCOR-Arbeitsgruppe für Erste Hilfe (ILCOR/CoSTR) als Grundlage für diese Erste-Hilfe-Leitlinien verwendet. Die Autorengruppe hat beim Verfassen dieser Leitlinien auch die Evidenz der Entscheidungstabellen, narrativen Übersichten und Diskussionen in der Arbeitsgruppe sorgfältig geprüft und berücksichtigt. Darüber hinaus berücksichtigte die Autorengruppe fünf zusätzliche Themen, die nicht in den ILCOR-Prozess 2020 aufgenommen wurden, die aber zuvor im ILCOR-Prozess 2015 enthalten waren, für kurze Evidenzbewertungen. Die Autorengruppe hat diese zusätzlichen klinischen Empfehlungen als eine abgestimmte Expertenmeinung mit dem Hinweis „gute klinische Praxis“ gekennzeichnet, um sie von den Leitlinien zu unterscheiden, die auf einem wissenschaftlichen Prozess beruhen.

Insgesamt umfassen diese Richtlinien 20 PICO-Themen, die in elf medizinische und neun Traumanotfälle unterteilt sind.

Medizinische Notfälle

  • Stabile Seitenlage

  • Optimale Lagerung eines Betroffenen im Kreislaufschock

  • Gabe von Bronchodilatatoren bei Asthma

  • Erkennen eines Schlaganfalls

  • Frühe Gabe von Acetylsalicylsäure bei Schmerzen in der Brust

  • Anaphylaxie:

    • Zweite Dosis Adrenalin bei Anaphylaxie

    • Erkennen einer Anaphylaxie durch Ersthelfer

  • Behandlung einer Unterzuckerung/Hypoglykämie

  • Orale Rehydrierungslösungen zur Behandlung von anstrengungsbedingtem Flüssigkeitsmangel

  • Behandlung des Hitzschlags durch Kühlung

  • Sauerstoffgabe bei akutem Schlaganfall

  • Behandlung einer Präsynkope

Traumanotfälle

  • Stillung lebensbedrohlicher Blutungen

  • Versorgung einer offenen Brustkorbverletzung

  • Stabilisierung und Immobilisation der Halswirbelsäule

  • Erkennen einer Gehirnerschütterung

  • Thermische Verbrennungen:

    • Kühlung von thermischen Verbrennungen

    • Verbände bei thermischen Verbrennungen

  • Zahnverlust

  • Kompressionsverband bei geschlossenen Gelenkverletzungen an Extremitäten

  • Reponierung von Frakturen mit Fehlstellung

  • Augenverletzungen durch Chemikalieneinwirkung

Definition der Ersten Hilfe

Erste Hilfe ist die Erstversorgung bei akuten Erkrankungen oder Verletzungen. Zu den Zielen der Ersten Hilfe gehören die Erhaltung des Lebens, die Linderung des Leidens, die Verhinderung weiterer Krankheiten oder Verletzungen und die Förderung der Genesung. Erste Hilfe kann von jedem in jeder Situation, einschließlich einer Selbsthilfe, durchgeführt werden. Zu den allgemeinen Erste-Hilfe-Maßnahmen in jeder Ausbildungsstufe gehören:

  • Erkennen, Beurteilen und Priorisieren der Notwendigkeit von Erste-Hilfe-Maßnahmen.

  • Anwenden der Erste-Hilfe-Maßnahmen entsprechend vorhandenen Kompetenzen unter Berücksichtigung der eigenen Grenzen.

  • Anforderung weiterer Hilfe, z. B. Aktivierung des Rettungsdienstsystems oder anderer medizinischer Hilfe, bei Bedarf.

Zu den wichtigsten Prinzipien gehören:

  • Erste Hilfe soll medizinisch korrekt sein und auf den besten verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen.

  • Die Erste-Hilfe-Ausbildung soll universell sein: Jeder soll Erste Hilfe lernen.

  • Die Hilfsbereitschaft der Menschen soll gefördert werden: Jeder soll handeln.

  • Der Umfang der Ersten Hilfe und die Hilfsbereitschaft variiert und kann durch Umwelt‑, Ressourcen‑, Schulungs- und Regulierungsfaktoren beeinflusst werden.

Diese Leitlinien wurden von den Mitgliedern der Erste-Hilfe-Autorengruppe erarbeitet und beschlossen. Die für die Leitlinienentwicklung verwendete Methodik ist in der Zusammenfassung dargestellt [14]. Die Leitlinien wurden im Oktober 2020 zur allgemeinen Kommentierung veröffentlicht. Das Feedback wurde von der Arbeitsgruppe erörtert und die Leitlinien wurden gegebenenfalls aktualisiert. Die Leitlinien wurden der ERC-Generalversammlung am 10. Dezember 2020 vorgelegt und von dieser genehmigt.

Die Kernaussagen des Kapitels sind in Abb. 1 zusammengefasst.

Abb. 1
figure 1

Infografik Erste Hilfe

Kurzleitlinien für die klinische Praxis

Stabile Seitenlagerung

Der ERC empfiehlt, Erwachsene und Kinder mit einer verminderten Reaktionsfähigkeit aufgrund einer medizinischen Erkrankung oder eines nichtphysischen Traumas, die die Kriterien für die Einleitung einer Atemspende oder einer Thoraxkompression (CPR) NICHT erfüllen, in die stabile Seitenlage zu bringen (Abb. 2). Insgesamt gibt es wenig Evidenz zur Empfehlung einer optimalen Seitenlage. Der ERC empfiehlt folgenden Ablauf:

  • Knien Sie seitlich neben dem Betroffenen und vergewissern Sie sich, dass seine Beine gerade ausgestreckt sind.

  • Legen Sie den Ihnen zugewandten Arm rechtwinklig zum Körper mit der Handfläche nach oben.

  • Führen Sie den anderen Arm über die Brust und halten Sie den Handrücken gegen die Ihnen zugewandte Wange des Betroffenen.

  • Greifen Sie mit der anderen Hand das gegenüberliegende Bein knapp über dem Knie und ziehen Sie es nach oben, wobei der Fuß auf dem Boden bleibt.

  • Während Sie die Hand des Betroffenen weiterhin gegen die Wange drücken, ziehen Sie am entfernt liegenden Bein, um den Betroffenen auf die Seite zu drehen.

  • Richten Sie das oben liegende Bein so aus, dass Hüfte und Knie jeweils rechtwinklig gebogen sind.

  • Neigen Sie den Kopf nach hinten, um sicherzustellen, dass die Atemwege offen bleiben.

  • Korrigieren Sie die Hand unter der Wange, wenn nötig, sodass der Hals überstreckt bleibt und das Gesicht nach unten zeigt, um den Abfluss von Flüssigkeiten aus dem Mund zu ermöglichen.

  • Überprüfen Sie regelmäßig, ob eine normale Atmung vorhanden ist.

  • Lassen Sie den Betroffenen nur dann unbeaufsichtigt, wenn dies unbedingt erforderlich ist, z. B. um sich um andere Betroffene zu kümmern.

Abb. 2
figure 2

Stabile Seitenlagerung

Es ist äußerst wichtig, und soll hier nochmals betont werden, dass Personen in stabiler Seitenlage liegend bis zum Eintreffen des Rettungsdiensts ständig überwacht werden müssen, damit sichergestellt ist, dass sie weiterhin normal atmen. Unter bestimmten Bedingungen kann es nicht angezeigt sein, den Betroffenen in eine Seitenlage zu bringen, z. B. durch einen Kreislaufstillstand bedingte Schnappatmung oder in Traumasituationen.

Optimale Lagerung eines Patienten im Kreislaufschock

  • Legen Sie Personen mit Schock auf den Rücken (Rückenlage).

  • Wenn keine Verletzungsanzeichen vorliegen, können Ersthelfer bis zum Eintreffen des Rettungsdiensts in Betracht ziehen, die Beine des Betroffenen anzuheben (passives Anheben).

Gabe von Bronchodilatatoren bei Asthma

  • Unterstützen Sie Asthmatiker mit akuten Atemproblemen bei der Einnahme ihrer bronchienerweiternden Therapie.

  • Jeder Ersthelfer muss mit deren verschiedenen Anwendungsmethoden vertraut sein.

Erkennen eines Schlaganfalls

  • Verwenden Sie eine Bewertungsskala für Schlaganfälle, um die Zeit bis zur Erkennung und endgültigen Behandlung für Personen mit Verdacht auf akuten Schlaganfall zu verkürzen.

  • Die folgenden Schlaganfallbewertungsskalen sind verfügbar:

    • „Face“ (Gesicht), „arm“ (Arme), „speech“ (Sprache), „time to call“ (Zeit bis Notruf) (FAST).

    • Melbourne Ambulance Stroke Scale (MASS).

    • Cincinnati Prehospital Stroke Scale (CPSS).

    • Die Los Angeles Prehospital Stroke Scale (LAPSS) ist die Skala, die am häufigsten verwendet wird.

  • Die MASS- und LAPSS-Skalen können durch Blutzuckermessung erweitert werden.

Frühe Gabe von Acetylsalicylsäure gegen Brustschmerzen

Bei bewusstseinsklaren Erwachsenen mit nicht traumatischen Brustschmerzen aufgrund eines vermuteten Myokardinfarkts:

  • Beruhigen Sie den Betroffenen.

  • Bringen Sie den Betroffenen in eine für ihn bequeme Lage (Sitzen oder Liegen).

  • Notruf.

  • Ersthelfer sollen den Betroffenen, nach Einsetzen der Brustschmerzen, so bald wie möglich zur Selbstverabreichung von frei erhältlicher, kaubarer 150–300 mg Acetylsalicylsäure auffordern und ihn bei der Einnahme unterstützen.

  • Geben Sie Erwachsenen mit Brustschmerzen keine Acetylsalicylsäure, wenn die Ursache der Beschwerden unklar oder traumatisch bedingt ist.

  • Es besteht ein relativ geringes Risiko für Komplikationen. Selten können insbesondere Anaphylaxie und schwere Blutungen auftreten. Verabreichen Sie Erwachsenen mit einer bekannten Allergie gegen Acetylsalicylsäure oder anderen Kontraindikationen, wie schwerem Asthma oder bekannten Magen-Darm-Blutungen, keine Acetylsalicylsäure.

Anaphylaxie

Das Management der Anaphylaxie wurde im Kapitel „Besondere Umstände“ bereits beschrieben [15].

  • Wenn die Symptome der Anaphylaxie innerhalb von fünf Minuten nach der ersten Injektion nicht abgeklungen sind oder wenn die Symptome nach der ersten Dosis wieder auftreten, verabreichen Sie eine zweite Dosis Adrenalin durch intramuskuläre Injektion mit einem Autoinjektor [16].

  • Notruf.

  • Schulen Sie regelmäßig die Ersthelfer in der Erkennung und Behandlung einer Anaphylaxie.

Behandlung einer Unterzuckerung/Hypoglykämie

  • Die Anzeichen einer Unterzuckerung/Hypoglykämie sind plötzliche Bewusstseinsstörungen: Schwindel, Ohnmacht, manchmal Nervosität und ungewöhnliches Verhalten (Stimmungsschwankungen, Aggression, Verwirrung, Konzentrationsverlust, Anzeichen, die wie Trunkenheit aussehen) bis hin zu Bewusstlosigkeit.

  • Eine Person mit leichter Hypoglykämie hat typischerweise weniger schwere Anzeichen oder Symptome und ist noch in der Lage, schlucken zu können und Aufforderung zu befolgen.

  • Bei Personen, die Anzeichen oder Symptome einer leichten Unterzuckerung/Hypoglykämie aufweisen und die bei Bewusstsein sind und schlucken können:

    • Verabreichen Sie oral Traubenzuckertabletten (15–20 g).

    • Wenn keine Traubenzuckertabletten verfügbar sind, verabreichen Sie Zucker in einer äquivalenten Menge in anderer Darreichungsform wie Süßigkeiten, Zuckerwürfel, Geleebonbons oder eine halbe Dose Orangensaft.

    • Wiederholen Sie die Gabe von Zucker, wenn die Symptome immer noch vorhanden sind und sich nach 15 min nicht bessern.

    • Wenn kein Traubenzucker verfügbar ist, kann ein Glukosegel (teilweise in der Wange gehalten und teilweise geschluckt) verabreicht werden.

    • Alarmieren Sie den Rettungsdienst/Notarzt, wenn:

      a. Der Betroffene bewusstlos ist oder wird.

      b. Der Zustand des Betroffenen sich nicht bessert.

    • Nachdem sich der Zustand des Betroffenen durch Gabe von Zucker verbessert hat, soll dieser einen leichten Snack, wie ein Sandwich oder eine Waffel, zu sich nehmen.

  • Bei Kindern, die möglicherweise Traubenzucker nicht oral einnehmen möchten:

    • Erwägen Sie, einen halben Teelöffel Haushaltszucker (2,5 g) unter die Zunge des Kindes zu geben.

  • Messen und notieren Sie den Blutzuckerwert vor und nach der Behandlung, wenn möglich.

Orale Rehydrierungslösungen zur Behandlung von erschöpfungsbedingtem Flüssigkeitsmangel

  • Verabreichen Sie einer Person, die während einer sportlichen Leistung übermäßig geschwitzt hat und Anzeichen von Flüssigkeitsmangel aufweist, wie z. B. Durst, Schwindel, Benommenheit, Mundtrockenheit oder dunkelgelben und/oder stark riechenden Urin, Rehydrierungslösungen mit 3–8 % Kohlenhydrat-Elektrolyt-Anteilen (CE) (typische Sportgetränke) oder Magermilch.

  • Wenn 3–8 % CE-Getränke oder Milch nicht verfügbar sind oder nicht gut vertragen werden, können alternative Getränke zur Rehydrierung (0–3 % CE-Getränke, 8–12 % CE-Getränke oder Wasser) gegeben werden.

  • Sauberes Wasser in normaler Menge ist eine akzeptable Alternative. Die Dauer zur Rehydrierung ist jedoch möglicherweise verlängert.

  • Vermeiden Sie den Gebrauch von alkoholischen Getränken.

  • Alarmieren Sie den Rettungsdienst/Notarzt, wenn:

    • Die Person bewusstlos ist oder wird.

    • Die Person Anzeichen eines Hitzschlags zeigt.

Behandlung des Hitzschlags durch Kühlung

Erkennen der Symptome und Anzeichen eines Hitzschlags (bei hoher Umgebungstemperatur):

  • Erhöhte Temperatur

  • Verwirrtheit

  • Erregung

  • Desorientierung

  • Krampfanfall

  • Koma

Bei Verdacht auf einen durch Anstrengung verursachten oder klassischen Hitzschlag:

  • Bringen Sie den Betroffenen aus der heißen Umgebung und beginnen Sie mit der passiven Kühlung.

  • Beginnen Sie mit der zusätzlichen Kühlung mit jeder sofort verfügbaren Technik.

    • Tauchen Sie den ganzen Körper (vom Hals abwärts) in kaltes Wasser, wenn die Körperkerntemperatur über 40 °C liegt (1–26 °C). Führen Sie die Maßnahme so lange fort, bis die Kerntemperatur unter 39 °C fällt.

    • Verwenden Sie alternative Kühlmethoden, wie Eisdecken, handelsübliche Eisbeutel, Ventilator, kalte Dusche, Handkühlgeräte, Kühlwesten und -jacken oder Verdunstungskühlung (Benetzung und Lüftereinsatz), wenn eine Kühlung durch Eintauchen in Wasser nicht möglich ist.

  • Messen Sie nach Möglichkeit die Körperkerntemperatur des Betroffenen (Rektaltemperaturmessung). Möglicherweise ist hierfür eine spezielle Schulung erforderlich.

  • Betroffene mit durch Belastung bedingter Hyperthermie oder mit Hitzschlag bedürfen einer weiterführenden medizinischen Behandlung, für die der Ersthelfer sorgen soll.

Es ist bekannt, dass das Erkennen und die Behandlung von Betroffenen mit Hitzschlag ein spezielles Training erfordert (Rektaltemperaturmessung, Eintauchen in kaltes Wasser). Das Erkennen der Anzeichen und Symptome einer erhöhten Körperkerntemperatur und der Einsatz aktiver Kühltechniken ist jedoch entscheidend, um Morbidität und Mortalität zu vermindern.

Verwendung von Sauerstoff bei akutem Schlaganfall

  • Grundsätzlich dürfen Ersthelfer bei Verdacht auf einen akuten Schlaganfall keinen Sauerstoff verabreichen.

  • Sauerstoff soll verabreicht werden, wenn die Person Anzeichen einer Hypoxie zeigt.

  • Für Ersthelfer sind Schulungen zur Gabe von Sauerstoff erforderlich.

Behandlung einer Präsynkope

  • Präsynkopen sind gekennzeichnet durch Benommenheit, Übelkeit, Schwitzen, Schwarzwerden vor Augen und ein beginnendes Gefühl des Bewusstseinsverlusts.

  • Stellen Sie sicher, dass der Betroffene sicher ist und nicht fällt oder sich verletzt, wenn er das Bewusstsein verliert.

  • Verwenden Sie einfache physikalische Druckmaßnahmen, um Präsynkopen vasovagalen oder orthostatischen Ursprungs zu unterbrechen.

  • Druckmaßnahmen im Unterkörper sind effektiver als solche im Oberkörper.

  • Unterkörper – Hocken mit oder ohne Beinkreuzung

  • Oberkörper – Handballenpressen, Nackenbeugung

  • Ersthelfer müssen darin geschult werden, Betroffene in der Durchführung von Maßnahmen mit physischem Gegendruck anzuleiten.

Stillung lebensbedrohlicher Blutungen

Direkter Druck, blutstillende Verbände, Druckpunkte und Kältebehandlung (Kryotherapie) bei lebensbedrohlichen Blutungen

  • Üben Sie direkten manuellen Druck aus, um unverzüglich schwere, lebensbedrohliche äußere Blutungen zu stoppen.

  • Erwägen Sie die Verwendung eines blutstillenden Verbands, wenn Sie bei schweren, lebensbedrohlichen Blutungen direkten manuellen Druck ausüben. Bringen Sie den blutstillenden Verband direkt auf die blutende Verletzung und üben Sie dann direkten manuellen Druck auf den Verband aus.

  • Ein Druckverband kann nützlich sein, um die Blutstillung aufrechtzuerhalten, wenn die Blutung unter Kontrolle ist, soll aber nicht anstelle eines direkten manuellen Drucks für unkontrollierte Blutungen verwendet werden.

  • Die Verwendung von Druckpunkten oder Kältetherapie wird zur Stillung lebensbedrohlicher Blutungen nicht empfohlen.

Tourniquets bei lebensbedrohlichen Blutungen

  • Bei lebensbedrohlichen Blutungen aus Wunden an Extremitäten, an Stellen, an denen ein Tourniquet verwendet werden kann (d. h. Arm- oder Beinwunden, traumatische Amputationen):

    • Erwägen Sie die Anwendung eines handelsüblichen Tourniquets so bald wie möglich:

      a. Legen Sie das Tourniquet um die verletzte Extremität, 5–7 cm über der Wunde, jedoch nicht über ein Gelenk.

      b. Ziehen Sie das Tourniquet fest, bis die Blutung schwächer wird und gestoppt ist. Dies kann für den Betroffenen äußerst schmerzhaft sein.

      c. Halten Sie den Tourniquet-Druck aufrecht.

      d. Notieren Sie die Zeit, zu der das Tourniquet angelegt wurde.

      e. Entfernen Sie nicht das einmal angelegte Tourniquet – das Tourniquet darf nur von medizinischem Fachpersonal entfernt werden.

      f. Bringen Sie den Betroffenen sofort zur weiteren medizinischen Versorgung in ein Krankenhaus.

      g. In einigen Fällen kann es erforderlich sein, zwei Tourniquets parallel anzuwenden, um die Blutung zu verlangsamen oder zu stoppen.

    • Wenn ein handelsübliches Tourniquet nicht sofort verfügbar ist oder wenn die Blutung bei Verwendung eines handelsüblichen Tourniquets nicht kontrolliert werden kann, üben Sie direkten manuellen Druck mit einer behandschuhten Hand, einem Mullverband oder, falls verfügbar, einem blutstillenden Verband aus.

    • Ziehen Sie die Verwendung eines improvisierten Tourniquets nur dann in Betracht, wenn ein handelsübliches Tourniquet nicht verfügbar ist, der direkte manuelle Druck (behandschuhte Hand, Mullverband oder blutstillender Verband) lebensbedrohliche Blutungen nicht kontrolliert und der Ersthelfer in der Herstellung und Anwendung improvisierter Tourniquets geschult ist.

Behandlung offener Brustkorbverletzungen

  • Bedecken Sie eine offene Brustkorbverletzung nicht, damit diese offen zur Umgebung bleibt.

  • Legen Sie keinen Verband an oder bedecken Sie die Wunde nicht.

  • Im Bedarfsfall:

    • Stoppen Sie punktuelle Blutungen durch direkten Druck auf die Wunde

    • Legen Sie einen speziellen, nicht luftdichten oder Ventilverband an, um einen freien Gasaustritt während des Ausatmens zu gewährleisten (Schulung erforderlich).

Stabilisierung und Immobilisation der Halswirbelsäule

  • Das routinemäßige Anlegen einer Halskrause durch Ersthelfer wird nicht empfohlen.

  • Bei Verdacht auf eine Verletzung der Halswirbelsäule:

    • Fordern Sie den Betroffen auf, seinen Hals in einer stabilen Position zu halten, wenn er wach und kooperativ ist.

    • Wenn der Betroffene bewusstlos oder nicht kooperativ ist, sollen Sie den Hals mithilfe manueller Stabilisierungstechniken immobilisieren.

      a. „Head squeeze“/Kopfklemme: i. Halten Sie den Kopf des Betroffenen in Rückenlage zwischen Ihren Händen. ii. Positionieren Sie Ihre Hände so, dass sich die Daumen über den Ohren des Betroffenen und die anderen Finger unter dem Ohr befinden. iii. Achten Sie darauf, dass Ihre Finger die Ohren des Betroffenen nicht bedecken, sodass dieser sie hören kann.

      b. „Trapezium squeeze“/Trapezmuskelklemme: i. Halten Sie bei dem in Rückenlage befindlichen Betroffenen mit den Händen die Trapezmuskeln auf beiden Seiten des Kopfes (Daumen vor dem Trapezmuskel). Einfach ausgedrückt: Halten Sie die Schultern des Betroffenen mit den Händen, Daumen nach oben. ii. Drücken Sie den Kopf fest zwischen die Unterarme, wobei sich die Unterarme ungefähr in Höhe der Ohren befinden.

Erkennung einer Gehirnerschütterung

  • Obwohl ein einfaches einstufiges Bewertungssystem für Gehirnerschütterungen das Erkennen und Bewerten von Betroffenen mit Verdacht auf Kopfverletzung durch Ersthelfer erheblich erleichtern würde, gibt es gegenwärtig kein solches validiertes System.

  • Eine Person mit Verdacht auf Gehirnerschütterung muss von medizinischem Fachpersonal untersucht werden.

Thermische Verbrennungen

Nach einer thermischen Verbrennungsverletzung:

  • Kühlen Sie Verbrennungen sofort mit kühlem oder kaltem (nicht eiskaltem) Wasser.

  • Kühlen Sie die Verbrennung für mindestens 20 min.

  • Bedecken Sie die Wunde mit einem lockeren sterilen Verband oder verwenden Sie Frischhaltefolie. Wunde nicht zirkulär umwickeln.

  • Suchen Sie sofort einen Arzt auf.

Besondere Vorsicht ist beim Kühlen großer Verbrennungen oder bei Verbrennungen bei Säuglingen und Kleinkindern geboten, um keine Unterkühlung auszulösen.

Zahnverlust

  • Wenn der Betroffene aus dem Zahnfleisch blutet:

    • Ziehen Sie Einweghandschuhe an, bevor Sie dem Betroffenen helfen.

    • Spülen Sie den Mund des Patienten mit kaltem, sauberem Wasser aus.

    • Stoppen Sie Blutungen durch:

      a. Anpressen einer feuchten Kompresse an das offene Zahnfleisch.

      b. Sagen Sie dem Betroffenen, dass er auf die feuchte Kompresse beißen soll.

      c. Tun Sie dies nicht, wenn eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass die verletzte Person die Kompresse verschlucken könnte (z. B. ein kleines Kind, eine aufgeregte Person oder eine Person mit Bewusstseinsstörungen).

  • Wenn es nicht möglich ist, den ausgefallenen Zahn am Unfallort sofort zu replantieren:

    • Bitten Sie einen Spezialisten um Hilfe.

      a. Bringen Sie den Betroffenen und den ausgefallen Zahn zu einem Zahnarzt.

    • Berühren Sie den Zahn nur an der Krone. Berühren Sie nicht die Wurzel.

    • Spülen Sie einen sichtbar kontaminierten Zahn vor dem Transport maximal 10 s lang mit Kochsalzlösung oder unter fließendem Leitungswasser.

    • So transportieren Sie den Zahn:

      a. Wickeln Sie den Zahn in Frischhaltefolie oder lagern Sie ihn vorübergehend in einem kleinen Behälter mit Hanksʼ Balanced-Salt-Lösung (HBSS), Propolis oder ORS-Lösung („oral rehydration salt“).

      b. Wenn keines der oben genannten Produkte verfügbar ist, lagern Sie den Zahn in Kuhmilch (jede beliebige Form oder Fettanteil).

      c. Vermeiden Sie die Verwendung von Leitungswasser, Buttermilch oder Kochsalzlösung (Natriumchlorid).

Kompressionsverband bei geschlossenen Gelenkverletzungen an Extremitäten

  • Wenn der Betroffene Schmerzen im Gelenk hat und das betroffene Gelenk nur schwer bewegen kann, bitten Sie ihn, die Extremität nicht zu bewegen. Es ist möglich, dass eine Schwellung oder ein Bluterguss am verletzten Gelenk vorliegt.

  • Es gibt keine Evidenz dafür, dass die Anwendung eines Kompressionsverbands bei Gelenkverletzungen hilfreich oder nicht hilfreich ist.

  • Das korrekte und effektive Anlegen eines Kompressionsverbands bei einer Gelenkverletzung muss trainiert werden.

Reposition einer Fraktur mit Fehlstellung

  • Reponieren Sie nicht die Fehlstellungen eines Bruchs der langen Röhrenknochen.

  • Schützen Sie die verletzte Extremität durch eine Ruhigstellung der Fraktur.

  • Eine Reposition von Knochenbrüchen soll nur von Helfern durchgeführt werden, die speziell in diesen Techniken ausgebildet sind.

Augenverletzung durch chemische Einwirkung

Bei einer Augenverletzung durch Einwirkung einer chemischen Substanz:

  • Spülen Sie das kontaminierte Auge sofort und kontinuierlich mit viel sauberem Wasser oder normaler Kochsalzlösung für 10 bis 20 min.

  • Achten Sie darauf, das nicht betroffene Auge nicht zu kontaminieren.

  • Lassen Sie den Betroffenen zur Kontrolle zu einem Augenarzt bringen.

  • Es ist ratsam, bei der Behandlung von Augenverletzungen mit unbekannten chemischen Substanzen Handschuhe zu tragen und diese nach Abschluss der Behandlung sorgfältig zu entsorgen.

Evidenz, die die Leitlinien prägte

Stabile Seitenlage

Der ILCOR CoSTR von 2015 empfiehlt, dass Ersthelfer Personen, die nicht ansprechbar sind und normal atmen, in eine Seitenlage (seitlich liegend) bringen sollen, anstatt sie in Rückenlage zu belassen (schwache Empfehlung, Evidenz von sehr geringer Qualität). Es gibt kaum Evidenz zur Empfehlung einer optimalen Seitenlage [2, 3]. Seit dieser Überprüfung gab es eine Reihe von Veröffentlichungen, die aufzeigten, dass mit Wiederbelebungsmaßnahmen verzögert begonnen wurde, wenn der Betroffene in die Seitenlage gebracht wurde [17,18,19]. Im Jahr 2019 erweiterte das ILCOR die zu prüfende Population auf Erwachsene und Kinder mit vermindertem Bewusstsein aufgrund einer medizinischen Erkrankung oder eines nichtphysischen Traumas, die die Kriterien für die Einleitung von Rettungsatmung oder Brustkompressionen nicht erfüllen (CPR), und führte eine Sco**-Überprüfung durch. Das Ergebnis dieser Sco**-Überprüfung für diese modifizierte Frage erbrachte keine Änderung gegenüber der Behandlungsempfehlung oder -leitlinie von 2015.

Die anschließende 2020 durchgeführte Sco**-Überprüfung [4, 5] mit dieser modifizierten Population identifizierte über 4000 Quellen, von denen 34 für die Überprüfung ausgewählt wurden. Alle Studien wurden als von geringer oder sehr geringer Evidenz eingestuft, wobei die meisten an bewusstseinsklaren, gesunden Freiwilligen durchgeführt wurden und sich auf Komfort und Durchblutung des untenliegenden Arms bezogen. Mehrere Studien bezogen sich auf Patienten mit einer verminderten Bewusstseinslage aufgrund medizinischer Ursachen oder Behandlung [20,21,22,23,24,25]. Es wurde über positive Ergebnisse berichtet, wie die Aufrechterhaltung eines freien Atemwegs bei Kindern und eine verringerte Krankenhausaufenthaltsrate, die zeigen, dass eine Seitenlagerung bei Betroffenen mit einem verringerten Bewusstseinsgrad hilfreich sein kann. In einer einzigen Beobachtungsstudie wurde jedoch die halb liegende Position gegenüber der lateralen Position bei einer Überdosierung mit Opioiden als vorteilhaft bewertet [26].

Der übrigen Studien betrafen gesunde Probanden mit normalem Bewusstseinszustand, Patienten mit obstruktiver Schlafapnoe oder schlafgestörter Atmung oder Leichen mit chirurgisch induzierten Verletzungen der Halswirbelsäule.

Die Diskussionen in der Erste-Hilfe-Arbeitsgruppe spiegelten das Fehlen einer Evidenz für eine bestimmte Seitenlage wider. Die Gruppe empfahl, die Behandlungsempfehlung von 2015 aufrechtzuerhalten, aber wie folgt zu ändern:

„Für Erwachsene und Kinder mit verminderter Reaktionsfähigkeit aufgrund einer medizinischen Erkrankung oder eines nicht-physischen Traumas, die die Kriterien für die Einleitung von Reanimationsmaßnahmen (CPR) nicht erfüllen, empfiehlt der ERC, die Person in eine seitliche stabile Position zu bringen, anstatt sie in der Rückenlage zu belassen.“

Bei einer Person, die sich in Seitenlage befindet, sollen ständig Bewusstsein, Atemwege und Atmung kontrolliert werden. Wenn sich eine dieser Bedingungen verschlechtert, soll die Person in die Rückenlage gebracht und, falls erforderlich, Reanimationsmaßnahmen eingeleitet werden.

Die ILCOR-Arbeitsgruppe für Erste-Hilfe empfahl, eine weitere systematische Überprüfung zu diesem Thema durchzuführen.

Optimale Lagerung eines Patienten im Kreislaufschock

Als Kreislaufschock bezeichnet man einen Zustand, bei dem es zu einem Versagen der peripheren Durchblutung kommt. Er kann durch einen plötzlichen Verlust von Körperflüssigkeiten (wie z. B. durch eine Blutung), schwere Verletzungen, einen Myokardinfarkt (Herzinfarkt), eine Lungenembolie und andere ähnliche Zustände ausgelöst werden.

Dieses Thema wurde im ILCOR CoSTR [2, 3] 2015 und in den ERC-Leitlinien 2015 bewertet [1]. Es wurde 2020 nicht offiziell überprüft, sondern einer Evidenzaktualisierung unterzogen [4, 5].

Während die primäre Behandlung in der Regel auf die Ursache des Schocks gerichtet ist, ist die Unterstützung des Kreislaufs wichtig. Es gibt klinische Hinweise, dass eine Rückenlage die Vitalzeichen und die kardiale Pumpfunktion einer Person im Schock verbessert, anstatt sie in eine andere Position zu bringen. Allerdings ist die Evidenz für dieses Vorgehen gering.

Das passive Anheben der Beine („passive leg raising“, PLR) kann eine vorübergehende (<7 min) Verbesserung der Herzfrequenz, des mittleren arteriellen Drucks, des kardialen Index oder des Schlagvolumens [27,28,29] bei Personen ohne Anzeichen eines Traumas bewirken. Eine 2018 veröffentlichte Studie berichtete jedoch über Nebenwirkungen aufgrund des passiven Anhebens der Beine [30]. Die klinische Bedeutung dieser vorübergehenden Verbesserung ist unklar. Der optimale Höhengrad wurde nicht bestimmt, wobei in diesen Studien die Beine zwischen 30 und 60 Grad angehoben wurden. Da eine Besserung des Zustands des Patienten durch passives Anheben seiner Beine kurz und ihre klinische Bedeutung ungewiss ist, wird sie nicht als Routineverfahren empfohlen, obwohl sie in einigen Erste-Hilfe-Situationen angemessen sein könnte.

In diesen Empfehlungen wird der potenzielle, aber unsichere klinische Nutzen einer Verbesserung der Vitalfunktion durch die Lagerung eines Betroffenen mit Schock in Rückenlage (mit oder ohne Anheben seiner Beine) höher bewertet als das Risiko einer Bewegung des Betroffenen.

Gabe von Bronchodilatatoren bei Asthma

Dieser CoSTR wurde 2020 vom ILCOR nicht erneut untersucht. Im CoSTR 2015 wurde empfohlen, dass geschulte Ersthelfer Asthmatiker mit akuten Atemproblemen bei der Anwendung eines Bronchodilatators unterstützen sollen (schwache Empfehlung, Evidenz von sehr geringer Qualität) [2, 3]. Diese Empfehlung beruht auf 8 doppelblinden, randomisierten, kontrollierten Studien (RCT) [31,32,33,34,35,36,37,38], 2 Beobachtungsstudien [39, 40] und 1 Metaanalyse [41]. Keine dieser Studien untersuchte die Verabreichung von Bronchodilatatoren durch Ersthelfer. Zwei RCT zeigten nach Verabreichung eines schnell wirkenden Beta-2-Agonisten [31, 32] eine schnellere Rückkehr zu den Ausgangswerten, wobei nur drei Studien über Komplikationen berichteten [31, 33, 34]. Die verbleibenden Studien berichteten über eine Verbesserung der spezifischen therapeutischen Endpunkte des forcierten exspiratorischen Volumens in 1 s (FEV1) [33,34,35,36,37,38] und der maximalen exspiratorischen Flussrate (PEFR) [39, 40].

Die Erste-Hilfe-Leitlinie 2015 bleibt unverändert.

Erkennen eines Schlaganfalls

Schlaganfall ist weltweit eine der häufigsten Ursachen für Tod und Behinderung [42]. In den letzten 20 Jahren hat sich gezeigt, dass neue Behandlungen wie die schnelle Verabreichung von Thrombolytika oder endovaskuläre Reperfusionstechniken bei ischämischem Schlaganfall und die medizinische oder chirurgische Behandlung bei hämorrhagischem Schlaganfall die Ergebnisse signifikant verbessern [43,44,45]. Eine frühere Erkennung eines Schlaganfalls mit kurzer präklinischer Behandlung und Vorabinformation des Krankenhauses sind entscheidend für eine erfolgreiche Behandlung [4, 5, 78]. Zwei identifizierte Studien wurden eingeschlossen; beide Studien ergaben, dass bei Personen, die eine Behandlung mit Adrenalin bei Anaphylaxie benötigten, bei 8 % von 582 Patienten bzw. bei 28 % von 18 Patienten zwei oder mehr Dosen erforderlich waren [78]. Diese Studien bestätigen die Behandlungsempfehlung aus dem Jahr 2015 für die Anwendung einer zweiten Dosis Adrenalin bei Menschen mit Anaphylaxie, wenn sich deren Zustand nicht innerhalb von 5 bis 15 min nach der ersten Dosis verbessert.

In den Wissenslücken des CoSTR 2015 stellte sich die Frage nach der Fähigkeit von Ersthelfern, die Symptome der Anaphylaxie zu erkennen. Im Jahr 2019 führte die Arbeitsgruppe eine Sco**-Überprüfung durch, um diese Frage zu untersuchen. 1081 Datensätze wurden identifiziert, aber nur zwei Studien waren relevant [79, 80]. Beide Studien berichteten über eine Verbesserung des Wissens, der Erkennung und des Managements von Anaphylaxie durch Aus- und Weiterbildung, aber keine fand in klinischen Szenarien statt.

Behandlung einer Unterzuckerung/Hypoglykämie

Eine Hypoglykämie tritt im Allgemeinen bei Personen mit einer Diabeteserkrankung auf. Sie kann aber auch bei anderen Personen aufgrund eines Ungleichgewichts in der Blutzuckerregulation auftreten. Jemand, der eine Hypoglykämie erfährt, kann Anzeichen einer plötzlichen Bewusstseinsstörung zeigen. Die Symptome reichen von Schwindel, Ohnmacht, manchmal Nervosität und abweichendem Verhalten (Stimmungsschwankungen, Aggression, Verwirrung, Konzentrationsverlust, Anzeichen vergleichbar wie bei Trunkenheit) bis hin zur Bewusstlosigkeit [81, 82]. Die Erste Hilfe bei diesem Zustand besteht aus der Gabe von Traubenzuckertabletten oder anderen Darreichungsformen von Zucker wie Saft, Süßigkeiten oder Trockenfruchtstreifen, um das Blutzuckerniveau schnell zu erhöhen. Diese Zuckergaben können eigenständig erfolgen. Häufig jedoch erfolgt die Gabe durch Familienmitglieder oder durch Freunde [81, 83]. Traubenzucker oder Zucker können oral verabreicht und dann durch Verschlucken aufgenommen werden. Auch andere Einnahmeformen sind möglich, die zu einer schnelleren Aufnahme führen als über den oralen Weg. Bei diesen muss die Substanz nicht mehr geschluckt werden, um nachfolgend im Magen-Darm-Trakt aufgenommen zu werden. Andere Einnahmeformen umfassen die „bukkale Gabe“, also das Platzieren des Traubenzuckers in der Wange gegen die bukkale Schleimhaut, oder die „sublinguale Gabe“, wobei der Traubenzucker unter die Zunge gelegt wird. Diese Leitlinie für 2020 basiert auf zwei systematischen Überprüfungen, die von der ILCOR Arbeitsgruppe für Erste-Hilfe durchgeführt wurden [8, 84].

Die erste systematische Überprüfung untersuchte die Wirkung von oraler Glukose (z. B. Traubenzuckertabletten) oder anderen zuckerreichen Nahrungsmitteln (Suchdatum Juni 2016). Die Überprüfung ergab drei randomisierte, kontrollierte Studien und eine Beobachtungsstudie. Es wurden Nahrungszucker, darunter Saccharose, Fruktose, Orangensaft, Geleebohnen, Mentos® (Kaudragees), Maisstärkehydrolysat, Skittles® (Kaudragees) und Milch, mit Traubenzuckertabletten verglichen [84]. In einer Metaanalyse konnte gezeigt werden, dass nach 15 min Behandlung Nahrungszucker zu einer geringeren Aufhebung der Symptome führten als Traubenzuckertabletten. Diese Evidenz hat eine geringe bis sehr geringe Aussagesicherheit und führte zu einer starken Empfehlung für die Verwendung von Traubenzuckertabletten und einer schwachen Empfehlung bezüglich der Verwendung anderer Nahrungszucker, falls Traubenzuckertabletten nicht verfügbar sind [2, 3]. Diese systematische Überprüfung wurde im Rahmen dieser Leitlinie (Suchdatum Juni 2019) aktualisiert. Es konnten jedoch keine neuen Evidenzen identifiziert werden.

Die zweite systematische Überprüfung untersuchte die Auswirkungen unterschiedlicher enteraler Aufnahmewege für die Glukosegabe als Erste-Hilfe-Behandlung bei Hypoglykämie (Suchdatum Januar 2018) [8]. Die Überprüfung ergab zwei randomisierte, kontrollierte Studien, die auch Personen mit Hypoglykämie beinhalteten, und zwei nichtrandomisierte, kontrollierte Studien, einschließlich gesunder Freiwilliger. Es wurde gezeigt, dass bei Kindern mit Hypoglykämie und Symptomen einer gleichzeitigen Malaria- oder Atemwegsinfektion die sublinguale Glukosegabe, durch Gabe von Haushaltszucker unter der Zunge, nach 20 min bessere Ergebnisse hinsichtlich der Glukosekonzentration hatte als die orale Glukosegabe. Es zeigte sich beim Vergleich der bukkalen Gabe mit der oralen Gabe, dass der bukkale Weg nach 20 min mit einer niedrigeren Plasmaglukosekonzentration schlechter wirkt. Wenn Glukose in Form eines Dextrosegels verabreicht wurde (was zu einer kombinierten oralen und bukkalen Schleimhautaufnahme führte), konnte im Vergleich zur oralen Glukoseverabreichung kein weiterer Nutzen gezeigt werden. Die Sicherheit der Evidenz ist mäßig bis sehr gering und führte zu einer starken Empfehlung bezüglich der Verwendung von oraler Glukose (geschluckt) und einer schwachen Empfehlung für die Verwendung einer kombinierten oralen + bukkalen Glukosegabe (z. B. Glukosegel), sofern orale Glukose (z. B. Traubenzuckertablette) nicht sofort verfügbar ist. Das gilt jeweils für bewusstseinsklare Personen mit Verdacht auf Hypoglykämie, die in der Lage sind, schlucken zu können. Darüber hinaus wurde eine schwache Empfehlung gegen die bukkale Glukosegabe im Vergleich zur oralen Glukosegabe ausgesprochen. Bei Kindern mit Verdacht auf eine Hypoglykämie, die möglicherweise nicht mit dem oralen (verschluckten) Glukosegabeweg kooperieren, wurde eine schwache Empfehlung bezüglich der Verwendung der sublingualen Glukosegabe formuliert [4, 5].

Behandlung von anstrengungsbedingtem Flüssigkeitsmangel durch orale Rehydrierungslösungen

Das menschliche Körperwasser macht 50–70 % der gesamten Körpermasse aus. Trotz dieses Überfluss wird es in engen Grenzen reguliert. Bei längerem Training übersteigen die Schweißverluste im Allgemeinen die Flüssigkeitsaufnahme. Selbst ein geringer Flüssigkeitsmangel (etwa 2 % der Körpermasse) beeinträchtigt die Thermoregulation [85] und die kardiovaskuläre Belastbarkeit [86, 87]. Ein fortschreitender Flüssigkeitsmangel kann zur Beeinträchtigung der körperlichen und kognitiven Leistung führen [88, 89], zu Bewusstseinsverlusten aufgrund von niedrigem Blutdruck und schließlich zum Hitzekollaps, der tödlich verlaufen kann [90, 91]. In solchen Situationen ist es von größter Bedeutung, das Trinken nach dem Training zu fördern, um den Flüssigkeitshaushalt wiederherzustellen. Das Getränkevolumen und die Zusammensetzung sind entscheidend für eine schnelle und vollständige Rehydrierung [92, 93]. Obwohl die Leitlinien des American College of Sports Medicine zu Ernährung und sportlicher Leistung das Trinken von 1,25 bis 1,5 l Flüssigkeit pro kg verlorener Körpermasse empfehlen [94], gibt es keine eindeutige Bestätigung bezüglich der spezifischen Art der Rehydrierungsflüssigkeit. Die häufigsten Formen von Kohlenhydraten in Sportgetränken sind Glukose, Fruktose, Saccharose und Maltodextrin. Die Kohlenhydratkonzentration variiert zwischen den Marken der Sportgetränken, liegt jedoch typischerweise zwischen 6 und 8 %, verglichen mit 10 bis 12 % Kohlenhydraten bei gezuckerten Erfrischungsgetränken und Fruchtsäften. Niedrigere Kohlenhydratkonzentrationen werden manchmal als „leichte“ oder kohlenhydratarme Sportgetränke beworben. Die Vorteile dieser unterschiedlichen Konzentrationen von Kohlenhydrat-Elektrolyt-Getränken wurden in zahlreichen Studien an Sportlern untersucht.

Die ideale Rehydrierungslösung nach übungsbedingtem Flüssigkeitsmangel war das Thema einer ILCOR-Überprüfung im Jahr 2015 [2, 3] und wird jetzt von der ILCOR Arbeitsgruppe für Erste-Hilfe aktualisiert [4, 5]. Weitere 15 Studien wurden identifiziert (Suchdatum Juli 2019), was zur Aufnahme von insgesamt 23 randomisierten, kontrollierten Studien (RCT) und vier nichtrandomisierten Studien führte, in denen verschiedene Kohlenhydratkonzentrationen („carbohydrate electrolyte solutions“, CES), Bier mit unterschiedlichen Alkoholanteilen, Milch, Kokoswasser oder stark alkalisches Wasser, Joghurtgetränke oder Tee mit jeweils normalem Wasser verglichen wurden. Die am besten verfügbaren Studiendaten hatten eine geringe bis sehr geringe Sicherheit aufgrund von Einschränkungen im Studiendesign, ungenauen Ergebnissen und einem stark vermuteten Interessenkonflikt [4, 5].

Evidenz für Kohlenhydrat-Elektrolyt-Lösungen (CES) im Vergleich zu Wasser

8–12 % CES im Vergleich zu Wasser.

Belege mit sehr geringer Sicherheit aus 2 RCT [95, 96] konnten keinen Nutzen von 8–12 % CES im Vergleich zu Wasser für die kumulative Urinausscheidung nachweisen. Darüber hinaus zeigten Belege mit sehr geringer Sicherheit aus 2 RCT [92, 95] einen Nutzen von 8–12 % CES für die Flüssigkeitsretention nach 1 und 2 h und gegen die Dehydrierung nach 1 und 2 h im Vergleich zu Wasser. Evidenz mit geringer Sicherheit aus 1 RCT konnte keinen Nutzen für die Entwicklung einer Hyponatriämie zeigen [96].

3–8 % CES im Vergleich zu Wasser.

Belege mit sehr geringer Sicherheit aus 3 RCT [97,98,99] und 3 Nicht-RCT [100,101,102] zeigten einen Nutzen von 3–8 % CES für die kumulative Urinausscheidung im Vergleich zu Wasser. Darüber hinaus konnte in 3 RCT kein Nutzen für die kumulative Urinausscheidung nachgewiesen werden [103,104,105]. Belege mit sehr geringer Sicherheit aus 6 RCT [97,98,99, 103, 105, 106] und 2 Nicht-RCT [101, 102] zeigten einen Nutzen von 3–8 % CES für die Flüssigkeitsretention im Vergleich zu Wasser. Darüber hinaus konnte in 4 RCT kein vorteilhafter Effekt für die Flüssigkeitsretention oder Rehydrierung nachgewiesen werden [92, 104, 107, 108].

0–3 % CES im Vergleich zu Wasser.

Belege mit geringer Sicherheit aus 2 RCT [109, 110] zeigten einen Nutzen von 0–3 % CES für die kumulative Urinausscheidung, Flüssigkeitsretention und Serumnatriumkonzentration im Vergleich zu Wasser. Ein Nutzen für die Serumkaliumkonzentration konnte nicht nachgewiesen werden.

Evidenz für Milch im Vergleich zu Wasser

Evidenzen mit sehr geringer Sicherheit aus 3 RCT [95, 103, 104] zeigten einen Nutzen von Magermilch für die kumulative Urinausscheidung, Flüssigkeitsretention und Dehydrierung im Vergleich zu Wasser.

Darüber hinaus zeigte Evidenz aus 1 RCT mit sehr geringer Sicherheit [104] einen Nutzen von Magermilch mit 20 mmol/l Natriumchlorid für die kumulative Urinausscheidung und Flüssigkeitsretention.

Evidenz für normales Bier im Vergleich zu Wasser

Evidenz mit sehr geringer Sicherheit aus 1 RCT [111] zeigte, dass normales Bier (4,5–5 % Alkohol) die kumulative Urinausscheidung und Flüssigkeitsretention im Vergleich zu Wasser beeinträchtigt. Darüber hinaus konnte in 2 anderen RCT kein Nutzen [105, 112] für die kumulative Urinausscheidung, die Flüssigkeitsretention und die Natrium- und Kaliumkonzentration im Serum nachgewiesen werden.

Andere Rehydrierungslösungen im Vergleich zu Wasser

Für die folgenden Rehydrierungslösungen liegen keine ausreichenden Belege vor, um ihre Verwendung zu empfehlen: Kokoswasser [99, 107], Ahornwasser [113], Joghurtgetränke [96], Roibuschtee [114], chinesischer Tee plus Koffein [96], hochalkalisches Wasser [115], Wasser aus dem tiefen Ozean [116, 117] oder handelsübliches Tafelwasser [118], 3 % Glycerin [119], alkoholarmes oder alkoholfreies Bier [105, 111] oder Molkeproteinisolat-Lösungen [120].

Management des Hitzschlags durch Kühlung

Ein Hitzschlag tritt auf, wenn die Kernkörpertemperatur 40 °C überschreitet. Er ist ein medizinischer Notfall und kann zu schweren Organschäden und zum Tod führen, wenn die Kerntemperatur nicht sofort gesenkt wird [121]. Ein Hitzschlag ohne Anstrengung wird normalerweise nach längerer Sonneneinstrahlung beobachtet und tritt häufig bei Hitzewellen auf [122,123,124]. Er wird jedoch auch bei heißem Wetter bei Personen mit eingeschränkter Wärmeregulierung beobachtet, z. B. bei älteren Menschen oder Kindern. Ein anstrengungsverursachter Hitzschlag ist mit körperlicher Belastung in einer heißen oder warmen Umgebung verbunden.

Im Jahr 2020 veröffentlichte die ILCOR Arbeitsgruppe für Erste-Hilfe eine systematische Überprüfung der Kühlmethoden für Hitzschlag [125]. Insgesamt wurden 3289 Datensätze mit 63 Studien identifiziert, die in die quantitative GRADE-Analyse einbezogen wurden. Eine detaillierte Analyse der wissenschaftlichen Erkenntnisse, die verschiedene Kühltechniken unterstützen, wurde von der ILCOR Arbeitsgruppe für Erste-Hilfe durchgeführt und zusammengefasst [4, 5]. In der systematischen Überprüfung stammten die meisten Evidenzen aus Studien an gesunden erwachsenen Freiwilligen mit induziertem Hitzschlag bei Belastung. Gleichwohl verwendete die Arbeitsgruppe Kohortenstudien und Fallserien von belastungsverursachten Hitzschlagverletzte, um ihre Empfehlungen zu untermauern. Diese Überprüfung ergab, dass die schnellste Abkühlgeschwindigkeit durch Eintauchen des gesamten Körpers in Wasser (vom Hals abwärts) bei einer Wassertemperatur zwischen 1 und 26 °C erreicht wurde. Überraschenderweise war die Abkühlung bei Verwendung von lauwarmem Wasser zum Eintauchen fast genauso schnell wie bei Eiswasser. Das Eintauchen in Wasser kühlte schneller ab als alle anderen Formen der aktiven Kühlung, einschließlich der Verwendung von Eispackungen in den Achselhöhlen, der Leistengegend und am Hals, Verwendung von Duschen, Eisdecken oder Handtüchern und Benetzung/Lüftereinsatz. Die passive Abkühlung war etwas schneller als die Verdunstungskühlung und wurde von der Arbeitsgruppe als wesentlicher Bestandteil der Kühlung bei Hitzschlag oder Belastungshyperthermie angesehen.

Eine Konsensmeinung der Arbeitsgruppe war, dass die Kerntemperatur (rektal oder ösophageal) bei der Bewertung oder Behandlung von Hitzschlag nach Möglichkeit gemessen werden soll. Bei Erwachsenen mit Belastungshyperthermie oder Belastungshitzschlag wird der Patient durch Eintauchen des gesamten Körpers (vom Hals abwärts) in Wasser bei 1–26 °C aktiv gekühlt, bis eine Körpertemperatur unter 39 °C erreicht ist (schwache Empfehlung, sehr geringe Sicherheit). Wenn kein Eintauchen in kaltes Wasser möglich ist, verwenden Sie eine andere sofort verfügbare Kühltechnik (schwache Empfehlung, sehr geringe Sicherheit), die die schnellste Abkühlrate liefert (schwache Empfehlung, sehr geringe Sicherheit). Es wurde keine Empfehlung für einen klassischen Hitzschlag abgegeben (keine Empfehlung, Evidenz mit sehr geringer Sicherheit), da nur wissenschaftliche Evidenzen für einen Hitzschlag bei körperlicher Belastung gefunden wurden. Es wurde keine Empfehlung zur Kühlung von Kindern mit anstrengungsbedingtem oder klassischem Hitzschlag abgegeben (keine Empfehlung, Evidenz mit sehr geringer Sicherheit), da sich die gesamten wissenschaftlichen Daten auf erwachsene Probanden bezogen.

Abb. 3 zeigt die in der systematischen Überprüfung überprüften Kühltechniken in abnehmender Reihenfolge der Wirksamkeit, einschließlich Eintauchen in Eiswasser (1–5 °C), Eintauchen in lauwarmes Wasser (20–25 °C) und Eintauchen in kaltes Wasser (14–17 °C), Eintauchen in kälteres Wasser (8–12 °C), handelsübliche Eisbeutel, Duschen (20 °C), Eisdecken und Handtücher (3 °C), Eintauchen in kaltes Wasser von Hand und Füßen (16–17 °C), Kühlwesten und -jacken, kalte intravenöse Flüssigkeiten, Lüfterkühlung, passive Kühlung, Handkühlgeräte und Verdunstungskühlung [125].

Abb. 3
figure 3

Gewichtete mittlere Abkühlraten (oC/min) nach Abkühlmethode

Verwendung von Sauerstoff bei akutem Schlaganfall

Die Verwendung von Sauerstoff bei akutem Schlaganfall ist umstritten. Die ILCOR Arbeitsgruppe für Erste-Hilfe nahm eine systematische Überprüfung vor und veröffentlichte eine Empfehlung/CoSTR [4, 5]. Die Behandlungsempfehlung spricht sich gegen die routinemäßige Verwendung von Sauerstoff in der Erste-Hilfe-Situation aus, bezogen auf den Vergleich zur Nichtverwendung von Sauerstoff (schwache Empfehlung, geringe bis mäßige Evidenzsicherheit).

Direkte Belege lieferte eine präklinische Beobachtungsstudie [126], die von 8 randomisierten, kontrollierten Studien [127,128,129,130,131,132,133,134] im Krankenhaus unterstützt wurde, in denen die Behandlung mit Sauerstoff bei unterschiedlichen Flussraten und Abgabemethoden mit der Behandlung ohne Sauerstoff verglichen wurde. Die Gesamtmehrheit dieser Studien zeigte keine Verbesserung des Überlebens, der Lebensqualität oder des neurologischen Ergebnisses, einschließlich des NIHSS-Scores (National Institutes of Health Stroke Scale). Eine retrospektive Beobachtungsstudie ergab, dass beim Vergleich von drei akuten Schlaganfallgruppen (Sauerstoff bei Hypoxie, routinemäßige Bereitstellung von Sauerstoff, kein Sauerstoff) keine Zunahme der Atemwegserkrankungen oder neurologischen Komplikationen bis zur Entlassung aus dem Krankenhaus auftrat, was darauf hindeutet, dass eine frühzeitige Gabe von Sauerstoff sicher sein könnte.

Die Arbeitsgruppe bedachte auch, dass die Bereitstellung von zusätzlichem Sauerstoff nicht als routinemäßige Erste Hilfe angesehen werden kann. Die Verabreichung von Sauerstoff erfordert die Bereitstellung und Verwendung von Geräten sowie ein Verständnis der Mechanismen und Risiken einer Sauerstoffgabe. Es wurde festgestellt, dass dies möglicherweise nicht für alle Ersthelfer verfügbar oder anwendbar ist und dass für diese weitere spezifische Schulungen erforderlich wären.

Behandlung von Präsynkopen

Eine Synkope (Ohnmacht) ist ein vorübergehender Bewusstseinsverlust. In vielen Fällen geht eine prodromale Phase voraus, die Präsynkope, die durch Benommenheit, Übelkeit, Schwitzen, schwarze Flecken vor den Augen und ein bevorstehendes Gefühl des Bewusstseinsverlusts gekennzeichnet ist. Die geschätzte weltweite Inzidenz liegt zwischen 15 und 39 %, 50 % der Frauen und 25 % der Männer haben in ihrem Leben ein Synkopenereignis [135,136,137]. Verletzungen durch synkopenbedingte Stürze umfassen Frakturen, intrakranielle Blutungen, innere Organverletzungen und neurologische Verletzungen und machen etwa 30 % der in Notaufnahmen aufgenommenen Patienten aus [138]. Die Synkope kann vasovagalen (50 %) oder orthostatischen (7 %) oder kardialen (7 %) Ursprungs sein [139]. Es gibt Laborergebnisse, die darauf hindeuten, dass physikalische Gegendruckmanöver eine Synkope verhindern können, sofern sie in der präsynkopalen Phase angewandt werden [140,141,142,143]. Physikalische Gegendruckmanöver (PCM) umfassen die Muskelkontraktion der großen Muskeln von Armen, Beinen und Bauch – Beinpumpen, Anspannen, Überkreuzen, Hocken, Händegreifen und Bauchkompression (Abb. 4).

Abb. 4
figure 4

Physikalische Gegendruckmanöver zur Vermeidung von Synkopen

Im Jahr 2020 veröffentlichte die ILCOR Arbeitsgruppe für Erste-Hilfe eine systematische Überprüfung der Sofortmaßnahmen für Präsynkopen vasovagalen oder orthostatischen Ursprungs [7] und eine CoSTR-Erklärung [4, 5]. Von 5160 ursprünglich identifizierten Quellenangaben wurden 81 Studien für die Volltextüberprüfung ausgewählt. Acht Studien wurden letztendlich in die GRADE-Analyse einbezogen (zwei randomisierte kontrollierte Studien [144, 145] und sechs prospektive Kohortenstudien [146,147,148,149,150,151]). Alle Studien untersuchten die Auswirkungen physikalischer Gegendruckmanöver, wobei sechs der acht Studien Präsynkopen vasovagalen Ursprungs untersuchten [144, 146, 147, 149,150,151], während die anderen Studien Präsynkopen orthostatischen Ursprungs untersuchten [145, 149]. Alle acht Studien zeigten überwiegend vorteilhafte Ergebnisse für die angestrebte Wirkung, sowohl für die kombinierte vasovagale und orthostatische Präsynkope-Gruppe als auch für diejenigen mit einer Präsynkope ausschließlich vasovagalen Ursprungs. Gepoolte Beobachtungsstudien verschiedener PCM-Methoden zeigten keinen Nutzen für die Beendigung der Synkope. Wenn jedoch die Verwendung einer PCM-Methode im Vergleich zu einer alternativen Methode, oder im Vergleich zu einer Kontrolle, verglichen wurde, zeigten mehrere Studien einen Nutzen für die Beendigung der Synkope. Evidenz mit geringer Sicherheit deutet auf einen bescheidenen Nutzen bei der Verwendung von PCM zum Abbruch einer Synkope hin. Einen starken Zusammenhang zeigen Evidenzen mit einer geringen Sicherheit für eine Symptomreduktion [144,145,146,147,148,149,150,151]. Es wurden keine unerwünschten Ereignisse gemeldet, was darauf hindeutet, dass die Verwendung von PCM bei Personen mit dem Verdacht auf oder einer wiederkehrenden vasovagalen oder orthostatischen Präsynkope eine sichere und wirksame Erste-Hilfe-Intervention darstellt [146, 147].

Die ILCOR Arbeitsgruppe für Erste-Hilfe empfahl Personen mit akuten vasovagalen oder orthostatischen Präsynkopesymptomen jede Art von physikalischen Gegendruckmanövern (starke Empfehlung, geringe und sehr geringe Sicherheit). Physikalische Gegendruckmanöver mit dem Unterkörper (Hocken, Hocken mit Beinüberkreuzung, Marschieren) wurden gegenüber Manövern des Oberkörpers (Handgreifen, Nackenbeugung, Anspannung der Körpermitte) bevorzugt empfohlen (schwache Empfehlung, sehr geringe Sicherheit) [7]. Die Arbeitsgruppe räumte ein, dass viele dieser Studien Laboruntersuchungen an Personen mit vorbestehender vasovagaler oder orthostatischer Synkope waren. Sie erkannten auch an, dass für eine Verbreitung dieser Empfehlung Ersthelfer in Betreuungstechniken geschult werden müssten, um Betroffene in der Durchführung der physikalischen Gegendruckmanöver anleiten zu können.

Stillung lebensbedrohlicher Blutungen

Traumata sind weltweit die häufigste Ursache für verletzungsbedingte Morbidität und Mortalität. Unkontrollierte Blutungen sind die Haupttodesursache bei bis zu 35 % der Traumapatienten [152, 153]. In nur 5 min kann ein Ausbluten auftreten, sodass die sofortige Kontrolle lebensbedrohlicher Blutungen eine wichtige Maßnahme für die Erste Hilfe darstellt. Aus einer Wunde fließendes oder spritzendes Blut, Blut, das sich auf dem Boden sammelt, oder Blutungen, die nicht allein durch direkten manuellen Druck kontrolliert werden können, sind Erkennungszeichen für eine lebensbedrohliche Blutung. Obwohl direkter manueller Druck der Goldstandard für die anfängliche Kontrolle von Blutungen war, werden jetzt häufiger alternative Techniken wie die Verwendung von Tourniquets und hämostatischen Verbänden bei lebensbedrohlichen Blutungen in der Präklinik im militärischen und zivilen Umfeld angewendet.

In einer kürzlich durchgeführten systematischen Überprüfung durch das International Liaison Committee on Resuscitation (ILCOR) wurden mehrere Methoden zur Kontrolle lebensbedrohlicher äußerer Blutungen bewertet [154]. Die Evidenzen für diese Überprüfung wurden aus der zivilen Präklinik ermittelt, ergänzt durch Studien aus der militärischen Präklinik, aus der Krankenhausversorgung, und einige Simulationsstudien. Obwohl Evidenzen gefunden wurden, die Empfehlungen für die Verwendung von direktem Druck, Tourniquets und hämostatischen Verbänden stützen, muss die Reihenfolge der Anwendung noch untersucht werden. Darüber hinaus wurden keine vergleichenden Evidenzen für die Verwendung von Druckpunkten, Eis (Kryotherapie) oder der Lageerhöhung zur Kontrolle lebensbedrohlicher Blutungen gefunden. Es gab unzureichende Evidenzen für die Verwendung von Tourniquets oder Wundklemmvorrichtungen durch Laienanwender.

Direkter Druck, Druckverbände, hämostatische Verbände, Druckpunkte und Kryotherapie bei lebensbedrohlichen Blutungen

Obwohl dies als traditioneller „Goldstandard“ für die Blutungskontrolle angesehen wird, sind die Evidenzen für die Verwendung von direktem manuellem Druck zur Kontrolle lebensbedrohlicher Blutungen begrenzt und indirekt. Bei 918 Patienten wurden drei randomisierte, kontrollierte Studien mit endovaskulären Eingriffen im Krankenhaus durchgeführt. Es zeigte sich, dass bei der Verwendung mechanischer Druckgeräte bis zur Hämostase mehr Zeit verging als bei direktem manuellem Druck [155,156,157].

Die Verwendung von Druckverbänden zur Aufrechterhaltung der Hämostase nach Kontrolle lebensbedrohlicher Blutungen wird auch durch begrenzte Evidenz mit geringer Sicherheit gestützt. Eine Kohortenstudie mit 64 Patienten mit arteriovenöser Fistelpunktion berichtete über eine Blutstillung bei 45,5 % unter Verwendung eines direkten manuellen Drucks im Vergleich zu 82 % unter Verwendung eines kommerziellen elastischen Kompressionsverbands. Eine präklinische zivile Fallserie von 62 Patienten mit penetrierenden Verletzungswunden berichtete über eine Blutungskontrolle durch einen handelsüblichen Druckverband in 87 % und eine Verringerung der Blutung in den verbleibenden 11 % [158, 159].

Hämostatische Verbände unterscheiden sich in Design oder Wirkmechanismus, bestehen jedoch typischerweise aus speziell behandelten Gazeschwämmen, die ein Mittel enthalten, das die Blutgerinnung fördert. Diese Verbände werden auf eine Wunde aufgebracht oder in eine Wunde gepackt und funktionieren in Kombination mit direktem manuellem Druck. Ersthelfer haben gezeigt, dass sie neben direktem manuellem Druck auch hämostatische Verbände zur Behandlung lebensbedrohlicher Blutungen verwenden können [160]. Obwohl es hauptsächlich nur indirekte Evidenzen gibt, unterstützen diese die Verwendung von hämostatischen Verbänden mit direktem manuellem Druck zur Kontrolle lebensbedrohlicher Blutungen.

Eine randomisierte, kontrollierte Studie mit geringer Sicherheit an 160 Patienten mit Stichwunden an den Gliedmaßen zeigte bei 51,2 % derjenigen, die einen mit Chitosan beschichteten hämostatischen Verband mit direktem Druck angelegt bekommen hatten, ein Aufhören der Blutung in weniger als 5 min. Im Vergleich war dies durch direkten Druck allein bei 32,5 % der Patienten der Fall [161]. Vierzehn RCT mit 2419 Erwachsenen aus zivilen Krankenhäusern, die sich endovaskulären Eingriffen unterzogen, zeigten ebenfalls eine schnellere Hämostase (4,6–17,8 Minuten) unter Verwendung eines hämostatischen Verbands im Vergleich zum direkten manuellen Druck (12,4–43,5 min) [162,163,164,165,166,167,168,169,170,171,172,173,174,4, 5] identifizierte eine kürzlich durchgeführte Studie bei Kindern, die ein erfolgreiches Unterbinden eines Pulses bei Kindern im Alter von zwei Jahren unter Verwendung eines handelsüblich hergestellten Ankerwinde-Tourniquets zeigte [188]. Um eine lebensbedrohliche Blutung aus einer Extremitätenverletzung bei Kindern unter zwei Jahren als Ersthelfer unter Kontrolle zu bringen und wenn ein handelsüblich hergestelltes Tourniquet sich nicht festziehen lässt, kann es sinnvoll sein, einen direkten manuellen Druck mit oder ohne einen hämostatischen Verband anzuwenden.

Behandlung offener Brustkorbverletzungen

Dieses Thema wurde in der CoSTR-Überprüfungsrunde 2020 nicht behandelt. Die korrekte Behandlung einer offenen Brustkorbverletzung ist von entscheidender Bedeutung, da ein versehentliches Versiegeln der Wunde durch Verwendung von Okklusionsverbänden oder Gerätschaften zu der lebensbedrohlichen Komplikation eines Spannungspneumothorax führen kann [189]. Die ILCOR-CoSTR-Behandlungsempfehlung von 2015 rät bei Personen mit offener Brustverletzung von der Anwendung eines Okklusionsverbands oder Gerätschaften durch Ersthelfer ab (schwache Empfehlung, sehr minderwertige Evidenz) [2, 3]. Die Empfehlung basiert auf einer Tierstudie [190], die einen Nutzen bei der Anwendung eines nichtokkludierenden Verbands in Bezug auf Atemstillstand, Sauerstoffsättigung, therapeutischen Endpunkt (Atemzugvolumen) und die Vitalfunktionen Herzfrequenz und Atemfrequenz zeigt, jedoch nicht für den mittleren Blutdruck. Die Arbeitsgruppe wägte ab, dass jegliche Empfehlungen zu diesem Thema auf der Grundlage einer einzelnen Tierstudie getroffen wurden. Sie kam zu dem Schluss, dass die Nichtempfehlung der Verwendung eines Verbands oder eines Verschlussgeräts vor dem Auftreten eines potenziell tödlichen Spannungspneumothorax schützen würde [4, 5].

Falls jedoch ein spezieller nichtokkludierender Verband verfügbar ist und der Ersthelfer in der Handhabung und der anschließenden Weiterversorgung sowie der notwendigen Überwachung des Zustands des Verletzten geschult wurde, kann ein solcher verwendet werden [4, 5].

Stabilisierung und Immobilisierung der Halswirbelsäule

Bei Traumapatienten sind Verletzungen der Halswirbelsäule selten, können aber vorhanden sein [191, 192]. Erste-Hilfe-Maßnahmen zielen darauf ab, zusätzliche Bewegungen des Halses zu minimieren, um mögliche Verletzungen der Halswirbelsäule zu verhindern.

Definitionen:

  • Eine Immobilisation der Wirbelsäule ist definiert als Maßnahme zur Ruhigstellung der Wirbelkörper mithilfe einer Kombination aus verschiedenen medizinischen Geräten (z. B. Spineboard/Rettungsbrett und Halskrause), um die Bewegungsmöglichkeiten der Wirbelsäule einzuschränken.

  • Die Einschränkung der Halswirbelsäulenbeweglichkeit ist definiert als Maßnahme zur Reduktion oder Einschränkung von Bewegungen im Halsbereich mithilfe von Stabilisierungsgeräten, wie z. B. Halskrause und Sandsäcken mit Fixierungsbändern.

  • Eine Stabilisierung der gesamten Wirbelsäule ist definiert als Herstellung einer neutralen Position der Wirbelsäule, z. B. durch manuelle Stabilisierung, vor der Anwendung von Geräten zur Bewegungseinschränkung.

  • Manuelle Stabilisierung ist definiert als jede Technik, die verwendet wird, um den Hals mit den Händen oder Armen eines Helfers in einer gleichmäßigen Position zu halten, d. h. keine Verwendung von Geräten.

Bei einem Verdacht auf eine Verletzung der Halswirbelsäule war es in der Vergangenheit Routine, eine Halskrause am Hals anzulegen, um eine Schädigung der Halswirbelsäule zu vermeiden. Dieses Vorgehen basierte eher auf Fachmeinungen und Übereinkünften als auf wissenschaftlichen Erkenntnissen [193, 194]. Der ILCOR CoSTR von 2015 schlug vor, die Verwendung von Halskrausen durch Ersthelfer zu unterbinden (schwache Empfehlung, sehr minderwertige Evidenz) [2, 3]. Diese Empfehlung wurde 2015 ausgesprochen und 2020 bestätigt. Die Arbeitsgruppe war der Ansicht, dass die Empfehlung mit dem Erste-Hilfe-Prinzip der Verhinderung weiterer Schäden, im Vergleich zu den potenziellen Vorteilen der Anwendung einer Halskrause, vereinbar ist [4, 5]. Es wurde über Nebenwirkungen durch die Verwendung von Halskrausen berichtet, wie z. B. ein verzögerter Transport zur endgültigen Versorgung [195, 196], Beschwerden und Schmerzen des Patienten [197], erhöhter Hirndruck [198, 199] und ein reduziertes Atemzugvolumen [200].

Im Jahr 2019 führte die Arbeitsgruppe für Erste-Hilfe eine umfassende Überprüfung der Literatur über Maßnahmen zur Bewegungsbeschränkung der Halswirbelsäule durch. Insgesamt wurden 3958 Aufzeichnungen durchgesehen, von denen sechs als relevant identifiziert wurden [201,202,203,204,205,206]. Diese Studien beinhalteten drei, die über die Eigenschaft berichteten, die Bewegung der Halswirbelsäule in unterschiedlichem Maße einzuschränken [202, 205, 206]. Es fand sich ein Fallbericht [203], der eine Verschlechterung der neurologischen Auswirkungen zeigte, und zwar so lange, bis die Halskrause entfernt wurde. Eine kleine Kohortenstudie [204] berichtete über die Entwicklung falscher zentraler Halswirbelsäulenbeschwerden durch die Verwendung einer Halskrause und eines starren Rückenbretts. Eine Literaturübersicht [201] aus fünf Studien berichtete, dass wache Verletzte effektive Selbstimmobilisierungs- und Schutzmechanismen aufwiesen. Darüber hinaus berichteten sie, dass ein Verletzter, der sich eigenständig aus einem Fahrzeug befreit, seinen Hals bis zu viermal weniger bewegt als ein Verletzter, der mit traditionellen Methoden befreit wird.

Die Arbeitsgruppe war nicht der Ansicht, dass es genügend Hinweise gibt, um eine weitere systematische Überprüfung zu veranlassen. Somit bleibt die 2015 abgegebene Empfehlung weiterhin in Kraft. Falls eine manuelle Stabilisierung in Erwägung gezogen wird, gibt es derzeit keine hinreichenden Evidenzen, um eine bestimmte manuelle Stabilisierungstechnik (Kopfhalten, Trapezklemme) empfehlen zu können [4, 5].

Feststellung einer Gehirnerschütterung

Kleinere Kopfverletzungen ohne Bewusstseinsverlust sind bei Erwachsenen und Kindern häufig. Ersthelfer können aufgrund der Komplexität der Symptome und Anzeichen Schwierigkeiten haben, eine Gehirnerschütterung (leichte traumatische Hirnverletzung [„minor traumatic brain injury“, mTBI]) zu erkennen. Das Erkennen einer Gehirnerschütterung ist wichtig, da das Nichterkennen zu schwerwiegenden Konsequenzen führen kann, einschließlich weiterer Verletzungen, und sogar bis zum Tod. Einige der Symptome einer Gehirnerschütterung können unmittelbar nach dem Ereignis auftreten. Andere werden möglicherweise erst Tage oder Monate nach der Verletzung bemerkt, oder wenn die Person wieder ihren Alltag, wie vor der Verletzung, aufnimmt [207]. Unter bestimmten Umständen erkennen oder geben Personen nicht zu, dass sie Symptome einer Gehirnerschütterung haben. Andere verstehen möglicherweise nicht, auf welche unterschiedlichen Weisen sie betroffen sind und wie sich die Symptome auf ihre täglichen Aktivitäten auswirken.

Im Jahr 2015 gab der ILCOR CoSTR [2, 3] keine Empfehlung ab. Jedoch erkannte er die wichtige Funktion eines einfachen, validierten, einstufigen Bewertungssystems für Gehirnerschütterungen bei der Beurteilung durch Ersthelfer.

Ersthelfer sind häufig mit Situationen konfrontiert, in denen sie entscheiden müssen, welchen Rat sie einer Person nach einem Kopftrauma geben sollen [1, 208], insbesondere beim Sport. Eine Studie [209] identifizierte ein unzureichendes Selbstvertrauen und Wissen bei Laienhelfern, um eine Entscheidung treffen zu können, wie in einem Kopfverletzungsszenario vorzugehen ist, abgesehen von der Suche nach professioneller medizinischer Hilfe. Diese Situation kann durch Kontext- und Situationsfaktoren bedingt in sehr unterschiedlicher Gestalt vorliegen.

Eine Ende 2019 durchgeführte umfassende Überprüfung des Sachverhalts ergab kein einziges veröffentlichtes Manuskript, in dem die Verwendung eines einstufigen Instruments zur Beurteilung von Gehirnerschütterungen beschrieben wurde [4, 5]. Es konnten die nachfolgenden validierten Instrumente zur Beurteilung von Gehirnerschütterungen identifiziert werden. Die Forderung einer zuverlässigen Beurteilung von Gehirnerschütterungen durch Ersthelfer erfüllen sie jedoch nicht.

Instrument zur Beurteilung von Gehirnerschütterungen beim Sport (Sport Concussion Assessment Tool/SCAT5)

Im Sport wird das Thema Gehirnerschütterung sehr ernst genommen. Mittlerweile wurde die fünfte Version des Sport Concussion Assessment Tool (SCAT5) für die Nutzung durch Angehörige der Gesundheitsberufe, zusammen mit den dazugehörigen Begründungen, veröffentlicht [210, 211]. Die Implementierung von SCAT5 hat in vielen Sportarten zu grundlegenden Veränderungen geführt, die sowohl die Erkennung von Gehirnerschütterungen als auch das anschließende Management von Teilnehmern jeden Alters im Sport verbessert haben. Trotz alledem bleibt SCAT5 ein zweistufiges System zur Bewertung von Gehirnerschütterungen und ist somit für Ersthelfer im Rahmen einer Erste-Hilfe-Leistung nicht geeignet.

Instrument zur Erkennung von Gehirnerschütterungen (Concussion Recognition Tool/CRT5)

Im Jahr 2017 wurde zur Erkennung von Gehirnerschütterungen das Concussion Recognition Tool (CRT5) [212, 213] eingeführt, das von Nichtangehörigen der Gesundheitsberufe verwendet werden soll. Bisher liegen jedoch keine veröffentlichten Validierungsdaten für dieses Instrument vor.

Glasgow-Koma-Skala (Glasgow Coma Scale/GCS)

Die Glasgow-Koma-Skala (GCS) für Erwachsene und Kinder wird häufig verwendet, um eine geringfügige traumatische Hirnverletzung zu beurteilen und zu bewerten. Die Glasgow-Koma-Skala wurde jedoch zuerst mit 3 Skalenkomponenten entwickelt, mit denen der Bewusstseinsgrad von Patienten mit einer akuten Hirnverletzung bestimmt werden kann [214]. Schließlich wurden drei Komponenten der Skala zu einem einzigen Index zusammengefasst, obwohl dadurch einige Details und Unterscheidungen verloren gehen, die nur durch die vollständige Skala vermittelt werden [215]. Dieser Index wird heutzutage häufig in der präklinischen Umgebung und in der Notaufnahme von Gesundheitsdienstleistern verwendet, um den Bewusstseinsgrad einer Person nach einer Kopfverletzung zu beurteilen und zu überwachen. Um eine mögliche Gehirnerschütterung nach einer Kopfverletzung als Ersthelfer zu beurteilen, ist der GCS kein geeignetes Instrument, da die Mehrheit der Gehirnerschütterungsereignisse nicht zu einem Verlust oder einer Veränderung des Bewusstseins führen.

AVPU-Skala

„(Alert) Waches Bewusstsein“, „(Verbal) Reagiert auf verbale Reize“, „(Pain) Reagiert auf Schmerzen“, „(Unresponsive) Reagiert nicht“ (AVPU) ist eine weitere häufig verwendete Skala in der präklinischen Umgebung, die diskutiert wurde. Diese einfache Bewertungsskala wird verwendet, um das Reaktionsniveau einer Person zu beurteilen. Sie soll jedoch nicht verwendet werden, um das Vorhandensein einer Gehirnerschütterung festzustellen [216]. Mit diesem Bewertungsinstrument muss jeder, der kein „A“ (waches Bewusstsein) erhält, sofort von einem Gesundheitsdienstleister beurteilt werden. Es ist kein geeignetes Instrument, das von Ersthelfern verwendet werden kann, um eine mögliche Gehirnerschütterung nach einer Kopfverletzung zu beurteilen.

2-stufige Bewertungsskalen für Gehirnerschütterungen

Das Immediate Post-Concussion Assessment and Cognitive Testing (ImPACT), das Standardized Assessment of Concussion (SAC), und das Sport Concussion Assessment Tool (aktuelle Version, SCAT5) wurden untersucht. Diese Skalen sind für die Verwendung durch geschulte Gesundheitsdienstleister konzipiert, die in der Lage sind, maßgebende Basisdaten zu ermitteln. Sie eignen sich nicht als einstufiges Bewertungssystem für die Erste Hilfe.

Thermische Verbrennungen

Kühlung von thermischen Verbrennungen

Der ILCOR CoSTR 2015 empfahl die sofortige Kühlung von Verbrennungen (starke Empfehlung, minderwertige Evidenz) [2, 3]. Das Kühlen von thermischen Verbrennungen minimiert die resultierende Tiefe der Verbrennung [217, 218] und verringert möglicherweise die Anzahl der Patienten, für deren Behandlung eine Krankenhauseinweisung erforderlich wäre [219]. Die anderen erkannten Vorteile der Kühlung sind Schmerzlinderung und Verringerung von Ödemen (Schwellungen), verringerte Infektionsraten und ein schnellerer Wundheilungsprozess. Es gibt keine wissenschaftlich fundierten Empfehlungen für eine spezifische Kühltemperatur oder eine Kühlmethode (z. B. Gelkissen, Kühlpackungen oder Wasser). Dieser CoSTR wurde 2020 nicht wiederholt.

In der ERC-Leitlinie 2015 wurde eine Kühlzeit von mindestens 10 min empfohlen, die als gefühlte Mindestkühldauer angesehen wurde [1]. Obwohl es mehrere Studien zur Kühlung von Verbrennungen in Schweinemodellen gab [220,221,222,223], ist allgemein bekannt, dass die Unterschiede zwischen Schweine- und menschlicher Haut diese Befunde unzuverlässig machen [224]. Eine Modellstudie am Menschen hat anschließend gezeigt, dass eine Kühlung mit 16 °C über 20 min die Verletzung günstig beeinflusste [225].

Die ILCOR-Task Force gab bei der Erörterung ihres Sco**-Reviews 2019 über die Behandlung von Verbrennungen [4, 5] eine zusätzliche Empfehlung ab: Es ist ein bewährtes Vorgehen, Verbrennungen durch kühles oder kaltes (aber nicht eiskaltes) Wasser aktiv über mindestens 20 min zu kühlen. Die ERC-Leitlinie wurde diesbezüglich aktualisiert, um die empfohlene Kühlzeit für Verbrennungen auf mindestens 20 min zu verlängern. Der ERC erkennt an, dass dies in einigen Fällen in der Praxis eine Herausforderung darstellen kann. Wenn die Umstände es zulassen, fordert der ERC eindringlich, eine Kühlung durchzuführen.

Verbände bei thermischen Verbrennungen

Der ILCOR CoSTR 2015 verglich nasse und trockene Verbände bei Verbrennungsverletzungen. Er fand jedoch für beide Arten von Verbänden, bei thermischen Verbrennungen, keine unterstützenden Evidenzen für die präklinische Versorgung [2, 3]. Die nachfolgende ERC-Leitlinie empfahl als bevorzugte Maßnahme, eine Verbrennung lose mit sterilem Verbandsmaterial zu bedecken [1].

In einer anschließenden 2020-ILCOR-Übersichtsprüfung wurden [4, 5] 1482 Zitierungen auf Erste-Hilfe-Verbände für oberflächliche thermische Verbrennungen untersucht. Die Überprüfung ergab, dass sich die meisten Veröffentlichungen auf die Behandlung von Teil- oder Vollverbrennungen im Krankenhaus (ILCOR First Aid CoSTR) konzentrierten und dass für die Erste-Hilfe-Behandlung von oberflächlichen Verbrennungen kein einzelner Brandverband vor allen anderen empfohlen werden konnte. Die Diskussionen der Arbeitsgruppe zeigten, dass nach dem ersten Kühlen Frischhaltefolie verwendet werden kann, um die Wunde zu schützen, Hitze und Verdunstung zu reduzieren, Schmerzen zu lindern und die Wunde leichter sichtbar zu machen [226]. Es wurde auch festgestellt, dass das Infektionsrisiko durch die Verwendung von Frischhaltefolie äußerst gering war [227].

Zahnausfall durch Trauma

Der Ausfall bleibender Zähne ist eine der schwersten Zahnverletzungen und macht 0,6 bis 20,8 % aller traumatischen Zahnverletzungen aus [228, 229]. Für eine gute Heilungsprognose soll der traumatisch ausgefallene Zahn so schnell wie möglich neu eingesetzt werden. Jedoch haben Ersthelfer wie Eltern [230] und Lehrer [231] keine Kenntnisse über die geeignete Notfallbehandlung eines Zahnausfalls. Dies führt zweifellos zu einer verzögerten Replantation und einer ausgedehnten Austrocknung des Zahns mit anschließender Nekrose des parodontalen Bands („periodontal ligament“, PDL), was nach und nach zum Verlust des Zahns führen kann [232]. Obwohl vorgeschlagen wurde, dass ein traumatisch ausgefallener Zahn an der Unfallstelle sofort neu eingesetzt wird, um die größte Überlebenschance für den Zahn zu erzielen, fehlen [233] Ersthelfern möglicherweise die erforderlichen Fähigkeiten und die Bereitschaft, diese schmerzhafte Prozedur zu versuchen. Der Ersthelfer kann sich auch zu einer vorübergehenden Aufbewahrung des Zahns entscheiden, bis professionelle Hilfe verfügbar ist. Die Verwendung einer geeigneten temporären Aufbewahrungslösung oder -technik für einen traumatisch ausgefallenen Zahn soll die Replantationsbemühungen nicht verzögern. Sie kann jedoch dazu beitragen, die Lebensfähigkeit der PDL bei ausgefallenen Zähnen zu erhalten und das langfristige Überleben der Zähne zu verbessern, bis eine professionelle Behandlung eingeleitet werden kann. Dies drängt auf die Notwendigkeit, die für Laien effektivsten und zur Verfügung stehenden Aufbewahrungsmethoden für traumatisch ausgefallene Zähne zu ermitteln.

Diese Leitlinie basiert auf einer neuen systematischen Überprüfung für 2020, die von der ILCOR Arbeitsgruppe für Erste-Hilfe durchgeführt wurde [4, 5, 12]. Sie überprüfte die am besten verfügbaren Evidenzen für die Wirksamkeit jedweder Techniken, die Laien zur Aufbewahrung eines traumatisch ausgefallenen Zahns zur Verfügung stehen. Die Überprüfung geschah jeweils im Vergleich zur Aufbewahrung in Milch oder Speichel, was die derzeit am meisten empfohlenen Medien für die vorübergehende Aufbewahrung im präklinischen Umfeld sind. Von 4118 Referenzen (Suchdatum September 2019) wurden 33 Studien eingeschlossen und über 23 Vergleiche berichtet, von denen 10 in einer Metaanalyse zusammengefasst wurden. Es wurde herausgefunden, dass die nachfolgenden Methoden eine höhere Wirksamkeit bei der Erhaltung der Lebensfähigkeit von Zahnzellen im Vergleich zu Milch zeigten: Salzlösungen nach Hanks/HBSS, Bienenharz, orale Rehydrierungslösung/ORS, Reiswasser oder Frischhaltefolie. Darüber hinaus wurde gezeigt, dass Kuhmilch (jede Form mit jedem Fettanteil) die Lebensfähigkeit der Zahnzellen vor der Replantation im Vergleich zu Kochsalzlösung, Leitungswasser, Buttermilch, Rizinusöl, Kurkumaextrakt und GC-Zahnschutzcreme (GC-Tooth Mousse ®) verlängert. Es gibt keine ausreichenden Belege, um für oder gegen die vorübergehende Aufbewahrung eines traumatisch ausgefallenen Zahns in Speichel im Vergleich zu alternativen Lösungen zu empfehlen. Die Evidenz hat eine geringe bis sehr geringe Sicherheit aufgrund von Einschränkungen im Studiendesign, indirekten Studienpopulationen (extrahierte Zähne anstelle von traumatischen Zahnausfällen) und Ergebnismessungen (Zelllebensfähigkeit als Maß für die Zahnlebensfähigkeit) sowie ungenauen Ergebnissen. Das führte zu schwachen Empfehlungen für die Verwendung von Aufbewahrungstechniken für den traumatisch ausgefallenen Zahn, sofern eine sofortige Replantation nicht möglich ist [12].

Kompressionsverbände für geschlossene Gelenkverletzungen an Extremitäten

Die Verstauchung des lateralen Sprunggelenks ist eine häufige geschlossene Gelenksverletzung, die von Ersthelfern versorgt wird [234, 235]. In den Vereinigten Staaten (USA) treten schätzungsweise 23.000 bis 27.000 Sprunggelenksverstauchungen pro Tag auf [236, 237]. Die Notaufnahmen im Vereinigten Königreich behandeln ungefähr 52,7 Sprunggelenksverstauchungen pro 10.000 Menschen [238]. Bei Menschen mit einem sitzenden Lebensstil kann dies weniger störend sein. Dennoch können diese Verletzungen für Sportler und diejenigen, die in körperlich anspruchsvolleren Berufen arbeiten, lebenslange kritische Auswirkungen haben [239].

Für die Behandlung einfacher akuter Verletzungen des geschlossenen Gelenks im präklinischen, Krankenhaus- und Grundversorgungsbereich sind verschiedene Akronyme bekannt, z. B. RICE (entweder „Rest/Ruhe, Immobilization/Immobilisierung [erfordert Kompression], Cold/Kälte und Elevation/Lageerhöhung“ oder „Rest/Ruhe, Ice/Eis, Compression/Kompression, Elevation/Lageerhöhung“), PRICE (Hinzufügen von „Protection/Schutz“ zu RICE) oder POLICE (Protection/Schutz, Optimal Loading/optimale Belastung, Ice/Eis, Compression/Kompression, Elevation/Lageerhöhung [240]). In jüngerer Zeit wurde PEACE & LOVE eingeführt (Protection/Schutz, Elevation/Lageerhöhung, Avoid anti-inflammatories/Vermeidung von Entzündungshemmern, Compression/Kompression, Education/Bildung & Load/Belastung, Optimism/Optimismus, Vascularization/Vaskularisation, Exercise/Übung) [241], wobei PEACE sich auf die präklinische Versorgung bezieht, während LOVE die Behandlung in den folgenden Tagen darstellt. Alle diese Akronyme haben als gemeinsames Merkmal eine Kompressionsbehandlung.

Eine neue systematische Überprüfung für 2020 wurde von der ILCOR Arbeitsgruppe für Erste-Hilfe durchgeführt, in der die am besten verfügbaren Belege für die Verwendung eines Kompressionsverbands zur Behandlung von geschlossenen Gelenkverletzungen an den Extremitäten überprüft wurden [4, 5]. Insgesamt wurden 1193 Referenzen identifiziert, von denen schließlich sechs randomisierte, kontrollierte Studien [239, 242,243,244,245,246] und zwei nichtrandomisierte, kontrollierte Versuche [247, 248] eingeschlossen wurden. Beim Vergleich eines Kompressionsverbands ohne Kompression (Nichtanwendung der Kompression oder das Tragen von nichtkomprimierenden Strümpfen, einer Schiene oder einer Orthese [Air-Stirrup®-Knöchelorthese]) konnte kein Nutzen für eine Schmerzreduktion, das Freisein von Gehschmerzen, Ruheschmerzen, Schmerzen beim Gehen und eine Verringerung von Schwellungen oder Ödemen gezeigt werden [239, 242, 244, 246,247,248]. Bei der Verwendung eines Kompressionsverbands im Vergleich zu einer Knöchelorthese konnte ebenfalls kein Nutzen für den Bewegungsbereich und die Heilungszeit nachgewiesen werden [243, 245]. In einer Studie [245] wurde beim Vergleich der Kompressionsbandage mit einer Air-Stirrup®-Knöchelorthese weniger Nutzen für die Zeit bis zur Rückkehr zur Arbeit gezeigt, während in zwei anderen Studien [239, 242] ein Unterschied nicht nachgewiesen werden konnte. Schließlich zeigte eine randomisierte, kontrollierte Studie [242] einen Vorteil für die Zeitdauer, um wieder Sport treiben zu können, wenn ein Kompressionsverband verwendet wurde, im Vergleich mit nichtkomprimierenden Strümpfen. Zusammenfassend konnte für keinen der untersuchten Sachverhalte ein eindeutig positiver Effekt nachgewiesen werden. Alle Evidenzen sind aufgrund von Einschränkungen im Studiendesign, der indirekten Studienpopulation (alle Studien wurden in einem Krankenhaus durchgeführt) und ungenauen Ergebnissen von geringer bis sehr geringer Sicherheit [11].

Die 2020-ILCOR Arbeitsgruppe für Erste-Hilfe CoSTR gab eine neutrale Empfehlung ab, die entweder die Anwendung eines Kompressionsverbands oder die Nichtanwendung eines Kompressionsverbands für Erwachsene mit einer akuten geschlossenen Verletzung des Sprunggelenks vorschlug (schwache Empfehlung, sehr geringe Sicherheit) [4, 5, 11]. Darüber hinaus konnte die Task Force aufgrund fehlender Evidenzen keine Empfehlung für oder gegen die Verwendung eines Kompressionsverbands für andere geschlossene Verletzungen von Gelenken, abgesehen von Knöchelverletzungen, empfehlen. Die Task Force stellte fest, dass alle Studien in Krankenhäusern durchgeführt wurden und keine von außerhalb stammten. Sie stellte ebenfalls fest, dass möglicherweise eine spezielle Schulung erforderlich ist, um einen Kompressionsverband sicher und effektiv an einem verletzten Gelenk anbringen zu können [4, 5, 11].

Reponieren von Frakturen mit Fehlstellung

Knochenbrüche, Verrenkungen, Verstauchungen und Zerrungen gehören zu den am häufigsten von Ersthelfern versorgten Extremitätenverletzungen. Das Erste-Hilfe-Management von Frakturen beginnt mit der manuellen Stabilisierung der Fraktur, gefolgt von einer Schienung in der aufgefundenen Position. Mit der Schienung müssen die Gelenke ober- und unterhalb der Bruchstelle ruhiggestellt werden. Damit wird der verletzte Bereich vor Bewegungen geschützt und Schmerzen verhindert oder reduziert. Die Gefahr, eine geschlossene Fraktur in eine offene zu überführen, wird vermindert. Lange Knochenbrüche, insbesondere des Beins oder des Unterarms, können bei der Auffindung fehlgestellt sein. Eine starke Fehlstellung kann die Möglichkeiten einschränken, eine Extremität richtig zu schienen oder die verletzte Person zu bewegen.

Dieses Thema wurde 2015 überprüft. Es wurden jedoch keine veröffentlichten Daten gefunden, die die Verwendung von Schienen zur Immobilisierung der verletzten Extremität unterstützen [2, 3]. Eine im Jahr 2020 durchgeführte Evidenzaktualisierung ergab ebenfalls keine veröffentlichten Studien. Daher bleibt die Leitlinie für 2020 dieselbe wie für 2015.

Der gesunde Menschenverstand und die Meinung von Experten unterstützen die Verwendung einer Schiene zur Immobilisierung einer Extremitätenfraktur (Good Practice Statement).

Reponieren Sie die fehlgestellte Fraktur nicht gerade aus, sondern fixieren Sie sie in der Position, in der Sie mit möglichst wenig Bewegungen die Schiene anbringen können (Good Practice Statement).

In einigen Fällen tritt eine Extremitätenfraktur mit starker Fehlstellung auf, was das Anlegen einer Schiene und den Transport äußerst schwierig oder unmöglich macht. Eine starke Fehlstellung kann auch die Gefäßversorgung der distalen Extremität beeinträchtigen (kein peripherer Puls, distal zur Fraktur). In diesen Fällen kann der Ersthelfer die Unterstützung durch medizinisches Fachpersonal anfordern. Dieses kann eine Frakturneuausrichtung durchführen, um die Schienung zu erleichtern und einen distalen Gefäßkreislauf wiederherzustellen, bevor der Transport in ein Krankenhaus erfolgt.

Augenverletzung durch chemische Einwirkung

Unfälle mit Augenverletzungen durch chemische Substanzen sind ein häufiges Problem im häuslichen Bereich und in der Industrie. Oft lässt sich die Substanz nicht genau benennen.

Der ILCOR CoSTR von 2015 schlug vor, dass Ersthelfer kontinuierlich große Mengen sauberes Wasser zur Spülung chemischer Augenverletzungen verwenden sollen (schwache Empfehlung, sehr minderwertige Evidenz). Diese Empfehlung wurde für alkalische pH-Lösungen gegeben, die in das Auge gelangen, und bestand nur für die Spülbehandlung [2, 3]. Die Empfehlung wurde aus einer Einzeltierstudie belegt, die eine Verringerung des hohen alkalischen pH-Werts durch Spülung mit Wasser zeigte. Bei Verwendung gleicher Wassermengen aus 0,9 %iger Kochsalzlösung wurde kein Unterschied in der maximalen Alkalität festgestellt. Dieses Thema wurde 2020 nicht behandelt.

Eine alkalische Verletzung der Hornhaut verursacht schwere Hornhautschäden und birgt das Risiko einer Erblindung [1,2,3]. Im Gegensatz dazu verursachen saure Substanzen eine Proteinkoagulation im Epithel, ein Prozess, der das weitere Eindringen in das Auge begrenzt [249]. Die Spülung mit großen Wassermengen war bei der Verbesserung des Hornhaut-pH-Werts wirksamer als die Verwendung geringer Mengen oder die Spülung mit Kochsalzlösung [250]. Es wurde vorgeschlagen, Lösungen wie Ringer-Laktat (LR) oder balancierte Salzlösungen (BSS), oder in industriellen Umgebungen amphotere hypertonische Lösungen (z. B. Diphoterin), als die bevorzugte Option für eine Notfallneutralisierung zu verwenden [249]. Die Wahl der wässrigen Lösung ist jedoch von geringerer prognostischer Bedeutung als der Zeitpunkt der Behandlung, und Verzögerungen bei der Spülung sollen vermieden werden. Zusätzlich zur versehentlichen und beruflichen Exposition ist die Anzahl der Patienten als Betroffene gewaltsamer Übergriffe, durch Angriffe mit Säure im Gesicht, angestiegen. Diese Taten führen zu lebensverändernden Haut- und Augenverletzungen, was die Erwägung zusätzlicher Betreuungsmaßnahmen erforderlich machen kann [251].