Log in

Sinnesphysiologische und psychologische Untersuchungen an Wasserkäfern und Fischen

  • Published:
Zeitschrift für vergleichende Physiologie Aims and scope Submit manuscript

Zusammenfassung

Zusammenfassung der physiologischen Ergebnisse, an Dytisciden

  1. 1.

    Die Dytisciden besitzen einen sehr gut ausgebildeten chemischen Sinn, der im wesentlichen die Führung beim Nahrungserwerb übernimmt, aber sicher durch ein gutes Wahrnehmungsvermögen für Tast- und Erschütterungsreize gelegentliche Unterstützung erfährt, wie vielleicht auch durch optische Reize, die jedenfalls nach dauernder Ausschaltung der anderen Sinne vikariierend eintreten können; normalerweise jedoch erscheinen letztere für die Nahrungssuche so gut wie bedeutungslos.

    Der chemische Sinn spaltet sich entgegen den Nagelschen Feststellungen in einen Geschmacks- und Geruchssinn. Dieser für wasserbewohnende Wirbellose bisher ausstehende Beweis zwingt zu der Notwendigkeit, die Nagelsche Definition für Geruch und Geschmack auch für diese Tiere aufzugeben. Auch für die Geruchs- und Geschmacksorgane der wirbellosen Wassertiere ist nicht der Aggregatzustand der Reizstoffe (ob gasförmig oder flüssig) maßgebend, sondern den beiden Qualitäten des chemischen Sinnes sind besondere Rezeptoren zugeordnet, die morphologisch und physiologisch verschiedenwertig und an verschiedenen Körperstellen lokalisiert sind.

  2. 2.

    Der Geschmackssinn umfaßt die Wahrnehmung und Unterscheidung von. Reizen unserer vier Geschmacksqualitäten: süß. sauer, salzig, bitter. Infolge eines gutausgebildeten Assoziationsvermögens gelingt eine Dressur auf verschiedene Paare von Geschmacksreizen, wenn jeweils der Dressurreiz eine andere Geschmacksqualität darstellt als der Warnreiz.

  3. 3.

    Die Geschmacksorgane haben ihren Sitz in und außerhalb der Mundhöhle. Mittels Amputationen kann daher der Geschmackssinn nicht. in seiner Gesamtheit ausgeschaltet werden; nur die äußeren Schmeckorgane können dem Tier genommen werden, was dann zu verschiedenen Störungen beim Nahrungserwerb Anlaß gibt. So fehlt vor allem einem solchen Tier die Fähigkeit, einen Nahrungsbissen genau zu lokalisieren, sodaß seine Ergreifung häufig Schwierigkeiten bereitet.

    Die Hauptträger der äußeren Schmeckorgane sind die Mundtaster, von denen wieder die Maxillartaster bevorzugt erscheinen. Daneben zeigen auch die kleinen Lippentaster geschmackliche Reizbarkeit, während der sichere Nachweis einer Geschmackswahrnehmung durch die Antennen nicht gelungen ist.

  4. 4.

    Doch sind die Fühler, wieder im Gegensatz zu. Nagel, ebenfalls Träger hoher chemischer Reizbarkeit, sie sind der Hauptsitz des Geruchssinnes. Dieser gestattet die Unterscheidung verschiedener Düfte; auch eine Dressur auf spezifische Gerüche gelingt, wobei allerdings der Umstand erschwerend eingreift, daß die Dytisciden offenbar durch Geruchsreize mehr zur Beutesuche veranlaßt (alarmiert) als zur Beute hingeführt (orientiert) werden.

    Die Geruchsempfindung ist auf äußere Organe beschränkt und kann durch Entfernung der betreffenden Organe ausgeschaltet werden. Das gelingt dadurch, daß an beiden Antennen die neun Funiculusglieder, an beiden Maxillartastern das Endglied amputiert werden. Bleibt ein Funiculusglied oder ein Endpalpus der Maxillartaster erhalten, so vermag der Käfer noch Düfte wahrzunehmen und zu unterscheiden; selbst eine zuvor festfundierte Dressur auf einen bestimmten Geruch (Moschus) bleibt erhalten, bzw. läßt sich nach geringen Störungen leicht wieder auffrischen, wenn noch eines der bezeichneten Glieder unverletzt geblieben ist; die Entfernung dieses letzten Gliedes führt dann zum Verlust der Dressur und der Möglichkeit, sie wieder zu erneuern.

  5. 5.

    Als Geruchsorgane kommen nur die sogenannten kelchförmigen Organe in Frage, denen durch Nagel und Korschelt mit Vorbehalt eine statische Funktion zugeschrieben wurde. Sie allein besitzen unter allen dem Dytiscus zukommenden Typen von Sinnesorganen die entsprechende Verbreitung, selbst bis in die Einzelheiten und sind außerdem ihrer Struktur nach aufs engste verwandt mit den Porenplatten der Hymenopteren. deren geruchliche Funktion ebenfalls experimentell gesichert ist. Bisher spricht nichts gegen eine Gleichstellung mit den Porenplatten; allerdings. steht ein wichtiger morphologischer Beweis ihrer Zusammengehörigkeit noch aus, die Feststellung der gleichartigen Innervierung.

Zusammenfassung der psychologischen Ergebnisse an Dytisciden

Auf mehreren Wegen ließ sich nachweisen, daß die Dytisciden ein ziemlich hoch entwickeltes Assoziationsvermögen besitzen, das sie zur Anwendung verschiedener Dressuren tauglich erscheinen läßt. Diese können in zwei Gruppen gesondert werden, je nachdem sie mit Strafreizen arbeiten und sich zum Ziel nehmen, die Tiere zu veranlassen, eine geläufige Handlung nur mehr unter bestimmten Bedingungen auszuführen, unter allen anderen Bedingungen aber zu unterlassen („Negativdressur“) oder an Stelle von Strafreizen mit Belohnungen vorgehen und darauf abzielen, das Tier eine ihm bisher noch fremde Handlungsfolge zu lehren („Positivdressur“).

Beide Dressurarten waren bei den Dytisciden von Erfolg. In der Anwendung beider Dressurformen ergab sich übereinstimmend, daß ihr Gelingen vom Zusammenwirken zahlreicher Faktoren abhängig erscheint, die teils vom Tier aus, teils vom Lebensraum aus wirken. Als einflußreiche Innenfaktoren erwiesen sich z. B. Alter, Hunger, Brunst, Schrecken, als bindende Außenfaktoren Größe des Wohnraums, Wassertemperatur, Helligkeit und Dressurtechnik. Bei einem Teil dieser sämtlichen Komponenten ließ sich eine zweckdienliche Eingliederung in den Gang der Dressur erzielen, besonders gilt das für die Außenfaktoren. Insgesamt müssen, diese dahin wirken, daß eine dem Tier entsprechende Lebenshaltung gewährleistet ist, da eben ein einziger, dieser Bedingung nicht genügender Faktor zu Störungen im Dressurgang führt.

Ein anderer Teil der hemmenden Faktoren konnte ganz ausgeschaltet werden.

Für die praktische Anwendung der so gewonnenen Ergebnisse lassen sich folgende Richtlinien aufstellen: Die Dressur ist so zu handhaben, daß nach vorheriger experimenteller Festlegung der am besten geeigneten Reizart einige Zeit darauf verwendet wird, die f örderndste Technik zu erprobe'n, die dann unter Bewahrung einer gewissen Elastizität in möglichst konstanter Weise angewendet wird. Dabei ergeben sich dann bald individuelle Verschiedenheiten der einzelnen Tiere, die eine schematische Handhabung der Dressurmethode ausschalten; sie bieten dafür den Vorteil, daß unter einer größeren Zahl von Versuchsobjekten rasch die (bei jener Technik) geeignetsten kenntlich werden und die unbrauchbaren vernachlässigt werden können.

Geht das Arbeitsziel dahin, jedes Individuum einer Gruppe von Versuchstieren zu einem gewissen Erfolg zu bringen, so gelingt dies am besten durch individuelle Gestaltung der Technik auf Kosten ihrer einfacheren, schematischen Handhabung.

Auch dann können aber Tiere auffallen, bei denen das Verhältnis von Erfolg zu aufgewandter Mühe außergewöhnlich ungünstig ist. Hierfür dürften dann meist physiologische Ursachen verantwortlich sein.

Zusammenfassung der Versuchsergebnisse an den Fischen

Faßt man die physiologischen und psychologischen Ergebnisse dieses Abschnittes zusammen, so ergeben sich folgende Tatsachenkomplexe:

  1. 1.

    Der durch v. Frisch erbrachte und inzwischen durch F. Schie-Menz (5) und Wolff (9) wesentlich erweiterte und vertiefte. Beweis des Farbensehens der Fische erfährt in keiner Hinsicht einen Widerspruch. Gleiche Formen wenig verschiedener Farbe werden leichter unterschieden als gleiche Formen gleicher Farbe, aber ziemlich verschiedener Helligkeit. Eine weitergehende Nachprüfung der v. Frischschen Ergebnisse durch Vergleich einer Farbschablone mit Grauschablonen aller Helligkeitsstufen wurde unter Berücksichtigung der Problemstellung der Arbeit unterlassen, ist inzwischen auch unnötig geworden.

  2. 2.

    Die Ellritzen sind imstande, verschiedene geometrische Formen zu unterscheiden. Pappschablonen von Kreis-, Dreiecks-, Quadrat-, Rechteck- und Sternform werden ohne Schwierigkeiten voneinander unterschieden.

  3. 3.

    Die lebhaften Fische besitzen ein erstaunlich entwickeltes Assoziationsvermögen. Dieses verbindet sich günstig mit einer hohen Elastizität des Orientierungsvermögens, das den Ellritzen gestattet, sich in jeder Situation nach neuen, für diese Situation charakteristischen Merkmalen zu orientieren.

  4. 4.

    Aus der Vereinigung dieser Tatsachen resultiert die über Erwarten leichte Dressierbarkeit der Ellritzen, auf optische Reize, wenn diese durch zweckmäßige Verbindung mit der Fütterung zu „biologischen Reizen“ gestempelt werden.

  5. 5.

    Der Dressurfortschritt hängt ab vom Zusammenwirten verschiedener Faktoren, die teils vom Tier aus wirken, teils von dessen Umgebung her (Innen- und Außenfaktoren). Als solche Innenfaktoren erwiesen sich z. B. Hunger, Spieltrieb, Erschrecken, Müdigkeit, als Außenfaktoren waren von hohem Einfluß geringe Änderungen der Versuchstechnik, unbedeutende Helligkeitsschwankungen, Isolierung oder Vereinigung der beiden Tiere, kaum auffallende Abweichungen in der Art der Fütterung Größe und Beschaffenheit des Futterbrockens usw. Am deutlichsten prägte sich der Einfluß der äußeren Bedingungen aus in der oft und unter den verschiedensten Modifizierungen wiederholten Beobachtung eines sicheren Umschlags von richtigem zu fehlerhaftem Verhalten der Fische, wenn sie in ihren Aquarien vom Dressurraum an einen fremden Ort versetzt wurden.

  6. 6.

    Trotzdem nur zwei Tiere dressiert wurden, ergaben sich sehr oft starke individuelle Unterschiede der beiden. In der Hauptsache waren sie bedingt durch eine verschiedene Eignung der beiden Fische für die angewandten Dressuren: bei anscheinend ziemlich gleich entwickeltem Assoziationsvermögen erwies sich der eine besser für die Färb-, der andere für die Formdressur geeignet.

  7. 7.

    Beiden war gemeinsam, daß sie sich bei Darbietung von Körpern, die sich in Farbe und Form zugleich unterschieden, zur Wiedererkennung stets jenes Merkmals bedienten, das stärker kontrastierte. Bei Ähnlichkeit der Formen und großer Differenz der Farben galten die letzteren, bei sehr verschiedenen Formen wenig abweichender Farbe dienten die ersteren als Wegweiser.

  8. 8.

    Unter bestimmten Bedingungen trat sehr rasch eine wirksame Orts- und Richtungsgewöhnung ein, die den Fischen bald beim Aufsuchen bestimmter Schablonen hilfreich geworden wäre, aus dem Dressurgang aber ausgeschaltet werden mußte, da sie den Dressurzielen zuwider lief.

  9. 9.

    Unter Berücksichtigung all dieser Beobachtungen ergibt sich die Forderung, alle Außenbedihgungen während einer Dressur möglichst konstant zu halten. Die Beobachtung der Innenfaktoren ist deswegen von hoher Wichtigkeit, weil sie in ihrer Gesamtheit die stark in Rechnung zu setzende „Stimmung“ des Tieres erzeugen, wodurch sie zu immer neuer Gestaltung des einzelnen Dressurganges drängen. Dieses Eingehen auf die jeweilige „Stimmung“ hat aber im Rahmen der beizubehaltenden Dressurtechnik zu geschehen, die aus dieser Forderung heraus eine gewisse Elastizität bewahren muß.

This is a preview of subscription content, log in via an institution to check access.

Access this article

Subscribe and save

Springer+ Basic
EUR 32.99 /Month
  • Get 10 units per month
  • Download Article/Chapter or Ebook
  • 1 Unit = 1 Article or 1 Chapter
  • Cancel anytime
Subscribe now

Buy Now

Price includes VAT (France)

Instant access to the full article PDF.

Literatur

Es wurden benützt an Literatur für Käfer:

  1. Barrat, Wakelin and Arnold, George: A Study of the Blood of certain Coleoptera: Dytiscus marg. and Hydrophilus piceus. Quart, journ. of microscop. science 56. 1911.

  2. v. Frisch, K.: Über den Sitz des Geruchssinnes bei Insekten. Jena 1921.

  3. Handwörterb. d. Naturwiss.: Artikel Tierpsychologie von Ed. Claparède.

  4. Kalischer, O.: Weitere Mitteilungen über die Ergebnisse der Dressur als physiologische Untersuchungsmethode auf den Gebieten des Gehör-, Geruch- und Farbensinnes. Arch. f. Physiol. 1910.

  5. Koehler, O.: Sinnesphysiologische Untersuchungen an Libellenlarven. Verhandl. d. dtsch. zool. Ges. 29. 1924.

  6. Korschelt, E.: Bearbeitung einheimischer Tiere. 1. Monographie: Der Gelbrand Dytiscus marg. 1 u. 2. Leipzig 1924.

  7. Matthes, E.: Das Geruchsvermögen von Triton bei Aufenthalt in Wasser, und auf dem Land. Zeitschr. f. wiss. Biol., Abt. C: Zeitschr. f. vergl. Physiol. 2. 1924.

  8. Nagel, A. W.: Vergleichend-physiologische und anatomische Untersuchungen über den Geruchs- und Geschmackssinn und ihre Organe. Bibl. zool. 7, H. 18/19. Stuttgart 1894.

  9. Schneider, C. C.: Tierpsychologisches Praktikum in Dialogform 1910.

  10. Strieck: Untersuchungen über den Geruchs- und Geschmackssinn der Ellritze. Zeitschr. f. wiss. Biol., Abt. C: Zeitschr. f. vergl. Physiol. 1. 1924.

Literatur für Fische:

  1. v. Frisch, K.: Sind die Fische farbenblind ? Zool. Jahrb., Abt. f. Zool. u. Physiol. 32. 1912.

  2. Ders.: Weitere Untersuchungen über den Farbensinn der Fische. Ebenda 34. 1913.

  3. Ders.: Ein Zwergwels, der kommt, wenn man ihm pfeift. Biol. Zentralbl. Nr. 43. 1923.

  4. v. Heß; Neue Untersuchungen zur vergleichenden Physiologie des Gesichtssinnes. Zool. Jahrb., Abt. f. Zool. u. Physiol. 33. 1913.

  5. Schiemenz, Fr.: Über den Farbensinn der Fische. Zeitschr. f. wiss. Biol., Abt. C: Zeitschr. f. vergl. Physiol. 1. 1924.

  6. Strieck: Untersuchungen über den Geruchs- und Geschmackssinn der Ellritze. Ebenda 1. 1924

  7. Wolff, H.: Das Farbenunterscheidungsvermögen der Ellritze, Ebenda 3, 1925,

Download references

Author information

Authors and Affiliations

Authors

Rights and permissions

Reprints and permissions

About this article

Cite this article

Schaller, A. Sinnesphysiologische und psychologische Untersuchungen an Wasserkäfern und Fischen. Z. f. vergl. Physiologie 4, 370–464 (1926). https://doi.org/10.1007/BF00340839

Download citation

  • Received:

  • Issue Date:

  • DOI: https://doi.org/10.1007/BF00340839

Navigation