In unserem Fach werden Soziale Medien mittlerweile seit knapp zwei Jahrzehnten untersucht. Doch in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Sozialen Medien zeichnete sich zunächst ein ähnliches Muster ab wie in der anfänglichen Untersuchung von Zeitungen und Fernsehnachrichten: Anfangs wurde lediglich der Text untersucht, während die Bilder weitestgehend vernachlässigt wurden. Wie dieser Band zurecht argumentiert, ist das Visuelle „mittlerweile zu einem zentralen Charakteristikum der Kommunikation auf den meisten Social-Media-Plattformen geworden“ und – man denke etwa an Instagram und TikTok – „Soziale Medien sind visuelle Medien“ (S. 21).

In diesem Band wurden 13 Beiträge versammelt, die 2018 auf der Tagung der Fachgruppe Visuelle Kommunikation der DGPuK im Jahr 2018 in Wien vorgestellt wurden. Das Konzept der Fachtagung basierte auf dem Begriff der „networked images“, welcher die Veränderung mancher visueller Praktiken im Online-Kontext zusammenfassend bezeichnet (u. a. Shares und Likes). Hinzu kommt noch eine gut argumentierende Einleitung der Herausgeberinnen, die für eine „generelle stärkere Berücksichtigung visueller Kommunikation in der Online-Forschung“ plädieren (S. 20). Die Einleitung liefert auch einen Überblick über die enthaltenen Beiträge, die „den spezifischen Herausforderungen digitaler, vernetzter visueller Kommunikation gewidmet sind“ (S. 21).

Der Band enthält drei Teile. Jeder von ihnen behandelt einen bestimmten Aspekt der Visualität in Sozialen Medien. So werden im ersten Teil „visuelle Lebensentwürfe“ untersucht. Den Ausgangspunkt hierfür bildet die Vermutung, dass das Teilen und Zeigen von Bildern in Sozialen Medien eine identitätsstiftende Funktion erfüllen kann. Hier kann man zum Beispiel – auf der Grundlage einer Einzelbildanalyse – nachlesen, wie Instagram-Posts die Bildung einer religiösen Nische von Frauen unterstützen könnte („Blessed is She“). Im zweiten Teil werden professionelle Bilder in den Fokus gerückt. Hier geht es unter anderem darum, zu verstehen, was gute visuelle Posts oder Kampagnen von PolitikerInnen ausmachen. Eine der Studien kommt zu dem Schluss, dass PolitikerInnendarstellungen auf Instagram in Österreich dann für gut befunden wurden, wenn sie emotionalisierend waren. Eine andere analysiert, wie der jetzige Bundespräsident Österreichs Bilder eingesetzt hat, um ein bestimmtes Verständnis von Heimat zu transportieren. Eine andere schlussfolgert, dass „women of color“ in den Instagram-Posts Hillary Clintons nicht genug bzw. nur strategisch und stereotypisch gezeigt wurden. Während in den ersten zwei Teilen des Bandes vor allem die Möglichkeiten von Bildern in Sozialen Medien im Vordergrund standen, werden im dritten Teil problematische Aspekte thematisiert – darunter Skandalisierung und Überwachung. Hier enthalten ist etwa eine tiefgehende Analyse des vielfach gedruckten Merkel-Trump Bildes auf dem G7-Gipfel 2018. Inkludiert wurden auch ausführliche, quantitative Inhaltsanalysen von bis zu 400 Bildern.

In diesem Band werden ganz verschiedene Themen behandelt, von Polit-Kampagnen bis Influencer-Dasein. Dennoch kann ein besonderes Interesse für Fragen der Konstruktion von Geschlecht festgestellt werden – wie etwa für eine mögliche Diskriminierung von Frauen aufgrund ihres Geschlechts, ihrer Ethnizität, oder der Art und Weise, wie sie sich als Mütter darstellen. Die Analysen berücksichtigen einige Länder außerhalb des deutschsprachigen Raums, wie etwa Thailand oder die USA, wobei erstere klar dominieren.

Die Beiträge in diesem Band verwenden die unterschiedlichsten Perspektiven, sowohl theoretisch als auch methodisch. Grundsätzlich ist es gelungen, Studien vorzustellen, die „an der Schnittstelle von Visueller Kommunikationsforschung und Online-Forschung situiert [sind] und die jeweiligen theoretischen und empirischen Grundlagen für die Forschung wechselseitig nutzbar machen“ (S. 22). Von interpretativen Einzelbildanalysen über Ethnografie, Semiotik, Lautes Denken und Leitfadeninterviews bis hin zu quantitativen Inhaltsanalysen größerer Bild-Korpora – es gibt kaum etwas, was hier nicht zum Einsatz kommt. Doch qualitative und kritische Zugänge dominieren, während quantitative ForscherInnen hier weniger stark vertreten sind. LeserInnen, die Zahlen erwarten, werden eher nicht fündig. Diese könnten manche Befunde aufgrund einer zu kleinen Stichprobe von 20 ProbandInnen, neun oder einem einzigen Post in Sozialen Medien infrage stellen – vor allem dann, wenn weitreichende Schlüsse auf der Grundlage weniger Posts getroffen werden, etwa über die Verfehlungen von PolitikerInnen.