Zusammenfassung
Die Aussichten auf eine gemeinsame Zukunft, die der Dichter Georg Hoprich (1938–1969), damals Germanistikstudent im fünften Jahrgang an der Universität Bukarest, seiner Braut Mathilde Schuster (1936–1995) zwei Wochen vor Weihnachten 1960 in einem Brief ausmalte, waren von, wie er glaubte, nicht unberechtigten Hoffnungen bestimmt.1 Er könne ihr „nun fast endgültig mitteilen“, schrieb er am 11. Dezember 1960 nach Niedereidisch (Ideciu de Jos) bei Sächsisch-Reen (Reghin) im Kreis Mureş, wo sie als Lehrerin an einer Grundschule mit einer deutschen Unterrichtsabteilung arbeitete, dass er „in Bukarest eine Anstellung erhalten werde, und zwar in der Redaktion des Jugendverlages“.2 Diese Stelle könne er „wahrscheinlich noch im Februar oder im März, also in 2–3 Monaten“ antreten, noch bevor er sein Studium abgeschlossen habe. Das Diplom, das ihm im Sommer nach bestandener Abschlussprüfung ausgehändigt werde, dürfe er nachreichen. „Man möchte mich auch bei dem Rundfunk und bei der Pressedirektion haben“, heißt es im Brief, „aber ich ziehe den Jugendverlag vor, weil ich glaube, hier Besseres und Schöneres zu leisten.“3 Mit den beiden „Damen“ der deutschen Abteilung des Verlags werde er sich schon vertragen, auch wenn man ihn darauf aufmerksam gemacht habe, er solle sich vor einer der beiden „in Acht nehmen, da sie gerne eintunk[e]“4. Auch freue er sich, dass in etwa zwei Wochen die Neue Literatur, das deutschsprachige Publikationsorgan des rumänischen Schriftstellerverbandes, erscheine, darin sei er mit drei Gedichten vertreten, was ihm nicht nur sehr schmeichle, sondern auch dazu beitrage, seine „Geldnot“ zumindest vorübergehend zu lindern.5 Zwischenzeitlich werde er auch nach einer entsprechenden Wohnung Ausschau halten, dann könne seine Braut aus der dörflichen Einsamkeit endlich zu ihm nach Bukarest ziehen. Damit auch alles so seine Ordnung habe, lässt Hoprich in anderen Zuschriften anklingen, könnten sie nach etwa einem einjährigen Brautstand Sommer 1961 Hochzeit feiern, dann hätten die bösen Mäuler keinen Grund mehr, sie als „ewige Braut“ zu hänseln.
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Sienerth, S. (2022). „Die Wirrnis wurde Lebenslauf“. In: Bespitzelt und bedrängt – verhaftet und verstrickt. Literaturwissenschaft. Frank & Timme, Berlin. https://doi.org/10.57088/978-3-7329-9083-2_3
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Publisher Name: Frank & Timme, Berlin
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