Die Modellierung ist im Wasserbau essenziell, um Probleme zu analysieren, Lösungen zu erarbeiten und Maßnahmen zu entwickeln sowie die Auswirkungen dieser abzuschätzen. In den letzten Jahrzehnten gab es große Fortschritte in der numerischen Simulation, wo sich die Rechenleistung von Computersystemen bis hin zum Einsatz von Supercomputern enorm steigerte. Dies umfasst zentral den Bereich der Hydrodynamik, aber auch beim Sedimenttransport, der Morphodynamik oder der Habitatmodellierung gab es signifikante Weiterentwicklungen. Dabei kam es z. B. im Bereich des Hochwasserrisikomanagements zur Definition von 2D-Modellen als Stand der Technik bei Abflussuntersuchungen und zunehmend finden 3D-Modelle Anwendung bei der Simulation von komplexen Strömungsverhältnissen, u. a. im Bereich der Wasserkraft. In jüngster Zeit kommen auch die Large-Eddy-Simulation (LES) oder Direkte Numerische Simulation (DNS) vor allem in der Wissenschaft zum Einsatz. Die Erhaltungsgleichungen der Physik wie Massen‑, Impuls- und Energiegleichung bedürfen einer numerischen Lösung. Dabei spielen Turbulenzmodelle eine wesentliche Rolle. Empirische Formelansätze wie Fließformeln oder Sedimenttransportformeln sind für die Hydrodynamik- und Feststofftransportmodellierung erforderlich. Diese Ansätze, aber auch das dahinterliegende Prozessverständnis, basieren vielfach auf physikalischen Modellversuchen oder auch Naturmessungen. Letztere sind jedenfalls erforderlich, um numerische Modelle aufzubauen oder zu kalibrieren. In der jüngeren Zeit stellte sich heraus, dass bei der numerischen Simulation – insbesondere betreffend die empirischen Formelansätze – Limitationen bei der Prozessbeschreibung bestehen. Dies liegt unter anderem daran, dass die Entwicklung verschiedener Formelansätze in relativ kleinen Modellmaßstäben stattfand und damit komplexe Strömungsverhältnisse in der Natur, wie beispielsweise kohärente Strukturen, im Modell nicht ausreichend auftraten. Insbesondere beim Sedimenttransport, der Morphodynamik, der Simulation von Vegetation oder auch bei Untersuchungen mit Fischen bis hin zum Menschen sind Versuche in großem Maßstab bis 1:1 notwendig. Vielfach bieten sogenannte Skalenfamilien, die von kleinmaßstäblichen Modellversuchen bis zu 1:1 reichen, eine Möglichkeit, Verbesserungen der empirischen Formeln zu erzielen. Ein weiterer Ansatz liegt darin, in sogenannter hybrider Modellierung eine Kombination aus numerischer und physikalischer Modellierung anzustreben. Letztlich dient die Verknüpfung von Theorie, Modellversuchen, numerischer Simulation und Naturmessungen dem Erkenntnisgewinn und der Ableitung von praktischen Lösungsansätzen im Wasserbau.

In diesem Heft der Österreichischen Wasser- und Abfallwirtschaft finden sich 11 Artikel, die sich mit theoretischen Grundlagen und praktischen Anwendungen der Modellierung im Wasserbau beschäftigen.

Der erste Teil dieses Hefts behandelt die Bedeutung großmaßstäblicher physikalischer Modellversuche, wobei auch numerische Simulationen Eingang finden. Im zweiten Teil liegt der Fokus auf einem praktischen Beispiel, wo sowohl Computermodelle als auch physikalische Modelle zum Einsatz kommen.

Der erste Artikel von Habersack stellt die Entwicklung des BOKU Wasserbaulabors von der Idee bis zur Umsetzung dar. Einerseits beschreibt der Artikel den Bedarf für großmaßstäbliche Modellversuche zur Verbesserung des Prozessverständnisses, wozu auch erste Erkenntnisse aus dem Betrieb dargestellt werden. Andererseits wird Einsicht in die Funktionen, den Aufbau, die Errichtung und den geplanten Betrieb des BOKU Wasserbaulabors gegeben.

Sindelar et al. behandeln folglich die Skalierungseffekte in einer Fließstrecke mit Buhnen bei den Maßstäben 1:1 und 1:5, wo die Bedeutung der Großmaßstäblichkeit zum Ausdruck kommt. Es wird gezeigt, dass die turbulente kinetische Energie (TKE) im Maßstab 1:1 größer ist als im Maßstab 1:5, womit die Wichtigkeit von 1:1-Versuchen unterstrichen wird, wenn turbulente Vorgänge, das Widerstandsverhalten umströmter Körper oder der Sedimenttransport eine wesentliche Rolle spielen.

Der Artikel von Glas et al. untersucht Skaleneffekte auf die Hydrodynamik anhand numerischer Simulationen im Konnex zu den physikalischen Experimenten des vorigen Artikels. Dabei zeigte sich, dass im Gegensatz zur modellierten Fließgeschwindigkeit generell große Unterschiede in der modellierten turbulenten kinetischen Energie zwischen den Skalen 1:1 und 1:5 auftraten. Das Turbulenzniveau wurde bei 1:1 dabei um das 5‑ bis 10-fache, in manchen Fällen sogar um das 20-fache des Werts bei 1:5 überschritten.

Die Kombination von klein- und großskaliger physikalischer Modellierung ist Gegenstand des Artikels von Gold et al. Die Arbeit fokussiert auf den Geschiebetransport in Fließgewässern im Kontext von Laufwasserkraftwerken. Methodisch wurden 1:20- und 1:1-Modelle verwendet. Die Wehrsegmentposition beeinflusste die Spüleffizienz deutlich. Der 1:1-Versuch konnte kleinere Korngrößen mitmodellieren, welche im skalierten Modell nicht mehr abgebildet werden können.

Die Simulation von Vegetation im Maßstab 1:1 ist Gegenstand des Beitrags von Klösch et al. Der im BOKU Wasserbaulabor gegebene Freispiegeldurchfluss von bis zu 10 m3s−1 erlaubt Versuche im 1:1-Maßstab an einzelnen Pflanzen und ganzen Pflanzenverbänden. Messungen zur Verformung und Strömungswiderstandskraft einzelner Pflanzen sowie zu den Fließgeschwindigkeiten in Pflanzenverbänden bilden die Grundlage für die Entwicklung und Überprüfung eines numerischen Modells.

Die Skalierung von Fischen ist nicht möglich, weshalb 1:1-Modellversuche, wie in Sindelar et al. dargestellt, zunehmende Bedeutung gewinnen. In ethohydraulischen Versuchen wurde nachgewiesen, dass die Leitfischarten Aitel und Gründling bei den Durchflüssen Q330 und MQ die geplante Buhnenstrecke des Wienflusses durchwandern können. Naturähnliche 1:1-Versuche im BOKU Wasserbaulabor erlauben es, das volle Spektrum der turbulenten Strömung abzubilden und durch Einsatz von Donauwasser Wasserqualitätsprobleme auszuschließen.

Die Ergebnisse der vorgestellten ökohydraulischen, numerischen Modelle in Hauer et al. zeigen, dass für Fragen des Sedimentmanagements ökologische Optimierungen möglich sind. Weiters erlauben neue Habitatbewertungs-Methoden, die Auswirkungen flussbaulicher Maßnahmen in Bezug auf Schwall-Sunk zu bewerten. „Ethohydraulische“ Untersuchungen, wie in den vorgestellten „Sediment Impact Assessment Flumes“ im BOKU Wasserbaulabor, zeigen die Wirkungszusammenhänge für Gewässerorganismen auf.

Buchinger et al. behandeln die systematische Analyse der Abdriftmechanismen von Menschen als Beitrag zur Minimierung des Hochwasserrisikos. Ziel der beschriebenen Versuche ist es, die Abdriftgefährdung von Personen, die ebenfalls nicht skalierbar sind, bei Hochwasser unter möglichst realen Bedingungen, bei definierten Wasserständen und Fließgeschwindigkeiten im BOKU Wasserbaulabor nachzubilden. Bei den Versuchen werden sowohl der Untergrund als auch das Schuhwerk mitbetrachtet.

Erfahrungen und Perspektiven gegenständlicher Modelle für Fließgewässer beschreiben Hengl et al. Demnach sind gegenständliche Modelle (physikalische Modelle, die als Objekt existieren) nach wie vor wichtige Instrumente für die Beantwortung von Fragen im Wasserbau und in der Gewässermorphologie. Laut Hengl et al. wird die Verbindung zwischen gegenständlicher und numerischer Modellierung, die sogenannte hybride Modellierung, immer intensiver genutzt, um die Vorteile beider Methoden zu verbinden.

Die letzten beiden Artikel dieses Heftes behandeln ein praktisches Beispiel der Integration verschiedener Nutzungen und Schutzziele am Mondsee. Preiml et al. stellen in Teil I – Hydraulik dar, dass mithilfe eines hybriden Modellierungsansatzes gezeigt werden kann, dass eine deutliche Erhöhung des Abflusses durch die Vergrößerung des effektiven Fließquerschnitts flussauf und eine Anpassung der Klappenstellung am Klauswehr möglich ist, um zu einer allgemein akzeptierten und damit realisierbaren optimierten Seesteuerung für ein verbessertes Hochwasserrisikomanagement am Mondsee zu kommen.

In Teil II diskutieren Klingler et al. die Hydrologie in Zusammenhang mit der Optimierung der Klauswehrordnung des Mondsees. Es wurde die Grundlage für eine adaptierte Klauswehrordnung erarbeitet, welche nicht nur hinsichtlich des Hochwasserschutzes, sondern unter Einbeziehung aller Nutzergruppen-Ansprüche saisonal optimiert wurde. Die Ergebnisse zeigen klar, dass Verbesserungspotenzial hinsichtlich der Klauswehrordnung 1982 vorhanden ist und Seen mit großer Oberfläche grundsätzlich ein hohes Retentionspotenzial aufweisen.

Die Fachartikel dieses Themenhefts der ÖWAW stellen somit die Bedeutung von physikalischen Modellversuchen im Zusammenwirken mit numerischen Simulationen und Naturmessungen dar. Es wird deutlich, dass für die Verbesserung des Prozessverständnisses großmaßstäbliche Versuche bis zu 1:1 im Verbund mit kleinmaßstäblichen Untersuchungen in sogenannten Modellfamilien sinnvoll sind. Das verbesserte Prozessverständnis ermöglicht die Weiterentwicklung numerischer Modelle, die auf der mathematischen Beschreibung der Zusammenhänge basieren. Weitere Verbesserungen sind in der hybriden Modellierung als Kombination von physikalischen und numerischen Modellen zu erwarten. Durch die steigende Verfügbarkeit an Naturmessdaten und von Daten aus physikalischen und numerischen Modellierungen wird künftig die Verwendung von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Modellierung im Wasserbau zunehmen.