Die Regeln der Zirkulation. Erfolgsnarrative im Kontext literarischer Transferprozesse am Beispiel »Brecht in Frankreich«

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Der Wert der literarischen Zirkulation / The Value of Literary Circulation

Abstract

The process by which an author gains recognition in the literary field is characterized by the tension-ridden reciprocity of symbolic and economic capital. Rarely proceeding in a linear fashion, this process is the result of a complex interplay between a multitude of actors, whose numbers increase even more in the context of transnational circulation. Using the well-researched reception history of Bertolt Brecht in France as its point of departure, this essay examines the function of mediators and gatekeepers in processes of literary transfer: what kind of traits does one need in order to help position foreign-language authors within the cultural field? And how can one stave off (potential) competitors in the long run? In what follows, I seek to deconstruct the narrative of success in order to gain fresh insights into the relationship between academic and non-academic instances of evaluation as well as the general preconditions for the formation of transnational artistic networks.

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Notes

  1. 1.

    Vgl. Hartmut Kaelble, Jürgen Schriewer (Hrsg.): Vergleich und Transfer. Komparatistik in den Sozial-, Geschichts- und Kulturwissenschaften, Frankfurt a. M. 2003; Mathias Middell: Kulturtransfer und historische Komparatistik – Thesen zu ihrem Verhältnis, in: Comparativ 10/1 (2000), 7–41; Johannes Paulmann: Internationaler Vergleich und interkultureller Transfer. Zwei Forschungsansätze zur europäischen Geschichte des 18. bis 20. Jahrhunderts, in: Historische Zeitschrift 267/3 (Dez. 1998), 649–685; Michael Werner (Hrsg.): De la comparaison à l’histoire croisée, Paris 2004.

  2. 2.

    Michel Espagne, Michael Werner: Deutsch-französischer Kulturtransfer im 18. und 19. Jahrhundert. Zu einem neuen interdisziplinären Forschungsprogramm des C.N.R.S., in: Francia Forschungen zur westeuropäischen Geschichte 13 (1985–1986), 502–510.

  3. 3.

    Michel Espagne: Les transferts culturels franco-allemands, Paris 1999.

  4. 4.

    Vgl. Katja Marmetschke: Was ist ein Mittler? Überlegungen zu den Konstituierungs- und Wirkungsbedingungen deutsch-französischer Verständigungsakteure, in: Michael Grunewald u. a. (Hrsg.): Deutschland und Frankreich im 20. Jahrhundert – Akademische Wissensproduktion über das andere Land, Bern u. a. 2011, Bd. 1, 183–199; Nicole Colin, Joachim Umlauf: Eine Frage des Selbstverständnisses: Akteure im deutsch-französischen champ culturel. Plädoyer für einen erweiterten Mittlerbegriff, in: Nicole Colin u. a. (Hrsg.): Lexikon der deutsch-französischen Kulturbeziehungen nach 1945, Tübingen 2015 [2013], 69–80.

  5. 5.

    Michael Werner, Bénédicte Zimmermann: Vergleich, Transfer, Verflechtung. Der Ansatz der histoire croisée und die Herausforderung des Transnationalen, in: Geschichte und Gesellschaft 28 (2002), 607–636.

  6. 6.

    Vgl. Hans-Jürgen Lüsebrink: Interkulturelle Kommunikation. Interaktion, Fremdwahrnehmung, Kulturtransfer, Stuttgart/Weimar 2005.

  7. 7.

    Vgl. Hans Manfred Bock: Netzwerke der Intellektuellen Forschung: Historiographische Metapher oder erkenntnisleitendes Konzept, in: Michael Grunewald u. a. (Anm. 4), 201–219.

  8. 8.

    Vgl. Joseph Jurt: Traduction et transfert culturel, in: Christine Lombez, Rotraud von Kulessa (Hrsg.): De la traduction et des transferts culturels, Paris 2007, 93–111; Barbara Cassin (Hrsg.): Vocabulaire européen des philosophies. Dictionnaire des intraduisibles, Paris 2004.

  9. 9.

    Vgl. Mike Baal: Introduction: Travelling Concepts and Cultural Analysis, in: Joyce Goggin and Sonja Neef (Hrsg.): Travelling Concepts: Text, Subjectivity, Hybridity, Amsterdam 2001, 7–25. Anzumerken ist freilich, dass die Definition des Transfer als Austausch zwischen zwei (wenngleich nicht statischen, sondern wandelbaren) Entitäten letztlich doch der Idee einer geschlossenen ›kulturellen Identität‹ eine Hintertür offen lässt; kulturessentialistische Vorstellungen werden zwar nicht bedient, jedoch auch nicht explizit widerlegt. Da weiterhin mit dem Begriff Herkunft operiert wird, kann (trotz selbstreflexiver Kritik) eine implizite Hierarchisierung der Betrachtung nicht ausgeschlossen werden; vgl. hierzu Albrecht Koschorke: Ähnlichkeit. Valenzen eines post-postkolonialen Konzepts, in: Anil Bhatti, Dorothee Kimmich (Hrsg.): Ähnlichkeit. Ein Kulturtheoretisches Paradigma. Konstanz 2015, 35–45, hier: 35: »Die Wertschätzung von Heterogenität, Differenz und Hybridität hat darin ihre entscheidende Schwäche, dass sie nur die Gewichtung innerhalb von mächtigen Dichotomien umkehrt, aber das dichotomische Schema an sich unangetastet lässt. Noch die Wortfügung ›Postkolonialismus‹ trägt ja den negativen Bezug auf die Prägung der voraufgehenden Epoche in sich und zeigt damit eine Art widerspenstiger Abhängigkeiten von kolonialen Denkweisen an.«

  10. 10.

    Pierre Bourdieu: La distinction. Critique sociale du jugement, Paris 1979; deutsch: Die feinen Unterschiede, übers. von Bernd Schwibs und Achim Russer, Frankfurt a. M. 1987.

  11. 11.

    Pierre Bourdieu: Les règles de l’art. Genèse et structure du champ littéraire, Paris 1998; deutsch: Die Regeln der Kunst, übers. von Bernd Schwibs und Achim Russer, Frankfurt a. M. 2001.

  12. 12.

    Vgl. Pierre Bourdieu: Les conditions sociales de la circulation internationale des idées, in: Actes de la recherche en sciences sociales 145 (Dez. 2002), 3–8, hier: 4: »[…] les textes circulent sans leur contexte«. Dies gilt im Übrigen auch für Bourdieus Theorie selbst: Da die strukturellen Ergebnisse der Studie aus der Analyse des zentralistisch organisierten kulturellen Felds im Frankreich des 19. Jahrhunderts abgeleitet werden, lassen sie sich nur bedingt auf die föderalistisch strukturierte deutsche Literatur- und Kulturszene übertragen.

  13. 13.

    Bourdieu, Die Regeln der Kunst (Anm. 11), 262, vgl. hierzu ebenfalls Joseph Jurt: Transnationale Literatur-Rezeption. Am Beispiel der Aufnahme Jean-Luc Benoziglios im deutschsprachigen Raum, in: Arcadia 44 (2009), 376–399, hier: 378.

  14. 14.

    »J’espère pouvoir organiser un colloque, qui aurait pour fin d’analyser les processus de sélection: qui sont les sélectionneurs, ceux qu’une sociologue de la science américaine appelle les ›gate-keepers‹? Qui sont les découvreurs et quels intérêts ont-ils à découvrir?« Bourdieu, Les conditions sociales (Anm. 12), 5. Dieses Vorhaben konnte Bourdieu nicht mehr umsetzen. Josef Jurt hat in einigen Artikel die feldtheoretische Annäherung an die Kulturtransfertheorie exemplarisch vorgeführt, vgl. Jurt, Transnationale Literatur-Rezeption (Anm. 13).

  15. 15.

    Bourdieu stützt sich vor allem auf den klassischen Ansatz der Transfertheorie und eine Analyse des Aufnahmekontextes; als Beispiel zur Veranschaulichung wählt er den beispiellosen Erfolg von Martin Heidegger in Frankreich nach dem Krieg, vgl. Bourdieu, Les conditions sociales (Anm. 12), 5.

  16. 16.

    Vgl. Thomas Keller: Kulturtransferforschung. Grenzgänger zwischen den Kulturen, in: Stephan Moebius, Dirk Quadflieg (Hrsg.): Kultur. Theorien der Gegenwart, Wiesbaden 2006, 101–114, hier: 101: »Der Transferprozess selbst bleibt allerdings unterbelichtet.«

  17. 17.

    Agnes Hüfner. Brecht in Frankreich 1930–1963. Verbreitung, Aufnahme, Wirkung. Stuttgart 1968.

  18. 18.

    Vgl. Daniel Mortier: Celui qui dit oui, celui qui dit non ou La réception de Brecht en France (1945–1956). Paris/Genf 1986, 175: Der Autor beschränkt seine Analyse auf die Zeit zwischen 1945 und 1956. Karin R. Gürttler gibt einen Überblick über die 1970er und 1980er Jahre, bemerkt jedoch: »Es ist im Rahmen dieser Untersuchung unmöglich, die Brechtrezeption von zwei Jahrzehnten aufzuarbeiten und auf den neuesten Stand zu bringen.« Karin R. Gürttler: Die Rezeption der DDR-Literatur in Frankreich (1945–1990). Autoren und Werke im Spiegel der Kritik. Bern u. a. 2001, 265. Gleiches gilt für meine Studie zur Deutschen Dramatik im französischen Theater, in der die Brechtrezeption ein wichtiges Thema darstellt, aber nicht systematisch bearbeitet wird, vgl. Nicole Colin: Deutsche Dramatik im französischen Theater. Künstlerisches Selbstverständnis im Kulturtransfer, Bielefeld 2011, 199–282.

  19. 19.

    Als gescheitere Versuche gelten insbesondere die französische Erstaufführung der Dreigroschenoper im Jahr 1930 durch Gaston Baty am Théâtre Montparnasse, einige Inszenierungen in den 1930er Jahren sowie die ersten Inszenierungen nach dem Zweiten Weltkrieg von Jean-Marie Serreau, Jean Vilar sowie Roger Planchon, vgl. Hüfner (Anm. 17), 7–12, 15–28; Daniel Mortier konstatiert, dass es bis 1953 zwar nicht unmöglich, aber sehr kompliziert war, Publikationen auf Französisch von oder über Brecht zu finden, zumal die wenigen übersetzten Stücke, Gedichte, Prosatexte und Theorieartikel in Zeitschriften veröffentlicht waren, vgl. Mortier (Anm. 18), 18–22.

  20. 20.

    Vgl. Hüfner (Anm. 17), 37; Mortier (Anm. 18), 175; Ingrid Gilcher-Holtey: Une révolution du regard. Bertolt Brecht à Paris 1954/55, in: Florence Baillet, Nicole Colin (Hrsg.): Théâtre – Texte – Transfert. L’Arche Éditeur, passeur entre les cultures. Aix-en-Provence 2021, 29–44, hier: 29; Chantal Meyer-Plantureux: Bertolt Brecht et le Berliner Ensemble à Paris. Paris 1995. Der Historiker Christoph Wenkel geht sogar so weit zu behaupten, dass »eine Geschichte der französisch-ostdeutschen Kulturbeziehungen […] am 29. Juni 1954 beginnen« müsse. Erst »ausgehend von diesem Gastspiel« habe sich »ein französisches Interesse für kulturelle Beziehungen mit der DDR entwickelt«, vgl. Christoph Wenkel: Auf der Suche nach einem »anderen Deutschland«. Das Verhältnis Frankreichs zur DDR im Spannungsfeld von Perzeption und Diplomatie. München 2014, 177. Im Blick auf die bereits zuvor existierenden (informellen) Netzwerke zwischen ostdeutschen und französischen Künstler:innen und Intellektuellen ist dieser zugspitzen Schlussfolgerung allerdings zu widersprechen. Hiervon zeugt, um nur ein Beispiel zu nennen, die von Alfred Kantorowitz noch vor Gründung der DDR herausgegebene (im sowjetischen Sektor zugelassene) Zeitschrift Ost und West. Beiträge zu kulturellen und politischen Fragen der Zeit, welche die Intensität des Kulturaustausches zwischen Frankreich und der DDR avant la lettre widerspiegelt.

  21. 21.

    Bernard Dort: Brecht en France, in: Les Temps Modernes 171 (1960), 1858: »Brecht faisant maintenant partie du patrimoine commun, chacun pouvait et devait s’en servir à son gré.«

  22. 22.

    Vgl. Ulrich Raulff: Kreis ohne Meister. Stefan Georges Nachleben. München 2010, 9–22.

  23. 23.

    Ebd., 22.

  24. 24.

    Die positiven Effekte der Offenheit ›unscharfer‹ Begriffe in kulturwissenschaftlichen Diskussionen, die in der philosophischen Theorie zumeist als problematisch klassifiziert und abgelehnt werden, hat u. a. Dorothee Kimmich dargestellt, vgl. Dorothee Kimmich: Ins Ungefähre. Ähnlichkeit und Moderne. Konstanz 2017.

  25. 25.

    Roland Barthes: Théâtre capital, in: France-Observateur (08.07.1954), wiederabgedruckt in: Roland Barthes: Œuvres complètes, Bd. 1: Livres, textes, entretiens 1942–1961, Paris 2002, 503–505, hier: 505.

  26. 26.

    Daniel Mortier spricht von der Entdeckung des Brecht’schen Theaters durch die Théâtre-Populaire-Redakteure, vgl. Mortier (Anm. 18), 175.

  27. 27.

    Vgl. Colin, Deutsche Dramatik (Anm. 18), 375–380.

  28. 28.

    Vgl. ebd., 176–187.

  29. 29.

    Dasté erinnert sich an freundlich lächelnde, jedoch strenge Richter: »Autour d’une grande table, dans une pièce de la revue, rue Saint-André-des-Arts, étaient assis les collaborateurs de Robert Voisin, parmi eux, Roland Barthes, André Gisselbrecht, Guy Damur, Bernard Dort. Assis à un bout de la table, je dus subir toutes sortes de questions: pourquoi avions-nous monté la pièce? …comment l’avions-nous préparée? …où nous étions- nous documentés? quelles raisons nous avaient guidés dans le choix des interprètes? etc. J’avais à répondre à un interrogatoire souriant mais sévère.« Jean Dasté: Voyage d’un comédien, Paris 1977, 49; zitiert nach: Marco Consolini: Théâtre Populaire 1953–1964. Histoire d’une revue engagée, Paris 1998, 143.

  30. 30.

    Vgl. Consolini (Anm. 29), 50.

  31. 31.

    Ebd., 35.

  32. 32.

    Dies spiegelt sich auch in Dorts Artikel Brecht en France wider, in dem er mehrfach Artikel der beiden Journalisten zitiert, vgl. Dort (Anm. 21), 1855–1874.

  33. 33.

    Colin, Deutsche Dramatik (Anm. 18), 57; vgl. hierzu Bourdieu, Die Regeln der Kunst (Anm. 11), 274. Daniel Mortier spricht in diesem Zusammenhang von »intermédiaires« oder »guides«, die für ihn aus dem Feld der Fachkritiker oder intellektuellen Essayisten stammen, vgl. Mortier (Anm. 18), 11.

  34. 34.

    Im dualistisch strukturierten Literaturfeld ist ›Anomie‹ das wichtigste Kriterium, um sich im Feld zu positionieren, vgl. ebd., 197.

  35. 35.

    Morvan Lebesque: Ionesco »démystificateur«, in: Carrefour (22.02.1956); zitiert nach Consolini (Anm. 29), 49: »Théâtre Populaire ist eine Zeitschrift, die ursprünglich eigentlich auf das Interesse eines theaterbegeisterten und von den Inszenierungen Jean Vilars beeindruckten Publikums antworten sollte. Zwei junge marxistische Doktoren, die Herren Roland Barthes und Bernard Dort, haben daraus das Instrument einer ganz speziellen Doktrin gemacht […]. Die Gruppe wurde zunächst Kapelle, schnell dann Kirche: Ohne Brecht kein Himmelreich. Rituale, Exkommunikationen, liturgische Formulierungen (der soziale Gestus, die Theatralität, die Entmystifizierung, die Historizität), nichts fehlte […]. Es handelte sich um eine Religionsgründung durch einige Theologen, die versuchen, ängstlich wie alle Theologen, die explosive Freiheit des Theaters zu ›bestimmen‹.« [Übersetzung der Verfasserin].

  36. 36.

    »Jean-Marie Serreau […] contribua à imposer Brecht en France, en le jumelant d’une façon qui parut d’abord naturelle avec Kafka […] et Pirandello, d’une part, avec Adamov, Ionesco et Beckett d’autre part. Brecht fut donc un moment confondu avec cette avant-garde.« Dort (Anm. 21), 1862.

  37. 37.

    François Bondy: Die Rezeption der deutschen Literatur nach 1945 in Frankreich, in: Manfred Durzak (Hrsg.): Die deutsche Literatur der Gegenwart, Stuttgart 1971, 440–449, hier: 444.

  38. 38.

    Vgl. hierzu insbesondere die Briefe von Bertolt Brecht an Benno Besson (Akademie der Künste Berlin, Bertolt-Brecht-Archiv, 734/50) und Geneviève Serreau (ebd., 41/24) im Juli 1954, in der er sich dafür entschuldigt, bei der Pressekonferenz in Paris Bessons Inszenierung von Brechts Don Juan (in der Übersetzung von Serreau) nicht erwähnt zu haben.

  39. 39.

    Diese Polarisierung entspricht der von Bourdieu konstatierten dualen Struktur des autonomen literarischen Feldes, in dem eine erfolgreiche künstlerische Profilierung über Anomie und Abweichung erfolgt, vgl. Bourdieu, Die Regeln der Kunst (Anm. 11), 139.

  40. 40.

    »Toujours en retard sur le reste de la littérature«, sei das Theater, wie Emile Zola bemerkte, der vergeblich versuchte, den Naturalismus auf der Bühne zu etablieren, vgl. Bourdieu, Die Regeln der Kunst (Anm. 11), 203.

  41. 41.

    »Voisin hat […] sehr negativ über Barthes gesprochen. Er war der Meinung, Barthes hätte seine Weltsicht geändert, weil er überraschend viel Geld geerbt hatte. Dieses Erbe habe, so Voisin, Barthes’ Sympathie für den Marxismus von einem Tag zum anderen zum Verschwinden gebracht. Das war 1961. Ich bin der Meinung, dass Barthes’ ›Abfall‹ aber auch mit dem Algerienkrieg in Verbindung stand. Barthes war gegen die Unterstützung der FLN, während Bernard Dort für den Aufstand plädierte […] und das kann die Dinge damals durchaus beeinflusst haben. Der dritte (mögliche) Grund für Barthes’ plötzliches Desinteresse am Theater war, dass er sich zwar für Brecht als Theoretiker interessierte, aber auch als Person und als Künstler. Doch Brecht war schon seit 1956 tot und Barthes hatte keine Beziehung zur Arbeit von Wekwerth, Palitzsch oder auch Helene Weigel. Wenn Weigel ihn zum französischen Kardinal der Brechtexegese erklärt hätte, wäre das vielleicht etwas anderes gewesen. Da dem aber nicht so war, kam Barthes 1961 offenbar zu dem Schluss, dass ihn das Theater nicht mehr interessiere. Er spricht noch ein bisschen von Brecht, aber das war’s. Voisin wiederum hat in diesem Augenblick schlagartig das Interesse an Théâtre Populaire verloren.« Colin, Deutsche Dramatik (Anm. 18), CD-ROM 3.6.2 [Interview mit Jean Jourdheuil, 2006].

  42. 42.

    Es handelt sich um eine offizielle Anfrage mit dem Briefkopf des Verlages (vom 11.10.1954) als conseiller littéraires im Namen von L’Arche Éditeur sowie ein handschriftlicher Brief an Helene Weigel, in dem er sich für seinen Besuch am BE in Berlin bedankt, vgl. Akademie der Künste, Bertolt-Brecht-Archiv 698/56, 57. Zur Rolle Barthesʼ als conseillère littéraire vgl. auch Consolini (Anm. 29), 50.

  43. 43.

    Chantal Meyer-Plantureux promovierte 1989 bei Bernard Dort mit einer Arbeit zur französischen Theaterfotografie; 1995 erschien ein Band über Bertolt Brecht und das Berliner Ensemble in Paris (vgl. Meyer-Plantureux, Bertolt Brecht, Anm. 20); 2000 veröffentlichte sie eine hagiographisch anmutende Biographie von Bernard Dort, in der die ungefilterte Bewunderung der Schülerin gegenüber ihrem Lehrer zum Ausdruck kommt, vgl. Chantal Meyer-Plantureux: Bernard Dort: un intellectuel singulier. Paris 2000.

  44. 44.

    Vgl. Wenkel (Anm. 20), 180.

  45. 45.

    Nicole Racine behauptet z. B. fälschlicherweise, er habe das gesamte dramatische Werk von Brecht übersetzt, vgl. Nicole Racine: Abraham Bloch, dit Pierre Abraham; zitiert nach: https://maitron.fr/spip.php?article9644 [konsultiert am 14.02.2021]; Le Maitron ist ein von dem Historiker Jean Maitron ins Leben gerufenes biographisches Lexikon der Arbeiterbewegung. Darüber hinaus findet man noch einen Eintrag auf der Seite der AJPN (Anonymes, Justes et Persécutés durant la période Nazie dans les communes de France): http://www.ajpn.org/personne-Pierre-Abraham-Bloch-6535.html [konsultiert am 14.02.2021]. Nicole Racine widmet zudem Abrahams Tätigkeit als Enzyklopädist einen Artikel, vgl. Nicole Racine: Pierre Abraham, Lucien Febvre et les tomes Arts et Littératures dans la société contemporaine, in: Cahiers Jaures 163–164 (2002), 117–147.

  46. 46.

    So gründete er 1927 den Theaterteil der Zeitschrift Europe, vgl. ebd.

  47. 47.

    Pierre Abraham: Renier le passé ou préparer l’avenir?, in: Europe 133–134 (Jan.–Febr. 1957), 5–9, hier: 5.

  48. 48.

    Ebd.

  49. 49.

    In einem Brief vom 1. April 1939 an Brecht bedankt sich Abraham für die Zusendung des Galilei-Manuskripts und berichtet von den Vorstellungen im März und April sowie seine Pläne, weitere Stücke zu inszenieren, vgl. Akademie der Künste Berlin, Bertolt-Brecht-Archiv, 1396/81 sowie Pierre Barlatier: Une nouvelle compagnie vient de naître »Les comédiens d’Anjou« qui dirige et anime Pierre Abraham, in: Ce Soir (13.07.1939).

  50. 50.

    Hüfner (Anm. 17), 13.

  51. 51.

    Das bereits fertige Manuskript wurde, laut Abraham, vom Verleger nach dem Einmarsch der deutschen Truppen vernichtet, vgl. Abraham (Anm. 47), 6.

  52. 52.

    Ebd.

  53. 53.

    Abraham übersetzt Die Mutter, Die Tage der Commune sowie der Der kaukasische Kreidekreis, vgl. ebd.

  54. 54.

    Hüfner (Anm. 17), 39–45.

  55. 55.

    Abraham (Anm. 47).

  56. 56.

    Vgl. Racine (Anm. 45).

  57. 57.

    Hiervon zeugt beispielhaft die Korrespondenz zwischen Abraham und Elisabeth Hauptmann sowie Helene Weigel, vgl. Akademie der Künste Berlin, Bertolt-Brecht-Archiv, 698/7–35. Ein Brief von Abraham an Weigel aus dem Jahr 1956 nach dem Tode Brechts schließt beispielsweise mit den Worten: »Je suis heureuse d’avoir pu te voir un soir à Berlin, et désolé de ce que les circonstances ne m’aient pas permit de te revoir plus longuement. J’avais encore tant de chose à te dire, que l’émotion de ce premier contact depuis longtemps m’a empêché de te dire! Mais nous nous reverrons bientôt, à Berlin ou à Paris, n’est-ce pas? / Je t’embrasse fraternellement / Pierre Abraham / J’ai rendu visite, le jeudi avant de partir pour Paris, à la tombe de notre Bertolt.« Akademie der Künste Berlin, Helene-Weigel-Archiv, 9173.

  58. 58.

    Akademie der Künste Berlin, Bertolt-Brecht-Archiv, 698/3 und 4.

  59. 59.

    Vgl. Hüfner (Anm. 17), 127.

  60. 60.

    Vgl. Mortier (Anm. 18), 96.

  61. 61.

    Vgl. ebd., 128 f.

  62. 62.

    Ebd., 128.

  63. 63.

    Ebd., 128 f.

  64. 64.

    Vgl. ebd.

  65. 65.

    Vgl. Institut Mémoires de l’Edition Contemporaine (IMEC), ARC 189ARC/4/3, Bertolt Brecht 1/4: Brief von Robert Voisin vom 16.11.1959 an Helene Weigel: »Le ›comportement‹ de Pierre Abraham n’a rien de tellement curieux. Il y a d’abord été extrêmement vexé de nous voir contester la qualité de ses traductions. En second lieu, comme il a tenté de se présenter un peu partout comme le seul authentique dépositaire de la ›pensée de Brecht‹, son ›seul héritier spirituel‹, il est évident que il ne pouvait accepter de bonne grâce de devoir quitter assez brutalement un tel piédestal.«

  66. 66.

    Das Thema klingt in der Korrespondenz immer wieder an; Abrahams Übersetzung des Galilei wird zudem auch in der französischen Presse kritisiert, vgl. Hüfner (Anm. 17), 111.

  67. 67.

    Dass eine solche Möglichkeit bestanden hätte, belegen nolens volens die von Daniel Mortier gewählten Beispiele, s. Mortier (Anm. 18), 98.

  68. 68.

    Vgl. Ebd.

  69. 69.

    Vgl. Akademie der Künste, Bertolt-Brecht-Archiv 698/25–29, 698/33, 579/17.

  70. 70.

    Akademie der Künste Berlin, Helene-Weigel-Archiv 9173.

  71. 71.

    Ebd.

  72. 72.

    Akademie der Künste Berlin, Helene-Weigel-Archiv 9019.

  73. 73.

    Wenkel (Anm. 20), 210–220.

  74. 74.

    Weder Agnes Hüfner noch Daniel Mortier, deren Analysen nachhaltigen Einfluss auf das Narrativ genommen haben, kannten die Korrespondenz aus dem Brecht-Archiv.

  75. 75.

    Eine Analyse des Zusammenhangs zwischen Barthes Erfahrungen als Gatekeeper von Bertolt Brecht und seinem bekannten Essay La mort de l’auteur hätte den Rahmen des Betrags gesprengt und wird an anderer Stelle erfolgen, vgl. Roland Barthes: La mort de l’auteur, in: ders.: Œuvres complètes, Bd. 2: 1966–1973, hrsg. von Éric Marty, Paris 1994, 491–495.

  76. 76.

    Nicole Colin: Robert Voisin et les enjeux de la réception de Bertolt Brecht en France, in: Baillet/Colin (Anm. 20), 45–56; dies.: Verflechtung und Konflikt. Der Verlag L’Arche als Mittelpunkt einer deutsch-französischen Transfergeschichte, in: Georg Mein, Thomas Ernst (Hrsg.): Literatur als Interdiskurs. Paderborn 2016, 447–459.

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Colin, N. (2023). Die Regeln der Zirkulation. Erfolgsnarrative im Kontext literarischer Transferprozesse am Beispiel »Brecht in Frankreich«. In: Gamper, M., Müller-Tamm, J., Wachter, D., Wrobel, J. (eds) Der Wert der literarischen Zirkulation / The Value of Literary Circulation. Globalisierte Literaturen. Theorie und Geschichte transnationaler Buchkultur / Globalized Literatures. Theory and History of Transnational Book Culture, vol 3. J.B. Metzler, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-65544-3_17

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