Neurostimulationsverfahren sind heute ein wichtiger Baustein in der Behandlung von Personen mit therapieresistenter Epilepsie. Dabei scheinen intrakranielle Techniken etwas besser zu wirken als die Vagusnervstimulation. Allerdings wären für eine vergleichende Beurteilung der Wirksamkeit Head-to-Head-Studien wünschenswert.

Bei Epilepsie steht die Neurostimulation an dritter Stelle, nach der Pharmakotherapie und der Chirurgie. Wie PD Dr. Elisabeth Kaufmann, Neurologin an der Ludwig-Maximilians-Universität München, ausführte, prüfe man bei Pharmakoresistenz zunächst, ob ein chirurgisch resezierbarer Herd vorliege. Erst wenn eine Resektion nicht möglich sei oder nicht erfolgreich verlaufe, komme eine Neurostimulation infrage. Als Stimulationstechniken stehen heute die Vagusnervstimulation, die tiefe Hirnstimulation, die responsive Neurostimulation und seit kurzem auch die epikranielle Stimulation zur Verfügung.

Vagusnervstimulation am besten erprobt

Am längsten zugelassen, nämlich seit 1994, und somit wohl am besten untersucht, ist die Vagusnervstimulation. Dabei mache man sich, so Kaufmann, zunutze, dass der Vagusnerv etwa 80 % afferente Fasern führt, über die man die Aktivität in den assoziierten Hirnstammarealen und übergeordneten Zentren modulieren könne. Die Efferenzen des Vagus führen zu Herz und Magen-Darm-Trakt, was die Kontraindikationen der Vagusnervstimulation erklärt. Dazu zählen unter anderem schwere kardiale Vorerkrankungen, obstruktives Schlafapnoesyndrom, Asthma, Magen-Darm-Ulzera und vasovagale Synkopen. Die Ansprechrate im Sinne einer mindestens 50 %-igen Anfallsreduktion nach drei Jahren beträgt rund 40 %. Über die Mitstimulation des Rekurrensastes erklären sich Nebenwirkungen wie Heiserkeit, Husten, Parästhesien und Dyspnoe. Diese kommen vor allem in den ersten Monaten der Behandlung vor. Das Risiko für einen plötzlichen unerwarteten Todesfall bei Epilepsie geht unter der Vagusnervstimulation zurück.

Bei dem zur tiefen Hirnstimulation bei Epilepsie zugelassenen Verfahren liegt der Zielort der Stimulation im anterioren Nucleus des Thalamus. Laut Studien kann die Anfallsfrequenz nach sieben Jahren um bis zu drei Viertel reduziert werden. 18 % der Behandelten erlangten Anfallsfreiheit. Die tiefe Hirnstimulation gehe, so Kaufmann, mit höheren Infektionsraten und periprozeduralen Risiken einher als die Vagusnervstimulation. Unter der tiefen Hirnstimulation habe man zwar eine Zunahme von Gedächtnisproblemen und Depressionen beobachtet; vermutlich seien diese aber erkrankungsbedingt und würden durch die reduzierte Anfallsrate von den Betroffenen eher bemerkt als vor der Behandlung. Dennoch gelte die Einschränkung, dass bei Personen mit schwerer Depression, Suizidalität oder psychogenen epileptischen Anfällen die tiefe Hirnstimulation nur sehr zurückhaltend oder gar nicht eingesetzt werden sollte. Hier komme dann eher die Vagusnervstimulation infrage, die auch zur Depressionsbehandlung zugelassen sei.

Bei der responsiven Neurostimulation, die zwar in den USA, nicht aber in Europa zugelassen ist, wird eine intrakranielle Elektrode direkt an den Ort des epileptogenen Fokus gelegt. Das Gerät sendet nur dann Stimulationsimpulse, wenn der Sensor epileptogene Aktivität meldet. Die Effektivitätsraten sind Kaufmann zufolge mit denen bei der tiefen Hirnstimulation in etwa vergleichbar.

Epikranielle Stimulation seit September zugelassen

Die epikranielle Stimulation basiert auf der transkraniellen Gleichstromstimulation. Die Stimulationselektrode wird dabei subgaleal auf dem Schädelknochen über dem epileptogenen Fokus platziert. Kaufmann berichtete von der ersten Interimsanalyse mit 33 Behandelten und einem Follow-up von sechs Monaten eine Ansprechrate von 53 %. Diese Ergebnisse hatten zur CE-Zulassung der epikraniellen Stimulation im September dieses Jahres geführt. Allerdings seien noch weitere Studien notwendig, um die Wirksamkeit des Verfahrens, vor allem über längere Zeiträume beurteilen zu können. Die epikranielle Stimulation komme vornehmlich bei unifokalen kortikalen Epilepsien infrage, etwa bei epileptogenem Fokus in eloquenten Kortexarealen, die sich für eine chirurgische Resektion nicht eignen. Um die verschiedenen Neurostimulationsverfahren zu vergleichen, bräuchte es Kaufmann zufolge Head-to-Head-Studien. Eine grobe Einschätzung sei auf Basis einer kürzlich publizierten Metanalyse möglich. Demnach scheinen die intrakraniellen Verfahren gegenüber der Vagusnervstimulation in punkto Anfallsfreiheit leicht überlegen zu sein [Touma L et al. Epilepsia. 2022;63:1314-29]. Wegen der fehlenden Vergleichbarkeit der Studien sei diese Einschätzung aber als vorläufig zu betrachten.

Neurowoche 2022, 1.-5. November 2022, Berlin und online. Innovationen in Diagnostik und Therapie der Epilepsien. Stellenwert von extra- und intrakranieller Hirnstimulation bei Epilepsie