Auch außerhalb der Arzthaftung werden Prozesse geführt, in die Ärzte gegebenenfalls geraten könnten. Ab wann kann sich zum Beispiel für Hersteller von Kosmetika eine Haftung ergeben?

Eine Kundin machte gegen die Herstellerin eines Sets mit „Gesicht-Haarentfernungs-Creme“ Schadensersatz geltend. Sie hatte das in einem Drogeriemarkt erworbene Produkt nach einem Vortest, der nach Gebrauchsanweisung mehr als 24 Stunden vor der eigentlichen Nutzung erfolgte, angewandt und eine größere Menge der Creme auf Wangen, Kinn und Oberlippe aufgetragen. Gemäß Gebrauchsanweisung hatte sie die Creme fünf Minuten später entfernt, das Gesicht abgewaschen und die im Set enthaltene Pflegecreme aufgetragen. Sie habe keine Vorschäden gehabt und der Vortest sei unauffällig verlaufen. Nach der Hauptanwendung sei aber rund vier Stunden später ein Brennen aufgetreten, als ob sich „Säure in ihr Gesicht fressen“ würde, und noch in der Nacht habe sich ein heftig blutender Ausschlag entwickelt. Ihre Hautarztpraxis habe am nächsten Morgen geraten, die Haut mit Wasser zu kühlen, eine Vorstellung aber erst in zehn Tagen angeboten. Als einen sie in ihrer Lebensführung beeinträchtigenden Langzeitschaden machte die Kundin nun einen bleibenden, sichtbaren Ausschlag im Bereich der betroffenen Hautpartien geltend, der allenfalls durch eine Laserbehandlung zu beseitigen sei.

So sah das Gericht den Fall

Das Landgericht (LG) Heidelberg gab der Klage überwiegend statt (Urt. v. 25.11.2016, 3 O 5/16), da seiner Überzeugung nach durch einen Produktfehler im Sinne von § 1 Absatz 1 Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG) ein Gesundheitsschaden entstanden war. Das LG folgte dabei den klägerischen Schilderungen: So habe sich die Klägerin an die Gebrauchsanweisung gehalten, insbesondere den Vortest, bei dem es noch keine negativen Wirkungen gab. Dies, fehlende Vorschädigungen und die später plötzlich doch negativen Folgen wurden klägerseits für die Richter glaubhaft geschildert sowie von der Tochter der Klägerin als Zeugin bestätigt. Diese widerlegte auch die Mutmaßung, dass verschiedene Creme-Sets angewandt worden sein könnten. Der Sachverständige hielt die Schilderungen fachlich ebenso für nachvollziehbar und stellte eine irritative Reaktion der Haut mit verbliebenen teleangiektatischen Hautveränderungen fest. Für den Kausalzusammenhang sprachen neben dem zeitlichen Kontext noch Fotos und ärztliche Atteste der Hautärztin. Das Gericht sah dies alles somit als Folge eines „fehlerhaften Produkts“, da die Creme gemäß § 3 Absatz 1 ProdHaftG nicht die Sicherheit geboten habe, die unter Berücksichtigung aller Umstände erwartet werden durfte. Die maßgeblichen Sicherheitserwartungen wurden danach bemessen, was der Personenkreis, an den sich der Hersteller wendet, nach herrschender Verkehrsauffassung für erforderlich halten durfte (dazu BGH, Urt. v. 17.3.2009, VI ZR 176/08). Für das Gericht bestand dabei auch kein Zweifel, dass das Produkt bei bestimmten Personen trotz unauffälligem Vortest und korrekter Anwendung zu Hautirritationen mit Langzeitschäden führen konnte. Dies hatte der Sachverständige bestätigt, unter anderem auch gestützt auf weitere Schilderungen anderer Kunden.

Bedeutung für den Alltag

Nicht nur als (sachverständige) Zeugen können Dermatologen in solche Fälle gezogen werden. Denkbar wäre auch, dass sie sich selbst als Hersteller solcher Produkte im Nebenberuf damit befassen müssen, soweit unter Berücksichtigung der sehr strengen berufsrechtlichen Grenzen und Maßstäbe (u. a. § 3 MBO-Ärzte) eine solche Betätigung überhaupt zulässig wäre. Auf jeden Fall macht das Urteil die Maßstäbe zur Beurteilung von Produktfehlern insofern aber sehr deutlich und zeigt, dass selbst mannigfaltige Warnhinweise auf Produkten rechtliche Risiken nicht immer abwenden. Denn so schien es dem LG zwar auch richtig, dass der durchschnittliche Anwender sich dem Risiko gewisser Hautreaktionen durchaus bewusst aussetzen mag, zumal er hierauf auf der Verpackung meist hingewiesen wird („Brennen“ o. ä.). Das damit ersichtliche Risiko betrifft jedoch zum einen meist nur die „kleine Stelle“, auf der der Vortest durchgeführt wird. Zum anderen darf der Anwender, zumindest soweit dahingehend keine wirklich expliziten Hinweise enthalten sind, doch bei einem unauffälligen Ergebnis des Vortests annehmen, dass mit Hautirritationen bei der anschließend großflächigen Anwendung nicht mehr zu rechnen ist. Und selbst wenn im Allgemeinen völlige Gefahrlosigkeit nicht erwartet werden kann (BGH NJW 2009, 1669), müssen verständige Verbraucher auf jeden Fall nicht ohne weiteres mit der Gefahr von Langzeitschäden rechnen.