Nachdem im vorherigen Kapitel eine Systematisierung der didaktisch orientierten Rekonstruktion zur Strukturierung mathematischer Inhalte (Ziel 1) beschrieben wurde, ist das Ziel dieses Abschnitts einen Kanon möglicher Wissenselemente zu den Gesetzen der großen Zahlen innerhalb der Wahrscheinlichkeitsrechnung exemplarisch darzustellen (Ziel 2). Es geht also um eine exemplarische Anwendung der zuvor beschriebenen Methode.

Dafür wird zunächst die Zielsetzung der didaktisch orientierten Rekonstruktion beschrieben und die Gesetze der großen Zahlen in Abschnitt 6.1 werden in kleinere (mathematische) Teilbereiche eingeteilt: das empirische Gesetz der großen Zahlen, das schwache Gesetz der großen Zahlen sowie das starke Gesetz der großen Zahlen. In Abschnitt 6.2 werden die Ergebnisse der Didaktisierung des empirischen Gesetzes der großen Zahlen, des schwachen Gesetzes der großen Zahlen und des starken Gesetzes der großen Zahlen beschrieben. Im Anschluss wird die Rekonstruktion (s. Abschnitt 6.3) durchgeführt, indem die Ergebnisse der Didaktisierung anhand der Kategorien verglichen werden.

6.1 Zielsetzung und Einteilung der Gesetze der großen Zahlen

Ziel dieser didaktisch orientierten Rekonstruktion ist es von der universitären Mathematik ausgehend elementarisiertes akademisches Wissen von Lehrkräften zu ausgewählten Gesetzen der großen Zahlen zu identifizieren und zu strukturieren. Die Zielgruppe sind Lehrkräfte der Sekundarstufe II, welche Mathematik, insbesondere Stochastik, in der Sekundarstufe I und II (später) unterrichten können sollten. Für einen reichhaltigen Mathematikunterricht in diesem Themengebiet ist ein grundlegendes Verständnis der Gesetze der großen Zahlen essentiell, da diese eine der Grundannahmen der Wahrscheinlichkeitsrechnung sind (s. Abschnitt 2.2)

Folgende Gesetze der großen Zahlen werden häufig an Universitäten gelehrt: Empirisches Gesetz der großen Zahlen, schwaches Gesetz der großen Zahlen und starkes Gesetz der großen Zahlen. Ersteres Konzept wird auch in der Schule behandelt. Dieser Einteilung wird in den folgenden Abschnitten gefolgt.

Das Thema „Gesetze der großen Zahlen“ wird also in die folgenden Teilbereiche eingeteilt:

  • Empirisches Gesetz der großen Zahlen

  • Schwaches Gesetz der großen Zahlen

  • Starkes Gesetz der großen Zahlen

Da in dieser Arbeit nur exemplarisch anhand der didaktisch orientierten Rekonstruktion mögliches elementarisiertes Wissen herausgearbeitet werden soll, wurden die oben genannten Konzepte gewählt. Dabei weisen die drei verschiedene Teilbereiche verschiedene Grade an mathematischer Stärke auf, sind sich aber in ihrer Kernaussage durchaus ähnlich. Diese Linie kann mit den zentralen Grenzwertsätzen und verschiedenen Approximationen weiter fortgesetzt werden. Weitere Gesetze der großen Zahlen übersteigen das benötigte elementarisierte akademische Wissen von Lehrkräften um ein Vielfaches und können Gegenstand einer didaktisch orientierten Rekonstruktion zu einem späteren Zeitpunkt werden.

Im Folgenden erfolgen drei Durchgänge der Didaktisierung, weil keine Vergleiche gezogen werden sollen und eine gemeinsame Betrachtung dazu motivieren könnte. Somit soll sichergestellt werden, dass die einzelnen mathematischen Teilbereiche zu separaten, ungewichteten Auflistungen führen.

6.2 Didaktisierung der Gesetze der großen Zahlen

In diesem Kapitel wird die Didaktisierung durchgeführt. Diese ist eine Sammlung relevanter Informationen (u. a. aus Kapitel 2), welche nach den fünf Schritten der Didaktisierung geordnet dargestellt werden. Dafür werden die Gesetze der großen Zahlen getrennt voneinander analysiert, indem ausgehend vom mathematischen Kern des Inhalts eine fortschreitende Didaktisierung bzw. Elementarisierung stattfindet. Die Ausgangslage ist eine Betrachtung dieser Gesetze der großen Zahlen auf der Ebene der akademischen Mathematik. Es wird mit der Didaktisierung des empirischen Gesetzes der großen Zahlen in Abschnitt 6.2 begonnen. Darauf folgend werden die Ergebnisse der Didaktisierung des schwachen Gesetzes der großen Zahlen dargestellt. Anschließend wird die Didaktisierung des starken Gesetzes der großen Zahlen aufgezeigt. Eine Nummerierung dient der Übersichtlichkeit und unterliegt keiner Form der Hierarchisierung.

Die Besonderheiten dieser exemplarischen Darstellung der Didaktisierung innerhalb der in Kapitel 5 vorgestellten Methode der didaktisch orientierten Rekonstruktion werden in der Abbildung 6.1 dargestellt. Im ersten Schritt werden zentrale Konzepte, fundamentale Strukturen, Eigenschaften, Definitionen, Sätze und Beweise bzw. Beweisideen genannt. Anschließend werden mögliche Anwendungen und die historisch-genetische Entwicklung der Gesetze der großen Zahlen im zweiten Schritt aufgezählt, um dann auf das benötigte Vorwissen (Schritt 3) hinzuleiten, über welches Lehrkräfte für das Verständnis von den Gesetzen der großen Zahlen und deren Beweisen verfügen müssen. Im Anschluss werden im vierten Schritt verschiedene Möglichkeiten der Darstellungen (enaktiv, ikonisch, symbolisch) und Grundvorstellungen (bzw. Vorschläge für Grundvorstellungen) genannt. Im letzten Schritt werden die big ideas, die vorrangige Leitidee, mögliche fundamentale Ideen und Wahrscheinlichkeitsbegriffe in Hinblick auf die Gesetze der großen Zahlen dargestellt. Wie Eingangs erwähnt, wird keine Wertung stattfinden, sondern eine ungewichtete Aufzählung der Inhalte strukturiert nach den fünf Schritten. Diese Bewertung wird stattdessen als Teil des Teilprozesses „Rekonstruktion“ mit Blick auf Zielsetzung und Zielgruppe durchgeführt.

Abbildung 6.1
figure 1

Überblick über den Teilprozess Didaktisierung für die exemplarische Darstellung mit der entsprechenden Zielsetzung und den angepassten grundlegenden didaktischen Konzepten

Durchgang 1: Empirisches Gesetz der großen Zahlen

In diesem Durchgang steht das empirische Gesetz der großen Zahlen im Fokus. Dafür werden ausgehend vom mathematischen Konzept die Schritte 1-5 durchlaufen. Ziel dieses Abschnitts ist es, eine ungewichtete Auflistung zum empirischen Gesetz der großen Zahlen zu entwickeln.

Schritt 1.1: Mathematischer Kern des Inhalts

Das empirische Gesetz der großen Zahlen besagt, dass sich die relative Häufigkeit bei einem Zufallsversuch eines beobachteten Ereignisses mit wachsender Versuchszahl stabilisiert (Büchter & Henn, 2007, S. 174). Das empirische Gesetz der großen Zahlen kann als Naturgesetz (im Sinne eines Erfahrungsgesetzes) bezeichnet werden und hat eine hohe Relevanz als Annahme in stochastischen Modellen. Büchter und Henn (2007) beschreiben, dass diese Beobachtung eine Erfahrungstatsache sei, „die sich bis heute hervorragend bewährt hat, aber nicht beweisbar ist“ (S. 174). Henze (2017) geht hier noch weiter und tätigt die Äußerung, dass das empirische Gesetz der großen Zahlen „kein mathematischer Sachverhalt ist“ (S. 18).

Dieses Gesetz der großen Zahlen kann für die Verwendung, einem Ereignis in einem Zufallsversuch Wahrscheinlichkeiten zuzuschreiben, hilfreich sein, es definiert aber nicht die Wahrscheinlichkeiten (Büchter & Henn, 2007, S. 177).

Schritt 1.2: Integration der Bezugssysteme sowie des Umfelds

Anwendungen

Wie oben beschrieben, eignet sich das empirische Gesetz der großen Zahlen für Modellannahmen, weil diese Stabilisierung in jedem Zufallsexperiment beobachtbar, aber nicht beweisbar ist.

Büchter und Henn (2007, S. 174) geben ein Beispiel für drei Zufallsexperimente an. In jedem der drei Zufallsexperimente wird eine Münze geworfen, aber die Versuchszahlen variieren zwischen 10-mal, 100-mal und 1000-mal. Die Ergebnismenge ist \(\Omega = \{\)Kopf, Zahl\(\}\). Bei dem Ereignis \(E=\{\)Kopf\(\}\) ergibt sich bei der langen Versuchsreihe eine sichtliche Stabilisierung, während die Schwankung bei 10 und 100 Würfen deutlich höher sein kann. Die relativen Häufigkeiten stellen Büchter und Henn in Abbildung 6.2 dar.

Abbildung 6.2
figure 2

(Quelle: (Büchter & Henn, 2007, S. 174))

Die relative Häufigkeit vom Ereignis „Kopf“ bei einem Münzwurf.

Eine weitere Anwendung ist der Vergleich der Geburtenrate in zwei Krankenhäusern. Beide Krankenhäuser haben eine unterschiedliche Anzahl an Geburten und es stellt sich die Frage, „ob es in einem Krankenhaus mit 50 Geburten oder einem Großen mit 250 Geburten pro Monat ebenfalls keine besondere Ausnahme wäre, dass 30 % oder weniger Mädchen geboren werden“ (Krüger, Sill & Sikora, 2015, S. 176). Bei der Beantwortung solcher Fragen fließt die Grundannahme ein, dass sich die relativen Häufigkeiten bei wachsender Versuchszahl stabilisieren würden. Dies ist aber keine Anwendung bzw. Integration im eigentlichen Sinne, denn Anwendungen sind die Betrachtungen von Zufallsexperimenten mit variierenden Zufallszahlen, um Wahrscheinlichkeiten zu „bestätigen“.

Historische Genese

Richard Edler von Mises versuchte, Wahrscheinlichkeiten als Grenzwert der relativen Häufigkeiten in Anlehnung an die analytische Definition des Grenzwerts zu definieren (Büchter & Henn, 2007, S. 175). Der Stabilisierungsgedanke des empirischen Gesetzes der großen Zahlen lässt sich mit der analytischen Definition des Grenzwertes aber nicht nachweisen, weil die relativen Häufigkeiten auch nach vielen Wiederholungen nicht innerhalb eines \(\epsilon \)-Schlauchs bleiben müssen (s. Abbildung 6.3).

Abbildung 6.3
figure 3

(Quelle: (Büchter & Henn, 2007, S. 175)

Relative Häufigkeit und \(\epsilon \)-Schlau.

Eine mathematische Aussage darüber „wie wahrscheinlich das Verbleiben der relativen Häufigkeit in einem vorgegeben \(\epsilon \)-Schlauch ist“ (Büchter & Henn, 2007, S. 175) konnte erst mit dem schwachen Gesetz der großen Zahlen von Bernoulli getroffen werden.

Schritt 1.3: Benötigtes Vorwissen

Mathematische Begriffe, die im empirischen Gesetz der großen Zahlen genutzt werden, sind relative Häufigkeiten und damit auch absolute Häufigkeiten. Außerdem ist ein Vorwissen zu den Begrifflichkeiten wie Zufallsversuch (bzw. -experiment) und Ereignis nötig. Da es hier keine mathematisierbare Stabilisierung gibt, wird nur ein „naives“ Verständnis des Begriffs Stabilisierung (in Form eines Einpendelns) benötigt.

Schritt 1.4: Verschiedene Darstellungsebenen und Grundvorstellungen

Darstellungsebenen Auf enaktiver Darstellungsebene können Zufallsexperimente mit unterschiedlich hohen Versuchsanzahlen durchgeführt werden, um die Stabilisierung der relativen Häufigkeiten sichtbar zu machen. Dabei können auf ikonischer Ebene Tabellen und Diagramme als Visualisierung (wie in Abbildung 6.2) unterstützen. Eine Visualisierung zum Verständnis der fehlenden Beweisbarkeit kann die Darstellung 6.3 liefern. Auf symbolischer Ebene können aufgrund der fehlenden Mathematisierbarkeit nur wenige Beschreibungen hilfreich sein. Eine Verbalisierung des empirischen Gesetzes der großen Zahlen und die Begründung, warum es nicht beweisbar ist, ist aber möglich.

Benötigte Grundvorstellungen Die Grundvorstellungen, die beim empirischen Gesetz der großen Zahlen eine Rolle spielen, werden im Folgenden angegeben und begründet. Die Wahrscheinlichkeit als Maß für eine Erwartung ist laut Malle und Malle (2003) „immer passend“ (S. 52). Abhängig von der Versuchszahl können klarere Aussagen getätigt werden, ob die relative Häufigkeit als Wahrscheinlichkeit dienen kann. Diese Aussagen können mit einer Zahl zwischen 0 und 1 ausgedrückt werden. Die Grundvorstellung Wahrscheinlichkeit als relative Häufigkeit basiert auf dem empirischen Gesetz der großen Zahlen, weil es die Annahme der relativen Häufigkeit als Wahrscheinlichkeit unter einer n-maligen Wiederholung betrifft. Dabei sei das n hinreichend groß. Die Grundvorstellung Wahrscheinlichkeit als subjektives Vertrauen ist bei Sachüberlegungen hier ebenfalls relevant, weil das Vertrauen durch eine hohe Versuchszahl höher ist als nur bei einem Versuch. Diskutiert werden kann auch eine Grundvorstellung, bei der die Darstellung 6.2 miteinbezogen wird, weil beim empirischen Gesetz der großen Zahlen eine Stabilisierung erkennbar sein kann.

Schritt 1.5: Grundlegende didaktische Konzepte

In diesem Abschnitt werden grundlegende didaktische Konzepte aufgeführt, die dem empirischen Gesetz der großen Zahlen zugeordnet werden. Dafür werden die big ideas der OECD und von Gal , falls anwendbar, sowie fundamentale Ideen nach Heitele und Borovcnik genutzt. Anschließend werden die dem empirischen Gesetz der großen Zahlen zugrundeliegenden Wahrscheinlichkeitsbegriffe genannt.

Das vorliegende Konzept hat als vorrangige OECD-big idea „data and chance“ und passend dazu die Leitidee „Daten und Zufall“, weil sie zum mathematischen Inhalt der Stochastik zählt. Die big idea des Zufalls und der Unsicherheit ist Teil des vorliegenden Konzepts.

Bei der Betrachtung der fundamentalen Ideen nach Heitele (1975) aus Abschnitt 2.4 fällt auf, dass nur die Zufälligkeit (Fundamentalen Idee 1) und (stochastische) Konvergenz und Gesetze der großen Zahlen (Fundamentale Idee 9) eine Rolle spielen. Die geringe Anzahl an benötigten fundamentalen Ideen hat mit dem empirischen Gesetz der großen Zahlen als Erfahrungstatsache zu tun. Die erste fundamentale Idee wird hier aber dennoch verankert, weil die Zufälligkeit innerhalb eines Zufallsexperiments eine Rolle spielt. Das empirische Gesetz der großen Zahlen gibt auch eine „Vorstellung“ von einer möglichen Stabilisierung, sodass die sechste fundamentale Idee hier auch von Relevanz ist, obwohl dieses Gesetz der großen Zahlen eher ein Phänomen beschreibt.

Die folgenden Wahrscheinlichkeitsbegriffe sind mit dem empirischen Gesetz der großen Zahlen verbunden: Einerseits ist der frequentistische Wahrscheinlichkeitsbegriff mit diesem Gesetz der großen Zahlen verbunden, weil dieser auf den Annahmen des empirischen Gesetzes der großen Zahlen beruht. Bei dieser Deutung wird eine Stabilisierung der relativen Häufigkeiten angenommen. Andererseits spielt auch das Propensity-Konzept eine Rolle, welches als Erweiterung des frequentistischen Wahrscheinlichkeitsbegriffs verstanden wird. Wahrscheinlichkeiten sind hier theoretische Eigenschaften von Zufallsexperimenten. Die Annahme, dass sich Wahrscheinlichkeiten durch relative Häufigkeiten indirekt beschreiben lassen, ist eng verbunden mit dem empirischen Gesetz der großen Zahlen. Der subjektivistische Wahrscheinlichkeitsbegriff ist auch hier relevant, weil der Grad des subjektiven Vertrauens durch hohe Versuchszahlen größer werden kann.

Das empirische Gesetz der großen Zahlen ist als Erfahrungsgesetz anzusehen. Es zeigt einen experimentellen Zugang und es werden wenige Vorkenntnisse benötigt. Auf enaktiver und ikonischer Darstellungsebene gibt es Möglichkeiten, um das empirische Gesetz der großen Zahlen zu verdeutlichen. Die symbolische Darstellungsebene zeigt wiederum Grenzen des empirischen Gesetzes der großen Zahlen auf, weil es mathematisch nicht ausdrückbar ist. Es zeigt sich bei den grundlegenden didaktischen Konzepten, dass sie zur Leitidee „Daten und Zufall“, zu fundamentale Ideen und zu Wahrscheinlichkeitsbegriffen zugeordnet werden können.

Durchgang 2: Schwaches Gesetz der großen Zahlen

Im zweiten Durchgang wird das schwache Gesetz der großen Zahlen betrachtet, welches eine mathematische Präzisierung des empirischen Gesetzes der großen Zahlen ist.

Schritt 2.1: Mathematischer Kern des Inhalts

Der mathematische Kern des Inhalts ist der Satz vom schwachen Gesetz der großen Zahlen. Dieser wird zunächst definiert und die einzelnen Komponenten mathematisch eingeführt.

Dazu wird hier noch einmal der Satz aus Abschnitt 2.2 für die inhaltliche Analyse angeführt:

Satz

(Das schwache Gesetz der großen Zahlen). Es sei A ein Ereignis, das bei einem Zufallsexperiment mit der Wahrscheinlichkeit \(P(A)=p\) eintrete. Die relative Häufigkeit des Ereignisses A bei n unabhängigen Kopien (bzw. Wiederholungen) des Zufallsexperiments bezeichnen wir mit \(h_n\) (Bernoulli-Kette der Länge n). Dann gilt für jede positive Zahl \(\epsilon \):

$$\begin{aligned} lim_{n\rightarrow \infty } P(|h_n-p|<\epsilon )=1, \end{aligned}$$
(6.1)

bzw. gleichwertig

$$\begin{aligned} lim_{n\rightarrow \infty } P(|h_n-p|\ge \epsilon )=0. \end{aligned}$$

Das schwache Gesetz der großen Zahlen beinhaltet eine (P-) stochastische Konvergenz. Eine Folge (\(Y_n\)) von reellwertigen Zufallsvariablen konvergiert genau dann stochastisch gegen eine Zufallsvariable Y, wenn für alle \(\epsilon > 0\) gilt

$$\begin{aligned} P(|Y_n -Y| \ge \epsilon ) \rightarrow 0. \end{aligned}$$
(6.2)

Büchter und Henn (2007) stellen den Bezug zur Grenzwertaussage im Sinne der Analysis her und beschreiben den Konvergenzvorgang wie folgt:

Welche positive Schranke \(\epsilon \) man auch vorgibt, stets kommen die Wahrscheinlichkeiten, dass die relativen Häufigkeiten von der Wahrscheinlichkeit p um höchstens \(\epsilon \) abweichen, für genügend große n beliebig dicht an die 1 heran. (S. 347 f.).

Für den Beweis des schwachen Gesetzes der großen Zahlen wird die Tschebyscheff-Ungleichung benötigt.

Satz

(Ungleichung von Tschebyscheff). Sei X eine diskrete Zufallsvariable mit dem Erwartungswert \(E(X)=\mu \) und der Varianz \(V(X)=\sigma ^2\). Dann gilt für jede Zahl \(a>0\):

$$\begin{aligned} P(|X-E(X)|\ge a)\le \frac{V(X)}{a^2} \end{aligned}$$
(6.3)

Der Beweis des schwachen Gesetzes der großen Zahlen erfolgt nach Kütting und Sauer (2014, S. 280 f.) also wie folgt:

Beweis

Die absolute Häufigkeit des Eintretens von A in den n Versuchswiederholungen fassen wir als Zufallsvariable auf und bezeichnen sie mit \(X_n\). Die Zufallsvariable \(X_n\) gibt also die Anzahl an, wie oft A in einer Bernoulli-Kette der Länge n auftritt. Die Zufallsgröße \(X_n\) ist binomialverteilt mit den Parametern n und p und es gilt:

$$\begin{aligned} \text {(1) } E(X_n)=n \cdot p \text { und}\ V(X_n)=n\cdot p\cdot (1-p) \end{aligned}$$

Für die Zufallsgröße \(h_n\), die die relative Häufigkeit des Eintretens von A in den n Versuchswiederholungen angibt, gilt dann:

$$\begin{aligned} \text {(2) } h_n=\frac{X_n}{n} \end{aligned}$$

Mit den Rechenregeln für den Erwartungswert und die Varianz folgt dann:

$$\begin{aligned} \text {(3) } E(h_n)&=E(\frac{X_n}{n})=\frac{E(X_n)}{n}=\frac{n\cdot p}{n}=p\\ V(h_n)&=V(\frac{X_n}{n})=\frac{V(X_n)}{n^2}=\frac{n\cdot p\cdot (1-p)}{n^2}=\frac{p\cdot (1-p)}{n} \end{aligned}$$

Mit Hilfe der Tschebyscheff’schen Ungleichung folgt dann für jede positive Zahl \(\epsilon \):

$$\begin{aligned} \text {(4) } P(|h_n-E(h_n)|\ge \epsilon ) &\le \frac{V(h_n}{\epsilon ^2}\\ P(|h_n-p|\ge \epsilon ) &\le \frac{p\cdot (1-p)}{n\cdot \epsilon ^2}\ \ \end{aligned}$$

Im Grenzübergang \(n\rightarrow \infty \) folgt:

$$\begin{aligned} (5) lim_{n\rightarrow \infty } P(|h_n-p|\ge \epsilon )=0 \end{aligned}$$

bzw. aufgrund des Gegenereignisses

$$\begin{aligned} lim_{n\rightarrow \infty } P(|h_n-p|< \epsilon )=1. \end{aligned}$$

   \(\square \)

In (1) werden die Definitionen vom Erwartungswert und von der Varianz für binomialverteilte Zufallsvariablen angeführt und diese dann in (2) angewendet. Im Beweisschritt (3) wird mithilfe der Rechenregeln und der Definition der Zufallsgröße aus (2) dann der Erwartungswert und die Varianz von der Zufallsvariable der relativen Häufigkeit berechnet. In (4) wird die Tschebyscheff-Ungleichung für eine Abschätzung der Wahrscheinlichkeit der Differenz von der Zufallsvariable \(h_n\) und ihrem Erwartungswert genutzt. Mit Anwendung der stochastischen Konvergenz in (5) folgt dann die Aussage des schwachen Gesetzes der großen Zahlen.

Das schwache Gesetz der großen Zahlen ist also im Gegensatz zum empirischen Gesetz der großen Zahlen beweisbar. Löwe und Knöpfel (2011) beschreiben, dass das starke Gesetz der großen Zahlen mathematisch „wesentlich anspruchsvoller ist“ (S. 126). Dieses wird im dritten Durchgang näher betrachtet.

Schritt 2.2: Integration der Bezugssysteme sowie des Umfelds

Anwendungen Das schwache Gesetz der großen Zahlen gibt in Abhängigkeit von der Versuchszahl n die Wahrscheinlichkeit an, mit der die relative Häufigkeit in einem vorgegebenen \(\epsilon \)-Schlauch um die unbekannte Wahrscheinlichkeit verbleibt. Anwendungen sind nicht so unmittelbar wie beim empirischen Gesetz der großen Zahlen und dessen experimenteller Zugang, können aber die (statistische) Physik, das Versicherungswesen (Sterbewahrscheinlichkeiten), die Geburtenrate, die Echtheit einer Münze sowie Wahlprognosen sein. Für die Wahlprognosen geben (Büchter & Henn, 2007) eine beispielhafte Fragestellung an, für die das schwache Gesetz der großen Zahlen eine Aussage liefern kann:

Vor jeder Wahl werden von verschiedenen Meinungsforschungsinstituten Umfragen gemacht, um den Wahlausgang vorherzusagen. In einer solchen Umfrage geben 5,5 % der Befragten an, die FDP wählen zu wollen. Wie viele Personen müssen befragt worden sein, damit die Parteiführung aufgrund dieser Umfrage einigermaßen sicher sein kann, nicht an der 5 %-Hürde zu scheitern? (S. 349)

Bezüge zur Statistik können auch hergestellt werden. Für das Zeigen konsistenter Schätzer wird das schwache Gesetz der großen Zahlen benötigt.

Historische Genese

Das schwache Gesetz der großen Zahlen geht auf Jakob Bernoulli zurück. Bewiesen hat er dies ca. 1690, es wurde aber erst postum 1713 in seinem Werk Ars conjectandi veröffentlicht, was übersetzt die Kunst des Vermutens heißt. Hier werden explizite, also sehr präzise Berechnungen angestellt, „welche relativen Häufigkeiten sich in Versuchsreihen in Abhängigkeit der theoretischen Wahrscheinlichkeiten mutmaßlich ergeben“ (Bewersdorff, 2021, S. 92). Bewersdorff gibt an, dass Bernoulli vor allem Messfehler abschätzen wollte, um die empirische Messung von unbekannten Wahrscheinlichkeiten zu ermöglichen. Zu Zeiten Bernoullis war der Wahrscheinlichkeitsraum mit Kolmogorovs Axiomen noch nicht bekannt, sodass Bernoulli ohne diesen auskam. Die Kolmogorov-Axiome lassen sich aber übertragen, wodurch das schwache Gesetz der großen Zahlen seine Gültigkeit behält.

Schritt 2.3: Benötigtes Vorwissen

In diesem Schritt werden zwei Bereiche von Vorwissen unterschieden. Durch die mathematische Präzisierung ist auch eine Beweisführung möglich. Es werden also die mathematischen Konzepte eingeführt, die einerseits für ein Verständnis des Satzes und andererseits für das Vorwissen in Bezug auf die Beweisführung nötig sind.

Für das Verständnis des schwachen Gesetzes der großen Zahlen wird Wissen über absolute und relative Häufigkeiten, Zufallsexperimente, Wahrscheinlichkeiten bei Bernoulli-Ketten der Länge n und Kenntnisse zur (p-) stochastischen Konvergenz benötigt.

Für das Nachvollziehen des Beweises müssen die Kenntnisse darüber hinaus gehen. Einerseits ist die Anwendung der Tschebyscheff-Ungleichung zentral für die Beweisführung. Die absoluten Häufigkeiten werden als Zufallsvariable aufgefasst und diese ergeben in Abhängigkeit zu n (die Versuchswiederholungen) dividiert durch n die relative Häufigkeit. Darüber hinaus wird der Umgang mit Erwartungswert und Varianz sowie Kenntnisse über Binomialverteilungen (also auch Kombinatorik) benötigt.

Die Beweisführung für diese Version des schwachen Gesetzes der großen Zahlen verlangt im Gegensatz zu anderen Versionen weniger mathematische Kenntnisse. Der Grund hierfür ist die Betrachtung von Bernoulli-Ketten der Länge n mit diskreten Zufallsvariablen, sodass die Definition eines Wahrscheinlichkeitsraums nicht unbedingt nötig ist.

Schritt 2.4: Verschiedene Darstellungsebenen und Grundvorstellungen

Darstellungsebenen

Auf enaktiver Ebene sind Simulationen mit Münzexperimenten denkbar. Zufallsversuche müssen in Bezug auf dieses Gesetz der großen Zahlen binomialverteilt sein. Dabei können nicht-binomialverteilte Ereignisse in binomialverteilte Ereignisse überführt werden. Auf ikonischer Ebene können tabellarische Übersichten erstellt werden, in denen relative Häufigkeiten berechnet werden. Diese können auch graphisch dargestellt werden. Auf symbolischer Ebene kann auch die Verbalisierung des schwachen Gesetzes der großen Zahlen genutzt werden. Umgangssprachlich heißt dies, dass bei wachsender Versuchszahl n die Wahrscheinlichkeit, dass die relative Häufigkeit des Ereignisses A um weniger als eine beliebig kleine vorgegebene positive Zahl \(\epsilon \) von der Wahrscheinlichkeit \(P(A)=p\) des Ereignisses A abweicht, gegen 1 strebt. Um auf sprachlicher Ebene das schwache Gesetz der großen Zahlen zu visualisieren, ist es hilfreich, das schwache Gesetz der großen Zahlen mit seinen Aussagen anzuwenden.

Eine weitere Möglichkeiten sind Computersimulationen, die mit beliebig großen Wiederholungen die einhergehende Stabilisierung der relativen Häufigkeiten innerhalb einer \(\epsilon \)-Umgebung visualisieren können.

Benötigte Grundvorstellungen

Die Grundvorstellungen, die beim schwachen Gesetz der großen Zahlen eine Rolle spielen, werden im Folgenden angegeben und begründet. Die Wahrscheinlichkeit als Maß für eine Erwartung ist gegeben. Abhängig von der Versuchszahl können klarere Aussagen getätigt werden, ob die relative Häufigkeit als Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann. Diese Aussagen können mit einer Zahl zwischen 0 und 1 ausgedrückt werden. Die Wahrscheinlichkeit als relative Häufigkeit spielt beim Umgang mit Bernoulli-Ketten der Länge n eine Rolle. Die Grundvorstellung Wahrscheinlichkeit als subjektives Vertrauen ist hier ebenfalls relevant, weil das Vertrauen durch eine hohe Versuchszahl bei Sachüberlegungen größer ist als bei einer geringeren Versuchszahl. Die von Bender formulierten Grundvorstellungen, die für das schwache Gesetz der großen Zahlen relevant sind, sind die Kombinatorik als Grundvorstellung, Wahrscheinlichkeitsraum als Grundvorstellung und Zufallsgrößen als Funktion. Die erste genannte Grundvorstellung spielt insbesondere bei der Beweisführung eine Rolle. Die zweite Grundvorstellung ist implizit Grundlage für verschiedene Versionen des schwachen Gesetzes der großen Zahlen, auch wenn die hier eingeführte Version keinen Wahrscheinlichkeitsraum definiert. Es werden aber Zufallsvariablen bzw. -größen genutzt, somit muss diese Grundvorstellung vorhanden sein.

Im Folgenden wird ein Vorschlag für eine weitere Grundvorstellung dargestellt. Die oben genannten Grundvorstellungen von Malle und Malle genügen aus nachstehenden Gründen nicht:

  1. 1.

    Sie sind sehr allgemein gehalten und geben nur Aufschluss über Grundvorstellungen zum Thema Wahrscheinlichkeit. Sie sind zwar zentral bei diesem Gesetz der großen Zahlen, bleiben aber unspezifisch in der Hinsicht, welche Grundvorstellungen für das Verständnis dieses Konzeptes aufgebaut werden müssen.

  2. 2.

    Der Aufbau dieser Grundvorstellungen ist zentral für die Behandlung der Wahrscheinlichkeitsrechnung in der Schule. Das schwache Gesetz der großen Zahlen ist aber primär der akademischen Mathematik zugeordnet. Der Aufbau von Grundvorstellungen hört also an diesem Punkt nicht auf und es sind weitere bzw. erweiterte Grundvorstellungen nötig.

Letzteres zeigt sich insbesondere im Gegensatz zum empirischen Gesetz der großen Zahlen. Natürlich sind die Grundvorstellungen von Malle und Malle wichtig für das Verstehen von Wahrscheinlichkeiten. Die Idee der Wahrscheinlichkeit als relative Häufigkeit basiert auf dem Gedanken des empirischen Gesetzes der großen Zahlen, geht aber nicht weit genug. Die Idee der Stabilisierung wird hier also zu einer Grundvorstellung die relative Häufigkeit als Schwankung formuliert. Damit wird ein Versuch unternommen, der Abnahme der Variation/Streuung/Schwankung der relativen Häufigkeiten bei steigendender Versuchzahl gerecht werden zu können.

Die Beobachtung der relativen Häufigkeit zeigt sich zwar beim empirischen Gesetz der großen Zahlen, wird aber noch nicht spezifiziert. Das schwache Gesetz der großen Zahlen zeigt einen mathematischen „Trichtergedanken“, in dem Wahrscheinlichkeiten in einem Bereich verbleiben. Dies hat Bezüge zum \(\frac{1}{\sqrt{n}}\)-Gesetz (s. dazu Riemer 1991a) und zum analytischen Konvergenzbegriff. Die relative Häufigkeit als Schwankung bedeutet also eine Erweiterung der Grundvorstellung Wahrscheinlichkeit als relative Häufigkeit, zeigt aber auch gleichzeitig die noch immer herrschende Unsicherheit in Form einer Grundvorstellung Wahrscheinlichkeit als subjektives Vertrauen.

Durch die Formulierung der Grundvorstellung mit dem Trichtergedanken kann eine Sinnkonstituierung eines Begriffs stattfinden und Repräsentationen aufgebaut werden. Inwieweit dies zur „Fähigkeit zur Anwendung eines Begriffs“ beträgt, bleibt hier offen. Für eine abschließende Bewertung, ob diese Grundvorstellung auch tatsächlich eine ist, bietet sich der Verfahrensrahmen von Salle und Clüver (2021) an.

Schritt 2.5: Grundlegende didaktische Konzepte

In diesem Abschnitt werden grundlegende didaktische Konzepte dargestellt, welche dem schwachen Gesetz der großen Zahlen zugeordnet werden können. Das Vorgehen ist analog zum ersten Durchgang zum empirischen Gesetz der großen Zahlen. Das vorliegende Konzept hat als vorrangige OECD-big idea „data and chance“ und passend dazu die Leitidee „Daten und Zufall“, weil es zum mathematischen Inhalt der Stochastik zählt. Die big idea des Zufalls und der Unsicherheit ist Teil des vorliegenden Konzepts. Die fundamentalen Ideen sind hier vielfältig. Einerseits spielen die fundamentalen Ideen der Zufälligkeit (Fundamentale Idee 1) aufgrund des Themenbereichs und der genutzten Wahrscheinlichkeit eine Rolle. Andererseits sind Ereignisse und Ereignisraum (Fundamentale Idee 2), Kombinatorik (Fundamentale Idee 6), Zufallsvariable (Fundamentale Idee 8), (Stochastische) Konvergenz und Gesetze der großen Zahlen (Fundamentale Idee 9) sowie Stichprobe und ihre Verteilung (Fundamentale Idee 10) relevant für das schwache Gesetz der großen Zahlen. Diese sind auch erkennbar am benötigten Vorwissen, weil sie dort auch schon aufgeführt wurden. Damit herrscht eine Anschlussfähigkeit an folgende fundamentale Ideen nach Borovcnik :

  • Ausdruck von Informationen über eine unsichere Sache,

  • Verdichtung von Information,

  • Präzision von Information,

  • Repräsentativität partieller Information.

Die folgenden Wahrscheinlichkeitsbegriffe sind mit dem schwachen Gesetz der großen Zahlen verbunden: Einerseits ist dies der frequentistische Wahrscheinlichkeitsbegriff, weil dieser auf den Annahmen des empirischen Gesetzes der großen Zahlen und somit auch des schwachen Gesetzes der großen Zahlen beruht. Bei dieser Deutung wird eine Stabilisierung der relativen Häufigkeiten angenommen. Andererseits spielt auch das Propensity-Konzept eine Rolle, welches als Erweiterung des frequentistischen Wahrscheinlichkeitsbegriffs verstanden wird. Wahrscheinlichkeiten sind hier theoretische Eigenschaften von Zufallsexperimenten. Darüber hinaus ist auch der axiomatische Wahrscheinlichkeitsbegriff von Relevanz, weil dieser (wenn auch in dieser Version indirekt) die „mathematischen Regeln“ der Wahrscheinlichkeiten in seiner Deutung inkludiert (vgl. Abschnitt 2.4).

Das schwache Gesetz der großen Zahlen ist mathematisierbar und beweisbar. Anwendungsbezüge lassen sich herstellen. Für ein Verständnis von Satz und Beweis werden Vorkenntnisse der akademischen Mathematik benötigt. Auf enaktiver und ikonischer Darstellungsebene lassen sich Bezüge zeigen. Auf symbolischer Ebene sind mehrere Möglichkeiten gegeben. Mehrere Grundvorstellungen sind für das schwache Gesetz der großen Zahlen nötig. Insbesondere die hier vorgeschlagene Grundvorstellung „Relative Häufigkeit als Schwankung“ beschreibt das Phänomen des schwachen Gesetzes der großen Zahlen. Es zeigt sich bei den grundlegenden didaktischen Konzepten, das sie zu big ideas, Leitideen, fundamentalen Ideen und zu Wahrscheinlichkeitsbegriffen zugeordnet werden können.

Durchgang 3: Starkes Gesetz der großen Zahlen

Im dritten Durchgang wird das starke Gesetz der großen Zahlen betrachtet, welches eine mathematische Präzisierung des empirischen Gesetzes der großen Zahlen ist und eine höhere Aussagekraft im Vergleich zum schwachen Gesetz hat.

Schritt 3.1: Mathematischer Kern des Inhalts

Es gibt verschiedene Formulierungen, die sich durch unterschiedliche Allgemeinheitsgrade sowie der Stärke der Voraussetzungen unterscheiden. Die hier gewählte Formulierung sowie der Beweis stammt aus Krengel (2005).

An dieser Stelle wird noch einmal der Satz aus Abschnitt 2.2 für die inhaltliche Analyse angeführt:

Satz

(Das starke Gesetz der großen Zahlen). Sei \(X_1, X_2, X_3,...\) eine Folge diskreter, unkorrelierter Zufallsvariablen und \(Var(X_i)\le M < \infty \).

Dann konvergiert diese durch

$$\begin{aligned} Z_n=\frac{1}{n}\sum _{i=1}^n(X_i-E(X_i)) \end{aligned}$$

definierte Folge fast sicher gegen 0.

so folgt \(\lim _{n\rightarrow \infty } (\frac{1}{n} \sum _{i=1}^n(X_i-E(X_i))) = 0\) P-fast sicher.

Das starke Gesetz der großen Zahlen beinhaltet eine P-fast sichere stochastische Konvergenz. Eine Folge \((Y_n)\) konvergiert fast sicher gegen Y, wenn

$$\begin{aligned} P(\{\omega \in \Omega : lim_{n \rightarrow \infty } Y_n (\omega ) = Y(\omega )\}) = 1. \end{aligned}$$
(6.4)

Für den Beweis des starken Gesetzes der großen Zahlen wird neben der Tschebyscheff’schen Ungleichung auch der Satz von Borel-Cantelli benötigt.

Satz

(Borel-Cantelli). Für eine Folge \(A_1, A_2, ...\) von Ereignissen sei

$$\begin{aligned} A^* = \{ \omega \in \Omega : \omega \in A_k \,{f}\ddot{{{u}}}{r\, endlich\, viele\, k} \} \end{aligned}$$
  1. (i)

    Gilt \(\sum _{k=1}^\infty P(A_k) < \infty \), so ist \(P(A^*) = 0\).

  2. (ii)

    Sind die \(A_k\) unabhängig und ist \(\sum _{k=1}^\infty P(A_k) =0\), so ist \(P(A*)=1\).

Der Beweis des starken Gesetzes der großen Zahlen ist also wie folgt:

Beweis

Im ersten Beweisschritt ist das Ziel, dass \((Z_{n^2})_{n \in \mathbb {N}}\) fast sicher gegen 0 konvergiert. Ohne Beschränkung der Allgemeinheit ist \(E(X_i)=0\), weil \(X_i\) unkorreliert (also \(Cov(X_i,X_j)=0\) für \(i\ne j\)) ist und die Rechenregeln für Varianz und Kovarianz folgende sind:

$$\begin{aligned} \text {(1) } Var(X_1 + ... + X_n) = \sum _{i=1}^n Var(X_i) + \sum _{i\ne j} Cov(X_i,X_j). \end{aligned}$$

Es gilt

$$\begin{aligned} \begin{aligned} \text {(2) } Var(Z_{n^2}) &= Var(\frac{1}{n^4} (X_1 + X_2 + ... +X_{n^2}) \\ &= \dfrac{1}{n^4} (\sum _{i=1}^{n^2} Var (X_i) + \sum _{i \ne j} Cov(X_i , X_j) \end{aligned} \end{aligned}$$
$$\begin{aligned} = \dfrac{1}{n^4} \sum _{i=1}^{n^2} Var(X_i) \le \dfrac{1}{n^4} Mn^2 = \dfrac{M}{n^2} \end{aligned}$$

Mit der Tschebyscheff’schen Ungleichung gilt für \(\epsilon <0\)

$$\begin{aligned} \text {(3) } P( \vert Z_{n^2} \vert \ge \epsilon ) \le \dfrac{1}{{\epsilon }^2} Var(Z_{n^2}) \le \dfrac{M}{{\epsilon }^2 n^2} \end{aligned}$$

Ist \(A_n^\epsilon = \{\vert Z_{n^2}\vert \ge \epsilon \}\), so ist also die Summe von P(A) konvergent, also

$$\begin{aligned} \text {(4) } \sum _{n=1}^\infty P(A_n ^\epsilon ) \le \sum _{n=1} ^\infty \dfrac{M}{\epsilon ^2 n^2} = \dfrac{M}{\epsilon ^2} \sum _{n=1}^\infty \dfrac{1}{n^2}. \end{aligned}$$

Nutzen wir den Satz von Borel-Cantelli für jedes \(k\in \mathbb {N}\). Daraus folgt, dass fast jedes \(\omega \) nur zu endlich vielen \(A_n\) gehört. Setzen wir nun \(\epsilon = \dfrac{1}{k}\), so ergibt sich

$$\begin{aligned} \text {(5) } E_k = \{ \omega \in \Omega : \omega \in A_n ^{\frac{1}{k}} \,\text {f}\ddot{\mathrm{{u}}}\text {r endlich viele n}\} \end{aligned}$$

Mit der ersten Eigenschaft von Borel-Cantelli folgt dann, dass \(P(E_k) = 0\).

Damit ist also auch die Vereinigung E der \(E_k\) gleich 0.

$$\begin{aligned} \text {(6) } P(\cup _{k=1}^\infty E_k) \le \sum _{k=1} ^\infty P(E_k) = \sum _{k=1} ^\infty 0 = 0 \end{aligned}$$

Mit den DeMorganschen Regeln gilt somit: Für \(\omega \in \textrm{E}\) gibt es zu jedem k nur endlich viele n mit \(\vert Z_{n^2} (\omega ) \vert \ge 1\). Für diese \(\omega \) gilt also \(lim_{n \rightarrow \infty } Z_{n^2}= 0\).

Zweiter Beweisschritt: Für \(m \in \mathbb {N}\) sei nun \(n=n(m)\) die natürlich Zahl mit \(n^2 \le m < (n+1)^2\). Wir wollen \(Z_m\) mit \(Z_{n^2}\) vergleichen.

Sei \(S_k = \sum _{i=1} ^\infty X_i\).

Nach den Rechenregeln für Varianzen ist

$$\begin{aligned} \text {(7) } Var(S_m - S_{n^2}) = Var (\sum _{i=1}^m X_i - \sum _{i=1} ^{n^2} X_i) = Var (\sum _{n^2 + 1}^m X_i) \end{aligned}$$
$$\begin{aligned} = \sum _{n^2 + 1}^m Var (X_i) + \sum _{i \ne j} Cov (X_i , X_j) \le M (M-n^2). \end{aligned}$$

Nach der Tschebyscheff-Ungleichung folgt für \(\epsilon < 0\)

$$\begin{aligned} \text {(8) } P(\vert S_m - S_{n^2} \vert \epsilon n^2) \le Var (S_m - S_{n^2}) \le \frac{M(m-n^2)}{\epsilon ^2 n^4} \end{aligned}$$
$$\begin{aligned} = \frac{M}{\epsilon ^2 n^4} (m-n^2). \end{aligned}$$

Summieren wir nun über m, so erhalten wir

$$\begin{aligned} \text {(9) } \sum _{m=1}^\infty P(\frac{1}{n(m)^2} \vert S_m - S_{n(m)^2} \ge \epsilon ) \le \sum _{m=1}^\infty (\dfrac{M}{\epsilon ^2 n^4} (m-n^2)) \end{aligned}$$
$$\begin{aligned} = \frac{M}{\epsilon ^2} \sum _{m=1} ^\infty (\frac{1}{n^4} (m-n^2)) \le \frac{M}{\epsilon ^2} \sum _{n=1} ^\infty \sum _{m=n^2}^{(n+1)^2 -1} \dfrac{m-n^2}{l^4} \end{aligned}$$
$$\begin{aligned} \frac{M}{\epsilon ^2} \sum _{n=1}^\infty \frac{1}{l^4} (1+2+...+2n) = \frac{M}{\epsilon ^2} \sum _{n=1}^\infty \frac{(2n)(2n+1)}{2n^4} < \infty . \end{aligned}$$

Nach Borel-Cantelli gilt dann für fast alle \(\omega \) und für alle hinreichend großen m, etwa für \(m\ge m_\epsilon (\omega )\),

$$\begin{aligned} \text {(10) } \frac{1}{n(m)^2} \vert S_m (\omega ) - S_{n(m)^2} (\omega ) \vert < \epsilon \end{aligned}$$

Ferner ist nach dem ersten Beweisschritt für fast alle \(\omega \) und für hinreichend großes m

$$\begin{aligned} \text {(11) } \vert \frac{1}{n(m)^2} S_{n(m)^2} (\omega ) \vert < \epsilon \end{aligned}$$

Für fast alle \(\omega \) gilt also beides. Für diese \(\omega \) ist dann von einem hinreichend großen M an \(\vert S_m (\omega ) / n(m)^2 \vert < 2\epsilon \). Wegen \(m > n(m)^2\) ist dann aber auch \( \vert Z_m (\omega ) \vert = \vert S_m (\omega ) /m \vert < 2\epsilon \).

Setzt man wieder \(\epsilon = 1/k\), so folgt, dass für jedes k

$$\begin{aligned} \text {(12) } P( \{ \omega : \vert Z_m (\omega ) \vert > 2/k~ \text {f}\ddot{\mathrm{{u}}}\text {r unendlich viele}~ m\} ) = 0. \end{aligned}$$

   \(\square \)

In Schritt (1) der Beweisführung werden die Rechenregeln von Varianz und Kovarianz angeführt, um eine Abschätzung für die Varianz zu erhalten (2). In Schritt (3) wird mit der Tschebyscheff-Ungleichung eine weitere Abschätzung vorgenommen. Anschließend wird in Schritt (4) gezeigt, dass die Summe von P(A) konvergiert. Im fünften und sechsten Schritt wird der Satz von Borel-Cantelli angewandt und danach die De Morganschen Regeln. In Schritt (7) werden die Rechenregeln für Varianzen genutzt, um dann die Tschebyscheff-Ungleichung für eine weitere Abschätzung anzuwenden. Schritt (9) ist durch das Aufsummieren sowie den Umgang mit Summen und Summenregeln eine komplexere Abschätzung. Anschließend wird mit dem Satz von Borel-Cantelli (10) abgeschätzt und durch Rückbezug auf den ersten Beweisschritt kann weiter abgeschätzt (11) werden. In Schritt 12 gilt dann die p-fast sichere Konvergenz.

Schritt 3.2: Integration der Bezugssysteme sowie des Umfelds

Anwendungen

Das starke Gesetz der großen Zahlen findet Anwendung in der (statistischen) Physik, im Versicherungswesen, beim Prüfen der Echtheit einer Münze, bei Wahlprognosen sowie im allgemeinen bei Prognosen für das fast sichere Eintreten von Ereignissen. Wird das explizierte Beispiel vom schwachen Gesetz der großen Zahlen in 2.2 aufgegriffen, so lautet die Formulierung der Frage nicht mehr, ob die Parteiführung sich „einigermaßen sicher“, sondern „fast sicher“ im mathematischen Sinne sein kann. Das starke Gesetz der großen Zahlen liefert also beim gleichen Beispiel eine stärkere Aussage.

Mathematisch leistet das starke Gesetz der großen Zahlen Vorarbeit für den zentralen Grenzwertsatz von de Moivre-Laplace. Ein weiterer Bezug ist, dass das starke Gesetz der großen Zahlen „die Bedeutung der theoretischen Begriffe Wahrscheinlichkeit und Erwartungswert für den Bereich der empirischen Datenerhebung“ (Bewersdorff, 2021, S. 108) untermauert. Bewersdorff konkretisiert dies wie folgt:

Man stelle sich dazu einfach einmal hypothetisch vor, dass Versuchsreihen nur dem schwachen, aber nicht dem starken Gesetz der großen Zahlen genügen würden. „Ausreißer“ können damit im Verlauf einer Versuchsreihe immer wieder auftreten. Gesichert wäre einzig, dass solche „Ausreißer“ immer seltener werden müssten. Eine nachhaltige Stabilisierung von Beobachtungswerten hin zu einem theoretischen Idealwert - ob Wahrscheinlichkeit oder Erwartungswert - würde also nicht vorliegen. Es gäbe sogar eine positive Wahrscheinlichkeit für eine Nicht-Konvergenz. Und damit wird klar, dass eigentlich erst das starke Gesetz der großen Zahlen genau jene Aussage beinhaltet, die man intuitiv vielleicht bereits vom schwachen Gesetz der großen Zahlen erhofft hat! (Bewersdorff, 2021, S. 108)

Bewersdorff (2021) zeigt mit obiger Aussage die Aussagekraft des starken Gesetzes der großen Zahlen auf. Hiermit zeigt sich, dass das starke Gesetz der großen Zahlen keine Ausreißer mehr toleriert.

Historische Genese

Über 200 Jahre nach Beweis des schwachen Gesetzes der großen Zahlen wurde durch Emile Borel (1871–1956) eine erste Version des starken Gesetzes der großen Zahlen entdeckt, welche für eine Serie von Münzwürfen gültig war. Anschließend wurde eine erste allgemeinere Version von Francesco Paolo Cantelli (1875-1966) bewiesen. Bewersdorff (2021) fügt noch hinzu: „Da die zugehörige mathematische Argumentation nicht übermäßig schwierig ist, kann man mit gutem Grund mutmaßen, dass zuvor wohl niemand die Notwendigkeit gesehen hat, die Gültigkeit solcher Aussagen zu untersuchen“ (S. 109). Die Begrifflichkeit „Gesetz der großen Zahlen“ wurde im Jahr 1835 von Siméon-Denis Poisson eingeführt. Der Begriff „stark“ wurde durch Aleksandr Jakowlewitsch Chintischin im Jahr 1928 hinzugefügt (Bewersdorff, 2021).

Schritt 3.3: Benötigtes Vorwissen

Zwei Bereiche von Vorwissen werden in diesem Schritt untersucht. Durch die mathematische Präzisierung ist hier analog zum schwachen Gesetz der großen Zahlen ein Vorwissen für die Beweisführung gegeben. Es wird das Vorwissen für ein Verständnis des Satzes und ein Vorwissen in Bezug auf die Beweisführung analysiert.

Für das Verständnis des starken Gesetzes der großen Zahlen wird Wissen über absolute und relative Häufigkeiten, Zufallsexperimente, über diskrete Wahrscheinlichkeitsräume, (unkorrelierte) Zufallsvariablen, Varianz und Kovarianz sowie über p-fast sichere Konvergenz benötigt.

Für das Nachvollziehen des Beweises müssen die Kenntnisse darüber hinaus gehen. Die Anwendung der Tschebyscheff-Ungleichung und der Satz von Borel-Cantelli sind zentral für die Beweisführung. Der analytische Konvergenzbegriff sowie die De Morganschen Regeln müssen bekannt sein. Um den zweiten Beweisteil durchführen zu können, müssen Lernende das Aufsummieren in Summen können sowie mit Summen und Summenregeln umgehen können.

Schritt 3.4: Verschiedene Darstellungsebenen und Grundvorstellungen

Darstellungsebenen

Primär auf symbolischer Darstellungsebene ist eine Auseinandersetzung mit dem starken Gesetz der großen Zahlen denkbar. Aufgrund des deduktiv-axiomatischen Charakters des starken Gesetzes der großen Zahlen kann dieser Satz nur schwer auf enaktiver Ebene visualisiert werden. Hierfür sind Simulationen mit Münzen oder Würfeln denkbar. Durch die Auseinandersetzung mit dem starken Gesetz der großen Zahlen wissen Lernende „fast sicher“, dass die relative Häufigkeit gegen ihren Grenzwert konvergiert. Dabei schreibt Krengel (2005), dass „sehr lange Sechserfolgen [beim Würfeln] fast sicher erst so spät auftreten, dass sie die relativen Häufigkeiten nicht mehr stark beeinflussen“ (S. 156). Die symbolische Ebene umfasst einerseits die Verbalisierung von der „fast sicheren“ Konvergenz andererseits und auch die Formelsprache, welche im Kern des Inhalts aufgezeigt wurde.

Benötigte Grundvorstellungen

Die Grundvorstellungen, die beim starken Gesetz der großen Zahlen eine Rolle spielen, werden im Folgenden angegeben und begründet. Die Wahrscheinlichkeit als Maß für eine Erwartung ist beim starken Gesetz der großen Zahlen gegeben. Abhängig von der Versuchszahl können klare Aussagen getätigt werden. Die Wahrscheinlichkeit als relativer Anteil ist beim starken Gesetz der großen Zahlen ebenfalls von Relevanz. Auf der Annahme einer Stabilisierung unter einer großen n-maligen Wiederholung basiert die Grundvorstellung Wahrscheinlichkeit als relative Häufigkeit. Die Grundvorstellung Wahrscheinlichkeit als subjektives Vertrauen ist hier analog zum schwachen Gesetz der großen Zahlen ebenfalls relevant, weil das Vertrauen durch eine hohe Versuchszahl bei Sachüberlegungen höher ist als bei weniger Versuchen. Die für das starke Gesetz der großen Zahlen relevante Grundvorstellungen nach Bender (1997) sind die Kombinatorik als Grundvorstellung, Wahrscheinlichkeitsraum als Grundvorstellung und Zufallsgrößen als Funktion. Die erst genannte Grundvorstellung spielt insbesondere bei der Beweisführung eine Rolle. Die zweite Grundvorstellung ist mathematische Grundlage für das starke Gesetzes der großen Zahlen. Zufallsgrößen werden sowohl im Satz als auch im Beweis genutzt.

Wie schon beim schwachen Gesetz der großen Zahlen kann der Vorschlag einer erweiterten Grundvorstellung Relative Häufigkeit als Schwankung in den Kanon mit aufgenommen werden. Hier gilt es aber zu beachten, dass der „Trichtergedanke“ stärker als beim schwachen Gesetz der großen Zahlen ausgeprägt ist.

Schritt 3.5: Grundlegende didaktische Konzepte

In diesem Abschnitt werden grundlegende didaktische Konzepte aufgeführt, die dem starken Gesetz der großen Zahlen zugeordnet werden können. Das Vorgehen ist analog zu den anderen Durchgängen.

Das vorliegende Konzept wird der OECD-big idea „chance and data“ und der Leitidee „Daten und Zufall“ zugeordnet, weil es zum mathematischen Inhalt der Stochastik zählt. Teil des vorliegenden Konzepts ist die big idea des Zufalls und der Unsicherheit. Mehrere fundamentale Ideen lassen sich zum starken Gesetz der großen Zahlen zuordnen. Die fundamentale Idee der Zufälligkeit (Fundamentale Idee 1) aufgrund des Themenbereichs und der genutzten Wahrscheinlichkeit ist relevant. Andererseits spielen Ereignisse und Ereignisraum (Fundamentale Idee 2), Kombinatorik (Fundamentale Idee 6), Zufallsvariable (Fundamentale Idee 8), (Stochastische) Konvergenz und Gesetze der großen Zahlen (Fundamentale Idee 9) sowie Stichprobe und ihre Verteilung (Fundamentale Idee 10) eine Rolle für das starke Gesetz der großen Zahlen, auch schon erkennbar durch die Analyse des Vorwissens in Schritt 3.3. Damit herrscht eine Anschlussfähigkeit an folgende fundamentale Ideen nach Borovcnik :

  • Ausdruck von Informationen über eine unsichere Sache,

  • Verdichtung von Information,

  • Präzision von Information,

  • Repräsentativität partieller Information.

Analog zum schwachen Gesetz der großen Zahlen lassen sich mehrere Wahrscheinlichkeitsbegriffe für das starke Gesetz der großen Zahlen identifizieren:

  • Der frequentistische Wahrscheinlichkeitsbegriff kann identifiziert werden, weil diese Deutung durch das starke Gesetz der großen Zahlen gestützt wird. Bei dieser Deutung wird eine Stabilisierung der relativen Häufigkeiten angenommen. Diese Annahmen sind nach Bewersdorff (2021, S. 108) mit dem starken Gesetz erst gezeigt. Erweiternd dazu gilt auch der Zugang mittels Propensity-Konzept.

  • Der axiomatische Wahrscheinlichkeitsbegriff kann festgestellt werden, weil Wahrscheinlichkeiten beim starken Gesetz der großen Zahlen theoretische Eigenschaften von Zufallsexperimenten sind. Das starke Gesetz beruht auf einer Axiomatisierung eines Wahrscheinlichkeitsraums in Form der Kolmogorov-Axiome. Diese Axiome sind die „mathematischen Regeln“ der Wahrscheinlichkeiten und entsprechen somit einer axiomatischen Deutung.

Das starke Gesetz der großen Zahlen ist mathematisierbar und beweisbar. Anwendungsbezüge lassen sich herstellen. Für ein Verständnis von Satz und Beweis werden viele Vorkenntnisse benötigt. Auf enaktiver und ikonischer Darstellungsebene lassen sich scheinbar nur wenige Bezüge zeigen. Auf symbolischer Ebene sind mehrere Möglichkeiten gegeben. Mehrere Grundvorstellungen sind für das starke Gesetz der großen Zahlen nötig. Es zeigt sich bei den grundlegenden didaktischen Konzepten, das sie zu big ideas, Leitideen, fundamentalen Ideen und zu Wahrscheinlichkeitsbegriffen zugeordnet werden können.

Im Anschluss an die drei Didaktisierungsdurchgänge wird nun auf Basis dieser die Rekonstruktion durchgeführt. Das heißt, dass die vier Kategorien angewendet werden, um Wissenselemente zu generieren, diese miteinander auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu vergleichen und anschließend Grenzen aufzuzeigen und zu strukturieren.

6.3 Rekonstruktion der Wissenselemente der Gesetze der großen Zahlen

In diesem Abschnitt werden die Ergebnisse der zuvor durchgeführten Didaktisierung genutzt, um Wissenselemente zu identifizieren und im späteren Verlauf auch zu strukturieren. Für diese Identifikation werden zunächst die Ergebnisse der Didaktisierung genutzt, um in der Kategorie „Eigenheiten“ Wissenselemente zu formulieren. Diese werden reflektiert und entweder schulischen oder fachwissenschaftlichen Theorien zugeordnet, also der schulischen Mathematik oder akademischen Mathematik. Diese Zuordnung bedeutet nicht, dass Wissenselemente verworfen werden, weil die Zielsetzung ein elementarisiertes akademisches Wissen fordert. Es werden aber Elemente bewertet, indem diese nur ein Nachvollziehen und nicht ein Verstehen erfordern, weil sie einer rein akademischen Mathematik zugeordnet werden. Wissenselemente der schulischen Mathematik sind trotzdem noch Teil von Wissenselementen akademischer Mathematik, weil schulische Mathematik auch Teil akademischer Mathematik ist. Wiederum muss es nicht heißen, dass Wissenselemente akademischer Mathematik verworfen werden, weil eine Elementarisierung nicht möglich ist. Diese Bewertung erfolgt später. Im Anschluss an die Formulierung von Wissenselementen ausgehend von den Ergebnissen der Didaktisierung (Eigenheiten) werden diese in Abschnitt 6.3 miteinander verglichen und Gemeinsamkeiten und Verschiedenheiten herausgearbeitet. Weil die Vergleichsgrundlage (die identifzierten Wissenselemente aus der vorherigen Kategorie) die Gleiche ist, werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede getrennt nach den Schritten der Didaktisierung gemeinsam betrachtet. Das Ziel dieser Kategorie ist es, diese Gemeinsamkeiten oder Unterschiede zu Ideen zusammenzufassen. In der Kategorie „Begrenztheiten“, dargestellt in Abschnitt 6.3, werden die Wissenselemente zu den Wissensdimensionen und Wissensarten zugeordnet und anschließend werden exemplarisch Wissensnetze aufgezeigt, welche die Grenzen elementarisierten akademischen Fachwissens aufzeigen können.

Eigenheiten

In diesem Abschnitt wird die Kategorie „Eigenheiten“ mit dem Ziel der Klärung der Relevanz einzelner Konzepte bzw. Elemente auf die Ergebnisse der Didaktisierung angewandt. Dabei werden die einzelnen Schritte des jeweiligen Durchgangs durchlaufen und unter Berücksichtigung des Ziels und der Zielgruppe auf Relevanz hin geprüft.

Das Ziel ist die Identifikation und Strukturierung elementarisierten akademischen Wissens von Lehrkräften zum empirischen, schwachen und starken Gesetz der großen Zahlen. Die Zielgruppe sind Lehrkräfte der Sekundarstufe I und II.

In diesem Abschnitt werden die Ergebnisse der Didaktisierung der einzelnen Durchgänge in Wissenselemente umformuliert und auf ihre Relevanz hin reflektiert. Letzteres soll zunächst nur eine Bewertung sein, ob sie zur schulischpraktischen oder universitären Theorie gehören.

Formulierung von Wissenselementen ausgehend von den Ergebnissen der Didaktisierung hinsichtlich des empirischen Gesetzes der großen Zahlen

In diesem Abschnitt werden die Konzepte bzw. Elemente rund um das empirische Gesetz der großen Zahlen beschrieben, die für das Wissen von Lehrkräften charakteristisch sind. Die einzelnen Schritte der Didaktisierung werden mit dem Ziel und der Zielgruppe der didaktisch orientierten Rekonstruktion verglichen. Als Ergebnis sind Wissenselemente in Tabelle 6.1 dargestellt

Mathematischer Kern des Inhalts

Bei der Betrachtung des mathematischen Kerns des Inhalts des empirischen Gesetzes der großen Zahlen fällt auf, dass der mathematische Inhalt nur gering ist. Für Lehrkräfte relevant ist die Kernaussage des empirischen Gesetzes der großen Zahlen. Diese brauchen sie, um das Naturgesetz zu verstehen und Annahmen in stochastischen Modellen treffen zu können. Für Lehrkräfte ist es außerdem relevant zu wissen, dass das empirische Gesetz der großen Zahlen kein mathematischer Sachverhalt und nicht beweisbar ist. Es hat außerdem die innermathematische Verwendung, Wahrscheinlichkeiten zu einem Ergebnis zuzuordnen. Aus Schritt 1 der Didaktisierung (6.2) werden also alle Elemente als relevant erachtet.

Integration der Bezugssysteme sowie des Umfelds

Hinsichtlich der Integration der Bezugssysteme sowie des Umfelds lässt sich feststellen, dass Lehrkräfte über die Anwendung des empirischen Gesetzes wissen können, dass sie sich für Modellannahmen eignen. Typische Anwendungsfelder sind Experimente, die mit unterschiedlichen Versuchszahlen durchgeführt werden können, um das Phänomen dieses Gesetzes sichtbar zu machen. Ein klassisches Beispiel ist der Vergleich der Geburtenrate zweier Krankenhäuser mit verschieden hohen Geburtszahlen. Lehrkräfte wissen über die historische Genese des empirischen Gesetzes der großen Zahlen, dass der Begriff „Wahrscheinlichkeit“ als Limes der relativen Häufigkeiten in Anlehnung an eine analytische Definition des Grenzwerts definiert wurde, aber nicht beweisbar war. Sie haben also Kenntnisse über die historische Genese.

Benötigtes Vorwissen

Bei der Betrachtung des benötigten Vorwissens fällt auf, dass für ein Verständnis des empirischen Gesetzes der großen Zahlen Vorkenntnisse zu absoluten und relativen Häufigkeiten, dem Aufbau eines Zufallsexperiments und ein „naives“ Verständnis der Stabilisierung benötigt werden.

Verschiedene Darstellungsebenen und Grundvorstellungen

Hinsichtlich verschiedener Darstellungsebenen lässt sich resümieren, dass es auf enaktiver, ikonischer und symbolischer Ebene Möglichkeiten zur Darstellung des empirischen Gesetzes der großen Zahlen gibt. Auf enaktiver Ebene lassen sich Zufallsexperimente mit unterschiedlichen Versuchszahlen durchführen, um das Phänomen des empirischen Gesetzes der großen Zahlen greifbar zu machen. Relative Häufigkeiten von Zufallsexperimenten mit unterschiedlichen Versuchszahlen lassen sich auf ikonischer Ebene mit Tabellen und Diagrammen visualisieren. Durch die Abbildung in 6.3 lässt sich auf ikonischer Ebene die fehlende Beweisbarkeit begründen. Auf der symbolisch-sprachlichen Ebene lässt sich das empirische Gesetz der großen Zahlen verbalisieren und begründen, warum es nicht beweisbar ist.

Lehrkräfte haben außerdem folgende Grundvorstellungen entwickelt: Wahrscheinlichkeit als Maß für eine Erwartung, Wahrscheinlichkeit als relative Häufigkeit und Wahrscheinlichkeit als subjektives Vertrauen. Diese sind wichtig, um das Phänomen des empirischen Gesetzes der großen Zahlen zu verstehen und Wahrscheinlichkeiten mithilfe des empirischen Gesetzes der großen Zahlen einzuordnen. Ersteres basiert auf der Grundvorstellung Wahrscheinlichkeit als relative Häufigkeiten, letzteres auf der Grundvorstellung Wahrscheinlichkeit als subjektives Vertrauen.

Grundlegende didaktische Konzepte

Lehrkräfte wissen, dass das Konzept der OECD-big idea „data and chance“, bzw. der vorrangigen Leitidee „Daten und Zufall“ zugeordnet wird. Sie wissen außerdem, dass die big ideas von Zufall und Unsicherheit Teil des vorliegenden Konzepts sind. Hinsichtlich der fundamentalen Ideen sollten Lehrkräfte über Kenntnisse von Zufälligkeit (Fundamentale Idee 1) und (Stochastischer) Konvergenz sowie der Gesetze der großen Zahlen (Fundamentale Idee 6) verfügen.

Lehrkräfte verfügen über die folgenden Wahrscheinlichkeitsbegriffe. Einerseits ist der frequentistische Wahrscheinlichkeitsbegriff relevant, weil dieser auf der Wahrscheinlichkeit als relative Häufigkeit beruht. Bei dieser Deutung wird eine Stabilisierung der relativen Häufigkeiten angenommen. Andererseits verfügen Lehrkräfte auch über das Propensity-Konzept, welches als Erweiterung des frequentistischen Wahrscheinlichkeitsbegriff verstanden wird. Hier sind Wahrscheinlichkeiten theoretische Eigenschaften von Zufallsexperimenten. Die Annahme, dass sich Wahrscheinlichkeiten durch relative Häufigkeiten indirekt messen lassen können, entspricht der Aussage des empirischen Gesetzes der großen Zahlen.

Zusammenfassung zur Klärung der Relevanz hinsichtlich des empirischen Gesetzes der großen Zahlen

Zu allen Schritten der Didaktisierung konnten Wissenselemente formuliert werden. Anzumerken ist, dass bei der Betrachtung des empirischen Gesetzes der großen Zahlen nur wenige Elemente bzw. Konzepte als nicht relevant erachtet werden. Dies kann einerseits an der Nähe zur unterrichteten Mathematik in der Schule liegen (s. 2.4). Das empirische Gesetz der großen Zahlen ist eine zentrale Grundannahme in der Stochastik beim Umgang mit relativen Häufigkeiten und ist auch ersichtlich in der Grundvorstellung „Wahrscheinlichkeit als relative Häufigkeit“. Andererseits kann der geringe Grad an mathematischer Strenge als zusätzliches Argument genommen werden, dass in der Betrachtung des empirischen Gesetzes der großen Zahlen nur wenige Elemente als nicht relevant betrachtet werden. Durch den geringen Grad an Mathematisierbarkeit ist es ein Naturgesetz bzw. ein Erfahrungswert, welcher als Leitbild im Umgang mit relativen Häufigkeiten als Wahrscheinlichkeiten genutzt werden kann. Somit ist der mathematische Gehalt des empirischen Gesetzes der großen Zahlen nicht hoch.

Tabelle 6.1 Mögliche, relevante Wissenselemente für Lehrkräfte hinsichtlich des empirischen Gesetzes der großen Zahlen im Überblick, strukturiert nach den einzelnen Schritten der Didaktisierung

In Tabelle 6.1 werden die relevanten Wissensinhalte für Lehrkräfte, angelehnt an den Schritten der Didaktisierung, überblicksartig zusammengefasst dargestellt. Diese werden für die „Gemeinsamkeiten“ und „Verschiedenheiten“ der mathematischen Teilinhalte herangezogen und in der Kategorie „Begrenztheiten“ abschließend bewertet und eingeordnet.

Formulierung von Wissenselementen ausgehend von den Ergebnissen der Didaktisierung hinsichtlich des schwachen Gesetzes der großen Zahlen

In diesem Abschnitt werden die Konzepte bzw. Elemente rund um das schwache Gesetz der großen Zahlen beschrieben, die für das Wissen von Lehrkräften charakteristisch sind. Die einzelnen Schritte der Didaktisierung werden mit dem Ziel und der Zielgruppe der didaktisch orientierten Rekonstruktion verglichen. Dabei wird dargestellt und begründet, welche Elemente bzw. Konzepte für das elementarisierte akademische Wissen relevant sind und welche nicht.

Mathematischer Kern des Inhalts

Bei der Betrachtung des mathematischen Kerns des Inhalts des schwachen Gesetzes der großen Zahlen zeigt sich, dass dieser Satz mathematisierbar und beweisbar ist. Lehrkräfte wissen also, wie dieser Satz formuliert ist. Sie kennen die Bedeutung von (p-) stochastischer Konvergenz. Sie wissen, dass die Tschebyscheff-Ungleichung im Beweis genutzt wird und können den Beweis nachvollziehen.

Eine Bewertung, ob der Beweis zum tatsächlich benötigten elementarisierten akademischen Fachwissen gehört, erfolgt in der Kategorie „Begrenztheiten“. Prinzipiell ist das schwache Gesetz der großen Zahlen den fachwissenschaftlichen Theorien zugeordnet und gehört nicht zur täglichen Praxis von Lehrkräften. Das Verständnis des Satzes kann aber durchaus vorausgesetzt werden. Der Beweis mit seiner recht komplexen Durchführung ist wiederum kein Inhalt der Schulpraxis und wird hier deshalb der akademischen Theorie zugeordnet.

Integration der Bezugssysteme sowie des Umfelds

Hinsichtlich der Integration der Bezugssysteme sowie des Umfelds lässt sich feststellen, dass Lehrkräfte typische Anwendungsfelder kennen müssen. Diese sind (statistische) Physik, Versicherungswesen (z. B. Sterbewahrscheinlichkeiten), Geburtenrate, die Echtheit einer Münze sowie Wahlprognosen. Als Beispiel wurde in Abschnitt 6.2 eine Fragestellung zu Wahlprognosen angegeben.

Lehrkräfte wissen über die historische Genese des schwachen Gesetzes der großen Zahlen, dass Jakob Bernoulli die Aussage des empirischen Gesetzes der großen Zahlen mathematisch präzisiert hat und daraufhin das Bernoullische bzw. schwache Gesetz der großen Zahlen entstand. Sie haben also Wissen über die historische Genese des schwachen Gesetzes der großen Zahlen.

Benötigtes Vorwissen

Bei der Betrachtung des benötigten Vorwissens fällt auf, dass für ein Verständnis des schwachen Gesetzes der großen Zahlen absolute und relative Häufigkeiten, der Aufbau eines Zufallsexperiments, Wahrscheinlichkeiten bei Bernoulli-Ketten der Länge n sowie das Verständnis von (p-) stochastischer Konvergenz benötigt werden.

Für das Verständnis des Beweises werden darüber hinaus Kenntnisse über Zufallsvariablen, Umgang mit Erwartungswert und Varianz, Binomialverteilungen, Kombinatorik sowie die Anwendung der Tschebyscheff-Ungleichung verlangt.

Verschiedene Darstellungsebenen und Grundvorstellungen

Hinsichtlich verschiedener Darstellungsebenen lässt sich resümieren, dass auf enaktiver, ikonischer und symbolischer Ebene Möglichkeiten zur Darstellung des schwachen Gesetzes der großen Zahlen gegeben sind, aber auf symbolischer Ebene die höchste Aussagekraft besteht. Auf enaktiver Ebene lassen sich Zufallsexperimente mit unterschiedlichen Versuchszahlen durchführen, um anschließend das schwache Gesetz der großen Zahlen anwenden zu können. Relative Häufigkeiten von Zufallsexperimenten mit unterschiedlichen Versuchszahlen lassen sich auf ikonischer Ebene mit Tabellen und Diagrammen visualisieren. Auf der symbolisch-sprachlichen Ebene lässt sich das schwache Gesetz der großen Zahlen verbalisieren und auf Beispiele rechnerisch anwenden.

Lehrkräfte haben außerdem folgende Grundvorstellungen entwickelt: Wahrscheinlichkeit als Maß für eine Erwartung, Wahrscheinlichkeit als relative Häufigkeit und Wahrscheinlichkeit als subjektives Vertrauen. Diese sind wichtig, um das schwache Gesetz der großen Zahlen zu verstehen und Wahrscheinlichkeiten mithilfe des schwachen Gesetzes der großen Zahlen einordnen zu können. Darüber hinaus sind folgende Grundvorstellungen nach Bender (1997) relevant:

  • Kombinatorik als Grundvorstellung,

  • Wahrscheinlichkeitsraum als Grundvorstellung (auch wenn ein Wahrscheinlichkeitsraum nicht nötig ist; die Kolmogorov-Axiome gelten dennoch),

  • Zufallsgrößen als Funktion.

Eine weitere Grundvorstellung ist die relative Häufigkeit als Schwankung.

Diese Grundvorstellung ist nicht empirisch nachgewiesen, sondern als Vorschlag anzusehen. Spezifisch zu den Gesetzen der großen Zahlen sind bisher keine Grundvorstellungen bekannt und theoretisch fundiert, sodass hier ein Versuch unternommen wurde, sie spezifisch zu diesem mathematischen Inhalt zu formulieren.

Grundlegende didaktische Konzepte

Lehrkräfte wissen, dass das Konzept der OECD-big idea „data and chance“, bzw. der vorrangigen Leitidee „Daten und Zufall“ zugeordnet wird. Sie wissen außerdem, dass die big ideas von Zufall und Unsicherheit Teil des vorliegenden Konzepts sind.

Hinsichtlich der fundamentalen Ideen sollten Lehrkräfte über Kenntnisse von Zufälligkeit (Fundamentale Idee 1), Ereignisse und Ereignisraum (Fundamentale Idee 2), Kombinatorik (Fundamentale Idee 6), Zufallsvariable (Fundamentale Idee 8), (Stochastische) Konvergenz und Gesetze der großen Zahlen (Fundamentale Idee 9) sowie Stichprobe und Verteilung (Fundamentale Idee 10) verfügen. Als Konsequenz lassen sich aus diesen fundamentalen Ideen weitere nach Borovcnik (1997) nennen (vgl. 2.4):

  • Ausdruck von Informationen über eine unsichere Sache,

  • Verdichtung von Information,

  • Präzision von Information,

  • Repräsentativität partieller Informationen.

Weil die fundamentalen Ideen nach Borovcnik als zusammenfassende Elemente betrachtet werden, werden sie in der weiteren Betrachtung nicht mehr berücksichtigt.

Lehrkräfte verfügen über die folgenden Wahrscheinlichkeitsbegriffe: Einerseits ist der frequentistische Wahrscheinlichkeitsbegriff relevant, weil dieser auf der Wahrscheinlichkeit als relativer Häufigkeit beruht. Bei dieser Bedeutung wird eine Konvergenz der relativen Häufigkeiten angenommen. Andererseits verfügen Lehrkräfte auch über ein Propensity-Konzept, welches als Erweiterung des frequentistischen Wahrscheinlichkeitsbegriffs verstanden wird. Hier sind Wahrscheinlichkeiten theoretische Eigenschaften von Zufallsexperimenten. Das indirekte Messen von Wahrscheinlichkeiten durch relative Häufigkeiten als Annahme, entspricht der Aussage des schwachen Gesetzes der großen Zahlen. Darüber hinaus wird der axiomatische Wahrscheinlichkeitsbegriff benötigt, weil es ein Satz ist, der sich (wenn auch nur implizit) im Wahrscheinlichkeitsraum bewegt.

Zusammenfassung zur Klärung der Relevanz hinsichtlich des schwachen Gesetzes der großen Zahlen

Anzumerken ist, dass bei der Betrachtung des schwachen Gesetzes der großen Zahlen zunächst nur wenige Elemente bzw. Konzepte als nicht relevant erachtet werden, weil eine Reflexion bezüglich der Grenzen in der Kategorie „Begrenztheiten“ erfolgen wird.

Fraglich bleibt, ob beispielsweise der Beweis des schwachen Gesetzes der großen Zahlen relevant für das elementarisierte akademische Wissen von Lehrkräften ist.

In Tabelle 6.2 werden die relevanten Wissensinhalte für Lehrkräfte, angelehnt an die Schritte der Didaktisierung für das schwache Gesetz der großen Zahlen, überblicksartig zusammengefasst dargestellt. Diese Tabelle wird für die Betrachtung der Gemeinsamkeiten und Verschiedenheiten der mathematischen Teilinhalte herangezogen und in der Kategorie „Begrenztheiten“ abschließend bewertet und eingeordnet.

Tabelle 6.2 Mögliche, relevante Wissenselemente für Lehrkräfte hinsichtlich des schwachen Gesetzes der großen Zahlen im Überblick, strukturiert nach den einzelnen Schritten der Didaktisierung

Formulierung von Wissenselementen ausgehend von den Ergebnissen der Didaktisierung hinsichtlich des starken Gesetzes der großen Zahlen

In diesem Abschnitt werden die Konzepte und Elemente rund um das starke Gesetz der großen Zahlen beschrieben, die für Lehrkräfte von Bedeutung sind. Die einzelnen Schritte der Didaktisierung werden mit dem Ziel und der Zielgruppe der didaktisch orientierten Rekonstruktion verglichen.

Mathematischer Kern des Inhalts

Bei der Betrachtung des mathematischen Kerns des Inhalts des starken Gesetzes der großen Zahlen zeigt sich auch hier, dass der Satz mathematisierbar und beweisbar ist. Lehrkräfte wissen also, wie dieser Satz formuliert ist. Sie kennen die Bedeutung von (p-) fast sicherer Konvergenz und können den Beweis des starken Gesetzes der großen Zahlen nachvollziehen.

In der Kategorie „Begrenztheiten“ erfolgt die Bewertung, ob der Beweis zum tatsächlich benötigten elementarisierten akademischen Fachwissen gehört. Prinzipiell ist das starke Gesetz der großen Zahlen den fachwissenschaftlichen Theorien zugeordnet und gehört nicht zur täglichen Praxis von Lehrkräften. Das Verständnis des Satzes kann aber durchaus vorausgesetzt werden. Der Beweis mit einer recht komplexen Durchführung ist wiederum kein Inhalt der Schulpraxis und wird hier deshalb zunächst nur als ein Nachvollziehen können bewertet.

Integration der Bezugssysteme sowie des Umfelds

Hinsichtlich der Integration der Bezugssysteme sowie des Umfelds lässt sich analog zum schwachen Gesetz der großen Zahlen feststellen, dass Lehrkräfte typische Anwendungsfelder kennen müssen. Diese sind (statistische) Physik, Versicherungswesen (z. B. Sterbewahrscheinlichkeiten), Geburtenraten, die Echtheit einer Münze sowie Wahlprognosen.

Über die historische Genese des schwachen Gesetzes der großen Zahlen wissen Lehrkräfte, dass dieser zunächst von Emile Borel formuliert und von Paolo Cantelli verallgemeinert wurde. Der Begriff „stark“ fällt auf Aleksandr Jakowlewitsch Chintischin im Jahr 1928 zurück.

Benötigtes Vorwissen

Bei der Betrachtung des benötigten Vorwissens fällt auf, dass für ein Verständnis des starken Gesetzes der großen Zahlen Kenntnisse zu absoluten und relativen Häufigkeiten, Zufallsexperimenten, (diskreten) Wahrscheinlichkeitsräumen, (unkorrelierten) Zufallsvariablen, Varianz und Kovarianz sowie p-fast sicherer Konvergenz benötigt werden.

Für das Verständnis des Beweises werden darüber hinaus Kenntnisse der Rechenregeln von Varianz und Kovarianz, der Anwendung der Tschebyscheff-Ungleichung, der Anwendung des Satzes von Borel-Cantelli, über den klassischen Konvergenzbegriff, die De Morganschen Regeln, das Aufsummieren in Summen, Summen und Summenregeln verlangt.

Verschiedene Darstellungsebenen und Grundvorstellungen

Hinsichtlich verschiedener Darstellungsebenen lässt sich resümieren, dass es auf enaktiver, ikonischer und symbolischer Ebene Möglichkeiten zur Darstellung des starken Gesetzes der großen Zahlen gibt. Auf symbolischer Ebene hat dieser Satz die höchste Aussagekraft, weil die Berechnungen mit dem Satz auf dieser Ebene stattfinden. Auf enaktiver Ebene lassen sich Zufallsexperimente mit unterschiedlichen Versuchszahlen durchführen, um anschließend das starke Gesetz der großen Zahlen anwenden zu können. Relative Häufigkeiten von Zufallsexperimenten mit unterschiedlichen Versuchszahlen lassen sich auf ikonischer Ebene mit Tabellen und Diagrammen visualisieren. Auf der symbolisch-sprachlichen Ebene lässt sich das starke Gesetz der großen Zahlen verbalisieren und auf Beispiele rechnerisch anwenden.

Wie schon für das schwache Gesetz der großen Zahlen haben Lehrkräfte folgende Grundvorstellungen entwickelt: Wahrscheinlichkeit als Maß für eine Erwartung, Wahrscheinlichkeit als relative Häufigkeit und Wahrscheinlichkeit als subjektives Vertrauen. Diese sind wichtig, um das starke Gesetz der großen Zahlen zu verstehen und Wahrscheinlichkeiten mithilfe des starken Gesetzes der großen Zahlen einordnen zu können. Ersteres basiert auf der Grundvorstellung Wahrscheinlichkeit als relative Häufigkeiten, Letzteres auf der Grundvorstellung Wahrscheinlichkeit als subjektives Vertrauen. Analog zum schwachen Gesetz der großen Zahlen sind folgende Grundvorstellungen nach Bender (1997) relevant:

  • Kombinatorik als Grundvorstellung,

  • Wahrscheinlichkeitsraum als Grundvorstellung,

  • Zufallsgrößen als Funktion.

Eine weitere Grundvorstellung ist die relative Häufigkeit als Schwankung mit einer stärkeren Aussage gegenüber des schwachen Gesetzes der großen Zahlen. Die Aussage dahinter könnte Folgende sein: Die relative Häufigkeit schwankt fast nicht mehr.

Grundlegende didaktische Konzepte

Lehrkräfte wissen, dass das Konzept der OECD-big idea „data and chance“, bzw. der vorrangigen Leitidee „Daten und Zufall“ zugeordnet wird. Außerdem wissen sie, dass die big ideas von „Zufall und Unsicherheit“ Teil des vorliegenden Konzepts sind.

Hinsichtlich der fundamentalen Ideen sollten Lehrkräfte über Kenntnisse von Zufälligkeit (Fundamentale Idee 1), Ereignisse und Ereignisraum (Fundamentale Idee 2), Kombinatorik (Fundamentale Idee 6), Zufallsvariable (Fundamentale Idee 8), (Stochastische) Konvergenz und Gesetze der großen Zahlen (Fundamentale Idee 9) sowie Stichprobe und Verteilung (Fundamentale Idee 10) verfügen. Als Konsequenz lassen sich aus diesen fundamentalen Ideen weitere fundamentale Ideen nach Borovcnik (1997) nennen (vgl. Abschnitt 2.4):

  • Ausdruck von Informationen über eine unsichere Sache,

  • Verdichtung von Information,

  • Präzision von Information

  • Repräsentativität partieller Informationen.

Weil die fundamentalen Ideen nach Borovcnik als zusammenfassende Elemente betrachtet werden, werden sie in der weiteren Betrachtung nicht mehr berücksichtigt.

Wie schon beim schwachen Gesetz der großen Zahlen verfügen Lehrkräfte über folgende Wahrscheinlichkeitsbegriffe: Für Lehrkräfte relevant ist der frequentistische Wahrscheinlichkeitsbegriff, weil dieser auf der Wahrscheinlichkeit als relativer Häufigkeit beruht. Hierbei kennen sie die p-fast sichere Konvergenz der relativen Häufigkeiten. Andererseits verfügen Lehrkräfte auch über ein Propensity-Konzept, welches als Erweiterung des frequentistischen Wahrscheinlichkeitsbegriffs verstanden wird, weil Wahrscheinlichkeiten theoretische Eigenschaften von Zufallsexperimenten sind. Die indirekte Messung von Wahrscheinlichkeiten durch die relativen Häufigkeiten entspricht wiederum der Aussage des starken Gesetzes der großen Zahlen. Außerdem wird der axiomatische Wahrscheinlichkeitsbegriff benötigt, weil er ein Satz ist, der sich im Wahrscheinlichkeitsraum bewegt.

Zusammenfassung zur Klärung der Relevanz hinsichtlich des starken Gesetzes der großen Zahlen

Anzumerken ist, dass bei der Betrachtung des starken Gesetzes der großen Zahlen zunächst nur wenige Elemente bzw. Konzepte als nicht relevant erachtet werden, weil eine Reflexion bezüglich der Grenzen in der Kategorie „Begrenztheiten“ erfolgen wird. Als strengere Aussage des schwachen Gesetzes der großen Zahlen findet das starke Gesetz der großen Zahlen keine Anwendung in der Schule.

Im weiteren Verlauf wird analysiert, ob beispielsweise der Beweis des starken Gesetzes der großen Zahlen relevant für das elementarisierte akademische Wissen von Lehrkräften ist.

In Tabelle 6.3 werden die relevanten Wissensinhalte für Lehrkräfte, angelehnt an die Schritte der Didaktisierung für das starke Gesetz der großen Zahlen überblicksartig zusammengefasst dargestellt. Diese werden für die Gemeinsamkeiten und Verschiedenheiten der mathematischen Teilinhalte herangezogen und in der Kategorie „Begrenztheiten“ abschließend bewertet und eingeordnet.

Tabelle 6.3 Mögliche, relevante Wissenselemente für Lehrkräfte hinsichtlich des starken Gesetzes der großen Zahlen im Überblick, strukturiert nach den einzelnen Schritten der Didaktisierung

Gemeinsamkeiten und Verschiedenheiten

In diesem Abschnitt werden Gemeinsamkeiten und Verschiedenheiten nach den einzelnen Schritten der Didaktisierung analysiert. Der Vergleich der Gemeinsamkeiten und Verschiedenheiten kann auch separat betrachtet werden. Da es aber die gleichen zu betrachtenden Themenbereiche sind, werden die Ergebnisse des Vergleichs zusammengefasst. Dabei werden die Ergebnisse aus der Klärung der Relevanz des empirischen Gesetzes der großen Zahlen, des schwachen Gesetzes der großen Zahlen und des starken Gesetzes der großen Zahlen gegenübergestellt und unter Rücksichtnahme des Ziels und der Zielgruppen verglichen. Begonnen wird mit dem Kern des Inhalts, dann werden die Integration der Bezugssysteme, das benötigte Vorwissen, die verschiedenen Darstellungsebenen und Grundvorstellungen und die grundlegenden didaktischen Konzepte dargestellt. Der Vergleich hat das Ziel, verbindende Ideen und dadurch auch vernetzende Wissenselemente zu identifizieren, die für die Strukturierung im weiteren Verlauf hilfreich sein werden. Diese verbindenden Ideen und vernetzenden Wissenselemente werden im folgenden am Schluss dargestellt.

Im Anschluss werden die Ergebnisse der Kategorie „Klärung der Relevanz“ sowie die „Gemeinsamkeiten“ und „Verschiedenheiten“ in der Kategorie „Begrenztheiten“ bewertet.

Gemeinsamkeiten und Verschiedenheiten im Schritt „Kern des Inhalts“

Im Teilprozess Didaktisierung konnten allen drei mathematischen Teilbereichen Elemente bei dem Kern des Inhalts zugeordnet werden. Für die grundlegenden didaktischen Konzepte werden in allen drei Teilbereichen Elemente erfasst, welche für diesen Vergleich genutzt werden. In der Klärung der Relevanz wurde die Frage aufgeworfen, ob gewisse Anteile des mathematischen Kerns des Inhalts vom schwachen sowie starken Gesetz der großen Zahlen tatsächlich relevant für das elementarisierte akademische Fachwissen von Lehrkräften sind. Diese werden in den Kategorien „Gemeinsamkeiten“ und „Verschiedenheiten“ zunächst mit betrachtet.

In Tabelle 6.4 sind die Ergebnisse aus dieser Kategorie aufgeführt, um den Vergleich innerhalb des Schritts „Mathematischer Kern des Inhalts“ durchführen zu können. Diese Tabelle dient der besseren Übersichtlichkeit und fasst die Ergebnisse aus der Klärung der Relevanz für die einzelnen mathematischen Teilbereiche zusammen und stellt sie einander gegenüber. Zunächst werden die Gemeinsamkeiten dargestellt und anschließend die Verschiedenheiten.

Tabelle 6.4 Übersicht der Ergebnisse der Klärung der Relevanz im Schritt „Kern des Inhalts“ der Didaktisierung

Gemeinsamkeiten

Alle hier betrachteten Gesetze der großen Zahlen beschreiben eine Stabilisierung bei steigender Versuchszahl. Dabei ist der Grad der Aussagekraft unterschiedlich. Beim empirischen Gesetz der großen Zahlen ist nur eine „naive“ Vorstellung zur Stabilisierung vonnöten, weil es sich um eine Erfahrungstatsache handelt. Durch die Nutzung der stochastischen Konvergenz beim schwachen Gesetz der großen Zahlen können Aussagen hinsichtlich des Verbleibs von Wahrscheinlichkeiten innerhalb eines \(\epsilon \)-Schlauchs getroffen werden. Im starken Gesetz der großen Zahlen gibt es nahezu keine Ausreißer mehr. Die Sicherheit, inwieweit sich relative Häufigkeiten stabilisieren, ist also unterschiedlich.

Im Gegensatz zum empirischen Gesetz der großen Zahlen sind das schwache und starke Gesetz der großen Zahlen mathematisierbar und nutzen beide Begriffe einer stochastischen Konvergenz, da p-fast sichere Konvergenz auch stochastische Konvergenz impliziert.

Sie sind beide beweisbar und in ihren Beweisen, die in dieser Arbeit abgebildet wurden, wird die Tschebyscheff-Ungleichung sowie die Varianz genutzt.

Verschiedenheiten

Bei der Betrachtung der Verschiedenheiten der drei Konzepte fallen die unterschiedlichen Konvergenzkonzepte auf. Beim empirischen Gesetz der großen Zahlen gibt es aufgrund der fehlenden Mathematisierbarkeit keinen Konvergenzbegriff, sondern nur eine „beobachtbare“ Stabilisierung. Im schwachen Gesetz der großen Zahlen wird die stochastische Konvergenz und im starken Gesetz der großen Zahlen die p-fast sichere Konvergenz genutzt. Beide unterscheiden sich vom analytischen Konvergenzbegriff.

Die mathematische Strenge im Sinne einer axiomatischen Vorgehensweise ist im Gegensatz zum empirischen Gesetz der großen Zahlen bei dem schwachen und starken Gesetz der großen Zahlen gegeben. Durch die axiomatische Vorgehensweise sind diese beiden Sätze auch beweisbar.

Die mathematische Aussagekraft ist bei allen drei Gesetzen der großen Zahlen eine andere und verstärkt sich. Während das Naturgesetz bei dem empirischen Gesetz der großen Zahlen im Vordergrund stand, wird mithilfe des schwachen Gesetzes der großen Zahlen eine Aussage getätigt, mit welcher Wahrscheinlichkeit die relativen Häufigkeiten gegen den Grenzwert konvergieren. Das starke Gesetz der großen Zahlen wiederum besagt, dass die relativen Häufigkeiten fast sicher gegen den Grenzwert konvergieren und es hat damit die höchste Aussagekraft.

Auch bei den Beweisen der drei Gesetze der großen Zahlen zeigen sich Verschiedenheiten. Einerseits ist das empirische Gesetz nicht beweisbar, die anderen beiden schon. Das schwache Gesetz der großen Zahlen lässt sich mit vergleichbar wenigen „Hürden“ mithilfe der Tschebyscheff-Ungleichung beweisen. Das starke Gesetz der großen Zahlen zeigt eine komplexere Beweisführung auf, die den Satz von Borel-Cantelli, einen klassischen Konvergenzbegriff, die De Morganschen Regeln und den Umgang mit Summen nutzt.

Gemeinsamkeiten und Verschiedenheiten im Schritt „Integration der Bezugssysteme“

Im Teilprozess Didaktisierung konnten allen drei mathematischen Teilbereichen Elemente bei der Integration der Bezugssysteme zugeordnet werden. Für die grundlegenden didaktischen Konzepte werden in allen drei Teilbereichen Elemente erfasst, welche für diesen Vergleich genutzt werden.

In Tabelle 6.5 sind die Ergebnisse aus dieser Kategorie aufgeführt, um den Vergleich innerhalb des Schritts „Integration der Bezugssysteme“ durchführen zu können. Diese Tabelle dient der besseren Übersichtlichkeit und fasst die Ergebnisse aus der Klärung der Relevanz für die einzelnen mathematischen Teilbereiche zusammen und stellt sie gegenüber. Zunächst werden die Gemeinsamkeiten dargestellt und anschließend die Verschiedenheiten.

Tabelle 6.5 Übersicht der Ergebnisse der Klärung der Relevanz im Schritt „Integration der Bezugssysteme“ der Didaktisierung

Gemeinsamkeiten

Beim Vergleich der Integration der Bezugssysteme fallen gleiche Anwendungsfelder auf. Die hier betrachteten Gesetze der großen Zahlen lassen sich auf die gleichen Experimente anwenden. Die Aussagen, die aus der Anwendung der jeweiligen Gesetze der großen Zahlen resultieren, variieren hinsichtlich ihrer Relevanz.

Bei der historischen Genese wird klar, dass sie nicht zur selben Zeit entwickelt wurden, da sie zum Teil aufeinander aufbauen. Das schwache Gesetz der großen Zahlen ist eine mathematische Präzisierung des empirisches Gesetzes der großen Zahlen und das starke Gesetz der großen Zahlen verwendet die Idee des schwachen Gesetzes der großen Zahlen.

Verschiedenheiten

Wie schon bei den Gemeinsamkeiten dargestellt, sind die Anwendungsfelder gleich, doch die Anwendung der Gesetze der großen Zahlen zeigen unterschiedlich starke Aussagen auf. Während das empirische Gesetz der großen Zahlen nur eine Beobachtung widerspiegelt, die auf ein Experiment angewendet werden kann, zeigt das schwache Gesetz der großen Zahlen eine stochastische Konvergenz und das starke Gesetz der großen Zahlen eine fast sichere Konvergenz.

Bei der historischen Genese fällt auf, dass die Entwicklung der Gesetze der großen Zahlen nahezu linear verläuft. Dies kann als klassisches Beispiel gesehen werden, wie die historische Genese in der (Fach-) Mathematik verlaufen kann. Das empirische Gesetz der großen Zahlen als Erfahrungstatsache konnte damals nicht bewiesen werden. Bernoulli wies eine mathematische Präzisierung des empirischen Gesetzes der großen Zahlen durch die Verwendung von Bernoulli-Ketten der Länge n nach. Zu Lebzeiten Bernoullis existierten die Kolmogorov-Axiome nicht. Emile Borel und Paolo Cantelli bewiesen das starke Gesetz der großen Zahlen rund 200 Jahre nach dem Auftreten des schwachen Gesetzes der großen Zahlen.

Gemeinsamkeiten und Verschiedenheiten im Schritt „Benötigtes Vorwissen“

Im Teilprozess Didaktisierung konnten allen drei mathematischen Teilbereichen Elemente des benötigten Vorwissens zugeordnet werden. Für die grundlegenden didaktischen Konzepte werden in allen drei Teilbereichen Elemente erfasst, welche für diesen Vergleich genutzt werden.

In Tabelle 6.6 sind die Ergebnisse aus dieser Kategorie aufgeführt, um den Vergleich innerhalb des Schritts „Benötigtes Vorwissen“ durchführen zu können. Diese Tabelle dient der besseren Übersichtlichkeit und fasst die Ergebnisse aus der Klärung der Relevanz für die einzelnen mathematischen Teilbereiche zusammen und stellt sie gegenüber. Zunächst werden die Gemeinsamkeiten dargestellt und anschließend die Verschiedenheiten.

Tabelle 6.6 Übersicht der Ergebnisse der Klärung der Relevanz im Schritt „Benötigtes Vorwissen“ der Didaktisierung

Gemeinsamkeiten

Gemeinsame Elemente im benötigten Vorwissen der drei hier betrachteten Gesetze der großen Zahlen sind die absoluten und relativen Häufigkeiten sowie Kenntnisse über den Aufbau eines Zufallsexperiments. Die relativen Häufigkeiten sind das zentrale Element und absolute Häufigkeiten sind Bestandteil von relativen Häufigkeiten. Der Aufbau eines Zufallsexperiments ist eine weitere Gemeinsamkeit, weil diese den Kontext geben für lange Versuchsreihen und relative Häufigkeiten. Beim schwachen sowie starken Gesetz der großen Zahlen ist aufgrund einer indirekten bzw. direkten axiomatischen Vorgehensweise erforderlich, dass Lehrkräfte das Konzept von Wahrscheinlichkeitsräumen kennen.

Bei der Betrachtung des benötigten Vorwissens für die Beweisführung vom schwachen und starken Gesetzes der großen Zahlen fällt auf, dass in Beiden Varianzen sowie die Tschebyscheff-Ungleichung genutzt werden. Weitere Gemeinsamkeiten hinsichtlich des benötigten Vorwissens für die Beweisführung sind nicht ersichtlich.

Verschiedenheiten

Da das benötigte Vorwissen des empirischen Gesetzes der großen Zahlen auch für das Verständnis der anderen hier betrachteten Gesetze der großen Zahlen genutzt wird, wird sich hier auf die Unterschiede zwischen dem schwachen und starken Gesetz der großen Zahlen beschränkt. Bei diesen zeigen sich Verschiedenheiten zwischen den unterschiedlichen Gesetzen der großen Zahlen.

Für das Verständnis des schwachen Gesetzes der großen Zahlen werden darüber hinaus Wahrscheinlichkeiten bei Bernoulli-Ketten der Länge n sowie die stochastische Konvergenz benötigt. Das starke Gesetz der großen Zahlen setzt wiederum diskrete Wahrscheinlichkeitsräume, (unkorrelierte) Zufallsvariablen, Varianz und Kovarianz sowie fast sichere Konvergenz. Damit wird für Letzteres mehr und komplexeres Vorwissen benötigt. Dies zeigt sich auch in dem benötigten Vorwissen für die Beweisführung. Beim schwachen Gesetz der großen Zahlen brauchen Lehrkräfte Wissen über Binomialverteilungen und Kombinatorik und müssen die Tschebyscheff-Ungleichung anwenden können. Letzteres ist auch vorauszusetzendes Vorwissen beim starken Gesetz der großen Zahlen. Darüber hinaus werden Rechenregeln von Varianz, Kovarianz, die Anwendung des Satzes von Borel-Cantelli, der klassische Konvergenzbegriff, die De Morganschen Regeln, das Aufsummieren in Summen, Summen sowie Summenregeln benötigt.

Gemeinsamkeiten und Verschiedenheiten im Schritt „Verschiedene Darstellungsebenen und Grundvorstellungen“

Im Teilprozess Didaktisierung konnten allen drei mathematischen Teilbereichen Elemente der verschiedenen Darstellungsebenen und Grundvorstellungen zugeordnet werden. Für die grundlegenden didaktischen Konzepte werden in allen drei Teilbereichen Elemente erfasst, welche für diesen Vergleich genutzt werden.

In Tabelle 6.7 sind die Ergebnisse aus dieser Kategorie aufgeführt, um den Vergleich innerhalb des Schritts „Verschiedene Darstellungsebenen und Grundvorstellungen“ führen zu können. Diese Tabelle dient der besseren Übersichtlichkeit und fasst die Ergebnisse aus der Klärung der Relevanz für die einzelnen mathematischen Teilbereiche zusammen und stellt sie gegenüber. Zunächst werden die Gemeinsamkeiten dargestellt und anschließend die Verschiedenheiten.

Tabelle 6.7 Übersicht der Ergebnisse der Klärung der Relevanz im Schritt „Verschiedene Darstellungsebenen und Grundvorstellungen“ der Didaktisierung

Gemeinsamkeiten bei den verschiedenen Darstellungsebenen

Bei der Betrachtung der drei Gesetze der großen Zahlen hinsichtlich der verschiedenen Darstellungsebenen zeigen sich Möglichkeiten der Durchführung von Zufallsexperimenten (beispielsweise mit einer Münze) auf enaktiver, also handelnder Ebene. Auf ikonischer Ebene können relative Häufigkeiten von Zufallsexperimenten mit unterschiedlichen Versuchszahlen mit Tabellen und Diagrammen visualisiert werden. Auf symbolischer Ebene können alle Gesetze der großen Zahlen verbalisiert werden. Beim schwachen sowie starken Gesetz der großen Zahlen können diese auf symbolischer Ebene angewendet werden, indem konkrete Beispiele berechnet und damit Aussagen über die Wahrscheinlichkeit getätigt werden können.

Verschiedenheiten bei den unterschiedlichen Darstellungsebenen

Verschiedenheiten ergeben sich im Detail der einzelnen Gesetze der großen Zahlen. Die fehlende Beweisbarkeit des empirischen Gesetzes der großen Zahlen hat Auswirkungen auf ikonischer und symbolischer Ebene. Einerseits kann auf ikonischer Ebene visualisiert werden, dass das empirische Gesetz nicht beweisbar ist (s. 6.3). Auf symbolischer Ebene kann außerdem begründet werden, warum das empirische Gesetz der großen Zahlen nicht beweisbar ist. Die angeführten Anwendungen des schwachen und starken Gesetzes der großen Zahlen lassen sich nicht auf das empirische Gesetz der großen Zahlen übertragen, da sich jenes nicht mit einem mathematischen Sachverhalt äußern lässt.

Gemeinsamkeiten in den Grundvorstellungen

Folgende Grundvorstellungen sollten Lehrkräfte hinsichtlich der drei Gesetze der großen Zahlen entwickelt haben:

  • Wahrscheinlichkeit als Maß für eine Erwartung,

  • Wahrscheinlickeit als relative Häufigkeit,

  • Wahrscheinlichkeit als subjektives Vertrauen.

Für das schwache Gesetz der großen Zahlen und das starke Gesetz der großen Zahlen werden des Weiteren die Grundvorstellungen Kombinatorik, Zufallsgrößen als Funktion und Relative Häufigkeiten als Schwankung benötigt, aber bezüglich letzterem in einem anderen Ausprägungsgrad, welcher im nächsten Abschnitt behandelt wird.

Verschiedenheiten in den Grundvorstellungen

Es ergeben sich auch hier Verschiedenheiten bei der Betrachtung der entwickelten Grundvorstellungen zu den einzelnen Teilbereichen. Diese gehören auch zu der in dieser Arbeit vorgeschlagenen Grundvorstellung, da zu diesem Thema keine weiteren Grundvorstellungen formuliert wurden.

Für das schwache und starke Gesetz der großen Zahlen kommt die Grundvorstellung Relative Häufigkeit als Schwankung hinzu. Wie in Abschnitt 6.2 erläutert, wird diese Grundvorstellung vorgeschlagen, um der Abnahme der Variation bzw. Streuung der relativen Häufigkeit bei steigender Versuchszahl gerecht zu werden. Dabei besagt das schwache Gesetz der großen Zahlen, dass die Streuung abnimmt und es nur noch wenige Ausreißer gibt. Das starke Gesetz der großen Zahlen besagt, dass Ausreißer kaum noch vorkommen. Dieser Trichtergedanke kann also als Grundvorstellung für das Verständnis dieser beiden mathematischen Konzepte unterstützen. Auch bei der Grundvorstellung Wahrscheinlichkeitsraum ist eine unterschiedliche Ausprägung erkennbar. Beim schwachen Gesetz der großen Zahlen wird diese Grundvorstellung implizit und beim starken Gesetz der großen Zahlen explizit benötigt (vgl. 6.3).

Gemeinsamkeiten und Verschiedenheiten im Schritt „Grundlegende didaktische Konzepte“

Im Teilprozess Didaktisierung konnten allen drei mathematischen Teilbereichen Elemente der grundlegenden didaktischen Konzepte zugeordnet werden. Für die grundlegenden didaktischen Konzepte werden in allen drei Teilbereichen Elemente erfasst, welche für diesen Vergleich genutzt werden.

In Tabelle 6.8 sind die Ergebnisse aus dieser Kategorie aufgeführt, um den Vergleich innerhalb des Schritts „Grundlegende didaktische Konzepte“ durchführen zu können. Diese Tabelle dient der besseren Übersichtlichkeit und fasst die Ergebnisse aus der Klärung der Relevanz für die einzelnen mathematischen Teilbereiche zusammen und stellt sie gegenüber. Zunächst werden die Gemeinsamkeiten dargestellt und anschließend die Verschiedenheiten.

Tabelle 6.8 Übersicht der Ergebnisse der Klärung der Relevanz im Schritt „Grundlegende didaktische Konzepte“ der Didaktisierung

Gemeinsamkeiten bezüglich der OECD-big ideas von OECD (2019) und Gal sowie der vorrangigen Leitidee

Die Gemeinsamkeiten überwiegen hinsichtlich der OECD-big ideas und der vorrangigen Leitidee. In allen hier betrachteten drei Gesetzen der großen Zahlen sollten Lehrkräfte über die Zuordnungen zu diesen wissen. Insbesondere die big ideas nach Gal zeigen die Verbindung zu den Begriffen des Zufalls und der Unsicherheit. Diese beiden Konzepte sind zentral für das Themengebiet der Stochastik und letzteres gilt es, mit den Gesetzen der großen Zahlen zu thematisieren.

Verschiedenheiten bezüglich der OECD-big ideas, von Gal sowie der vorrangigen Leitidee

Unterschiede gibt es primär in der Betrachtung der Unsicherheit und der entsprechenden Aussagekraft der Gesetze der großen Zahlen, um die Unsicherheit zu thematisieren. Das schwache Gesetz der großen Zahlen zeigt eine geringere als das empirische Gesetz der großen Zahlen, doch auch hier können lange 6er-Reihen bei Würfelwürfen auftreten. Dies unterstützt das Konzept der Unsicherheit in der Wahrscheinlichkeitsrechnung. Beim starken Gesetz der großen Zahlen wird von einer fast sicheren Wahrscheinlichkeit der Stabilisierung der relativen Häufigkeiten gesprochen. Aber auch hier spielt durch das „fast sicher“ die Unsicherheit von Zufallsexperimenten eine Rolle.

Gemeinsamkeiten hinsichtlich fundamentaler Ideen

Lehrkräfte verfügen über Kenntnisse, die den fundamentalen Ideen der Zufälligkeit (Fundamentale Idee 1) und der (stochastischen) Konvergenz und Gesetze der großen Zahlen (Fundamentale Idee 9) entsprechen.

Verschiedenheiten hinsichtlich fundamentaler Ideen

Bei der Betrachtung der Verschiedenheiten hinsichtlich fundamentaler Ideen fällt auf, dass je nach mathematischem Komplexitätsgrad mehr fundamentale Ideen hinzukommen. Das schwache und starke Gesetz der großen Zahlen setzt Kenntnisse voraus, die den folgenden fundamentalen Ideen entsprechen:

  • Fundamentale Idee 2: Ereignis und Ereignisraum

  • Fundamentale Idee 6: Kombinatorik

  • Fundamentale Idee 8: Zufallsvariable

  • Fundamentale Idee 10: Stichprobe und Verteilung

Gemeinsamkeiten hinsichtlich der Wahrscheinlichkeitsbegriffe

Alle Gesetze der großen Zahlen setzen den frequentistischen Wahrscheinlichkeitsbegriff und das Propensity-Konzept voraus.

Verschiedenheiten hinsichtlich der Wahrscheinlichkeitsbegriffe

Für das Verständnis des schwachen und starken Gesetzes der großen Zahlen sollten Lehrkräfte über den axiomatischen Wahrscheinlichkeitsbegriff verfügen, welches für das empirische Gesetz der großen Zahlen nicht nötig ist.

Übersicht der Gemeinsamkeiten und Verschiedenheiten

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass es zu jedem Teilschritt der Didaktisierung Gemeinsamkeiten und Verschiedenheiten zwischen den drei Gesetzen der großen Zahlen gibt. Das empirische, schwache und starke Gesetz der großen Zahlen ist verbunden durch vernetzende Wissenselemente, die in diesem Abschnitt beschrieben wurden und in der Tabelle 6.9 zusammenfassend dargestellt sind. Nicht nur vernetzende Wissenselemente sind generiert worden, sondern auch vernetzende Ideen bzw. Themen konnten zusammengetragen werden. Diese werden nun erläutert.

Tabelle 6.9 Mögliche vernetzende Wissenselemente für Lehrkräfte als Resümee aus dem Vergleich des empirischen (EmpGGZ), schwachen (SchwGGZ) und starken (StarkGGZ) Gesetzes der großen Zahlen, strukturiert nach den einzelnen Schritten der Didaktisierung

In Abbildung 6.4 werden die oben beschriebenen Gemeinsamkeiten und Unterschiede graphisch dargestellt. Dies ist eine exemplarische Darstellung und erhebt kein Anspruch auf Vollständigkeit. Die Abbildung umfasst spaltenweise die hier behandelten Gesetze der großen Zahlen und zeilenweise die Schritte der Didaktisierung. Vernetzende Ideen sind in Rechtecken dargestellt und beinhalten eine Beschreibung. Wenn das Rechteck grau hinterlegt ist, dann zeigen die Gesetze der großen Zahlen Unterschiede in Bezug auf die vernetzende Idee auf und sind dadurch verbunden. Ein weißer Hintergrund weist auf Gemeinsamkeiten hin.

Auffallend sind die vielen Gemeinsamkeiten zwischen dem schwachen und starken Gesetz der großen Zahlen, insbesondere im mathematischen Kern des Inhalts und beim benötigten Vorwissen. Das kann an dem fehlenden mathematischen Sachverhalt beim empirischen Gesetz der großen Zahlen liegen, welches eine Erfahrungstatsache ist. Im anschließenden Abschnitt werden die bisher behandelten Wissenselemente jeweils einer Wissensdimension und Wissensart zugeordnet, um anschließend Wissensnetze exemplarisch aufzuzeigen. Bei diesen Wissensnetzen werden die vernetzenden Ideen und die hier ausdifferenzierten Wissenselemente genutzt, um Wissenselemente zu strukturieren und Elemente miteinander zu verbinden.

Abbildung 6.4
figure 4

Überblick über Gemeinsamkeiten und Verschiedenheiten: Die Elemente mit weißem Hintergrund und schwarzer Umrandung indizieren Gemeinsamkeiten zweier oder aller Gesetze der großen Zahlen. Ein grauer Hintergrund weist auf Verschiedenheiten hin. Es besteht hier kein Anspruch auf Vollständigkeit

Begrenztheiten

In diesem Abschnitt werden die bisher gewonnenen Erkenntnisse hinsichtlich ihrer Einsatzmöglichkeiten und ihrer Grenzen diskutiert. Dafür werden die in Kapitel 4 aufgeführten Wissensdimensionen und Wissensarten für eine Zuordnung genutzt. Eine Reflexion erfolgt anhand folgender Leitfragen:

  • Welche Einsatzmöglichkeiten mit den Ausprägungen Schulfachwissen, schulbezogenes Fachwissen und akademisches Fachwissen können den Konzepten bzw. Elementen zugeordnet werden?

  • Welche Wissensarten können den Konzepten bzw. Elementen zugeordnet werden?

  • Welche Grenzen sind erkennbar?

Für die Wissensdimensionen werden die in Kapitel 4 aufgezeigten Ausprägungen in der folgenden Tabelle 6.10 dargestellt.

Tabelle 6.10 Ausdifferenzierung der unterschiedlichen Wissensdimensionen

Die zuvor formulierten Wissenselemente werden also in einem ersten Schritt den Wissensdimensionen und anschließend einer Wissensart zugeordnet. Die hier genutzten Wissensarten sind die nach Neuweg (2011) und in Tabelle 6.11 zu finden.

Tabelle 6.11 Ausdifferenzierung der Wissensarten von Lehrkräften
Tabelle 6.12 Übersicht über die Ergebnisse der Kategorie der Begrenztheiten

Im Anschluss an die Zuordnung werden exemplarisch Wissensnetze aufgezeigt, indem die Wissenselemente zu den einzelnen Gesetzen der großen Zahlen durch die vernetzenden Ideen und Wissenselemente aus der Kategorie „Gemeinsamkeiten und Verschiedenheiten“ aus Abschnitt 6.3 verbunden werden. Die Arbeit hat nicht den Anspruch, alle Wissenselemente miteinander zu vernetzen. Es sollen exemplarisch Wissensnetze und dadurch Begrenztheiten aufgezeigt werden. Die Vorgehensweise ist also wie folgt: Einzelne Wissenselemente werden mithilfe von vernetzenden Wissenselementen miteinander verbunden. Unter Berücksichtigung der Einsatzmöglichkeiten und Wissensarten soll dahingehend reflektiert werden, welche der Wissenselemente in diesem Wissensnetz für ein fundiertes Fachwissen im Bereich Wahrscheinlichkeitsrechnung benötigt werden.

Darstellung der Einsatzmöglichkeiten bzw. Wissensdimensionen und Wissensarten

Die oben beschriebene Vorgehensweise wird nun für die exemplarische Darstellung der Begrenztheiten im Gebiet Wahrscheinlichkeitsrechnung auf das Beispiel der Gesetze der großen Zahlen in diesem Teilabschnitt angewendet. Die explizierten Wissensdimensionen und Wissensarten werden nun auf die einzelnen Wissenselemente angewendet. Die Ergebnisse sind in Tabelle 6.12 dargestellt. Dabei wird bei einer Zuordnung zum Objektwissen nicht weiter in deklaratives und prozedurales Wissen ausdifferenziert, weil dies nicht immer trennscharf zu beurteilen ist. Im Folgenden werden beispielhaft einzelne Einordnungen von Wissenselementen zu den Wissensdimensionen und -arten beschrieben und begründet.

Wie in Tabelle 6.12 dargestellt, werden die einzelnen Wissenselemente den Einsatzmöglichkeiten und den Wissensarten zugeordnet. Die Tabelle ist nach den Gesetzen der großen Zahlen und vernetzenden Wissenselementen sortiert. Pro Zeile sind ein Wissenselement und dessen Zuordnung zu Wissensdimensionen und Wissensarten gelistet.

Diese Zuordnungen werden im Folgenden beispielhaft aufgezeigt. Dabei wird auf die Nummer des Wissenselements verwiesen, das Wissenselement und seine Zuordnungen kurz genannt und im Anschluss begründet. Die dargestellten Elemente können als ausgewählte Beispiele bezeichnet werden, weil diese exemplarisch für weitere Beispiele stehen. Dabei werden die Beispiele permutiert nach Wissensdimension und Wissensart.

Nr. 1: Wissen über die Stabilisierung der relativen Häufigkeiten eines beobachteten Ereignisses mit wachsender Versuchszahl (Schulfachwissen – Objektwissen)

Dieses Wissenselement wurde dem Schulfachwissen zugeordnet, weil sich das empirische Gesetz der großen Zahlen zumindestens indirekt in den Bildungsstandards wiederfinden lässt, und es also den Kriterien der Kategorie Schulfachwissen entspricht. Dieses Wissenselement ist Objektwissen, da es sich um Wissen zu den Inhalten handelt und Fakten umfasst.

Nr. 23: Kennen den frequentistischen Wahrscheinlichkeitsbegriff (Schulfachwissen – Metawissen

Somit wird Kennen des frequentistischen Wahrscheinlichkeitsbegriffs dem Schulfachwissen zugeordnet. Der frequentistische Wahrscheinlichkeitsbegriff beschreibt das Phänomen einer Konvergenz relativer Häufigkeiten. Dieses Konzept wird in der Schule vermittelt. Es ist außerdem Metawissen, weil dieser Wahrscheinlichkeitsbegriff auch Wissen über eine a posteriori-Bestimmung beschreibt, also in die Methodologie der Mathematik einzuordnen ist.

Nr: 25: Wissen über die Existenz vom schwachen Gesetz der großen Zahlen (Schulbezogenes Fachwissen – Objektwissen)

Im Gegensatz zu den Wissenselementen Nummer 1 und Nummer 22 lässt sich dieses Wissenselement in das schulbezogene Fachwissen einordnen, weil es einerseits über das Schulfachwissen hinausgeht und andererseits ein Verbindungsglied zum akademischen Fachwissen ist. Es ist Objektwissen, weil es den Fakt der Existenz beschreibt.

Nr. 7/32/71: Kenntnisse über historische Genese (Schulbezogenes Fachwissen – Metawissen)

Dieses Wissenselement wurde dem schulbezogenen Fachwissen zugeordnet, weil es weder der schulischen noch der akademischen Mathematik zuzuordnen ist, sondern Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Gesetzen der großen Zahlen auf einer Metaebene aufzeigt. Es ist Metawissen, weil es ein Beispiel der Struktur der Disziplin aufzeigt. Mathematik hat sich historisch entwickelt und Konzepte bauen teilweise aufeinander auf.

Nr. 66: Wissen über die Formulierung des starken Gesetzes der großen Zahlen (Akademisches Fachwissen – Objektwissen)

Dieses Wissenselement wird als akademisches Fachwissen charakterisiert. Das Wissen über die Formulierung des starken Gesetzes der großen Zahlen ist weder dem schulischen noch dem schulspezifischen Fachwissen zuzuordnen, da es weit über Kenntnisse der Schule hinausgeht. Es ist Objektwissen, weil es Faktenwissen zu einem mathematischen Satz ist.

Ein Wissenselement, welches zugleich dem akademischen Fachwissen und dem Metawissen zugeordnet ist, konnte in dieser Analyse nicht gefunden werden.

In diesem Abschnitt wurden die einzelnen Wissenselemente den Wissensdimensionen, also Einsatzmöglichkeiten, und den Wissensarten zugeordnet. Für fast jede Kombination zwischen Wissensdimension und Wissensart wurden Beispiele aufgezeigt. Eine Auswahl bildet dabei die Kombination von Akademischem Wissen und Metawissen. Die Zuordnung dieser Beispiele wurde begründet. Im Anschluss sollen beispielhaft Wissenselemente miteinander vernetzt und in Abbildungen dargestellt werden, um Grenzen des benötigten Fachwissens von Lehrkräften auf normativer Ebene ziehen und das elementarisierte akademische Fachwissen von Lehrkräften aufspannen zu können.

Wissensnetze zur Bestimmung von Grenzen des benötigten Wissens von Lehrkräften

Dieses Kapitel erörtert mögliche Grenzen für das Fachwissen von Lehrkräften. Dafür werden an dieser Stelle exemplarisch drei Wissensnetze präsentiert, die aus der Rekonstruktion herausgearbeitet wurden. Diese Herausarbeitung ist aus der Kumulation der bisherigen Abschnitte in diesem Kapitel entstanden. Die Wissenselemente wurden innerhalb der Eigenheiten formuliert. Bei der Betrachtung der Gemeinsamkeiten und Verschiedenheiten wurden vernetzende Ideen geprägt und die Zuordnung zu Wissensdimensionen und -arten gibt Indizien für das benötigte Fachwissen für Lehrkräfte der Sekundarstufe I und II in der Wahrscheinlichkeitsrechnung, insbesondere bezüglich der Gesetze der großen Zahlen.

Die folgenden drei Wissensnetze stellen vernetztes Wissen graphisch dar und dienen der Betrachtung der letzten Leitfrage nach den Grenzen des elementarisierten akademischen Fachwissens. Zunächst wird die Wahl der vernetzenden Ideen begründet. Danach wird zunächst die Vorgehensweise des Erstellens der Abbildungen der Wissensnetze und die einzelnen verwendeten Elemente beschrieben. Anschließend werden die einzelnen Wissensnetze präsentiert und erläutert.

Für die exemplarische Darstellung von Wissensnetzen wurden drei Ideen ausgewählt. Diese Ideen scheinen nach der Durchführung der Didaktisierung sowie der Betrachtung von Gemeinsamkeiten und Verschiedenheiten eine große Bedeutung in diesem Teilbereich der Wahrscheinlichkeitsrechnung zu haben.

  • Zunächst wird ein Wissensnetz hinsichtlich der vernetzenden Idee der Stabilisierung gezeichnet. Die Stabilisierung ist die große Gemeinsamkeit der drei Gesetze der großen Zahlen, sodass Verbindungen „leicht“ zu ziehen sind. Darüber hinaus kann diese vernetzende Idee der Stabilisierung innerhalb der verschiedenen Schritte der Didaktisierung, wie beispielsweise im mathematischen Kern des Inhalts sowie auch in den Darstellungsebenen und Grundvorstellungen gezeigt werden. Deutungen einer Stabilisierung sind auch im Bereich der Wahrscheinlichkeitsbegriffe oder der fundamentalen Ideen (beides in Schritt 5 der Didaktisierung behandelt) zu sehen. Die Wahl für dieses Wissensnetz ist auf den mathematischen Kern des Inhalts gefallen, weil das Konzept der Stabilisierung zunächst ein mathematisches ist.

  • Für das zweite Wissensnetz wurde die Beweisbarkeit als vernetzende Idee gewählt. Diese vernetzende Idee findet sich primär im ersten Schritt der Didaktisierung wieder. Die Vernetzung findet hier wiederum über Verschiedenheiten statt. Die Beweisbarkeit und damit auch die Mathematisierbarkeit ist beim empirischen Gesetz der großen Zahlen nicht gegeben, während ersteres bei den anderen beiden Gesetzen der großen Zahlen verschiedene Ausprägungen in ihrem Schwierigkeitsgrad und ihren Voraussetzungen zeigt.

  • Das dritte Wissensnetz behandelt die vernetzende Idee der historischen Genese. Es wird also der zweite Schritt der Didaktisierung betrachtet. Diese vernetzende Idee wurde gewählt, weil sie sich gegenüber den anderen vernetzenden Ideen nicht im mathematischen ausdrückt und als Wissensdimension ausschließlich auf Ebene des schulspezifischen Fachwissens (SRCK) befindet.

Nun folgt die Darstellungserklärung der einzelnen Elemente in den Darstellungen 6.5, 6.7 und 6.9. Es wird unterschieden zwischen Wissenselementen innerhalb eines mathematischen Teilbereichs (also der Gesetze der großen Zahlen) und vernetzenden Wissenselementen. Erstere stehen in schwarz umrandeten Kästen, bei Letzteren ist kein schwarzer Rand. Die Füllung dieser Kästen deutet die Wissensdimension, also die Einsatzmöglichkeit des Wissensinhalts an. Eine weiße Füllung bedeutet eine Zuordnung zum Schulfachwissen, eine hellgraue zum schulspezifischen Fachwissen und eine dunkelgraue zum akademischen Fachwissen. Es gibt einerseits Verbindungen mit und ohne Beschriftungen. Verbindungen mit Beschriftungen zeigen eben jene Verbindungen, welche die unterschiedlichen Gesetze miteinander in Beziehung setzen. Dies geschieht immer über ein vernetzendes Wissenselement. Verbindungen ohne Beschriftung sind eine direkte Konsequenz aus der Analyse des gleichen Inhalts und bedürfen aufgrund dessen keiner weiteren Verbindung, da der Inhalt die Verbindung darstellt. Die Kästen mit hellgrauer Füllung und abgerundeten Kanten zeigen die Struktur der Teilbereiche des mathematischen Inhalts auf. Damit wird der Einteilung in einzelne Teilbereiche gefolgt, wie zu Beginn dieses Kapitels begründet.

Wissensnetz hinsichtlich der vernetzenden Idee der Stabilisierung

Zunächst wird sich dem Wissensnetz hinsichtlich der vernetzenden Idee der Stabilisierung gewidmet. Die Abbildung 6.5 zeigt Zusammenhänge zwischen den einzelnen Wissenselementen auf. Beim empirischen Gesetz der großen Zahlen finden sich Wissenselement Nr. 1 und 2 wieder. Ersteres beschreibt das Wissen über die Stabilisierung im empirischen Gesetz der großen Zahlen und Zweiteres das Wissen über die fehlende Mathematisierbarkeit und Beweisbarkeit. Diese beiden Wissensnetze sind aufgrund desselben Themengebiets miteinander verbunden. Wissen über die fehlende Mathematisierbarkeit kann mithilfe des Wissenselements über mathematisierbare Aussagen für Stabilisierung (Nr. 107) Verbindungen zum Wissen der Existenz vom schwachen Gesetz der großen Zahlen (Nr. 25) und starken Gesetz der großen Zahlen (Nr. 65) aufgezeigt werden. Das Wissen über die Existenz vom schwachen Gesetz der großen Zahlen (Nr. 25) ist innerhalb des Themenbereichs des schwachen Gesetzes der großen Zahlen mit dem Wissen über die Formulierung des schwachen Gesetzes der großen Zahlen (Nr. 26) und dem Wissen über die Bedeutung von (p-) stochastischer Konvergenz (Nr. 27) durch den gleichen mathematischen Teilbereich verbunden. Analog findet dies mit dem Wissen über die Existenz des starken Gesetzes der großen Zahlen (Nr. 65), dem Wissen über die Formulierung des starken Gesetzes der großen Zahlen (Nr. 66) und dem Wissen über die Bedeutung (p-) fast sicherer Kompetenz und die Nutzung im starken Gesetz der großen Zahlen (Nr. 67) im Teilbereich des starken Gesetzes der großen Zahlen statt. Die Wissenselemente Nummer 28 und 62 sind wiederum durch zwei vernetzende Wissenelemente verbunden, dem Wissen über die unterschiedlichen Konvergenzbegriffe und ihre unterschiedlichen Aussagegrade (Nr. 109 und Nr. 110).

Wie oben erwähnt deuten die Füllungen der Kästen um die Wissensinhalte auf ihre Einsatzmöglichkeiten hin. Nur ein Wissenselement (Nr. 1) ist dem Schulfachwissen zugeordnet. Es gibt fünf Wissenselemente, die zu dem schulspezifischen Fachwissen lokalisiert werden können. Diese sind Wissen über die fehlende Mathematisierbarkeit (Nr. 2), Wissen über die Existenz vom schwachen Gesetz der großen Zahlen (Nr. 25), Wissen über die Existenz des starken Gesetzes der großen Zahlen (Nr. 63) und Wissen über mathematisierbare Aussagen für Stabilisierung (Nr. 107; hier besteht eine doppelte Verbindung). Die restlichen Wissenselemente Wissen über die Formulierung des schwachen Gesetzes der großen Zahlen (Nr. 26), Wissen über die Bedeutung von (p-) stochastischer Konvergenz (Nr. 26), Wissen über die Formulierung des starken Gesetzes der großen Zahlen (Nr. 66), Wissen über die Bedeutung von (p-) fast sicherer Konvergenz und ihrem Nutzen im starken Gesetz der großen Zahlen (Nr. 67) und Wissen über die unterschiedlichen Wahrscheinlichkeitsbegriffe und ihrem unterschiedlichen Aussagegrad (Nr. 109, 110) werden im akademischen Fachwissen verortet und sind somit kein elementarisiertes akademisches Wissen.

Abbildung 6.5
figure 5

Strukturiertes Wissensnetz hinsichtlich der vernetzenden Idee der Stabilisierung, bei der die Wissenselemente ihren Wissensdimensionen zugeordnet sind und entsprechende Verbindungen gezogen wurden

In Abbildung 6.6 wird das elementarisierte akademische Fachwissen für Lehrkräfte dargestellt, welches für diese vernetzende Idee der Stabilisierung identifiziert wurde. Dieses basiert auf dem Wissensnetz in Abbildung 6.5. Die nicht relevanten Wissenselemente wurden ausgegraut. Die ausgegrauten Wissenselemente sind nicht elementarisiertes akademisches Fachwissen, welches für Mathematiker*innen relevant ist, für die Unterrichtspraxis aber nicht. Hier sind nur das Schulfachwissen und das schulspezifische Fachwissen relevant.

Abbildung 6.6
figure 6

Strukturiertes Wissensnetz hinsichtlich der vernetzenden Idee der Stabilisierung, bei der die Wissenselemente ihren Wissensdimensionen zugeordnet sind und entsprechende Verbindungen gezogen wurden. Die ausgegrauten Wissenselemente sind diejenigen, die keinem elementarisierten, akademischen Fachwissen zugeordnet werden

Wissensnetz hinsichtlich der vernetzenden Idee der Beweisbarkeit

Eine weitere vernetzende Idee ist wie oben beschrieben die Beweisbarkeit. Hier lassen sich Wissenselemente zu jedem mathematischen Teilbereich finden (Abbildung 6.7).

Abbildung 6.7
figure 7

Strukturiertes Wissensnetz hinsichtlich der vernetzenden Idee der Beweisbarkeit, bei der die Wissenselemente ihrer Wissensdimensionen zugeordnet sind und entsprechende Verbindungen gezogen wurden

Im mathematischen Teilbereich des empirischen Gesetzes der großen Zahlen werden das Wissen über die fehlende Mathematisierbarkeit und Bezeichnung als Naturgesetz (Nr. 2) und das Wissen über die fehlende Beweisbarkeit (Nr. 3) verortet. Diese beiden Wissenselemente sind miteinander verbunden aufgrund des gleichen mathematischen Teilbereichs und der direkten Folgerung, dass auf die fehlende Beweisbarkeit auch die fehlende Mathematisierbarkeit folge und umgekehrt. Das Wissen über die fehlende Beweisbarkeit ist mit dem Wissen über die Existenz des schwachen Gesetzes der großen Zahlen (Nr. 25) und des starken Gesetzes der großen Zahlen (Nr. 65) durch das Wissenselement mit dem Wissen, dass das empirische Gesetz der großen Zahlen im Gegensatz zum schwachen und starken Gesetz der großen Zahlen nicht beweisbar ist (Nr. 108), verbunden. Beide Wissenselemente der Existenz der jeweiligen Gesetze der großen Zahlen dienen als Zwischenschritt zum Wissen über die Beweisbarkeit (schwach: Nr. 28; stark: Nr. 68), weil Lehrkräfte von der Existenz wissen müssen, um Kenntnisse zur Beweisbarkeit zu haben. Diese beiden Wissenselemente zur Beweisbarkeit des jeweiligen Gesetzes der großen Zahlen sind verbunden durch das Wissen über die unterschiedliche Komplexität der Beweise (Nr. 108). Das Element des Wissens über die Beweisbarkeit des schwachen Gesetzes der großen Zahlen ist außerdem mit dem Wissen über die Nutzung der Tschebyscheff-Ungleichung im Beweis (Nr. 29) und über das Nachvollziehen-Können des Beweises vom Beweis (Nr. 29) verbunden. Das Wissen über die Beweisbarkeit des starken Gesetzes der großen Zahlen kann wiederum mit drei Wissenselementen assoziiert werden: Das Wissen zur Anwendung der Tschebyscheff-Ungleichung im Beweis (Nr. 78), die Vorkenntnisse zur Anwendung des Satzes von Borel-Cantelli im Beweis (Nr. 79) sowie das Nachvollziehen-Können des Beweises (Nr. 68).

Abbildung 6.8
figure 8

Bewertetes, strukturiertes Wissensnetz hinsichtlich der vernetzenden Idee der Stabilisierung, bei der die Wissenselemente ihren Wissensdimensionen zugeordnet sind und entsprechende Verbindungen gezogen wurden. Die ausgegrauten Wissenselemente sind diejenigen, die keinem elementarisierten, akademischen Fachwissen zugeordnet werden

In diesem Wissensnetz hinsichtlich der Beweisbarkeit sind im Gegensatz zum Wissensnetz hinsichtlich der Stabilisierung nur Wissenselemente aus dem schulspezifischen und akademischen Fachwissen aufgeführt. Alle Elemente des empirischen Gesetzes der großen Zahlen sind mit dem schulspezifischen Fachwissen zugeordnet. Die Verbindungen zwischen drei mathematischen Teilbereichen sowie das Wissen über die Existenz und die Beweisbarkeit des schwachen und starken Gesetzes der großen Zahlen sind dem schulspezifischen Fachwissen assoziiert. Die dem akademischen Fachwissen zugeordneten Wissenselemente sind auch in dieser Abbildung ausgegraut, weil sie sich nicht in Hinsicht auf Lehrkräfte der Sekundarstufe I und II elementarisieren lassen (Abbildung 6.8).

Abbildung 6.9
figure 9

Strukturiertes Wissensnetz hinsichtlich der vernetzenden Idee der historischen Genese, bei der die Wissenselemente ihrer Wissensdimensionen zugeordnet sind und entsprechende Verbindungen gezogen wurden

Wissensnetz hinsichtlich der vernetzenden Idee der historischen Genese

Die Abbildung 6.9 zeigt das elementarisierte akademische Fachwissen von Lehrkräften für die Sekundarstufe I und II hinsichtlich der historischen Genese. Zu jedem Gesetz der großen Zahlen lassen sich Wissenselemente finden. Die Besonderheit dieses Wissensnetzes ist die Zuordnung der Wissenselemente zum Metawissen. Damit sind Wissenselemente primär in den Verbindungen zu finden. Die Kästen sind in diesem Fall gestrichelt, weil sie historische Entwicklungspunkte zeigen. Sie folgen aufeinander. Zunächst wurde das empirische Gesetz der großen Zahlen formuliert und anschließend erfolglos versucht durch Anlehnung an einen analytischen Grenzwertbegriff (Nr. 7) zu beweisen. Diese beiden Ereignisse werden über das Wissenselement Wissen über historische Genese (Nr. 114) miteinander verbunden. Die mathematische Präzisierung durch Bernoulli brachte im Anschluss das schwache Gesetz der großen Zahlen hervor und wird mit dem Wissen über historische Genese (Nr. 32) hinsichtlich des schwachen Gesetzes der großen Zahlen mit der fehlenden Beweisbarkeit in Verbindung gebracht. Eine weitere historische Entwicklung geht auf Borel zurück, der das starke Gesetz der großen Zahlen zunächst formuliert hat und auf Cantelli, der eine allgemeinere Formulierung des gleichen Gesetzes entwickelte. Der Begriff „stark“ wurde dem starken Gesetz der großen Zahlen erst im Jahr 1928 zugeschrieben. Die mathematischen Teilbereiche sind durch das vernetzende Wissenselement „Die drei Gesetze der großen Zahlen folgen historisch aufeinander“ (Nr. 114) verbunden und werden durch fett markierte Verbindungen gekennzeichnet. Alle Wissenselemente sind wie zuvor erwähnt dem Metawissen zugeordnet. Die dominierende Wissensdimension ist das schulspezifische Fachwissen. Somit sind alle Wissensinhalte als Wissen über die Struktur der Disziplin relevant für Lehrkräfte, weil es ein prototypisches Beispiel ist, wie sich Mathematik entwickeln kann.

In diesem Abschnitt wurden die Ergebnisse der Kategorie „Begrenztheiten“ in verschiedenen Teilabschnitten aufgezeigt. Zunächst sind die Leitfragen für das Ziel und die Zielgruppe präzisiert worden. Anschließend wurde die Tabelle 6.12 mit den identifizierten Wissenselementen und ihrer Zuordnung hinsichtlich der Wissensdimensionen und Wissensarten dargestellt sowie prototypische Wissenselemente exemplarisch beschrieben und begründet. Aufbauend auf der Tabelle 6.12 wurden exemplarisch drei Wissensnetze hinsichtlich vernetzender Ideen gezeichnet und die Struktur beschrieben. Anhand dieser Wissensnetze wurde für diese drei Beispiele elementarisiertes akademisches Fachwissen identifiziert.

Das zweite Ziel dieser Arbeit wurde demnach erreicht. Anhand der exemplarischen Durchführung der didaktisch orientierten Rekonstruktion lassen sich mögliche Wissensinhalte für Lehrkräfte der Sekundarstufe I und II bezüglich der Gesetze der großen Zahlen identifizieren. Die Wissenselemente lassen sich durch Wissensnetze strukturieren und vernetzende Wissenselemente lassen sich herausarbeiten. Es konnten Grenzen elementarisierten akademischen Fachwissens für Lehrkräfte der Sekundarstufe I und II ermittelt werden. Normative Entscheidungen konnten offengelegt werden.

Im nächsten Kapitel werden die Ergebnisse der Systematisierung der Methode sowie die exemplarische Anwendung der Methode „didaktisch orientierte Rekonstruktion“ zunächst diskutiert. Im Anschluss daran werden mögliche Implikationen für Forschung und Praxis entwickelt.