Zusammenfassung
Zunächst sah es so aus, als ob das Jahr 1957 dem Leben des siebenbürgisch-sächsischen Historikers Carl Göllner (1911–1995) eine entscheidende Wendung geben wollte. Bereits Anfang Januar hatte Hauptmann Mihai Caraman1 von der Abteilung I, Dienststelle 4 („Direcţia I-a, serviciul IV“) des Rumänischen Innenministeriums, die für Auslandsspionage zuständig war, einen Diskussionsentwurf („Plan de discuţii“) aufgesetzt, um den langjährigen Agenten Carl Göllner, der den Decknamen „Florescu“ trug („agentul Göllner Carol conspirativ ‚Florescu‘“), auf seine Zuverlässigkeit und Tauglichkeit für einen möglichen Auslandseinsatz in Frankreich zu prüfen.2 In Göllners biografi schen Unterlagen, hatte der Hauptmann notiert, gäbe es einige Unklarheiten. Deshalb unterbreitete er seinen Vorgesetzten den Vorschlag, Göllner in die Bukarester Zentrale der Sicherheitsbehörde einzubestellen, nicht zuletzt um sich mit ihm u. a. über seine Tätigkeit eingehend zu unterhalten, die er seinerzeit in Frankreich ausgeübt hatte. Hierbei solle man eruieren, ob er noch über Bekanntschaften, besonders unter den rumänischen Emigranten, verfüge und ob er die Verbindung zu ihnen erneut aufnehmen könne.3 Bei dieser Gelegenheit wolle man, hatte der Bukarester Offizier festgehalten, den Agenten, der bis dahin von der Kronstädter Dienststelle der Securitate betreut worden war, auch persönlich kennen lernen, ihm die Möglichkeit bieten, seine künftige Auslandstätigkeit vorzustellen und gleichzeitig prüfen, ob er sich für eine solche Aufgabe eigne. Als Vorgangsweise hatte Caraman vorgeschlagen, „Florescu“ zunächst keine verfänglichen Fragen zu stellen und ihn möglichst viel reden und erzählen zu lassen. Das Gespräch war für den 5. und 6. Januar 1957 in einer konspirativen Wohnung anberaumt worden, führen sollten es die Offiziere Mihai Caraman und Grigore Hovsepian, die den Auftrag hatten, die Diskussion schriftlich festzuhalten. Auf der Grundlage dieser Materialien werde man Schlüsse ziehen und weitere Schritte überlegen, hatte Caraman seinem Vorgesetzten vorgeschlagen.4 Letzterer – seine Unterschrift ist unleserlich – hatte auf den Bericht des Hauptmanns u. a. handschriftlich vermerkt, man solle „Florescu“ gründlich prüfen („elementul în cauză trebuieşte temeinic verificat“)5.
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Sienerth, S. (2022). In den Fängen der Geheimdienste. In: Bespitzelt und bedrängt – verhaftet und verstrickt. Literaturwissenschaft. Frank & Timme, Berlin. https://doi.org/10.57088/978-3-7329-9083-2_12
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