Zusammenfassung
Das globalisierte Finanzsystem nimmt in der modernen Innovationsgesellschaft eine Schlüsselposition ein. Investmentbanken, Hedge-Fonds und andere Finanzorganisationen versuchen permanent, durch die Entwicklung neuer Finanzinnovationen Wettbewerbsvorteile zu erschließen und Profite zu maximieren. Zugleich verdeutlichen immer wieder auftretende Finanzkrisen, dass diese forcierte Innovationsorientierung mit der Erzeugung neuer und komplexerer Risikolagen einhergeht. Innovation und Risiko spielen im Finanzsystem in problematischer Weise zusammen. Vor diesem Hintergrund zeigt der Beitrag in historischer Perspektive, wie die permanente Entwicklung neuer technischer und sozialer Innovationen im Finanzsystem progressiv systemische Risikoproblematiken verschärft.
Für hilfreiche und konstruktive Kommentare zu früheren Fassungen dieses Beitrags danke ich den Teilnehmer:innen des vorbereitenden Autor:innenworkshops am Institut für Soziologie der TU Berlin, besonders Michael Hutter sowie den Herausgebern für detaillierte weitere Anmerkungen.
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Notes
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Andere Beobachter mögen diese Neuheiten von ihrem Standpunkt als negativ folgenreich einschätzen, wie die Diskussion über Derivate infolge der Subprime-Finanzkrise zeigt.
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Karin Knorr-Cetina und Urs Brügger (2002) nennen diese Möglichkeit der digital vermittelten Interaktion „global microstructures“. Diese Form der Kommunikation ist hochgradig standardisiert, dabei aber weniger über formale Regeln, sondern über informale „codes of conduct“ unter Trader:innen.
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Eine Nanosekunde ist eine Milliardstel Sekunde. Ein Wimpernschlag dauert eine Zehntelsekunde, was 100.000.000 Nanosekunden entspricht.
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Wobei dies bisher nur vereinzelt vorkommt. Meist sind die HFT-Algorithmen wenig intelligent, sondern – verglichen mit Machine Learning Techniken wie etwa Long Short Term Memory Networks (LSTM) – relativ einfache Softwareroutinen, die im Sinne eines Konditionalprogramms einfache „Wenn-Dann“-Muster ausführen, wie sie von außen durch Programmierer:innen vorgegeben werden. Im HFT gilt zumindest aktuell noch vorwiegend: Speed beats Cognition.
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Derivate sind abgeleitete, das heißt auf bestimmte Basiswerte (etwa dem Weizenpreis oder Aktienkursen) bezogene Finanzinstrumente, die sich in ihrer Preisentwicklung an den Preisentwicklungen der Basiswerte orientieren. Steigt der Weizenpreis, steigt der Preis des entsprechenden Derivats.
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Wie sich etwa auch im Fall der Krise des Neuen Markts zur Jahrtausendwende erkennen lässt (Piel, 2003). Jeweils werden solche Boomzyklen durch Innovationen und die mit dem Neuen verknüpften überoptimistischen Erwartungen an die Zukunft – im Neuen Markt das damals noch aufregende „Internet“, in der Subprime-Krise die Aufsplittung von Verbriefungen in separate und sich vermeintlich wechselseitig absichernde sicherere und riskantere Tranchen (vgl. Sommer, 2012) – befeuert. Dabei ist es nicht etwa so, dass die damit einhergehenden Risiken generell völlig unbekannt sein müssten. Vielmehr werden die Warnungen und Risiken latent gehalten, um die euphorischen Zukunftserwartungsstrukturen zu schützen. Vgl. zu diesem Typus strukturfunktionaler Latenz (Latenz mit der Funktion des Strukturschutzes) Luhmann (1984: 456 ff.)
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Vgl. dazu MacKenzie (2018, S. 507 ff.)
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Jöstingmeier, M. (2023). Das Finanzsystem der Innovationsgesellschaft. In: Schulz-Schaeffer, I., Seibt, D., Windeler, A. (eds) Innovationsgesellschaft heute. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-39743-2_10
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