Zusammenfassung
Die DDR, eine Erziehungsdiktatur par excellence, hat der Literatur von Beginn an eine zentrale und begründende Funktion beim Aufbau und bei der Ausgestaltung des Sozialismus zugewiesen. »Literatur im realen Sozialismus«: Das war keine ausdifferenzierte gesellschaftliche Wertsphäre von eigener Gesetzlichkeit (wie sie Max Weber als für moderne Gesellschaften typisch beschrieben hat), sondern sie war programmatisch eingebaut in die allgemeine Strategie, sozialistische Verhältnisse durchzusetzen und »sozialistische Persönlichkeiten« als deren Träger zu erziehen. Insofern geht ein Verständnis des ›Systems DDR-Literatur‹ in die Irre, das einen diktatorischen Zensurapparat einer an sich autonomen Literatur strikt gegenüberstellt. Vielmehr sollte die Literatur von vornherein integraler Bestandteil des sozialistischen Volkserziehungsprogramms sein — und viele DDR-Autorinnen und Autoren wirkten gläubig daran mit. Damit war — und das ist der vielleicht entscheidende Charakterzug des ›Systems DDR-Literatur‹ — dem Autor die privilegierte (um nicht zu sagen: hypertrophe) Rolle des Volkserziehers und ›Sozialpädagogen‹ zugewiesen. Sie ließ in neuem Gewand den Typus des (bürgerlichen) »Großschriftstellers« wieder erstehen, von dem Führung und Prophetie, Verheißung und Trost erwartet wurde. Dies galt für die DDR paradoxerweise immer stärker, je mehr der Staat der SED in eine Legitimations- und Sinnkrise geriet. Zumal die nun kritischen Schriftsteller und ihre Werke übernahmen häufig — immer noch in der Rolle der Volkserzieher — die Funktion, die Kluft zwischen dem offiziellen Sinn des Staates und der utopischen Verheißung eines ›wahren‹ Sozialismus zu überbrücken und das immer größer werdende Sinndefizit zu kompensieren.
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Beutin, W. et al. (2013). Die Literatur der DDR. In: Deutsche Literaturgeschichte. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-00813-8_13
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