Zusammenfassung
Insbesondere seit Ende der 1950er Jahre wurden einige gefängnissoziologische Ausarbeitungen veröffentlicht, die aktuell noch häufig rezipiert werden und als ‚klassische‘ Beiträge sozialwissenschaftlicher Strafvollzugsforschung gelten können. In den Beiträgen wird sowohl der Fokus auf die Institution Gefängnis einschließlich seiner besonderen Struktur und Zielsetzung (u. a. Goffman, 1973; Foucault, 1994/2016; Sparks et al., 1996) als auch auf die Folgen der Inhaftierung für die Insassen gerichtet (Sykes, 1958/1974; Johnson & Toch, 1982; Liebling & Maruna, 2005; Goffman, 1961a, 1973).
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Notes
- 1.
Wie auch Mitchell et al. (2021) beschreiben, sind empirische Studien über die Gefängniskultur und das Verhalten der Inhaftierten nach den 1980er Jahren deutlich zurückgegangen. Die Autoren beschreiben dabei, inwieweit speziell die Masseninhaftierungen den Fokus der Gefängnisforschung von den Gefängniserfahrungen auf die Gefängnisordnung (wie z. B. Überbelegung, Unruhen und Gewalt) verlagerten. Diese Verschiebung in der Strafvollzugsforschung hat nach Mitchell et al. (2021) das, was wir über die Gefängniskultur wissen, verkümmern lassen. Vor diesem Hintergrund wird in den nachfolgenden Abschnitten an vielen Stellen auf jene älteren Theoriebeiträge Bezug genommen, die – soweit möglich – um aktuelle Beiträge ergänzt werden.
- 2.
Die Spezifika von Gefängnissen als totale Institutionen werden in Abschn. 3.2 ausführlich dargestellt, weshalb sie an dieser Stelle ausgeklammert werden.
- 3.
Foucault (1994/2016, S. 319) beschreibt in diesem Zusammenhang das Gefängnis in zweierlei Hinsicht als „Ort der Beobachtung“: „Gewiss geht es um die Überwachung. Es geht aber auch um die Erkennung jedes Häftlings, seines Verhaltens, seiner tiefen Anlagen, seiner fortschreitenden Besserung. Das Gefängnis ist der Ort, an dem sich ein klinisches Wissen über die Sträflinge formiert.“
- 4.
In diesem Zusammenhang merkt Sullivan (1996) kritisch an, dass der englische Titel von Foucaults berühmter Untersuchung des Gefängnisses zwar „Discipline and Punish“ (Disziplinierung und Bestrafung) lautet, er aber kaum etwas über die Bestrafung sagt und seine Arbeit vielmehr auf die Feststellung engführt, dass das Gefängnis konzipiert wurde, um die latente soziale Kontrollfunktion der Disziplinierung zu erfüllen.
- 5.
Obwohl Sykes (1958/1974) Langeweile nicht als einen gesonderten Schmerz der Haft beschreibt, spielt er in seiner Abhandlung darauf an, insofern er den Mangel an Freiheit, den Mangel an Annehmlichkeiten, den Mangel an Autonomie, den Mangel an Arbeitsmöglichkeiten und den Kampf der Gefängnisverwaltungen um die Aufrechterhaltung der Ordnung in einer Institution beschreibt, in der die Gefangenen zu viel Zeit haben, um Aktivitäten zu planen und auszuführen, die diese Ordnung bedrohen (Rocheleau, 2013).
- 6.
Die persönliche Reorganisation meint in diesem Fall eine Form des Selbstwerterhalts, der durch die ständigen Demütigungsprozesse in der Institution stark gefährdet ist. Ein Beispiel derartiger Demütigungsprozesse sind Leibesvisitationen, die durch die Institution vorgenommen werden können. Das Privileg besteht in diesem Fall darin, derartige Leibesvisitationen in der täglichen Praxis aufgrund der Kooperationsbereitschaft seitens der Gefangenen mit der Institution zu umgehen.
- 7.
Mitchell et al. (2021) definieren den Code der Straße als eine Reihe von informellen Regeln, die das Verhalten leiten und die sozialen Interaktionen steuern. Der Kodex ist speziell auf die Anwendung von Gewalt, das Erlangen von Respekt und das niemals Zurückweichen vor einem Kampf ausgerichtet.
- 8.
An dieser Stelle sei auf die Werke von Dellwing (2014) sowie Rölli und Nigro (2017) hingewiesen, in denen die „Aktualität von Erving Goffman“ bzw. die „Aktualität der Foucault’schen Machtanalyse“ diskutiert wird.
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Müller, J. (2024). Theoretisch-konzeptioneller Rahmen: Die totale Institution Gefängnis. In: Sport in der totalen Institution – eine Gefängnisethnographie. Sport – Gesellschaft – Kultur. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-43753-4_3
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Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden
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