Zusammenfassung
1991 war Ghislaine Maxwells Existenz ruiniert. Gerade hatte die Polizei den Leichnam ihres Vaters gefunden. Die Medien berichteten, der Verleger Robert Maxwell sei auf der nach seiner Tochter benannten Yacht im Meer vor den Kanarischen Inseln gekreuzt und auf ungeklärte Weise ums Leben gekommen. Das Familienunternehmen stand vor dem Konkurs, die Staatsanwaltschaft ermittelte wegen Betrugs, der Name Maxwell war ruiniert. Nur wenige Jahre später war Ghislaine zurück und verkehrte in den besten Kreisen New Yorks. Jetzt war die feine Gesellschaft der Upper East Side, Manhattans beste Nachbarschaft, ihr Zuhause. Hier ging sie einen dunklen Pakt ein mit dem Billionär Jeffrey Epstein, einem Investor und Pädophilen, für den sie Treffen mit Minderjährigen organisierte. Ghislaines Esprit und Charm war für sie als Neuling in der New Yorker Schickeria ein Türöffner wie auch ihre englische Herkunft. Die Medien beschrieben sie als in Oxford erzogene britische Gesellschaftsdame. Sehr bewusst streute sie spleenige britische Begriffe ein in die Konversation mit ihren amerikanischen Freunden und Geschäftspartnern und beeindruckte mit den Kontakten in ihrem Adressbuch, vor allem der Telefonnummer Prinz Andrews, des Sohnes der Königin (Brown und Alexander 2020). Wie Ghislaine Maxwell machten sich in den 1990ern und 2000ern viele Briten auf in die USA, getrieben von Ehrgeiz, Talent und dem Willen, mit den Besten zu konkurrieren, auf die sie in New York, Washington DC, Los Angeles und dem Silicon Valley trafen. Viele Briten jener Generation brachten es tatsächlich bis ganz nach oben im Journalismus und als Kulturschaffende, leiteten etwa die Chefredaktion der Magazine Vogue und New Yorker oder wurden mit der Leitung des Metropolitan Museums betraut. Der Schriftsteller und Essayist Christopher Hitchens aus Portsmouth und der aus der Grafschaft Surrey stammende Blogger und Kommentator Andrew Sullivan wurden zu Amerikas führenden politischen Querdenkern. Die Historiker Simon Schama und Niall Ferguson hatten genug von mageren Einkommen und erdrückender Unterrichtsverpflichtung an britischen Hochschulen und folgten Berufungen an die Columbia University und nach Stanford. Befördert wurden diese Karrieren von einer anglophilen Haltung des amerikanischen Establishments sowie regelmäßigen Einladungen der New Yorker Denkfabrik Council of Foreign Relations. Oft reichte ein britischer Akzent als Beleg für Intelligenz und Scharfsinn. Ein Missverständnis, das oft auch dem Mittelmaß half, in der Neuen Welt zu reüssieren (Bagehot 2020). Tatsächlich trägt die englische Sprache maßgeblich dazu bei, die geografische Distanz zwischen den beiden Ländern zu überwinden und berufliche Lebenswege auf beiden Seiten des Atlantiks anschlussfähig zu machen. Oft zitierte Unterschiede zwischen amerikanischem und britischem Englisch sind vor allem folkloristischer Natur. Dazu gehört etwa der Hinweis, wonach die Briten von „Football“ reden, der in den USA „Soccer“ heißt, und auch die Trainers bleiben nicht unerwähnt, die an den Füßen auf der anderen Seite des Atlantiks Sneakers sind. Mit seiner Beobachtung, dass Großbritannien und die USA durch ihre gemeinsame Sprache getrennt seien, hat der Satiriker George Bernard Shaw zweifelsohne übertrieben. Viel schwerer als etwaige Missverständnisse und sprachliche Eigenheiten wiegen die Prinzipien der liberalen Demokratie, die protestantischen Wurzeln und ein Glaube an die ökonomische Überlegenheit eines freien Marktes, auf die sich beide Nationen berufen.
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Schnee, C. (2022). Die amerikanischen Freunde – Ein ganz spezielles Verhältnis. In: Das Vereinigte Königreich. Springer, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-37388-7_29
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