Zusammenfassung
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1.
Eine Biene, die zum erstenmal den Stock verläβt, fliegt schon nach wenigen Sekunden pfeilschnell geradlinig davon, kehrt nach 3–7 min zurück und schwebt noch etwa 2 min lang in wiegendem Flug vor dem Stock. Nach diesem 1. Orientierungsflug kann sie aus Entfernungen bis zu 700 m im Umkreis zurückfinden; hierbei sinkt aber die Zahl der Heimkehrer mit wachsender Entfernung. Auf weiteren Ausflügen verbessert sich die Orientierung.
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2.
Auch erfahrene Flugbienen, deren Stock in eine fremde Gegend versetzt wird, verhalten sich bei ihrem 1. Orientierungsflug in der unbekannten Landschaft entsprechend: rasches Davonstürzen, Rückkehr nach 3–5 min, einige Minuten Vorspielen, Einflug. Viele können nach diesem kurzen Orientierungsflug noch aus Entfernungen von 1–2 km nach Hause finden.
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3.
Nach längerer Flugzeit sind die Bienen bevorzugt in der Richtung ergiebiger Trachtgebiete orientiert.
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4.
Junge Bienen, die noch nie den Stock verlassen haben, können zum Teil, und meist erst nach langem Suchen, aus Entfernungen bis etwa 50–100 m heimfinden.
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5.
Wird der Stock in einen Gitterkäfig gestellt, so daß der Flugbereich der Bienen auf wenige Quadratmeter beschränkt bleibt, so finden manche aus Entfernungen von 200–300 m noch zum Käfig zurück. Der Ausblick aus dem Käfig auf die Umgebung hat für ihre Orientierung keine wesentliche Bedeutung.
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6.
Das Heimkehrvermögen ist auf Grund der bekannten optischen und geruchlichen Orientierungsfähigkeit der Bienen verständlich. Die starke Verzögerung der Heimkehr unter erschwerten Bedingungen legt die Annahme nahe, daß sie beim Fehlen vertrauter Anhaltspunkte Suchflüge ausführen, bis sie in bekanntes Gebiet kommen.
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Die Arbeit wurde aus Mitteln unterstützt, die Prof. v. Frisch von Seiten der Rockefeiler Foundation und der Deutschen Forschungsgemeinschaft zur Verfügung standen.
Dissertation der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität München.
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Becker, L. Untersuchungen über das Heimfindevermögen der Bienen. Zeitschrift für vergleichende Physiologie 41, 1–25 (1958). https://doi.org/10.1007/BF00340239
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DOI: https://doi.org/10.1007/BF00340239