Mit rund 68.000 neu diagnostizierten Fällen im Jahr 2012 ist das Prostatakarzinom der häufigste maligne Tumor bei Männern in Deutschland. Das Lebenszeitrisiko für ein Prostatakarzinom beträgt damit mehr als 13% bzw. mindestens einer von 8 Männern ist betroffen. Die in den letzten Jahren beobachtete Inzidenzzunahme ist dabei vor allem auf eine Zunahme der PSA (prostataspezifisches Antigen)-gestützten Früherkennung zurückzuführen. Schätzungen gehen davon aus, dass dadurch die Diagnose um 10 Jahre „vorverlegt“ werden könnte.

Populationsbasierte Daten vor allem aus den skandinavischen Ländern belegen, dass es eine große Gruppe relativ langsam wachsender Prostatakarzinome gibt, bei denen das Sterberisiko auch im Verlauf von mehr als 10 Jahren gering ist. Dennoch ist das Prostatakarzinom mit mehr als 12.000 Sterbefällen pro Jahr die dritthäufigste Krebstodesursache bei Männern in Deutschland. Im Jahr 2015 soll diese Zahl auf 15.000 steigen (Zentrum für Krebsregisterdaten des Robert Koch Instituts), was z. T. auch durch die insgesamt zunehmende Lebenserwartung unserer Bevölkerung bedingt sein mag.

In den letzten Jahren hat die Behandlung des Prostatakarzinoms auf der gesamten Strecke einen enormen Wandel erfahren. Es ist das Ziel dieser Ausgabe von Der Onkologe, den aktuellen Stand dieser Entwicklung darzustellen.

Vor allem aufgrund der Daten der europäischen Screeningstudie (ERSPC) hat sich die Einstellung zum Einsatz der PSA-gestützten Früherkennung geändert. Wie der Beitrag von Esch et al. zeigt, wird die Idee eines generellen PSA-Screenings zugunsten eines in jüngeren Jahren beginnenden, risikoadaptierten Vorgehens verlassen. Dies beruht u. a. auf der Erkenntnis, dass der PSA-Wert das Risiko für Diagnose und Tod durch ein Prostatakarzinom über viele Jahre (bzw. Jahrzehnte) vorherzusagen vermag.

Das Konzept der aktiven Überwachung findet zunehmend Verbreitung

Vor dem Hintergrund der schwierigen Unterscheidung zwischen den indolenten und den aggressiven Formen eines Prostatakarzinoms hat das Konzept der aktiven Überwachung eine zunehmende Verbreitung gefunden; hier werden Patienten mit insignifikantem Karzinom und niedrigem Risiko für eine Tumorprogression zunächst anhand des PSA-Verlaufs und mittels Reprostatabiopsien überwacht und kontrolliert. Patienten mit indolenter Erkrankung kann so eine aktive Therapie unter Umständen für lange Zeit erspart werden. Grundlage hierfür ist die zuverlässige Klassifikation der Karzinome anhand klinischer und histopathologischer Parameter, insbesondere des ausschließlich beim Prostatakarzinom verwendeten Gleason-Scores. Über die (Histo-)Pathologie des Prostatakarzinoms und dessen Vorstufen geben Reichelt und Ebersdobler einen Überblick; darüber hinaus enthält dieser Beitrag eine Zusammenfassung aktueller Forschungsansätze über die so dringend benötigten molekularen Marker.

Bei der Therapie des lokalisierten Prostatakarzinoms haben neue, potenziell weniger belastende Operations- und Bestrahlungsverfahren Einzug gehalten. Die roboterassistierte Da-Vinci-Prostatektomie hat zumindest in den USA die offene Operation und die konventionelle Laparoskopie als Standard abgelöst. Diese zunächst Marketing-getriebene Entwicklung wird zunehmend durch klinische Daten einschließlich kleinerer randomisierter Studien gestützt (s. Beitrag von Grimm et al.). Bei der Strahlenbehandlung versprechen neue Techniken mit immer höheren Strahlendosen eine bessere Tumorkontrolle bei gleichzeitig verbesserter Schonung des umliegenden Gewebes. Nach der intensitätsmodulierten Strahlenbehandlung (IMRT) ist hier zumindest in Zentren gerade die bildgestützte Strahlenbehandlung („image guided radiotherapy“, IGRT) angekommen.

Einen Überblick über den Stellenwert von Prostatektomie und Strahlenbehandlung beim lokal fortgeschrittenen Prostatakarzinom gibt der Beitrag von Pfister et al. Hier haben sich in den letzten Jahren multimodale Therapiekonzepte (Operation ggf. mit zusätzlicher Strahlentherapie, Strahlentherapie mit Hormontherapie) durchgesetzt.

Aktuell auf dem Sprung in den klinischen Alltag ist die MRT-Diagnostik des Prostatakarzinoms. Höhere Feldstärken, die Verwendung von Endorektalspulen und neue Auswertungsalgorithmen erlauben heute eine bessere Identifikation und Klassifikation des Prostatakarzinoms. Für die Zukunft sind hier zahlreiche Einsatzmöglichkeiten denkbar, z. B. im Rahmen der Prostata(erst)biopsie und bei der Operationsplanung zur Frage eines organüberschreitenden Tumorwachstums (Attenberger et al.).

Und schließlich ist gerade bei der Therapie des metastasierten, kastrationsrefraktären Prostatakarzinoms eine kleine Revolution in Gang gekommen. Hier wurden in den letzten Jahren ein neues Zytostatikum (Cabazitaxel), eine Immuntherapie (Sipuleucel T), eine neuartige Hormontherapie (Abiraterone) und ein neuer Androgenrezeptorblocker (Enzalutamid) zugelassen. Für eine weitere Substanz wird die Zulassung (Alpharadin) noch in diesem Jahr erwartet. Durch die zahlreichen neuen Möglichkeiten wird in den nächsten Jahren eine neue Therapiesequenz definiert werden müssen. Cathomas et al. fassen in ihrem Beitrag die wesentlichen Daten zu diesen Medikamenten zusammen, geben Hinweise für die Sequenztherapie und einen Ausblick auf weitere Substanzen, die sich teilweise bereits in Phase-3-Studien befinden.

Durch seine hohe Inzidenz ist das Prostatakarzinom in den letzten Jahren zunehmend in den Fokus der Forschung(sförderung), der Industrie, aber auch der Kostenträger im Gesundheitswesen, der Gesundheitspolitik und der Medien gerückt. Ein aktuell herausragendes Beispiel ist die in letzter Zeit vielfach in (medizinischen Fach-)Zeitschriften diskutierte PREFERE-Studie; es handelt sich um 11 Teilstudien, die aktive Überwachung, Strahlenbehandlung sowie Brachytherapie im Vergleich zur Operation bei 7600 Patienten bewerten sollen. Die Ergebnisse dieser Studie werden im Jahr 2030 erwartet. So lange wird es dauern, bis wir auch bei guter Rekrutierung eine zuverlässige Antwort auf den optimalen Einsatz der aktuell verfügbaren Behandlungsverfahren bekommen.

Diese spannenden Entwicklungen und den aktuellsten Stand in der Diagnostik und Therapie des Prostatakarzinoms haben wir mit den Autoren dieser Ausgabe der Zeitschrift Der Onkologe nachfolgend für Sie zusammengefasst.

Für die Schriftleiter: M.-O. Grimm

Für die Herausgeber: M. Bamberg