Part of the book series: Educational Governance ((EDUGOV,volume 50))

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Zusammenfassung

Die Einleitung formuliert das Ziel der Arbeit, zum Projekt beizutragen, die sozialwissenschaftliche Governance-Perspektive weiter vom positivistisch-essentialistischen Erbe des Governance-Begriffs zu emanzipieren, um ihre analytische Kraft gegenüber der empirischen, aus der neoliberalen Ideologie geborenen Governance-Praxis zu stärken. Dazu wird zunächst eine Wahlverwandtschaft zwischen neoliberaler Governance-Ideologie und positiv-rationalistischer Sozialtheorie identifiziert und demgegenüber eine konstruktivistische Position als Alternative vorgeschlagen, die stärker auf die kulturelle Bedingtheit sozialer Ordnungen fokussiert. Schließlich wird der Aufbau der Arbeit dargelegt.

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Notes

  1. 1.

    Zur berechtigten Kritik an der mittlerweile überkommenen etatistisch-hierarchischen Steuerung, die dem Erfolg des Neoliberalismus den Weg ebnete, hatten nicht zuletzt die Bildungswissenschaften durch zahlreiche Arbeiten beigetragen.

  2. 2.

    Lindenbergs (1985, S. 100) versteht sein Modell als sozialpsychologisch-anthropologisch fundierte Spezifizierung des klassischen homo oeconomicus, wobei „RREEMM“ für „Resourceful-Restricted-Evaluating-Expecting-Maximizing-Man“ steht.

  3. 3.

    Zumal dann, wenn Rationalität als ökonomische Zweck-Mittel-Maximierung fehlinterpretiert wird. Stattdessen empfiehlt es sich mit Weber (1978) daran zu erinnern, dass zahllose soziale und kulturelle Ziele existieren, nach denen soziales Handeln rational ausgerichtet sein kann.

  4. 4.

    Damit gelangt man überdies zu einem zweiten Überlappungsbereich zwischen Governance-Ideologie und Governance-Forschung, denn neben der Rational Choice-Theorie finden sich ebenfalls Überschneidungen zwischen dem neoliberalen Governance-Ansatz und institutionalistischen Theorien, die auf einem engen Regel- und Normbegriff basieren.

  5. 5.

    Paradoxerweise bestärken Governance-Analysen, die Schwierigkeiten neoliberaler Reformprojekte mit institutionellen Interferenzen begründen, neoliberale Narrative und unterstützen darüber unbeabsichtigt die tendenzielle Nähe zwischen neoliberaler Ideologie und klassischer Governance-Perspektive. Wenn institutionell bedingte Diskrepanzen zwischen der Marktvision des Neoliberalismus und der Realität einer gegebenen Reform vorliegen, immunisiert diese Erklärung die neoliberale Ideologie, denn gerade marktradikale Programmatiken nehmen die Form existenzieller Hypothesen an und schützen sich dank der umfassenden Reichweite ihrer Forderungen nachhaltig gegen Falsifizierung. So konnten etwa Studiengebühren, um an das Paradebeispiel neoliberaler Bildungsreformen zu erinnern, in den Augen ihrer neoliberalen BefürworterInnen ihre vermeintlich wohltuenden systemischen Wirkungen nur deshalb nicht entfalten, weil an den Hochschulen nicht alle dafür notwendigen Marktprinzipien vollumfänglich strukturell umgesetzt waren.

  6. 6.

    Dieses Eingeständnis, dass (sozial-)wissenschaftliche Konzepte nicht auf Essenzen beruhen können, sollte indes nicht mit anti-realistischen Positionen verwechselt werden, wie man sie in verschiedenen Spielarten des radikalen Konstruktivismus findet und die die Möglichkeit jedweder Erkenntnis in Zweifel ziehen. Denn die Rolle sozialer Konstruktionen bei der Bestimmung alltags- und wissenschaftspraktischer Konzepte bedeutet nicht, dass diese Konzepte keine Grundlage in der Welt haben. Im Gegenteil, man könnte etwa ein Konzept wie das New Public Management damit begründen, dass sein Inhalt strukturelle Ähnlichkeiten zwischen den jüngsten Reformen des öffentlichen Sektors zusammenführt.

  7. 7.

    Obwohl bereits bei Durkheims (1984) ‚sozialen Tatbeständen‘ oder bei Marx’ens sog. Basis-Überbau-Theorem nicht nur bereits die Einsichten enthalten sind, dass gesellschaftlichen Strukturen notwendigerweise menschliche Produkte sind, sondern auch, dass die Wirkung dieser selbst gemachten Strukturen, darauf beruht, als äußerlich und objektiv (v)erkannt zu werden, hat es lange gedauert, bis diese Einsichten konzise theoretisiert wurden.

  8. 8.

    Aktuell lassen sich derartige sozialevolutionäre Vorstellungen tatsächlich wieder in den Diskursen zur Datafizierung oder zur künstlichen Intelligenz gut beobachten: So wurden zuletzt unter dem Label „Big Data“ zahllose Debatten geführt, in denen nicht wenige international vielfach beachtete Beiträge als technikdeterministische Programmschriften auffallen, in denen man eine fast schon mythische Aufladung der mit der Datafizierung verbundenen Eigenlogiken und ihrer prognostizierten Entwicklung beobachten kann. Die Datafizierung erscheint dort als neumodische Variante einer Technikeuphorie, die einen allumfassenden gesellschaftlichen Fortschritt dank nun datengetriebener Rationalisierung als unausweichlich prognostiziert (exemplarisch: Anderson 2013; Mayer-Schöneberger/Cukier 2013; Houben/Prietl 2018, S. 325). Gleichwohl muss ich hier natürlich klarstellen, dass eine dermaßen naive Sicht auf die gesellschaftliche Entwicklung innerhalb der Sozialwissenschaften aktuell wohl wenig Aussicht auf Erfolg hätte. Dennoch liegen den sozialevolutionären Perspektiven der 1960er-, 1970er- und 1980er-Jahren meist die oben kritisierten formalen Institutionalismen und Rational Choice-Theorien zugrunde.

  9. 9.

    SoziologInnen erfassen zunehmend Körper, Räume, Materialitäten und Zeit als die elementaren Aspekte des gesellschaftlichen Lebens und analysieren die verschiedenen Arten, wie sie sozialen Sinn erhalten. So zeigen feministische Analysen, wie Körpermerkmale sozial aufgegriffen werden und wie dies erst jene Subjektivitäten hervorbringt, die in den Körpern wiederum gelebt werden (Villa 2011). Oder architektursoziologische Arbeiten analysieren, wie kulturelle Kategorien sich in physischer Form materialisieren und somit reproduzieren (Steets 2015). Eine an diesen Grundsätzen ausgerichtete Governance-Perspektive darf sich jedoch nicht in der Berücksichtigung der körperlichen und dinglichen Bedingtheit sozialer Praktiken im Sinne des „material turn“ (Henkel 2018) erschöpfen. Eine um materielle Aspekte ergänzte Handlungstheorie würde dem Potential einer praxistheoretisch fundierten Governance-Analyse nicht gerecht, denn ihr zentraler Vorzug scheint mir insbesondere in der Erkenntnis zu liegen, dass soziale Praktiken gewissermaßen zirkulieren und kollektiv reproduziert werden müssen, wenn sie für die Governance-Forschung relevante soziale Strukturen hervorbringen sollen.

  10. 10.

    Gleichzeitig erhöhen solche Entwicklungen jedoch den Druck auf die Wissenschaft und bringen ForscherInnen in Positionen, in denen sie Interessen ausbilden, die mit dem wissenschaftlichen Ethos in Konflikt stehen.

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Houben, D. (2022). Einleitung. In: Die verborgenen Mechanismen der Governance. Educational Governance, vol 50. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-37567-6_1

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-37567-6_1

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  • Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-658-37566-9

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