Zusammenfassung
Ausgangspunkt des vorliegenden Artikels sind neuere mathematikdidaktische Studien (z. B. Prediger et al. 2015), die deutliche Hinweise darauf geben, dass sich zentrale sprachliche Schwierigkeiten im Fach Mathematik nicht auf sprachlich komplexe Textaufgaben, fehlendes Fachvokabular und mangelhafte Lesekenntnisse beschränken. Stattdessen liegt eine spezifische Herausforderung der Sprachförderung im Fach Mathematik in der Berücksichtigung der kognitiven bzw. epistemischen Funktion von Sprache beim Lernen von Mathematik. Für eine mathematikdidaktische Sicht auf das Thema „Sprachförderung“ wird im Artikel zunächst diskutiert, welche Rolle Sprache im Fach Mathematik und „Sprachkompetenz“ beim Mathematiklernen eigentlich spielen und welche sprachlichen Faktoren dabei insbesondere zu Lernhindernissen werden können. Hierauf aufbauend wird eine inhaltliche Seminarstruktur und ein Lehrkonzept für die erste Phase der Lehramtsausbildung vorgestellt, anhand der Studierende die Relevanz des Themas, die speziellen sprachlichen Anforderungen des Faches Mathematik und der gelernten Konzepte selbst erleben und reflektieren können, um eine langfristige und selbstbewusste Sensibilisierung zu erreichen.
Die beste von allen Sprachen der Welt ist eine künstliche Sprache, eine ziemlich gedrängte Sprache, die Sprache der Mathematik.
Nikolai Ivanovic Lobatschewski
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Similar content being viewed by others
Notes
- 1.
Konzepte beziehen sich hier (und im Folgenden) auf die mathematischen Inhalte, insbesondere auf die zu verstehenden mathematischen Strukturen, die Gegenstand des Unterrichts sind.
- 2.
Wir bedanken uns bei Dr. Maike Abshagen, deren Idee zu dieser Übung wir im Seminar nutzen konnten.
- 3.
Diese Übung haben wir bei Prof. Dr. Hilary Povey kennengelernt, vgl. Povey, Hilary (2017): Engaging (with) Mathematics and Learning to Teach: an Integrated Approach to Mathematics Preservice Education. Münster: WTM-Verlag. Die Idee zu dieser Übung stammt von der Seite http://nrich.maths.org/.
- 4.
Durch das Falten entstehen drei rechtwinkligen Dreiecke, die ähnlich zueinander sind. Deren Seitenlängen stehen jeweils in einem Verhältnis von 3:4:5 (Haga 2008).
Literatur
Bruner, J. S. (1967). Toward a theory of instruction. Cambridge, MA: Harvard University Press.
Bruner, J. S. (1974). Entwurf einer Unterrichtstheorie. Buchreihe Sprache und Lernen, Bd. 5. Berlin: Berlin-Verlag.
Chamot, A. U., & O‘ Malley, J. M. (1994). The CALLA Handbook: Implementing the Cognitive Language Learning Approach. Reading, MA: Addison Wesley.
Cochran-Smith, M., & Lytle, S. L. (1999). Relationships of Knowledge and Practice: Teacher Learning in Communities. Review of Research in Education, 24 (1), S. (249–305).
Cummins, J. (1981). The role of primary language development in promoting educational success for language minority students. In California State Department of Education (Hrsg.): Schooling and Language Minority Students: A Theoretical Framework. Los Angeles: Evaluation, Dissemination and Assessment Center California State University.
Cummins, J. (1986). Language proficiency and academic achievement. In J. Cummins & M. Swain (Hrsg.): Bilingualism in education: aspects of theory, research and practice (S. 138–161). London: Longman.
Feilke, H. (2012). Bildungssprachliche Kompetenzen fördern und entwickeln. Praxis Deutsch, 233, (S. 4–13).
Gibbons, P. (2002). Scaffolding Language, Scaffolding Learning. Teaching Second Language Learners in the Mainstream Classroom. Portsmouth, NH: Heinemann.
Goldin, G., & Steingold, N. (2001). System of Mathematical Representation and Development of Mathematical Concepts. In F. R. Curcio (Hrsg.): The Roles of Representation in School Mathematics. Reston: National Council of teachers of Mathematics.
Haga, K. (2008). Origamics: Mathematical Explorations Through Paper Folding. Singapur u. a.: World Scientific Publishing.
Halliday, M. A. (1979). Language as social semiotic. The social interpretation of language and meaning. London: Arnold.
Halliday, M. A. (1993). Towards a language-based theory of learning. Linguistics and Education, 5 (2), (S. 93–116).
Hammond, J., & Gibbons, P. (2005). Putting Scaffolding to work: The contribution of scaffolding in articulating ESL education. Prospect, 20 (1), (S. 6–30).
Jeuk, S. (2013). Deutsch als Zweitsprache in der Schule: Grundlagen – Diagnose – Förderung, 2. Auflage. Stuttgart: Kohlhammer.
Koch, P., & Oesterreicher, W. (1985). Sprache der Nähe – Sprache der Distanz. Romanistisches Jahrbuch, 36 (85), (S. 15–43).
Leisen, J. (2005). Wechsel der Darstellungsformen: eine wichtige Strategie im kommunikativen Physikunterricht. Unterricht Physik, 16 (87), (S. 10–11).
Leisen, J. (2017). Handbuch Fortbildung Sprachförderung im Fach. Sprachsensibler Fachunterricht in der Praxis. 1. Auflage. Stuttgart: Ernst Klett Sprachen.
Leufer, N., Kühme, N., & Schröder, K. (2018). Folien zum Seminar „Mehrsprachigkeit in der Schule: Sprachsensibler Mathematikunterricht“. Westfälische Wilhelms-Universität Münster.
Maier, H., & Schweiger, F. (1999). Mathematik und Sprache. Zum Verstehen und Verwenden von Fachsprache im Mathematikunterricht. Mathematik für Schule und Praxis. Wien: ÖBV & HPT.
Meyer, M., & Tiedemann, K. (2017). Sprache im Fach Mathematik. Mathematik im Fokus. Berlin: Springer Spektrum.
Meyer, M., & Prediger, S. (2012). Sprachenvielfalt im Mathematikunterricht – Herausforderungen, Chancen und Förderansätze aus der Mathematik in der Schule. Praxis der Mathematik in der Schule, 54 (45), (S. 2–9).
Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen (Hrsg.). (2011). Kernlehrplan und Richtlinien für die Hauptschule. Mathematik. 1. Auflage. doi: https://www.schulentwicklung.nrw.de/lehrplaene/lehrplan/43/Mathe_HS_KLP.pdf.
Morek, M., & Heller, V. (2012). Bildungssprache – Kommunikative, epistemische, soziale und interaktive Aspekte ihres Gebrauchs. Zeitschrift für angewandte Linguistik, 57 (1), (S. 67–101).
Pöhler, B., & Prediger, S. (2017). Verstehensförderung erfordert auch Sprachförderung – Hintergründe und Ansätze einer Unterrichtseinheit zum Prozente verstehen, erklären und berechnen. In A. Fritz, S. Schmidt & G. Ricken (Hrsg.): Handbuch Rechenschwäche (S. 436–459). Weinheim: Beltz.
Prediger, S., & Wessel, L. (2011). Darstellen – Deuten – Darstellungen vernetzen: Ein fach- und sprachintegrierter Förderansatz für mehrsprachige Lernende im Mathematikunterricht. In S. Prediger & E. Özdil (Hrsg.), Mehrsprachigkeit: Bd. 32. Mathematiklernen unter Bedingungen der Mehrsprachigkeit. Stand und Perspektiven der Forschung und Entwicklung in Deutschland (S. 163–184). Münster: Waxmann Verlag.
Prediger, S., Wilhelm, N., Büchter, A., Benholz, C., & Gürsoy, E. (2015). Sprachkompetenz und Mathematikleistung – Empirische Untersuchung sprachlich bedingter Hürden in den Zentralen Prüfungen 10. Journal für Mathematik-Didaktik, 36 (1), (S. 77–104).
Prenzel, M., Artelt, C., Baumert, J., Blum, W., Hamman, M., Klieme, E., & Pekrun, R. (Hrsg.). (2007). PISA 2006. Die Ergebnisse der dritten internationalen Vergleichsstudie. Münster: Waxmann Verlag.
Schleppegrell, M. J. (2001): Linguistic Features of the Language of Schooling. Linguistics and Education, (12, S. 431–459). doi: 10.1016/S0898-5898(01)00073-0.
Schön, D. (1983). The Reflective Practitioner: How professionals think in action. London: Temple Smith.
Vollmer, H., & Thürmann, E. (2010). Zur Sprachlichkeit des Fachlernens: Modellierung eines Referenzrahmens für Deutsch als Zweitsprache. In B. Ahrenholz (Hrsg.): Fachunterricht und Deutsch als Zweitsprache (S. 107–132), 2. Auflage. Tübingen: Narr.
Vom Hofe, R., & Kleine, M. (2002). Grundvorstellungen als mentale Basis mathematischer Bildung. Unterrichten/Erziehen, 21, (S. 123–127).
Wessel, L. (2015). Fach- und sprachintegrierte Förderung durch Darstellungsvernetzung und Scaffolding: Ein Entwicklungsforschungsprojekt zum Anteilbegriff. Buchreihe Dortmunder Beiträge zur Entwicklung und Erforschung des Mathematikunterrichts, Bd. 19. Wiesbaden: Springer Spektrum.
Wygotski, L. (1987). Ausgewählte Schriften. Bd. 2: Arbeiten zur psychischen Entwicklung der Persönlichkeit. Köln: Pahl-Rugenstein.
Author information
Authors and Affiliations
Corresponding author
Editor information
Editors and Affiliations
Rights and permissions
Copyright information
© 2019 Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature
About this chapter
Cite this chapter
Leufer, N., Kühme, N., Schröder, K. (2019). „Was jeder erstmal kognitiv verstehen muss…“ – Sprache und „Deutsch als Zweitsprache“ im Fach Mathematik. In: Danilovich, Y., Putjata, G. (eds) Sprachliche Vielfalt im Unterricht. Edition Fachdidaktiken. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-23254-2_10
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-23254-2_10
Published:
Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-658-23253-5
Online ISBN: 978-3-658-23254-2
eBook Packages: Education and Social Work (German Language)