Schlüsselwörter

1 Einleitung

Die Covid-19-Pandemie entwickelte sich nicht nur zu einer globalen Gesundheitskrise, sondern führte zu einer Vielzahl an gesellschaftlichen und politischen Herausforderungen (siehe auch die anderen Kapitel in diesem Buch).

Ein Großteil des Wissens über den Corona-Virus, dessen Verbreitung sowie die damit in Verbindung stehenden Risiken, musste – und muss noch immer – über traditionelle Massenmedien oder Onlinemedien bezogen werden: Egal, ob es um Berichte zum ersten dokumentierten Ausbruch in China Ende 2019 (WHO 2020a), die Superspreader-Events bei koreanischen Sektenveranstaltungen zu Beginn 2020 (CNN 2020), die tragischen Ereignisse in Norditalien mit erschütternden Bildern aus Krankenhäusern in der Lombardei (Die Zeit 2020) oder die schrittweise Erfassung aller Weltregionen (Spektrum 2020) geht. So auch in Österreich: Hier wurde die Bevölkerung ab März 2020 mittels Medienberichten detailliert über die Entwicklung der Pandemie und die Regierungspläne zur Bekämpfung ebendieser informiert (ORF 2020; siehe auch Foto in Abb. 4.1). Dies illustriert, wie wichtig – oft sogar überlebenswichtig – es ist, dass die Bevölkerung in Krisenzeiten konstant mit korrekten Informationen versorgt wird (siehe bspw. für Österreich Mitschka und Unterberger 2020, S. 3; für die Schweiz Eisenegger et al. 2020, S. 29 f.; für die USA Casero-Ripollés 2020, S. 2).

Abb. 4.1
figure 1

(Privates Foto; alle Rechte bei dem Autor)

„Wie ihr sicher aus den Medien erfahren habt …“ – Covid-19-Maßnahme wird unter Bezug auf Medien erklärt.

Entsprechend ist es kaum verwunderlich, dass bei den internationalen Reichweiten-Footnote 1 und Nutzungsdaten von Medien- und Technologieanbieter*innen seit dem Frühjahr 2020 eine weltweite Zunahme im Internetverkehr messbar war und die Zahl der Besuche von Nachrichten- und Informationsseiten erkennbar zunahm (Siddique et al. 2020). Der Amazon-Dienst Alexa belegte dies auch für den deutschen Sprachraum (Dreisiebner et al. 2020) und der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Österreich – der ORF – berichtete während des ersten Lockdowns über Rekordwerte für seine Nachrichtensendungen. Mitarbeiter*innen der Sendergruppe gaben für den entsprechenden Zeitraum Reichweitenwerte von bis zu 94 % an (Mitschka und Unterberger 2020, S. 3). Und zeitnah durchgeführte kommunikationswissenschaftliche Analysen zeigten in Österreich einen erhöhten Informationsbedarf in der Bevölkerung (Lebernegg et al. 2020). Dementsprechend groß war die Bedeutung von Medien, wie diese erste Welle der Krise wahrgenommen wurde, welche Maßnahmen akzeptiert und wie die Bewältigungsstrategien beurteilt wurden (Eisenegger et al. 2020; Jarren 2020). Oder allgemeiner: Nur mithilfe von medial vermittelten, glaubwürdigen Informationen können Individuen das Geschehen in ihrer Mitwelt einschätzen, verantwortlich Entscheidungen treffen und entsprechend handeln (vgl. u. A. Habermas 2008; Luhmann 1996; Schudson 2011) – so auch während der Pandemie 2020.

Dabei ist Nachrichtenrezeption ein komplexes und vielschichtiges Thema: Denn obwohl in den letzten Jahrzehnten das Angebot sowie die Nutzung von Informationen zum alltäglichen Geschehen stark zunahmen und auch in der Corona-Krise eine erhöhte Nutzungsintensität zu beobachten war, gibt es widersprüchliche Wahrnehmungen bezüglich der Glaubwürdigkeit von Medieninhalten (Newman et al. 2019; Turcotte et al. 2015). Begriffe wie Fake-News oder Lügenpresse haben Einzug in die mediale wie öffentliche Debatte gefunden und illustrieren, dass journalistische Informationsangebote nicht von allen Teilen der Öffentlichkeit gleich geschätzt werden (Bentele und Seidenglanz 2015; Schiffrin 2019). Besonders in Bevölkerungsgruppen mit niedrigerem formalen Bildungsstand, geringeren finanziellen Ressourcen oder auch starken ideologischen Positionen, wird journalistischen Berichten seltener vertraut (Kalogeropoulos und Nielsen 2017; Kalogeropoulos et al. 2019).

Die resultierenden, oftmals mittels Social Media ausgetragen Debatten über die Glaubwürdigkeit von journalistischen Informationen sowie die damit einhergehende Verunsicherung der Bevölkerung, als auch die Gefahr der Weitergabe und rasanten Verbreitung von FalschinformationenFootnote 2 veranlassten die WHO im Februar 2020 dazu, die Covid-19-Pandemie zeitgleich auch als weltweite „Infodemie“ zu klassifizieren (Cinelli et al. 2020) und mit den Anbieter*innen von Social Media Plattformen zu kooperieren (WHO 2020b). Ziel der gemeinsamen Arbeit war es, durch Nutzer*innen erstellte oder verbreitete Inhalte, die falsche Informationen enthielten, so schnell wie möglich zu identifizieren und zu korrigieren (WHO 2020b).

Entsprechend dieser Eckpunkte werden im folgenden Kapitel zwei zentrale Fragen diskutiert:

  • Einerseits wird der Frage nachgegangen wie sich die Österreicher*innen während der ersten Phase der Corona-Krise über die Entwicklungen informiert haben und …

  • … andererseits wird besprochen, inwieweit in diesem Zeitabschnitt eher traditionellen Nachrichtenquellen oder den Informationen aus sozialen Medien vertraut wurde.

Beide Aspekte werden vor dem Hintergrund der sozialen Ungleichheiten analysiert, die sowohl das Mediennutzungsverhalten prägen als auch während der ersten Phase der Corona-Krise besonders in den Vordergrund traten. Nach Einführung in die dafür notwendigen theoretischen Begrifflichkeiten und Darlegung des Forschungsstands sowie der genutzten Datenbasis werden die Ergebnisse dieser Analysen präsentiert. Ein zusammenfassendes Fazit schließt das Kapitel.

2 Die Qual der Wahl? Informationsangebot und Nutzung in modernen Gesellschaften

Gerade während einer globalen Pandemie, wo sich Informationen schnell und unkontrolliert verbreiten können und auf die Rezipient*innen einströmen, müssen Journalist*innen in qualitativ hochwertiger Arbeit aus einer Flut an Informationen wählen, gesellschaftlich relevante Entwicklungen identifizieren und dem aktuellen Geschehen eine nachvollziehbare Struktur geben (Singer und Endreny 1993; Schudson 2011; Jarren 2020). So können aktuelle Ereignisse, wie eben die Corona-Krise, dargestellt werden und mit politischen Prozessen – z. B. die Entscheidung der Regierung für einen ersten Lockdown im März 2020 und die entsprechenden Verordnungen – genauso wie wirtschaftliche Entwicklungen – z. B. ein Anstieg von Arbeitslosigkeit aufgrund der Schließung von bestimmten Branchen während der Pandemie –, verknüpft werden. Es entsteht ein reduziertes bzw. zusammenfassendes Abbild der aktuellen sozialen Lage, das die wesentlichen Entwicklungen der Gesellschaft und die aktuellen Rahmenbedingungen darstellt (Maier et al. 2018, S. 21) sowie zentralen Akteur*innen – Expert*innen, Politiker*innen etc. – die Möglichkeit bietet, ihre Einschätzungen und Positionen darzulegen (Eisenegger et al. 2020).

Für die erste Phase der Corona-Krise – hier als Zeitraum zwischen dem Beginn des ersten Lockdowns im März bis zum Mai 2020, wo die Maßnahmen in Österreich weitestgehend gelockert wurden – bedeutete es, dass journalistische Nachrichtenmedien die Hintergründe der Pandemie, ihre potenziellen Konsequenzen sowie Handlungsmöglichkeiten für die Bevölkerung verständlich darlegen mussten (Blöbaum 2020; Eisenegger et al. 2020). Zentral für das Gelingen dieses Prozesses war und ist die Präsentation von Informationen in einer glaubwürdigen Form, die mit den Erfahrungen sowie der Lebensrealität des Publikums übereinstimmen (Fawzi und Obermaier 2019). Sollte die Problemsituation nicht klar kommuniziert und kontextualisiert werden – egal, ob eine zu positive bzw. zu negative Darstellung erfolgt – oder stehen sie gar im Widerspruch zu anderen Informationen, kann die Glaubwürdigkeit, die Nachrichten in der Gesellschaft zugesprochen bekommen, sinken (Ziegele und Niederelz 2020). Was sich direkt auf die Handlungsfähigkeit bzw. die abgeleiteten Handlungsmöglichkeiten von Gesellschaftsteilnehmenden auf der individuellen Mikroebene auswirkt. Eine Ablehnung von potenziell relevanten Informationen birgt die Gefahr, dass Betroffene nicht mehr in der Lage sind verantwortlich Entscheidungen zu treffen und entsprechend zu handeln (vgl. u. A. Luhmann 1996; Schudson 2011). Eine schematische Darstellung dieses Ablaufs ist in Abb. 4.2 zu finden.

Abb. 4.2
figure 2

(Eigene Darstellung, angelehnt an Eisenegger et al. 2020; Schudson 2011)

Idealtypische Darstellung der Rolle von Informationen und Nachrichten in modernen Gesellschaften.

Dieser Prozess wurde in den letzten Jahren aber durch das Aufkommen von nicht-journalistischen Informationskanälen nachhaltig beeinflusst. So ist das Volumen an verfügbaren Informationen, aufgrund neuer Kommunikationstechnologien und deren rasanter Verbreitung rund um den Globus, stark angestiegen (Schweiger et al. 2018; Kalogeropoulos et al. 2019). Etablierte Informationskanäle, wie Fernsehen, Zeitungen oder auch journalistisch tätige Onlineplattformen finden sich zunehmend in Konkurrenz zu weiteren Nachrichtenquellen, die mittels Social Media verbreitet werden können (Schweiger et al. 2018; Eisenegger et al. 2020). Diese Plattformen – stellvertretend seien soziale Netzwerke wie Facebook, Instagram, TikTok oder Twitter, Messaging-Dienste wie WhatsAPP, aber auch Foren wie REDDIT genannt – stellen personalisierte Nachrichtenkanäle dar, die je nach Nutzungsverhalten der einzelnen Interessierten journalistische, wie auch nicht-journalistische Inhalte präsentieren bzw. Nutzenden selbst die Möglichkeit geben, Inhalte zu erstellen (Schweiger et al. 2018, S. 10). Dementsprechend müssen Inhalte, die auf diesen Plattformen zu finden sind, nicht nach journalistischen Grundsätzen wie Faktizität, Objektivität, Nachvollziehbarkeit beurteilt oder hinsichtlich gesellschaftlicher Relevanz eingestuft werden (Schudson 2011; Eisenegger et al. 2020; Schweiger et al. 2018). Dadurch enthalten sie potenziell Auskünfte und Informationen, die im Widerspruch zu journalistischen Medien oder offiziellen Quellen stehen (Newman et al. 2019, S. 11). Aufgrund der resultierenden Gefahr von Falsch- und Fehlinformationen (Allcott und Gentzkow 2017) wird der Informationskonsum rein via Social Media in der wissenschaftlichen Literatur kritisch beurteilt (Fletcher et al. 2018; Vargo et al. 2018). Die bereits erwähnte Klassifizierung der Covid-19-Pandemie als „Infodemie“, während der sich eine große Menge an unverlässlichen, falschen und schwer nachvollziehbaren Nachrichten mit tatsächlichen Fakten vermischen konnten und so die Durchsetzung und Akzeptanz von entscheidenden Maßnahmen erschwert wurde, unterstreicht diesen Punkt (Eberl et al. 2020).

In der Fachliteratur wird die hinter diesen Prozessen stehende Ausweitung an Medienplattformen als ein struktureller Wandel beschrieben (Eisenegger et al. 2020), der in sogenannten „High Choice“-Medienlandschaften mündete (Nielsen und Ganter 2018; Rauchfleisch et al. 2020). Definiert werden diese durch die Möglichkeit aus einem vielfältigen journalistischen, wie auch nicht-journalistischen Angebot an Nachrichtenplattformen und -quellen zu wählen, um über aktuelles Geschehen informiert zu bleiben (Adoni et al. 2017; Kalogeropoulos et al. 2019).

Aufgrund der stark ausdifferenzierten Angebote zwischen unterschiedlichen Informationsplattformen und unterschiedlich ausgeprägtem Interesse an aktuellem gesellschaftlichen Geschehen bzw. den damit verbundenen Entscheidungen, wie viel Zeit und Aufmerksamkeit Nachrichten geschenkt werden, können unterschiedliche Nutzungsmuster in der Bevölkerung beobachtet werden (Eisenegger et al. 2020). Personen kombinieren aufgrund individueller Prädispositionen unterschiedliche Medienangebote aus unterschiedlichen Medienkanälen, um sich zu informieren (Hasebrink und Domeyer 2012).

Diese Nutzungsmuster – in der Fachterminologie als Nachrichten- (u. A. Eisenegger et al. 2020) bzw. Informationsrepertoires (u. A. Wolfsfeld et al. 2016; Prandner und Glatz 2021) bezeichnet – reichen von sogenannten informationsverweigernden News AvoidersFootnote 3, hin zu unterschiedlich interessierten News Seekers. Manche News Seeker greifen nur auf Angebote zurück, die aus traditionellen Informationskanälen, wie eben Fernsehen oder Tageszeitungen stammen, während andere rein auf Informationen aus neuen Medien, wie Social Media oder Onlineangeboten setzen (Eisenegger et al. 2020; Hasebrink und Domeyer 2012; Trilling und Schönbach 2013). Zusätzlich finden sich auch noch hybride Mischformen des Informationsverhaltens, die neue und alte Medienkanäle beinhalten und teilweise auch alle verfügbaren Medienkanäle inkludieren (Schwaiger et al. 2018; Prandner und Glatz 2021).

Entsprechende Studien zeigen beständig, dass diese Formen des Informationsverhaltens – zumindest in gesellschaftlichen Regelsituationen – von unterschiedlichen Personengruppen genutzt werden und auch über die Zeit hinweg bestand haben (Adoni und Nossek 2001; Lindell 2018). Eine Illustration der zuvor beschriebenen Repertoires ist in Abb. 4.3 zu finden.

Abb. 4.3
figure 3

Informationsrepertoires auf Ebene der Nachrichtenkanäle. (Darstellung nach Prandner und Glatz 2021)

In der Literatur zu findende Erklärungsansätze für die Nutzung bestimmter Informationsrepertoires sind großteils im Bereich der soziodemografischen Merkmale – allen voran das Alter bzw. die Bildungshintergründe – verortet (Kalogeropoulos und Nielsen 2017; Trilling und Schönbach 2013). Zusätzlich wird in einer Vielzahl von Studien aufgrund der demokratietheoretischen Relevanz von Nachrichten und Informationen auf das politische Interesse sowie der wahrgenommenen Relevanz von politischen Prozessen und öffentlichem Leben verwiesen (Kalogeropoulos und Nielsen 2017; Ohlsson et al. 2017; Sloam 2016; Trilling und Schönbach 2013).

So zeigen international vergleichbare Studien unter Internetnutzenden, wie die Reuters‘ Study on Digital NewsFootnote 4 (Newman et al. 2017; Kalogeropoulos et al. 2019), dass jüngere Kohorten – v. a. die unter 25-Jährigen – eine geringere Intensität bei der Nachrichtennutzung vorweisen, als ältere Personengruppen. Zeitgleich werden von jüngeren Personen, wenn es zur Nachrichtennutzung kommt, Onlineplattformen bevorzugt. Genauso wird in unterschiedlichen Länderanalysen argumentiert, dass höhere Bildungsabschlüsse mit stärkerem Interesse an sowie höherem Vertrauen in Information einhergehen und höhere Einkommen eine differenziertere Nutzung von Nachrichtenangeboten begünstigen (Aalberg et al. 2013; Wolfsfeld et al. 2016; Strömbäck 2017). Diese Tendenzen haben rezente Studien auch für Österreich feststellen können (Gadringer et al. 2019; Schmuck et al. 2016; Prandner und Glatz 2021).

Hinsichtlich der angesprochenen Determinanten aus dem Bereich Politik kann in internationalen Studien nachvollzogen werden, dass höheres politisches Interesse und eine klare Positionierung im politischen Spektrum – z. B. eindeutig links- oder rechtspolitische Einstellungen – mit einem erhöhten Nachrichtenkonsum in Verbindung stehen (Blekesaune et al. 2012; Esser et al. 2017; Kalogeropoulos und Nielsen 2017). Auch ergeben vergleichende Analysen oftmals, dass rechtspolitische Positionen mit einer größeren Skepsis – also niedrigerem Vertrauen – gegenüber traditionellen Medienangeboten und einem onlinezentrierten Informationsverhalten einhergehen (Esser et al. 2017, S. 375; Lindell und Hovden 2018, S. 652; Kalogeropoulos et al. 2019, S. 9).

Obwohl in der Vergangenheit auch in Österreich mehrere Analysen zur Messung dieser Effekte durchgeführt wurden, mussten sowohl Trilling und Schönbach (2013) als auch Prandner und Glatz (2021) festhalten, dass die politische Orientierung – insbesondere die Nähe zur rechtspolitischen FPÖ – keinen Einfluss auf die Intensität des Informationsverhaltens hat. Komplexere, systematische, umfragebezogene Analysen, bei denen der Einfluss auf das Vertrauen im Zentrum stand, sind für Österreich bisher nicht durchgeführt worden.Footnote 5

Neuere Studien argumentieren zusätzlich, dass die Kluft zwischen jenen, die sich in „High Choice“-Medienlandschaften intensiv über aktuelles Geschehen informieren und jenen die kein Interesse haben, sich mit ihrer gesellschaftlichen Umwelt auseinanderzusetzen, aufgrund von sozialen Ungleichheiten gewachsen ist (Strömback 2017; Lindell 2018; Kalogeropoulos und Nielsen 2017). Personen, die in der sozialen Hierarchie weiter unten positioniert sind oder sich selbst dort verorten bzw. auch in geringerem Ausmaß in die Gesellschaft eingebunden sind, haben meist weniger Interesse sich über unterschiedliche Kanäle Informationen zum aktuellen Geschehen zu besorgen, als jene, die in der gesellschaftlichen Ordnung höhere Positionen einnehmen und besser in die Gesellschaft integriert sind (Lindell 2018; Prandner und Glatz 2021). Genauso vertrauen schlechter positionierte Gesellschaftsgruppen journalistischen Nachrichten seltener (Kalogeropoulos et al. 2019).

Entsprechend dieser Informationen wird das Mediennutzungsverhalten während der Corona-Krise unter Berücksichtigung dieser Größen analysiert. Es wird davon ausgegangen, dass nicht nur die soziodemografischen Eigenschaften, sondern insbesondere die soziale Position und die politische Selbstverortung Einfluss auf die Breite des genutzten Medienrepertoires sowie auf die zugesprochene Glaubwürdigkeit haben.

3 Am Vorabend der Corona-Krise: Mediennutzung und Informationsrepertoires in Österreich

Mediennutzung und Informationsverhalten sind stark von dem Angebot an Medien und Informationskanälen in einem Land abhängig. Generell ist für Österreich festzuhalten, dass international vergleichende, als auch nationale Studien zum österreichischen Mediensystem beständig die Marktmacht der traditionell reichweitenstarken Zeitungs- und FernsehangeboteFootnote 6 betonen (Kirchhoff und Prandner 2016; Prandner und Kirchhoff 2017; Gadringer et al. 2019). Wobei ein Relevanzgewinn unterschiedlicher Onlineangebote – egal, ob es sich um traditionelle Onlinemedien oder Social Media handelt – in den Jahren vor der Corona-Krise deutlich beobachtbar war (Newman et al. 2020, S. 62 f.).

Nicht nur nationale Erhebungen wie die sozialen Surveys 2016 und 2018 (SSÖ 2016 bzw. 2018), sondern auch die letzten Umfragewellen der auf Onlineinformationsverhalten spezialisierten länder-vergleichenden Reuters‘ Study on Digital News sahen die Gesamtheit der Onlineangebote ähnlich reichweitenstark wie die – an und für sich noch immer dominierenden – Fernsehangebote (Newman et al. 2020, S. 62 f.; Prandner und Glatz 2021, S. 59). Zusätzlich legten die Umfragedaten aus den Jahren 2016 bis 2019 nahe, dass das Informationsverhalten im Land stark durch das Alter geprägt ist und Kohorten-Effekte zu beobachten sind (Prandner 2019; Sparviero und Trappel 2019). So zeigten die Analysen von Sparviero und Trappel (2019), als auch Prandner (2019), dass ältere Personen verstärkt traditionelle Informationsangebote nutzten, allen voran das Fernsehen. Jüngere setzten vor allem auf Onlineangebote und Social Media als Nachrichtenkanäle (Sparviero und Trappel 2019, S. 70; bzw. siehe auch Abschn. 4.5 dieses Kapitels).

Betrachtet man die verschiedenen von Individuen genutzten Kombinationen von medialen Informationsplattformen – also die im letzten Kapitel eingeführten Informationsrepertoires – kann ein konsistentes, aber langsam veränderndes Bild aufgezeigt werden.

So dominierte in Österreich lange Zeit die Nachrichtennutzung in Form traditioneller Informationsrepertoires, die sich rein aus Massenmedien wie Fernsehen, Zeitungen, Zeitschriften und auch dem Radio zusammensetzten (Trilling und Schönbach 2013; Prandner 2019). Aber der Bedeutungsgewinn von Onlinemedien und Social Media ist auch hier nachvollziehbar. Denn empirisch konnte in den Daten des SSÖ 2018 erstmals ein Gleichgewicht zwischen traditionellen und hybriden Informationsrepertoires, also die kombinierte Nutzung von traditionellen Medien und Onlinemedien zum Informationsgewinn festgestellt werden – beide Typen kamen jeweils auf ca. ein Drittel der Befragten (Prandner und Glatz 2021). Personen, die nur Informationen aus Onlinequellen bezogen, waren 2018 mit unter 10 % der Stichprobe eine Minderheit (ebd.). Personen die sich gar nicht über das aktuelle Geschehen informierten machten nicht einmal 2 % der Befragten aus (ebd.). Dieser Wert erscheint plausibel, weist doch der Methodenbericht der Reuters‘ Study on Digital News 3 % an Personen aus, die seltener als einmal im Monat Nachrichten konsumierten (Newman et al. 2020).

Das Vertrauen in Nachrichten bzw. Informationen ist dabei in Österreich im internationalen Vergleich durchschnittlich (Newman et al. 2019 S. 20 f.; Newman et al. 2020, S. 62 f.). So gaben zu Beginn des Jahres 2020, also wenige Wochen bevor die Corona-Krise zur Pandemie erklärt wurde, nur 40 % der im Rahmen der Reuters‘ Study on Digital News Befragten an, dass sie Nachrichten im Allgemeinen vertrauen (Newman et al. 2020, S. 62 f.). Weniger als 20 % vertrauen Nachrichten, die sie über Social Media beziehen (ebd.). Besonders das niedrige Vertrauen in Informationen aus sozialen Medien ist vor dem Hintergrund der sogenannten „Infodemie“ von großer Relevanz – die Gefahr, dass Falsch- oder Fehlmeldungen über solche Kanäle die Gesellschaft stark beeinflussen, scheint dadurch limitiert.

4 Datengrundlage – Was wissen wir zum Mediennutzungsverhalten während der Corona-Krise 2020?

Entsprechend der Informationen aus den Abschn. 4.2 und 4.3 wird in den folgenden Analysen überprüft, inwieweit die in der Krise genutzten Informationsrepertoires sich durch die soziale und politische Positionierung der Befragten erklären lassen. In einem darauffolgenden Schritt wird analysiert, ob die Merkmale, die die Breite des Informationsverhaltens erklären, auch einen signifikanten Einfluss darauf haben, ob jemand unter den Befragten besonderes Vertrauen in Social Media oder journalistische Inhalte berichtet.

Die Grundlage für diese Analysen stellt die österreichische Values in Crisis (VIC) Umfrage (Aschauer et al. 2020) aus dem Frühjahr 2020 dar. Dies ist eine Mehrthemenumfrage, die mittels des Onlinepanels der Firma MarketAgent realisiert wurde (für Details zu den Erhebungen siehe auch den entsprechenden Beitrag zur Datengrundlage in diesem Band, Prandner 2022). Die Stichprobe basiert auf einem Quotenverfahren, das Strukturgleichheit zwischen Befragungsteilnehmenden und Grundgesamtheit herstellen sollte. Entsprechend muss davon ausgegangen werden, dass die Daten nicht für die Gesamtbevölkerung repräsentativ sind, sondern – ähnlich wie die Reuters‘ Study on Digital News (Newman et al. 2020) – als repräsentativ für die Internetnutzenden des Lands gesehen werden können.

Um die Aussagekraft von deskriptiven Ergebnissen zu stärken wurden die Werte gewichtet. Für die Regressionsanalysen (eine Erklärung der Grundlagen der Regressionsanalyse ist im methodischen Glossar, Glatz et al. 2022) wurde auf den Einsatz von Gewichten verzichtet, da die Unabhängigkeit der für die Gewichtung verwendeten Variablen – u. A. Alter, Geschlecht, Bildung – von den anderen inkludierten Analysevariablen nicht gewährleistet werden konnte.

Aufgrund der Strukturierung der Umfrage als Mehrthemenerhebung, stehen für die einzelnen Teilaspekte – wie eben die Mediennutzung – nur eine limitierte Auswahl an Fragen zur Verfügung. Bei der VIC-Umfrage stehen die Informationen zum Nachrichtenverhalten – analog zum SSÖ 2018Footnote 7 – dabei grob auf Ebene der Plattformen Fernsehen, Zeitung, Onlinemedien und Social Media zur VerfügungFootnote 8. Die Nutzungsintensität dieser Nachrichtenquellen wurde in jeweils fünf Kategorien erhoben (von „1 = nie“ bis „5 = sehr häufig“).

Diese Nutzungsinformationen wurden auch herangezogen, um die jeweiligen Medienrepertoires der Befragten zu konstruieren: Um für ein bestimmtes Repertoire infrage zu kommen, musste eine entsprechende Plattform zumindest manchmal für Informationszwecke genutzt werden (also eine Antwort von „3“ bis „5“ geben werden; vgl. für Details auch Prandner und Glatz 2021). Personen die keine der vier Plattformen, zumindest manchmal, für Informationszwecke nutzen, wurden als News-Avoider ohne Nachrichtennutzung klassifiziert. Jene die Printmedien wie z. B. Tageszeitungen und bzw. oder Fernsehnachrichten zumindest manchmal nutzen, aber weder Onlinemedien noch Social Media, wurden dem traditionellen Repertoire zugeteilt. Personen, die Onlinemedien und bzw. oder Social Media zumindest manchmal nutzen, aber keine klassischen Medien, wurden zum online Nachrichtenrepertoire zusammengefasst. Sämtliche Mischformen wurden als hybride Nachrichtenrepertoires klassifiziert. Einzig die Personen, die alle vier Plattformen regelmäßig nutzen, wurden für die deskriptiven Analysen gesondert einem vollständigen Informationsrepertoiretyp zugeteilt (siehe auch Abb. 4.5 im folgenden Abschnitt). Dieser letzte Typus stellt aber nur eine Unterform des hybriden Repertoires dar und wird in den multivariaten Analysen als solches behandelt.

Zusätzlich mussten die Befragten die Glaubwürdigkeit von traditionellen journalistischen Medieninhalten gegenüber den Beiträgen in Social Media beurteilen. Hierzu kam ein 5-stufiges Polaritäten-Profil zum Einsatz, wo „1“ für eine starke Orientierung zu sozialen Medien stand, „3“ eine neutrale Antwort darstellte und „5“ eine starke Orientierung zu traditionellen journalistischen Medieninhalten.

Die unabhängigen Variablen, die zur Erklärung der Mediennutzung herangezogen werden, sind auf die drei Teilbereiche soziale Position, politische Selbstverortung und Soziodemografie bezogen. Die subjektive Einschätzung der eigenen Position in der Gesellschaft wurde im Sinne einer sozialen Stufenleiter abgefragt, wobei 1 für „unten“ und 10 für „oben“ steht. Zusätzlich zur Momentaufnahme während der Corona-Krise wurde auch gefragt, welche Einschätzung vor der Krise vorhanden war. Neben der Schichteinstufung floss auch das Haushaltseinkommen in die Analyse ein, dass einen objektiv fassbaren Indikator zur gesellschaftlichen Verortung darstellt.

Die politische Selbstverortung wird auf Grundlage von zwei Fragen beurteilt. Einerseits hinsichtlich im Sinne der klassischen Links-Rechts-Einstufung – Skala von „links (1)“ bis „rechts (10)“ (für eine rezente Einschätzung über die Aussagekraft siehe z. B. Bauer et al. 2017) und andererseits dem aktiven Interesse an Politik (siehe Martin und VanDeth 2007). Entsprechend der in der Literatur formulierten Annahme (vgl. auch Esser et al. 2017, S. 375; Lindell und Hovden 2018, S. 652), dass insbesondere eindeutig politisch Interessierte bzw. links- oder rechts-politisch verortete Personen abweichende Mediennutzung und Medienvertrauen zeigen, werden in den multivariaten Analysen klar links (1–3) und rechts (8–10) positionierte Personen mit denen aus der Mitte (4–7) verglichen und politisch (sehr) interessierte Teilnehmende, mit jenen die nur mittleres bis gar kein Interesse zeigen.

Die Soziodemografie inkludiert Alter, Geschlecht und höchsten Bildungsabschluss. Auch hier wurden die Antworten zum Bildungsabschluss gruppiert: Es werden in den multivariaten Analysen die Personen mit zumindest einem Matura-Abschluss mit jenen verglichen, die diesen Abschluss nicht erworben haben. Eine genaue Übersicht der Analysevariablen und deren Verteilung kann in Tab. 4.1 gefunden werden.

Tab. 4.1 Analysevariable und deren Verteilung (Datengrundlage: VIC 2020, Österreich; ungewichtete Werte der Personen, die eine Stunde oder mehr pro Tag das Internet nutzen)

5 Das Informationsverhalten der Österreicher*innen zur Corona-Krise 2020

Der folgende Abschnitt diskutiert entsprechend der eingangs formulierten Forschungsfragen zunächst, wie sich die befragten österreichischen Internetnutzer*innen zur Corona-Krise informiert haben, bevor die Frage des Informationsvertrauens aufgegriffen wird.

Eine erste allgemeine Betrachtung auf Grundlage der verfügbaren Informationsplattformen zeigt, dass das Fernsehen seine Rolle als Hauptinformationsquelle beibehielt. Geringfügig mehr als 60 % VIC-Teilnehmer*innen informierten sich während der ersten Welle der Corona-Krise häufig oder sehr häufig über Fernsehprogramme wie die Zeit im Bild zum aktuellen Geschehen. Etwas 40 % tun dies mittels Onlinenachrichtenseiten (z. B. www.orf.at, www.derstandard.at, www.krone.at) oder sozialen Medien sowie Blogs (z. B. Facebook, Instagram, WhatsApp). Klassische Printmedien, wie Tages- oder Wochenzeitungen (z. B. die Kronenzeitung, die Presse, der Falter), liegen mit 38 % knapp unter diesem Wert.

Die berichteten Werte entsprechen weitestgehend den Informationen und Trends, die in Erhebungen vor der Corona-Krise gewonnen werden konnten (z. B. Prandner und Glatz 2021; Sparviero und Trappel 2017, 2019). Eine detaillierte Aufschlüsselung und ein Vergleich der Daten sind in Abb. 4.4 zu finden. Auffällig ist jedoch die Erkenntnis, dass die in der VIC-Umfrage berichtete Nutzungsintensität von Fernsehnachrichten und Printmedien teils unter den Werten des SSÖ aus 2018 liegen. Dies geht einher mit der Feststellung von Lecheler und Aaldering (2020), dass ein weiter Teil der Bevölkerung, zumindest teilweise, einen selektiven Nachrichtenkonsum während der ersten Phase der Corona-Krise verfolgte. Was einerseits die in der Einleitung zitierten Spitzenwerte bei der Reichweite von einzelnen Angeboten erklärt, andererseits aber auch die leicht gesunkene allgemeine Nutzungsintensität.

Abb. 4.4
figure 4

Informationsverhalten während der Corona-Krise im Vergleich zu 2018; nach Informationskanälen (Auswahl von aktiven Internetnutzer*innen, die zumindest 1 h pro Tag online sind); Datengrundlage: VIC-Umfrage 2020, Österreich und SSÖ 2018; gerundete Prozentwerte; gewichtete Daten; eigene Darstellung. Lesebeispiel: 32 % der 2020 befragten Internetnuzer*innen informieren sich sehr häufig über das Fernsehen zur Corona-Krise

Betrachtet man die verschiedenen Informationsrepertoires, die sich aus unterschiedlichen Angebotsplattformen zusammensetzen und es ermöglichen zwischen Nachrichtenvermeidenden- und -suchenden-Personen zu unterscheiden (Hasebrink und Domeyer 2012; Trilling und Schönbach 2013), zeigen die Daten der VIC-Umfrage, dass bei den österreichischen Internetnutzer*innen – ähnlich wie im SSÖ 2018 – hybride Informationsrepertoires die üblichste Form des Informationsverhaltens darstellen.

47 % der Befragten nutzen regelmäßig – also sehr häufig, häufig oder manchmal – eine Mischung aus traditionellen – also Fernseh- und bzw. oder Printnachrichtenquellen – und Onlinenachrichtenquellen – also Websites und bzw. oder Social Media –, um sich über die Krise zu informieren. Ein vollständiges Nachrichtenrepertoire – wie in Abschn. 4.2 beschrieben, ein Subtyp des hybriden Repertoires – wird von weiteren 24 % genutzt. Diese Studienteilnehmenden informieren sich zumindest manchmal über alle vier Kanäle. Nur 13 % der Befragten nutzen rein traditionelle Medien, um über die Corona-Krise informiert zu bleiben. Bemerkenswert ist aber auch, dass auch unter den befragten Internetnutzenden die Gruppe der reinen Onlinenachrichtennutzenden mit 10 % nur eine Minderheit ausmacht (siehe Abb. 4.5).

Abb. 4.5
figure 5

Informationsrepertoires in der Krise im Vergleich zu 2018 (Auswahl von aktiven Internetnutzer*innen, die zumindest 1 h pro Tag online sind); Datengrundlage: VIC-Umfrage 2020, Österreich und SSÖ 2018; gerundete Prozentwerte; gewichtete Daten; eigene Darstellung

Die Gruppe der kompletten News-Avoider war während der ersten Phase der Corona-Krise unter den österreichischen Internetnutzenden nur unwesentlich größer als 2018. Auch die Angaben zu den restlichen Informationsrepertoires weisen nur minimale Abweichungen von 1 bis 3 Prozentpunkte auf.

Zusätzlich ist aber in der Detailaufschlüsselung nach Altersgruppen ein deutlicher Generationeneffekt erkennbar. Bei der jüngsten Altersgruppe – den unter 25-Jährigen – nutzen nur noch 6 % ein rein traditionelles Informationsrepertoire, während aber mehr als 20 % unter ihnen ein reines Onlinerepertoire angeben. Betrachtet man den Anteil dieser beiden Repertoires über die Alterskohorten, verschieben sich die Anteile augenscheinlich. Je älter die Befragten, desto häufiger findet man traditionelle Repertoires und desto seltener Onlinerepertoires. Bei der ältesten ausgewiesenen Kohorte – den über 65-Jährigen – ist ein reines Onlinerepertoire gar bei weniger als einem halben Prozent der Befragten zu finden. Dafür nutzt knapp ein Viertel ein traditionelles Nachrichtenrepertoire (siehe auch Abb. 4.6).

Abb. 4.6
figure 6

Informationsrepertoires in der Krise – Aufgeschlüsselt nach Altersgruppen (Auswahl von aktiven Internetnutzer*innen, die zumindest 1 h pro Tag online sind); Datengrundlage: VIC-Umfrage 2020, Österreich; gerundete Prozentwerte; gewichtete Daten; eigene Darstellung

Verfolgt man die Nachrichtennutzung während der Krise im Detail und bezieht soziale Position, politische Involvierung sowie Soziodemografie ein, zeigt ein multinominales Regressionsmodell (siehe Tab. 4.2) weitestgehend theoriekonforme Effekte.

Tab. 4.2 Multinominales Regressionsmodell – Nachrichtenrepertoires. Datengrundlage: VIC-Umfrage 2020, Österreich; ungewichtete Werte der Personen, die eine Stunde oder mehr pro Tag das Internet nutzen. Signifikante Ergebnisse bei: p < 0,05 */p < 0,01 **/p < 0,001 ***; Tendenz: p < 0,01~

Vergleicht man News Avoider, Personen mit traditionellem Nachrichtenrepertoire sowie Personen mit einem Onlinenachrichtenrepertoire mit jenen die ein breites hybrides bzw. vollständiges NachrichtenrepertoireFootnote 9 aufweisen, zeigen sich insbesondere Effekte hinsichtlich des politischen Interesses. Die Befragten, die diesen Mediennutzungstypen zuzuordnen sind, haben durchgängig ein signifikant niedrigeres politisches Interesse als die Befragten mit breiteren Nachrichtenrepertoires. Dies entspricht der Feststellung von Prandner und Glatz (2021) aus 2018, genauso wie den Ausführungen von Trilling und Schönbach (2013).

Auch bleiben die bereits in der deskriptiven Analyse vorgefundenen Kohorten-Effekte hinsichtlich des Alters bestehen. Die News Avoider in der Krise sind genauso wie die Onlinenachrichten-Nutzer*innen signifikant jünger als Personen mit hybridem oder vollständigem Nachrichtenrepertoire. Jene mit einem traditionellen Informationsverhalten sind signifikant älter. Auch hier entsprechen die Daten dem bisherigen Wissenstand, der von Gadringer et al. (2019) bzw. Prandner (2019) dargelegt wurde.

Zusätzlich ist auffällig, dass Männer sich in signifikant häufigerem Ausmaß mittels Onlinenachrichten informieren als Frauen. Genauso zeigt sich die Tendenz, dass Personen mit niedrigeren formalen Bildungsabschlüssen traditionelle Nachrichtenrepertoires bevorzugen. Auch ist in den Daten abzulesen, dass die Annahme von Esser et al. (2017) zur Affinität von Personen mit rechtspolitischer Orientierung zur Nutzung von nicht traditionellen Nachrichten für Österreich nicht zutreffen. Da sich dieser Trend seit Jahren (erstmals durch Trilling und Schönbach 2013 dokumentiert, rezent durch Prandner und Glatz 2021 erneut festgestellt) nicht belegen lässt, müssen alternative Erklärungsmuster gesucht werden.

Gegen rezente Ergebnisse spricht, dass die soziale Position – weder in Form der subjektiven Selbstverortung, noch in Form des Einkommens – auf das Informationsverhalten Einfluss hat. Dies steht im Widerspruch zu der Feststellung von Prandner und Glatz (2021), die zeigen konnten, dass 2018 das Einkommen signifikanten Einfluss auf die Informationsgewohnheiten hatte. Eine potenzielle Erklärung dafür könnte die Pandemiesituation sein, da diese generell ein erhöhtes Informationsbedürfnis mit sich bringt.

Vor diesem Hintergrund ist auch die zweite Frage, die zu Beginn des Beitrags aufgestellt wurde von Relevanz: Wie sieht es mit der Glaubwürdigkeit medialer Information während der Pandemie aus? Denn wie eingangs erwähnt, haben die Daten des Reuters Digital News Report 2020 aufgezeigt, dass das Vertrauen der Österreicher*innen in Nachrichten nur mittelmäßig ist und insbesondere bei Social Media gering ausfällt (Newman et al. 2020, S. 62 f.).

Die Ergebnisse der VIC-Studie belegen diese Erkenntnisse. Zwar werden von knapp 60 % der befragten Personen traditionelle Medien glaubwürdiger eingeschätzt als Social Media, aber ein Drittel der Teilnehmenden an den Studien positioniert sich gar nicht. Nur 8 % sehen Informationen aus sozialen Medien als vertrauenswürdiger an. Genauso wie bei der Mediennutzung lassen sich Alterseffekte feststellen. Je älter die Befragten, desto eher geben sie an, dass traditionelle Medien am glaubwürdigsten sind (siehe Abb. 4.7). Diese Erkenntnisse sind jedoch in zweifacher Hinsicht zu kontextualisieren: Es wird mit der Frage nur die relative Glaubwürdigkeit der Mediensparten – traditionelle gegenüber Social Media – beurteilt und nicht inwieweit den Informationen aus Medien allgemein vertraut wird (vgl. Newman et al. 2020). Zusätzlich enthalten die Informationsangebote in Social Media auch Beiträge und Verweise auf Inhalte traditioneller Medien. Es wird also durch das Item primär die Orientierung hin zu klassisch journalistischen gegenüber partizipativen Medien beurteilt, wobei keine genauere Aufschlüsselung der tatsächlich genutzten Medienangebote oder Titel erfolgt (Schweiger et al. 2018). Dies bedeutet, dass die Beurteilung der Befragten aufseiten der traditionellen Medien Boulevardangebote genauso wie qualitativ hochwertige Publikationen oder Sendungen umfasst.

Abb. 4.7
figure 7

Glaubwürdigkeit von medialen Informationen in der Krise – Aufgeschlüsselt nach Altersgruppen (Auswahl von aktiven Internetnutzer*innen, die zumindest 1 h pro Tag online sind); Datengrundlage: VIC-Umfrage 2020, Österreich; gerundete Prozentwerte; gewichtete Daten; eigene Darstellung

Aber auch unter Berücksichtigung dieser Limitierungen zeigt das folgende multivariate Erklärungsmodell ein differenziertes Bild, warum Befragte eher sozialen oder traditionellen, journalistischen Medienangeboten ihr Vertrauen schenken (für Details siehe Tab. 4.3).

Tab. 4.3 Multinominales Regressionsmodell – Glaubwürdigkeit von Informationsquellen. Datengrundlage: VIC-Umfrage 2020, Österreich; ungewichtete Werte der Personen, die eine Stunde oder mehr pro Tag das Internet nutzen). Signifikante Ergebnisse bei: p < 0,05 */p < 0,01 **/p < 0,001 ***; Tendenz: p < 0,01~

Personen, die soziale Medien für glaubwürdiger halten, sind durch eine geringere Wahrscheinlichkeit gekennzeichnet klassische Onlinenachrichtenseiten zu nutzen, haben aber ein höheres politisches Interesse als jene, die soziale und traditionelle Medien für ähnlich glaubwürdig beurteilen.

Das erste Ergebnis kann auf mehrfache Weise interpretiert werden. Einerseits kann in Anlehnung an Schweiger et al. (2019) angenommen werden, dass die für einige Personen als interessant beurteilten Angebote von Onlinenachrichtenseiten mittels Abo- oder Like-Funktionen auch in die jeweiligen Social Media Channels integriert werden und somit die traditionellen Onlineplattformen potenziell ausgespart werden können, da sie redundant wären. Alternativ kann es auch darauf hindeuten, dass eine – verschwindende – Minderheit gezielt abseits des Mainstreams Nachrichten bezieht. Fehlende Detailinformationen zu Informationsgewohnheiten – z. B. wie der individuelle Social Media Feed zusammengestellt ist – lassen aber keinen endgültigen Schluss zu.

Dass höheres politische Interesse die Chance steigert, dass die Inhalte, die man selbst auf soziale Medien konsumiert glaubwürdiger eingeschätzt werden, erscheint aus einem ähnlichen Grund plausibel. Social Media baut darauf auf, dass Nutzer*innen Informationen suchen und beziehen, die sie selbst interessieren und für relevant erachten. Dementsprechend ist es nachvollziehbar, dass politisch Interessierte Social Media Sources nutzen, die sie interessieren und denen sie selbst – aus subjektiver Perspektive – auch Glaubwürdigkeit zusprechen (Esser et al. 2017).

Ein entsprechender Trend setzte sich bei den traditionellen Medien fort. Befragte, die selbst Fernsehen und Printmedien nutzen, glauben eher traditionellen Medieninhalten. Die Nutzung von Social Media zu Informationszwecken reduziert dagegen die Chance traditionelle Medien zu nutzen. Zusätzlich zeigt sich, dass Personen mit höherer formaler Bildung und höherem Sozialstatus in der Krise auch eine höhere Wahrscheinlichkeit aufweisen, traditionellen Medien zu glauben.

Auch sind Befragte, die politisch eher links-orientiert und an Politik interessiert sind, eher geneigt traditionelle Medien für glaubwürdig zu halten. Personen die politisch rechts stehen, haben eine geringere Wahrscheinlichkeit traditionellen Medien ihr Vertrauen zu schenken. Auch haben jüngere Befragte eine geringere Wahrscheinlichkeit als ältere Teilnehmer*innen, dass sie Zeitungen sowie Fernsehen vertrauen.

Diese Ergebnisse entsprechen der Feststellung von Kalogeropoulos et al. (2019, S. 3681), wo die Autoren mit Daten der Reuters‘ Study on Digital News für 35 Länder – inkl. Österreich – aufzeigen konnten, dass die soziale Position, die Bildung und die genutzten Nachrichtenkanäle das Vertrauen in die Medien im Allgemeinen beeinflussen.

Ebenso ist dieses Ergebnis nun durchaus mit der Annahme von Esser et al. (2017) konsistent, dass Personen mit politisch rechter Orientierung traditionellen Medien eher skeptisch gegenüberstehen, obwohl sich die Annahme hinsichtlich der Mediennutzung weder aktuell, noch in der Vergangenheit bestätigen lies (vgl. auch Prandner und Glatz 2021; Trilling und Schönbach 2013). Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass in Österreich die traditionelle Marktmacht von bestimmten Medienanbieter*innen – allen voran dem ORF – dazu führt, dass Personen Inhalte konsumieren, die sie für nicht glaubwürdig halten. Eine relevante Feststellung, die auch demokratiepolitische Relevanz hat und für zukünftige, weiterführende Analysen Anknüpfungspunkte bietet.

Dass das Ausmaß des politischen Interesses und die links-politische Orientierung zu einem stärkeren Vertrauen in klassische Medien führt, entspricht vergangenen Erkenntnissen (vgl. Esser et al. 2017).

6 Fazit und Schlussfolgerungen

In Summe kann festgehalten werden, dass sich die Mediennutzung für Informationszwecke während der ersten Phase der Corona-Krise in keinem größeren Ausmaß verändert hat. Weder auf Ebene der einzelnen Medienplattformen noch der Nachrichtenrepertoires sind größere Veränderungen feststellbar gewesen. Die Gefahr einer ausufernden „Infodemie“ erscheint somit im Großen und Ganzen für diese Phase der Pandemie gering. Nur wenige Gesellschaftsteilnehmer*innen nutzen rein Onlinemedien zu Informationszwecken und Nachrichten aus Social Media Platforms wie Facebook oder Twitter werden nur von einem geringen Teil der Bevölkerung Vertrauen zugesprochen.

Dennoch zeigen sich im Rahmen der Analysen, dass in der Krisensituation die Informationssituation berücksichtigt werden muss. Jüngere Personen sind auch in der Krise häufiger News Avoider als ältere. Umgekehrt vertrauen ältere Personen – zumindest komparativ – traditionellen journalistischen Medien häufiger. Dieser Generationeneffekt ist nun bereits über mehrere Jahre zu beobachten und demokratietheoretisch bedenklich (Eisenegger et al. 2020; Jarren 2020; Prandner und Grausgruber 2019). Selbst in der Krise dürften jüngere Gesellschaftsteilnehmer*innen vergleichsweise schwerer zu motivieren sein, sich zu informieren. Hält man sich das eingangs in Abb. 4.2 illustrierte Modell vor Augen, ist davon auszugehen, dass sich dies sowohl auf die Handlungsintentionen und Handlungsfähigkeit von bestimmten Personengruppen auswirken könnte.

Genauso zeigt sich, dass Effekte der sozialen Verortung in der Krise weniger auf das Informationsverhalten im Allgemeinen wirken, sondern vielmehr auf das Vertrauen in mediale Information. Personen mit niedrigem sozialem Status sind eher geneigt Informationen aus journalistischen Medien abzulehnen, was aus gesamtgesellschaftlicher Perspektive ebenso heikel ist wie die Feststellung, dass bestimmte Personengruppen von Nachrichten nicht mehr erreicht werden (Kalogeropoulos et al. 2019). Insbesondere in der Krisensituation kann dies potenziell für die Betroffenen oder deren Umfeld problematisch sein (Eisenegger et al. 2020). Die Frage, ob Handlungsweisen aufgrund einer rationalen Abwägung – z. B. zwischen den vermuteten wirtschaftlichen gegenüber den antizipierten gesundheitlichen Konsequenzen – oder aufgrund einer Nicht-Akzeptanz von berichteten Informationen zustande kommen und inwieweit es zu faktenbasierten Einschätzungen der Situationen kommt, kann aber vorerst nicht beantwortet werden und wird weiterführende Datenerhebungen und Analysen benötigen.

Dass Bildung und politisches Interesse aber von Relevanz für ein ausgeprägtes Informationsverhalten sind und gleichzeitig das Vertrauen in traditionelle journalistische Medien erhöhen (Prandner 2019; Prandner und Glatz 2021), ist auch in der Krise konsistent geblieben. Entsprechend zeigt die Corona-Krise nicht nur wie wichtig es ist, dass Medien über Krisen und Krisenerscheinungen informieren, sondern auch, dass ein Großteil der Gesellschaft bereit sein muss, diesen Informationen zu vertrauen und Fakten von Falschmeldung zu unterscheiden.

Die Daten der Values in Crisis Studie deuten darauf hin, dass in Österreich die Gruppe jener, die von Nachrichten in der Krise nicht erreicht wurden, nur eine verschwindende Minderheit darstellt. Aber der Anteil an Personen, die den rezipierten Informationen nur wenig Vertrauen schenkte, dürfte um ein Vielfaches größer sein – besonders unter sozial schlechter gestellten Personengruppen (Lindell 2018; Kalogeropoulos und Nielsen 2017).

Dieser Befund zeigt, dass sich soziale Ungleichheit auf das Informationsverhalten auswirkt und das gefährliche Potenzial birgt, auf das gesamte Leben Auswirkungen zu zeigen. Das Ziel von Informationsmedien muss es also nicht nur sein, dass sie 94 % Reichweite generieren, sondern dass sie sicherstellen, dass den präsentierten Informationen auch von einem entsprechenden Anteil an Personen Vertrauen entgegengebracht wird.