Zusammenfassung
Der Wunsch der Politik, personenbezogene soziale Dienstleistungen wie die Jugendhilfe zu rationalisieren und damit vermutete ungenutzte Effektivitätspotenziale und Effizienzsteigerungen freizulegen, ist in einer kapitalistischen Gesellschaft durchaus nachvollziehbar. Der Versuch allerdings, die von der Jugendhilfe übernommenen reproduktiven Aufgaben mittels betriebswirtschaftlicher Rationalisierungsmethoden zu reformieren, spricht für eine unangebrachte Ausblendung der Unterschiede zwischen produktiven und reproduktiven Tätigkeiten innerhalb eines kapitalistischen Gesellschaftssystems. Personenbezogene soziale Dienstleistungsprozesse erfüllen ihre Funktion dann, wenn sie die Arbeitskraft der Adressat*innen (wieder-)herstellen, sie fördern, pflegen, ausbilden helfen, und eben nicht, indem sie implizit und/oder explizit unterstellen, dass ihre Adressat*innen prinzipiell über die volle Leistungsfähigkeit verfügen und sich die Dienstleistung auf den Abbau von vermeintlichen Einstellungs- und Motivationsdefiziten aufseiten der Adressat*innen zu konzentrieren hat, um die Ausbeutung der Arbeitskraft sicherzustellen. Ebenso wenig sind diese Dienstleistungen langfristig funktional, wenn sie nur die Interessen einzelner Akteure protegieren, da die mangelnde Austarierung langfristig zu einem Mangel an Ressourcen führt.
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Notes
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Kurzfristige Anpassungen an z. B. rigide Regelungen können davon unabhängig stattfinden, haben aber nicht unbedingt die beabsichtigten Einstellungsänderungen zur Konsequenz (vgl. Wolf, 2000).
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Albus, S. (2022). Warum managerielle Wirkungsorientierung die Wirksamkeitspotenziale der Jugendhilfe einschränkt – Eine bilanzierende Systematisierung. In: Wirkungsorientierung in der Jugendhilfe und die Teilhabe ihrer Adressat*innen. Soziale Arbeit als Wohlfahrtsproduktion, vol 21. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-37490-7_7
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