Zusammenfassung
Der Beitrag ist Transformationsprozessen im Geschlechterverhältnis innerhalb der deutschsprachigen Rap-Szene aber auch -forschung auf der Spur. Dazu wird sich zunächst mit der neuen weiblichen* Konkurrenz im Machtgefüge des Rap sowie mit unterschiedlichen Entwürfen von Weiblichkeit* im Rap beschäftigt. Nach einer Reflexion der feldspezifischen Modi von Geschlechterkonstruktionen gerät sodann vor allem die Kategorie Männlichkeit in den Blick. Ist hegemoniale Männlichkeit im Rap in der ‘Krise’oder können wir im Anschluss an soziologische Überlegungen von einem Strukturwandel hegemonialer Männlichkeit sprechen? Am Beispiel der Diskursivierung von Männlichkeit in Rap-Forschung sowie Szene wird diesen Fragen kritisch nachgegangen.
Abstract
The article is seeking for transformation processes within gender ratio in german speaking rap culture. After dealing with the increasing number of women* and some perspectives on femininity in rap, it discusses some specific modes of gender construction within rap. In the following section the category of masculinity comes to view. Is there a ‘crisis’ or structural change concerning the idea of hegemonic masculinity in rap? The question will be answered critically by using the example of discursivation of masculinity within rap studies and scene.
Shirin David (2020): Hoes up, G‘s down. Der Songtitel bezieht sich auf Snoop Doggs Gz Up, Hoes down aus dem Jahr 1993 (das große ‚G‘ steht im Rap-Diskurs als Abkürzung für ‚Gangsta‘).
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Notes
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Diese Formulierung ist an einen Ausdruck Bourdieus (2016) angelehnt, der von den ‚ernsten Spielen des Wettbewerbs‘ spricht und damit gesellschaftliche Machtfelder meint, innerhalb deren männliche Herrschaft verhandelt wird.
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Tatsächlich ist Coolness ja nicht nur eine Anforderung an das neoliberale ‚top girl‘, sondern bildet (nebst Härte und Hypermaskulinität) auch eine zentrale Säule des HipHop- respektive Rap-Habitus. Dass Coolness und politisches Engagement (wie eben Feminismus) wiederum habituell konfligieren, bemerkt auch der Literaturwissenschaftler Wolbring (2015: 438): „Das insgesamt geringe politische Engagement der Rapschaffenden, das in kapitalistischen Gesellschaften zu beobachten ist, erklärt sich dabei auch aus dem inhärenten Konflikt zwischen Coolness und Engagement. Pountain und Robins zufolge schließt sich cooles Verhalten und politisches Engagement regelrecht aus: ‚Cool is never directly political, and politics, almost by definition can never be cool‘”.
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Ausnahmen bilden an dieser Stelle die Beiträge von Wolbring (2020), der sich mit der heute allerdings wenig relevanten Rapperin Nina MC beschäftigt und Böhm/Höllein (2021), die die Genderperformance der Battle-Rapperin Antifuchs analysieren.
Die hier vorgebrachte Kritik an dem dominanten sexualisierenden und exotisierenden Blick auf Weiblichkeiten* im Rap, ist natürlich insofern ambivalent und erneut kritikwürdig, als dass der Eindruck entstehen kann, Weißsein solle hier durchs Hintertürchen wieder als Machtkategorie eingesetzt werden. Ich kann nur anmerken, dass das nicht die hier zugrundeliegende Intention ist. Und natürlich tauchen Rapper*innen, die sich nicht über das (oft rassisierte) Bitch-Konzept fassen lassen hin und wieder in der HipHop-Forschung auf, z. B. Pyranja oder auch Sookee. Allerdings handelt es sich dann oftmals um eigene Bezugnahmen/Erfahrungsberichte oder Interviews und selten um Abhandlungen, die das jeweilige Geschlechtsmodell theoretisch zu fassen ersuchen.
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Ein umfassenderer Überblick zum diesbezüglichen Forschungsstand findet sich bei Süß 2021c.
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Süß, H. (2022). Hoes Up, G’s Down? – Transformationsprozesse im Geschlechterverhältnis am Beispiel der deutschsprachigen Rap-Szene. In: Wilke, T., Rappe, M. (eds) HipHop im 21. Jahrhundert. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-36516-5_4
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