Zusammenfassung
In den letzten Jahren erhält die soziale Konstruktion von Leistung in der qualitativen Unterrichtsforschung vermehrt Aufmerksamkeit. In diesem Beitrag wird sportunterrichtliche Leistung aus erziehungswissenschaftlicher Perspektive als eine auch mit der Konstruktion von Körper zusammenhängende Differenzordnung betrachtet. Fokussiert wird dabei die Frage nach den Relationen von Leistung und Körper. Das entwickelte diskursethnographische Forschungsdesign wird an einem Datenkorpus (nur) aus Beiträgen einer praxisinstruktiven, sportpädagogischen Zeitschrift und offenen Interviews mit Sportlehrkräften und Schüler*innen erprobt, da eine In-Situ-Beobachtung von Sportunterricht aufgrund der Pandemie zunächst nicht wie geplant realisiert werden konnte. Als Ergebnis wird herausgearbeitet, wie Leistung vor allem vor dem Hintergrund körperlicher Voraussetzung interpretiert und die Körper der Schüler*innen als Ko-Produzenten von Leistungsbewertungen hervorgebracht werden. Angesichts der aufgerufenen Diskussion um gerechte Noten wird Körper zu einem Handlungsproblem der Lehrkräfte, den es aus der Notengebung zurückzudrängen gilt. In dem Beitrag werden im Sinne eines reflexiven Verhältnisses zur eigenen Forschung gegenstandstheoretische, methodologische und methodische Weichenstellungen reflektiert. Unter anderem werden dabei gegenstandstheoretische Herausforderungen, die durch die interdisziplinäre Ansiedelung der Studie an der Schnittstelle von Erziehungswissenschaft und Sportpädagogik entstehen, thematisiert. In dem Postskript widmet sich Samira Mummelthey der wissenschaftlichen Positionierung als Qualifikandin in einem interdisziplinären Projektkontext.
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Notes
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Dieser Beitrag ist in Diskussionsrunden des Autor*innenteams im Rahmen der Entwicklung und Erprobung des Forschungsdesign der Promotion von Samira Mummelthey entstanden. Die Promotion ist im Handlungsbereich C des „Schlözer Programm Lehrerbildung“ (SPL) an der Georg-August-Universität Göttingen angesiedelt. Das Schlözer Programm Lehrerbildung wird im Rahmen der gemeinsamen „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ von Bund und Ländern mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung unter dem Förderkennzeichen 01JA1917 gefördert. Kerstin Rabenstein leitet das Teilprojekt ‚Differenzierung nach Leistung im Sportunterricht‘ zusammen mit Ina Hunger. Tilman Drope war wissenschaftlicher Mitarbeiter im Teilprojekt Methodenberatung des SPL.
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Angesichts dessen, dass im „Sportunterricht […] überdurchschnittlich gute Note verteilt würden“ Feth (2014, S. 37), Noten im Fach Sport somit nicht der Selektion dienen könnten, liegt die Abschaffung von Noten zwar einerseits nahe, andererseits aber könnte die Abschaffung von Noten im SpU mit einer „Entwertung“ Feth (2014, S. 37) des Faches verbunden sein (Scherler, 2000).
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Auf eine ausführliche Beschreibung der Auswirkungen der sich stetig wandelnden pandemischen Lage wird an dieser Stelle aus Platzgründen verzichtet.
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Mummelthey, S., Rabenstein, K., Drope, T., Hunger, I. (2023). Relationen von Leistung und Körper im Sportunterricht. Einblicke in ein diskursethnographisches Forschungsdesign. In: Zander, B., Rode, D., Schiller, D., Wolff, D. (eds) Qualitatives Forschen in der Sportpädagogik. Bildung und Sport, vol 27. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-38038-0_17
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