Peter Gentsch

Künstliche Intelligenz für Sales, Marketing und Service – Mit AI und Bots zu einem Algorithmic Business – Konzepte und Best Practices

ISBN 978-3-658-25375‑2, SpringerGabler, 2. Aufl., Wiesbaden 2019, 301 S., 44,99 €

Ein Buch über Künstliche Intelligenz (KI), das mit einem von Künstlicher Intelligenz automatisch generierten Einleitungssatz beginnt, muss Interesse wecken. Doch darf man von Künstlicher Intelligenz keine „Wunder“ erwarten. Denn allzu oft, dies betont der Autor gleich zu Beginn, werden mit KI zu große Erwartungen verbunden, die unerfüllbar sind. Entsprechend will das Buch die aktuellen (kurz bis mittelfristigen) und auch künftigen (langfristigen) Möglichkeiten des KI-Einsatzes in Unternehmen realistisch aufzeigen, ohne dabei die Probleme und Risiken außer Acht zu lassen. Dabei konzentriert sich das Buch – wie im Titel genannt – auf die hinsichtlich Wettbewerbsfähigkeit und -vorteil, aber auch Profitabilität besonders interessanten Bereiche Marketing, Sales und Service. Es ergänzt damit andere KI-Publikationen, die ihren Schwerpunkt eher im produktionsnahen Umfeld (Stichwort: Erkennen von Störungen in komplexen Fertigungsanlagen) oder bei Personal und Finanzen haben (Stichworte: „Bewerbungen beurteilen“, „Buchungen durchführen“).

Die große Stärke des Buches sind die Best Practices (Kap. 7), die mehr als ein Drittel des Gesamtumfangs einnehmen. Doch auch in den übrigen Kapiteln werden immer wieder Beispiele aus der Unternehmenspraxis zur Erläuterung eingebunden. Nicht nur für Studierende, sondern gerade auch für Praktiker, die sich einen Überblick über die Möglichkeiten verschaffen möchten, ist das Buch deshalb eine sehr gute Einführung in die Thematik, denn alle Sachverhalte werden anschaulich erläutert. Studierende (beim Lernen auf transferorientierte Prüfungen) einerseits, Praktiker (bei der Konzeption eigener Projekte) andererseits können so auf einen reichhaltigen Fundus an Detailinformationen und Erfahrung zurückgreifen.

Um die Thematik zu erschließen beginnt das Buch mit Kap. 2 bei den Daten, die für KI, respektive ihre Lernprozesse, grundsätzlich in großer Menge benötigt werden. Es definiert in kompakter Form „Big Data“ und stellt dar, warum und wo Algorithmen diese Daten nutzen. Das „Wie“ wird anschließend in Kap. 3 ausführlich erläutert. Kap. 4 strukturiert dieses Wissen dann in einem Framework und Reifegradmodell für „Algorithmic Business“. Kap. 5 wendet dieses Modell folgerichtig an, im „selbstfahrenden“ Unternehmen, in dem KI zentrale Planungs- und Steuerungsaufgaben zumindest unterstützt (entsprechend analog zu den aktuellen Fähigkeiten „selbstfahrender“ Autos). Leider wird der in der Kapitelüberschrift (aus Marketing-Gesichtspunkten und mit Blick auf den Fokus des Buches) originelle und passend gewählte Begriff im Kapitel selbst nicht weiter aufgegriffen. Vielleicht eine Anregung, die in einer 3. Auflage Beachtung finden könnte, um das sonst sehr gut lesbare Buch anzureichern. Denn momentan wird dieser Gedanke erst im Ausblick (Kap. 8) noch einmal aufgegriffen.

Es überrascht dann auch nicht, dass Kap. 6 den Schwerpunkt auf die Kommunikation (mit Blick auf Sales und Marketing) als wesentlichem Faktor für wirtschaftlichen Erfolg legt. Es zeigt auf, wie KI die externe, aber auch interne Kommunikation verändert, insbesondere durch den Einsatz von Bots und Messaging-Systemen. Interessant ist die Diskussion, wie sich Bots weiterentwickeln und zunehmend auch komplexe Aufgaben übernehmen können, die heute vielfach noch über mehrere separate Anwendungen abgewickelt werden müssen. Bots werden also immer häufiger in der Lage sein, ganze Workflows zu steuern und so ihren Nutzern Arbeit zu erleichtern oder gar ganz abzunehmen. Dazu passt die vorgestellte Studie, wer von den gängigen Sprachassistenten (Siri, Google Now, Cortana, Alexa) über die größte „Intelligenz“ verfügt. Es überrascht nicht, dass die Fähigkeiten unterschiedlich verteilt sind und jeder Assistent seine „Spezialgebiete“ besitzt. Ebenso passend fügt sich die Diskussion um die Position der KI in der sogenannten GAFA-Ökonomie in den Kontext ein. Da der Schwerpunkt des Buches auf Sales und Marketing liegt, ist eine Beschränkung auf die namensgebenden Unternehmen Google, Amazon, Facebook und Apple konsequent, in anderen Fällen wäre es sicherlich hilfreich, darauf hinzuweisen, dass sich die Namen der Beteiligten im Zeitablauf rasch ändern könnten.

Lediglich Kap. 6.9 hätte ausführlicher gestaltet werden können, wird hierin doch eine „Roadmap zum Conversational Commerce“ vorgestellt, also genau das, was in der Praxis besonderes Interesse weckt. So fallen die Erklärungen auf nicht einmal fünf Seiten zu knapp aus. Insbesondere die Checkliste, aber auch das Modell selbst, sind recht grobgranular und könnten in einer Folgeauflage sicherlich deutlich detaillierter diskutiert werden.

Die in Kap. 7 vorgestellten elf Best Practices sind Gastbeiträge und garantieren so eine maximale Praxisnähe und Authentizität. Dass dieses Kapitel nicht „aus einem Guss“ wirkt, ist daher weder überraschend, noch nachteilig. Einzig die etwas uneinheitliche Darstellung der Autoren(-informationen) irritiert ein klein wenig.

Gut gelungen ist auch der Ausblick in Kap. 8, der neben dem vertriebsorientierten Servicebegriff, der im übrigen Text dominiert, auch den eher technisch motivierten Service aufgreift. Zudem werden dort recht kurzweilig, aber dennoch fachlich fundiert Fragen diskutiert, wie „Die Computer übernehmen – realistisches Szenario oder Science-Fiction?“ oder „Was sind die Trends in der KI und welche Implikationen ergeben sich daraus für die Unternehmen und die gesamte Gesellschaft“? Das Buch schließt mit einer Darstellung über historische Fehleinschätzungen, die den Leser, der heute weiß, wie die Entwicklung tatsächlich verlief, unweigerlich schmunzeln lassen.

Fazit: Wer ein Buch zu genau diesem Themenbereich sucht, sollte diesen Titel unbedingt gelesen haben. Dass andere Aspekte der KI nicht oder nur ganz am Rande angesprochen werden, ist konsequent und kein Grund zu Kritik. Die zweite Auflage zeigt es ja bereits, und hier sei dem Autor empfohlen: Bleiben Sie dran, halten Sie dieses informative und gut strukturierte Werk aktuell. Die künftigen Leser werden es Ihnen danken.