Nach jahrelangen Verhandlungen startet im 2. Quartal 2024 die sogenannte Blankoverordnung. Vorerst nur in der Ergotherapie und nur bei drei Indikationsgruppen können Ärztinnen und Ärzte den Therapeutinnen und Therapeuten komplett freie Hand lassen. Diese Fälle sind zudem von der Wirtschaftlichkeitsprüfung ausgenommen.

Die Blankoverordnung einer ergotherapeutischen Heilmittelversorgung überträgt eine „erweiterte Versorgungsverantwortung“ auf den Ergotherapeuten. Dieser ist weiterhin auf Grundlage einer ärztlichen Indikationsstellung tätig, entscheidet dabei aber eigenständig über die Wahl des Heilmittels, die Therapiefrequenz sowie die Dauer der einzelnen Behandlungen und der gesamten Therapie.

Blankoverordnungen sind ab Verordnungsdatum maximal 16 Wochen gültig. Damit soll laut KBV sichergestellt werden, dass in „vertretbaren Abständen“ ein erneuter Arztkontakt stattfindet, um die medizinische Indikation zu überprüfen.

Wichtig für Arztpraxen: Diese neue Versorgungsform unterliegt - wie Verordnungen bei einem langfristigen Heilmittelbedarf - nicht der Wirtschaftlichkeitsprüfung! Die wirtschaftliche Verantwortung tragen somit die behandelnden Ergotherapeuten. Nur wenn der Arzt ausdrücklich auf eine Blankoverordnung verzichtet und Therapieart, -frequenz sowie -dauer angibt, bleibt er wie bisher in Rechenschaftspflicht.

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Sie entscheidet, wie seine Therapie aussieht.

20% der Verordnungen sind betroffen

Eine Blankoverordnung wird zunächst in drei Bereichen möglich:

  • Diagnosegruppe SB 1 - Erkrankungen der Wirbelsäule, Gelenke und Extremitäten mit motorisch-funktionellen Schädigungen,

  • Diagnosegruppe PS3 - wahnhafte und affektive Störungen bzw. Abhängigkeitserkrankungen,

  • Diagnosegruppe PS4 - demenzielle Syndrome.

Nach Angaben des GKV-Spitzenverbands repräsentieren diese drei Gruppen rund 20% der bisher zulasten der Kassen abgerechneten ergotherapeutischen Leistungen. Es bestehe zwischen den Vertragspartnern Konsens, dass die drei Diagnosegruppen um die pädiatrische Versorgung ergänzt werden sollen, heißt es.

Die KBV hat den Herstellern von Praxisverwaltungssystemen bereits Vorgaben gemacht, wie die Blankoverordnung umgesetzt werden soll. Bei den infrage kommenden Indikationen soll die Software den Arzt zur Entscheidung auffordern, ob eine Blankoverordnung erfolgen soll oder nicht.

Stichwort Wirtschaftlichkeit: In dem neuen System sind es nun die Ergotherapeuten, die ein - wenn auch vorerst leichtes - Regelkorsett angelegt bekommen. Für sie gilt in dem von ihnen verantworteten Bereich künftig ein Ampelsystem, das auf die Menge der abgerechneten Leistungen im 16-Wochen-Zeitraum abstellt. Erreicht der Ergotherapeut den roten Bereich, vergüten die Kassen weitere Leistungen nur noch mit einem Abschlag von 9%.

Die Blankoverordnung musste einen weiten und holprigen Weg absolvieren. Erste Erprobungen begannen bereits im Jahr 2011 im Bereich der Physiotherapie. Das Heil- und Hilfsmittelversorgungsstärkungs-Gesetz (HHVG) sollte 2016 dann Modellversuche ermöglichen. Diese scheiterten an juristischen Bedenken der Krankenkassen. 2019 nahm der Gesetzgeber mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) einen neuen Anlauf. Es dauerte aber noch einmal bis Dezember 2023, bis GKV-Spitzenverband und Therapeutenverbände sich einigten. Knackpunkt war v. a. die Überprüfung der Wirtschaftlichkeit. Nun sind die Ergotherapeuten die ersten Heilmittelerbringer, deren Handlungsautonomie ausgeweitet wird.