Zusammenfassung
Internationalisierung der Bildung manifestiert sich gegenwärtig in urbanen Regionen durch die Bedeutungszunahme von Privatschulen mit internationaler Ausrichtung. Dies lässt sich sowohl in Frankfurt/Rhein-Main als auch in Tokyo beobachten. Hinsichtlich der lokalen Bildungsorganisation stellen Internationalisierungsprozesse in Privatschulen eine gemeinsame Problemlage dar, während bei genauerer Betrachtung in Bezug zu Organisation, Bildungsinhalten und Beteiligten lokal variierende Ausprägungen sichtbar werden.
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Notes
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Es handelt sich um ein Teil des durch die DFG geförderten Projekts „Die Reorganisation der öffentlichen Erziehung: Zur (Neu-)Verortung international ausgerichteter Privatschulen in lokalen Bildungssystemen am Beispiel zweier ‚global cities‘“.
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Die private Artikel 1-Schule (Ichijô-Kô) ist im ersten Artikel des japanischen Schul- und Erziehungsgesetzes bestimmt und wie die deutsche Ersatzschule rechtlich mit der öffentlich-staatlichen Schule gleichgestellt.
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Gewöhnlich stützen sich die Konzeptionen auf Bildungsideale der United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization (UNESCO) (Hornberg 2010, S. 25 ff.).
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Es handelt sich nicht unmittelbar um „einen multimethodischen (triangulierenden) Zugang“ (Helsper et al. 2013, S. 121), sondern vielmehr um die formaltheoretische Rahmung (ebd., S. 124) mit unterschiedlichen „Aggregierungsebenen des Sozialen“ (ebd., S. 128).
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Die Fokussierung auf diese Zeitspanne basiert auf der expliziten Sichtbarkeit der quantitativen Zunahme der entsprechenden Privatschulen in den beiden Regionen.
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Die Intensivklassen wurden seit dem Schuljahr 2016/17 für Schüler*innen aus dem Ausland eingerichtet. Wegen des schnellen Anstiegs durch Fluchtmigranten kann ihr Einbeziehen in die Statistik der staatlichen Schulen das Gesamtbild der Entwicklung verzerren.
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Die älteren Schulverzeichnisse wurden separat durch das Hessische Statistische Landesamt bereitgestellt. Die inhaltliche Ausrichtung wird vereinzelt nach den Profilangaben der Schul-Homepages festgestellt.
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Laut Statistik liegt 2020 der Anteil der privaten Artikel 1-Schulen im Grundschulbereich (1.–6. Klasse) bei 4,1 %, in der Mittelschule (7.–9. Klasse) bei 23,4 % und in der Oberschule (10.–12. Klasse) bei 55,4 % (Tokyo Metropolitan Government 2022).
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In Japan gibt es internationale Schulen sowohl mit als auch ohne staatliche Anerkennung. Internationale Schulen mit einem Rechtstatus vergleichbar mit der deutschen Ergänzungsschule gibt es in Tokyo 14. Während einige davon bereits Anfang/Mitte des 20. Jahrhunderts gegründet wurden, kam etwa die Hälfte von ihnen Ende der 1990er/Anfang 2000 neu dazu. Demgegenüber wurden fast alle der 17 internationalen Schulen ohne rechtlichen Status erst Ende der 1990er/nach 2000 neu gegründet (https://www.seikatubunka.metro.tokyo.lg.jp/shigaku/ninka/0000000074.html. Zugegriffen: 07.12.2022 und nach eigener Recherche).
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Wörtlich übersetzt tritt der Begriff ‚globale humane Ressource‘ im Zusammenhang mit einheimischen Heranwachsenden seit 2010 gehäuft im (wirtschafts-)politischen Diskurs auf (Onishi 2018). Bildungspolitisch lässt sich dies konkret an der Einführung der Zertifizierungsprogramme ‚Super Global University‘ (2014) oder ‚Super Global High School (SGH)‘ (2014) beobachten. Die als SGH zertifizierte global ausgerichtete Oberschule erhält beispielsweise Fördergeld von bis zu 150.000,- Euro für 5 Jahre. (https://www.mext.go.jp/a_menu/kokusai/sgh/. Zugegriffen: 07.12.2022).
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Die Aufnahmeprüfungen der Universitäten werden zunehmend an die Ansprüche der globalen Bildungskompetenzen angepasst. Während sie traditionell stark durch das Abfragen von Fachwissen geprägt sind, auf das sich durch Auswendiglernen vorbereiten lässt, gibt es zunehmend alternative Aufnahmeverfahren, die hervorragende außerschulische Tätigkeiten oder das Vorhandensein transnationalen Kapitals (z. B. durch IB) prüfen.
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So kann die niedrigere Wertung der ausländischen Schüler*innen im staatlichen Sektor zum größten Teil an der Überarbeitung des Staatsangehörigkeitsgesetzes im Jahr 2000 sowie an dem in 2005 in Kraft getretenen Zuwanderungsgesetz liegen. Staatsangehörigkeit und die migrationsbedingte Einordnung der Einzelnen stimmen nicht immer überein. Trotzdem lassen sich im Kontext der transnationalen privilegierten Eliten mit der Kategorie ‚ausländisch‘ im Sinne der Staatsangehörigkeit Tendenzen aufzeigen.
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Die Zahl der deutschen Schüler*innen in Frankfurt/Rhein-Main (in Frankfurt) ist im selben Zeitraum um 3,2 % (36,7 %) in staatlichen und um 42,3 % (80,7 %) in privaten Schulen gestiegen (StBA/StLÄ 2022b).
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Dies wird teilweise durch nationalstaatlich-patriotische Moralerziehung unterstützt, die vor dem Hintergrund der neoliberalen und neokonservativ-nationalistischen Strömung seit Ende des letzten Jahrhunderts die Identitätsbildung der Japaner*innen verfolgt. Das Ziel ist im Wesentlichen die Bildung der national bewussten und aktiv und verantwortungsvoll auf der globalen Bühne agierenden Japaner*innen.
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Dies wird bereits im Interviewmaterial bestätigt, das sich weiterhin im Auswertungsprozess befindet. Insbesondere in der Primarstufe ist das kritisch zu beobachten, weil öffentliche Grundschulbildung mittels des Einzugsgebiets im Prinzip keine Selektion vorsieht.
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Kojima, T. (2023). Internationalisierung der Bildung am Beispiel der Privatschulen in Deutschland und Japan. In: Hinrichsen, M., Hummrich, M. (eds) Schule und Transnationalisierung. Schule und Gesellschaft, vol 66. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-42105-2_5
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