Zusammenfassung
Bei der Beschäftigung mit dem Genre „volkstümliche Musik“ fällt auf, dass die große Beliebtheit bei den Rezipient*innen in einem auffälligen Gegensatz steht zu den negativen Bewertungen in der Wissenschaft und der Journalistik. Dort herrschen kulturkritische Annahmen vor. Die Kritik bezieht sich vorwiegend auf die Bereiche der Produktion und Interpretation, während die faktische Rezeption kaum eine Rolle spielt. Der vorliegende Beitrag versucht, anhand zweier historischer Beispiele (Georg Seeßlen 1993 und Hanns-Werner Heister1994).die typischen Argumentationsmuster aufzuzeigen. Zugleich soll in einer „Kritik der Kritik“ deutlich gemacht werden, wie in einer solchen Perspektive die Menschen einseitig als Verführte und Manipulierte dargestellt werden, ohne deren Bedürfnisse und geschmackliche Vorlieben adäquat wahrzunehmen.
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Notes
- 1.
Der zweite Artikel trägt die Überschrift: „Reichsparteitag und Bauernstube. Eine Volksmusiksendung im Jahr 1985“ (ebd., S. 19–45).
- 2.
Die Vorstellung, dass Maria „hoch überm Sternenzelt“ throne, kommt im lateinischen Hymnentext gar nicht vor; das Attribut „Patrona Bavariae“ ist seit dem 17. Jahrhundert bezeugt. Allerdings ist richtig, dass erst 1916 Papst Benedikt XV. diese Verehrung offiziell anerkannte.
- 3.
Zu den Überschneidungen „rechter“ und „linker“ Kulturkritik im 20. Jahrhundert vgl. Hecken (2016), S. 30 f.
- 4.
Bei Lichte besehen relativiert diese These sogar den Faschismus, der als nationalsozialistische Gewaltherrschaft in historisch einmaliger Weise den Holocaust wie den Zweiten Weltkrieg mit Millionen von Opfern hervorgebracht hat.
- 5.
- 6.
Zur Intentionalität (versus Manipulation) von Medienangeboten vgl. Hickethier (2012, S. 18).
- 7.
Die meisten österreichischen Zuschauer*innen der Fersehsendung „Musikantenstadl“ gehörten im Jahr 2004 den Sinus-Milieus „Ländliche“, „Traditionelle“ und „Bürgerliche Mitte“ an. Diese Milieus sind im Vergleich zum gesamten TV-Publikums Österreichs deutlich überrepräsentiert (2006, S. 64 ff.).
- 8.
Hier analog gebraucht; nach Augustinus stellt die Menschheit nach dem Sündenfall eine „massa damnata“ dar, die von Gott zurecht für ihre Vergehen bestraft wird.
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Fischer, M. (2021). Massa damnata? Zur Kritik der „volkstümlichen Musik“ in den 1990er Jahren. In: Schwarz, M. (eds) Das verdächtig Populäre in der Musik. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-32690-6_12
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-32690-6_12
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